TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/27 W216 2225011-1

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Veröffentlicht am 27.05.2020
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Entscheidungsdatum

27.05.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W216 2225011-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 15.10.2019, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer hat am 23.07.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in der Folge: belangte Behörde) unter Vorlage eines Konvoluts an medizinischen Unterlagen einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde in der Folge ein medizinisches Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 02.09.2019, mit dem Ergebnis eingeholt, dass ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. festgestellt wurde.

Im Rahmen des von der belangten Behörde mit Schreiben vom 05.09.2019 gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden vom Beschwerdeführer keine Einwendungen erhoben.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.10.2019 hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 23.07.2019 auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe, womit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses (Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H.) nicht vorliegen würden. In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG. Als Beilage wurde das Gutachten des Facharztes für Orthopädie vom 05.09.2019 beigefügt.

3. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer - unter Vorlage medizinischer Befunde - mit Schreiben vom 24.10.2019 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die sensomotorische Polyneuropathie Stufe 2 nicht entsprechend berücksichtigt worden sei. Er habe nun auch einen Befund über eine Gastroskopie vorgelegt. Weitere Erkrankungen, zum Beispiel Zuckerkrankheit, seien nicht erfragt worden. Er übermittle weiters Röntgen und Ultraschall der linken Schulter und der Halswirbelsäule.

4. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 04.11.2019 vorgelegt.

5. Zur Überprüfung des Beschwerdevorbringens sowie der vom Beschwerdeführer neu vorgelegten medizinischen Beweismittel ersuchte das Bundesverwaltungsgericht eine Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie um Erstellung eines Sachverständigengutachtens basierend auf der Aktenlage.

In diesem medizinischen Gutachten vom 20.02.2020 wurde - unter Anführung der konkreten Funktionseinschränkungen sowie der jeweiligen Positionsnummer und des Grades der Behinderung - zusammengefasst ausgeführt, dass aus gutachterlicher Sicht nach neuerlicher allgemeinmedizinischer aktenmäßiger Beurteilung und nach Berücksichtigung der im Akt vorliegenden Befunde und Gutachten keine abweichende Beurteilung aus dem Beschwerdevorbringen resultiere.

6. Mit Schreiben vom 31.03.2020 wurden dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen eines Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und - unter Hinweis und Beachtung des Art. 16 § 1 Abs. 1 des 2. COVID-19-Gesetzes - die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu bis zum 15.05.2020 zu äußern.

Weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde haben eine Stellungnahme erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer stellte am 23.07.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

Pos.Nr.

GdB%

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Unterer Rahmensatz, da fortgeschrittene radiologische Veränderungen bei mäßigen Funktionseinschränkungen und ohne Wurzelkompressionszeichen.

02.01.02

30

2

Hüfttotalendoprothese links, Hüftgelenkarthrose rechts 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da beidseits mäßige Beweglichkeitseinschränkung.

02.05.08

30

3

Bluthochdruck Fixer Rahmensatz

05.01.02

20

4

Polyneuropathie 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Missempfinden ohne objektivierbares motorisches Defizit.

04.06.01

20

5

Zustand nach Arthroskopie beider Kniegelenke und vordere Kreuzbandersatzplastik rechts Unterer Rahmensatz, da ohne Reizerguss und ohne Beweglichkeitseinschränkung .

02.02.01

10

Der beim Beschwerdeführer vorliegende Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v.H.

Leiden 1 und 2 betreffen das gleiche Organsystem und wirken sich ungünstig aufeinander aus, Leiden 2 erhöht daher führendes Leiden 1. Leiden 3 und 4 betreffen andere Organsysteme und sind geringgradig ausgeprägt, daher keine Erhöhung von führendem Leiden 1. Leiden 5 ist von zu geringem Ausmaß und ist daher eine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit führendem Leiden 1 nicht gegeben.

Es liegt ein Dauerzustand vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Das Datum der Einbringung des Antrags sowie der Gegenstand des angefochtenen Bescheides stützen sich auf den Akteninhalt.

2.2. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.3. Der festgestellte Grad der Behinderung basiert auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie vom 20.02.2020 in Verbindung mit dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 05.09.2019. Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers, deren Ausmaß und wechselseitige Leidensbeeinflussung vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholte Gutachten setzt sich umfassend und nachvollziehbar mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden, den von ihm erhobenen Einwendungen und dem durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten auseinander. Die getroffenen Einschätzungen stimmen mit den im Rahmen der Untersuchung des Beschwerdeführers und anhand der Befundlage festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen überein. Diese wurden auch entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig zugeordnet.

Diesbezüglich ist im Lichte der Anlage zur Einschätzungsverordnung festzuhalten, dass die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (Leiden 1) im Gutachten vom 20.02.2020 zutreffend der Positionsnummer 02.01.02 mit dem unteren Rahmensatz von 30 v.H. zugeordnet wurden. Eine höhere Einstufung ist nicht gerechtfertigt, da weder höhergradige Funktionseinschränkungen noch Wurzelkompressionszeichen feststellbar sind.

Hinsichtlich der festgestellten Hüfttotalendoprothese links, Hüftgelenkarthrose rechts (Leiden 2) wurde von der Sachverständigen korrekt die Positionsnummer 02.05.08 mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz von 30 v.H. gewählt, zumal beidseits mäßige Beweglichkeitseinschränkungen vorliegen. Eine höhere Einstufung ist nicht gerechtfertigt, da die Grenzen des möglichen Bewegungsumfangs in dieser Position nicht erreicht werden. Der Bewegungsumfang der Hüftgelenke ist weniger stark eingeschränkt.

In Hinblick auf den Bluthochdruck (Leiden 3) wurde von der Sachverständigen korrekt die Positionsnummer 05.01.02 mit dem oberen Rahmensatz von 20 v.H. entsprechend dem fixen Rahmensatz herangezogen. Es ist der sachverständigen Fachärztin zuzustimmen, dass eine höhere Einstufung bei behandelbarem Bluthochdruck und unauffälligen Befunden nicht möglich ist.

Die Polyneuropathie (Leiden 4) wurde unter Heranziehung der Positionsnummer 04.06.01 mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz von 20 v.H. richtig bewertet, da zwar ein Missempfinden vorliegt und durch die Befunde objektiviert werden kann, jedoch kein motorisches Defizit festzustellen ist. Eine höhere Einstufung ist somit nicht möglich.

Hinsichtlich des festgestellten Zustandes nach Arthroskopie beider Kniegelenke und vordere Kreuzbandersatzplastik rechts (Leiden 5) wurde von der Sachverständigen ebenfalls korrekt die Positionsnummer 02.02.01 mit dem unteren Rahmensatz von 10 v.H. gewählt, zumal kein Reizerguss und keine Bewegungseinschränkung vorliegen.

2.4. Die Einwendungen des Beschwerdeführers in seinem Beschwerdevorbringen waren nicht geeignet, eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die befasste Sachverständige nahm zu den Einwendungen sowie zu jedem neu vorgelegten Befund ausführlich Stellung und erläuterte nachvollziehbar, warum eine höhere Einschätzung der beim Beschwerdeführer festgestellten Funktionseinschränkungen nicht gerechtfertigt ist.

So wurde u.a. aufgezeigt, dass - entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers - die dokumentierte Polyneuropathie zwar zu Missempfindungen führe, jedoch zu keinem motorischen Defizit. Der vorgelegte Befund der Gastroskopie dokumentiere geringgradige Veränderungen, die durch entsprechende Vermeidungsverhalten bzw. durch Magenschutz ergänzend zur analgetischen Therapie behandelt werden sollten. Der Befund erreiche nicht das Ausmaß eines behinderungsrelevanten Leidens. Beantragte behinderungsrelevante Leiden werden einer Einstufung unterzogen, wenn sie dokumentiert bzw. objektivierbar sind. Ein Abfragen sämtlicher möglicher Leiden ist nicht durchführbar. Im Bereich der linken Schulter habe kein behinderungsrelevantes Leiden festgestellt werden können, bei der Begutachtung vom 02.09.2019 seien keine Funktionseinschränkungen vorgelegen. Die vorgelegten Befunde der bildgebenden Diagnostik führten zu keiner abweichenden Beurteilung. Die degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule seien in der getroffenen Einschätzung von Leiden 1 erfasst worden. Die Sachverständige legt schlüssig dar, dass aus dem Beschwerdevorbringen im Ergebnis keine abweichende Beurteilung resultiere.

Zusammengefasst konnten die Angaben des Beschwerdeführers somit nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises; es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Das Beschwerdevorbringen war somit nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. vorliegt, zu entkräften.

Das im Beschwerdeverfahren eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen substantiiert in Zweifel zu ziehen. Die durch die mit der Beschwerde nachgereichten Beweismittel dokumentierten Funktionseinschränkungen wurden ausreichend berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer ist dem - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten auch nicht im Rahmen des ihm seitens des Bundesverwaltungsgerichts hierzu eingeräumten Parteiengehörs entgegengetreten.

Das im Beschwerdeverfahren eingeholte Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung einer fachkundigen Laienrichterin ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."

"§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

(...)"

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

§§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

"Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen."

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 Einschätzungsverordnung sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN). Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023; 20.05.2015, 2013/11/0200).

Gegenständlich wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zwecks Beurteilung des Beschwerdevorbringens ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie eingeholt, das auf Basis der Aktenlage erstattet wurde und den von der Judikatur (sowie von der Einschätzungsverordnung) aufgestellten Anforderungen entspricht.

Wie oben eingehend ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung dieses schlüssige Sachverständigengutachten vom 20.02.2020 (in Verbindung mit dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 05.09.2019) zugrunde gelegt, wonach der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers 40 v.H. beträgt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die Einwendungen in der Beschwerde nicht geeignet, den Sachverständigenbeweis zu entkräften.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt 40 v.H. beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall sind maßgebend für die Entscheidung die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen und der daraus resultierende Gesamtgrad der Behinderung.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind. Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit, sich zu äußern bzw. Beweismittel vorzulegen. Von dieser Möglichkeit wurde im gegenständlichen Fall jedoch kein Gebrauch gemacht.

Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W216.2225011.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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