TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/27 W201 2229208-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.05.2020
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Entscheidungsdatum

27.05.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W201 2229208-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR sowie den fachkundigen Laienrichter

Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch den KOBV - Der Behindertenverband für Wien, NÖ & Burgenland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 05.11.2019, OB XXXX in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 11.02.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), u Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung " in den Behindertenpass liegen nicht vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte einlangend am 26.04.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung (StVO), welcher auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gilt, sofern die antragstellende Partei nicht bereits im Besitz eines solchen ist.

2. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 08.08.2019 eingeholt, in welchem zusammengefasst (auszugsweise) im Wesentlichen Folgendes festgehalten wurde.

"Klinischer Status- Fachstatus:

Allgemeinzustand normal. Ernährungszustand adipös.

Kopf/Hals: Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Visus und Gehör altersentsprechend unauffällig, unauffällige Halsorgane.

Thorax/Herz/Lunge: Schrittmacher linkspektoral, auskultatorisch unauffällig, Nichtraucher seit 40 Jahren, keine Atemauffälligkeiten. Blutdruck 120/70

Abdomen: Über TN, reizlose Narben, unauffällige Organgrenzen, keine Druckempfindlichkeit.

Obere Extremitäten: Narbe rechte Axilla, altersentsprechend frei beweglich, kein Tremor.

Untere Extremitäten: Narbe am linken Oberschenkel ventral, leichte Instabilität linkes Kniegelenk, keine Ödeme, keine sensomotorischen Defizite.

Wirbelsäule: Normal strukturiert, Narbe rechter Thorakalbereich dorsal, ausreichend frei bewegliche HWS, BWS, LWS. FBA im Stehen: 20cm.

Gangbild-Gesamtmobilität: Kommt mit 2 UASK ins Untersuchungszimmer, kann im Zimmer selbst frei auf seinen Beinen stehen und hier auch frei (verlangsamt) gehen, kann sich im Wesentlichen alleine aus- und ankleiden.

Status Psychicus: Voll orientiert, Stimmung und Antrieb unauffällig, kooperativ.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Position

GdB

01

Entfernung eines Melanoms im Bereich der rechten Schulter im Jahr 2000 und Zustand nach multiplen nodulären Melanomen - zuletzt 2015 Schulter links Unterer Rahmensatz, da im Stadium der Heilungsbewährung ohne bekannte Progression.

13.01.03

50 vH

02

Tumornephrektomie rechts im Jahr 1998 Oberer Rahmensatz, da dokumentierte Nierenfunktionseinschränkung vorliegt.

13.01.02

40 vH

03

Tumorresektionsendoprothese linkes Knie (Metastase eines Nierenzellkarzinoms) Wahl dieser Position, da geringe Instabilität gegeben ist.

02.05.20

30 vH

04

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung -COPD II Unterer Rahmensatz, da moderate Form vorliegt. Zustand nach peripherer beidseitiger Lungenembolie in dieser Beurteilung mitberücksichtigt.

06.06.02

30 vH

05

Hypertonie Schrittmacherimplantation in dieser Beurteilung mitberücksichtigt.

05.01.02

20 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

60 vH

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch das Hinzukommen von Leiden 2 und 3 - die als funktionelle Einheit ein relevantes Zusatzleiden darstellen - um eine weitere Stufe erhöht. Keine Erhöhung der Leiden 4 und 5 wegen fehlender ungünstiger Beeinflussung des Hauptleidens und fehlender maßgeblicher Relevanz.

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:

- Der Untersuchte ist Träger von Osteosynthesematerial

- Der Untersuchte ist Prothesenträger

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor wegen:

- Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit.

Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

- Keine. Öffentliche Verkehrsmittel sind zumutbar, da weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten und der Wirbelsäule, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vorliegen. Unter Berücksichtigung des erhobenen Untersuchungsbefundes und der vorliegenden Befunde kann eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe - allenfalls unter Verwendung eines Gehstockes/einer Unterarmstützkrücke, da damit die Stand- und Gangsicherheit (bedingt durch die vorliegende leichtere Instabilität des linken Kniegelenkes) optimiert werden kann - ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Das erforderliche Hilfsmittel erschwert die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in erheblichem Ausmaß. Die vorliegenden dauernden Gesundheitsschäden wirken sich nicht erheblich auf die Möglichkeit des sicheren Ein- und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels gegebenen Bedingungen aus. Das behinderungsbedingte ständige Erfordernis der Verwendung zweier Unterarmstützkrücken zur Fortbewegung für kurze Wegstrecken ist durch die festgestellten Funktionseinschränkungen nicht begründbar."

3. Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG am 08.10.2019 erteilten Parteiengehörs wurden keine Einwendungen erhoben.

4. Am 09.10.2019 hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 40, § 41 und

§ 45 BBG einen unbefristeten Behindertenpass ausgestellt, einen Grad der Behinderung in Höhe von 60 vH eingetragen und die Zusatzeintragungen "Der Inhaber des Passes ist Träger von Osteosynthesematerial", "Der Inhaber des Passes ist Träger einer Prothese" und "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" vorgenommen.

5. Mit dem am 05.11.2019 erlassenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.

Die Abweisung wurde mit dem Ergebnis der fachärztlichen Untersuchung begründet. Als Beilage zum Bescheid wurde das eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX übermittelt.

6. Gegen den Bescheid vom 05.11.2019 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" wurde vom bevollmächtigten Vertreter unter Vorlage von zwei Röntgenbildern fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass die Tumorresektionsendoprothese links länger sei als eine normale Knieprothese weshalb der Beschwerdeführer nur mit zwei Stützkrücken gehen könne. Mit diesen könne er keinesfalls 300m zurücklegen und auch keine Stiegen steigen. Auch habe der Beschwerdeführer im Rahmen der Untersuchung angegeben, dass er keine 100m gehen könne. Die Gehleistung des Beschwerdeführers sei durch die COPD zusätzlich eingeschränkt. Er habe nach der Knieendoprothesenoperation eine Pulmonalembolie erlitten. Auf Grund der COPD bekomme er schlecht Luft und leide unter Atemnot. Insgesamt lägen daher erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten und der körperlichen Belastbarkeit vor weshalb dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei. Als Beweis würden die vorgelegten Befunde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einholung von Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Orthopädie und Lungenheilkunde genannt.

7. Zur Überprüfung der Beschwerde hat die belangte Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten von DDr. XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 10.02.2020 eingeholt, in welchem zusammengefasst (auszugsweise) im Wesentlichen Folgendes festgehalten wurde:

"Klinischer Status- Fachstatus:

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen, Narbe hinter dem linken Ohr.

Thorax: symmetrisch, elastisch, Schrittmacher links pektoral, Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, ggr. Druckschmerz. Narbe Oberbauch bis Unterbauch median. Integument: unauffällig.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten: Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen sicher möglich, Zehenballenstand und Fersenstand beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken kurz durchführbar. Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich. Die Beinachse ist im Lot. Verschmächtigung der Oberschenkelmuskulatur links. Beinlänge ident, keine Beinlängendifferenz. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen. Hüftgelenk links: Narbe bis linkes Kniegelenk nach Implantation einer Endoprothese linkes Knie mit langem Schaft, kein Stauchungsschmerz, endlagige Rotationsschmerzen. Kniegelenk links: Narbe nach Implantation einer Endoprothese mit langem Schaft, geringgradige Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, endlagige Beugeschmerzen, stabil. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften S bds. 0/100, IR/AR 10/0/30, Knie rechts 0/0/130, links 0/0/105, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° möglich.

Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich. BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich. Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt selbständig gehend mit Freizeitschuhen mit 2 Unterarmstützkrücken, das Gangbild im Untersuchungszimmer ohne Schuhe und ohne Anhalten ist mäßig links hinkend, Spur nicht verbreitert, Schrittlänge nicht verkürzt, Richtungswechsel mit Anhalten sicher möglich. Gesamtmobilität harmonisch. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig, zum Teil mit Hilfe, im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

01

Entfernung eines Melanoms im Bereich der rechten Schulter im Jahr 2000 und Zustand nach multiplen nodulären Melanomen - zuletzt 2015 Schulter links ohne bekannte Progression

02

Tumornephrektomie rechts im Jahr 1998, dokumentierte Nierenfunktionseinschränkung

03

Tumorresektionsprothese linkes Kniegelenk

04

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung - COPD II, Zustand nach peripherer beidseitiger Lungenembolie in dieser Beurteilung mitberücksichtigt

05

Hypertonie, Schrittmacherimplantation

Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

- Keine. Es besteht kein ausgeprägt eingeschränktes Gangbild. Dem Antragsteller ist es möglich kurze Wegstrecken (300 bis 400 Meter), allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, selbstständig zurückzulegen, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in sich bewegenden öffentlichen Verkehrsmitteln ist nicht maßgeblich beeinträchtigt. Das behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung von

2 Unterarmstützkrücken zum Zurücklegen kurzer Wegstrecken ist durch festgestellte Funktionseinschränkungen und dokumentierte Leiden nicht ausreichend begründbar. Die Greiffunktion der oberen Extremität ist ausreichend erhalten. Eine maßgebliche Behinderung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht ausreichend begründbar. Eine höhergradige körperliche Beeinträchtigung bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung II konnte anhand der Begutachtung und der vorliegenden Befunden nicht festgestellt werden.

8. Am 11.02.2020 erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher die Beschwerde gegen den Bescheid vom 05.11.2019 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen wurde.

Als Beilage zum Bescheid wurde das Sachverständigengutachten Dris. XXXX übermittelt.

9. Mit Schreiben vom 28.02.2020, hat die bevollmächtigte Vertretung ohne Beibringung weiterer Beweismittel rechtzeitig die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beantragt. Es wurde vorgebracht, dass kein Sachverständigengutachten der Fachrichtung Lungenheilkunde eingeholt worden sei und dass die gegenseitige Leidensbeeinflussung nicht berücksichtigt worden sei. Als Beweise würden die vorliegenden Befunde, ein einzuholendes Sachverständigengutachten der Fachrichtung Lungenheilkunde und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung genannt.

10. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am 04.03.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses.

1.2. Der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ist am 26.04.2019 bei der belangten Behörde eingelangt.

Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 04.03.2020 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

1.3. Beim Beschwerdeführer liegen folgende Funktionseinschränkungen vor:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

01

Entfernung eines Melanoms im Bereich der rechten Schulter im Jahr 2000 und Zustand nach multiplen nodulären Melanomen - zuletzt 2015 Schulter links ohne bekannte Progression

02

Tumornephrektomie rechts im Jahr 1998, dokumentierte Nierenfunktionseinschränkung

03

Tumorresektionsprothese linkes Kniegelenk

04

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung - COPD II, Zustand nach peripherer beidseitiger Lungenembolie in dieser Beurteilung mitberücksichtigt

05

Hypertonie, Schrittmacherimplantation

1.4. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke (ca. 300 m - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, ohne maßgebende Unterbrechung zurücklegen bzw. wird durch die Verwendung allenfalls erforderlicher Behelfe die Benützung des öffentlichen Transportmittels nicht in hohem Maße erschwert. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt.

Es liegen weder erheblichen dauerhaften Einschränkungen der unteren oder der oberen Extremitäten vor. Das Erfordernis der Benützung von zwei Unterarmstützkrücken kann nicht festgestellt werden.

Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sind ausreichend. Bei genügender Funktionsfähigkeit der oberen Extremitäten ist das Festhalten beim Ein- und Aussteigen sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich anzuhalten, genügend möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.

Es liegen keine erheblichen dauerhaften Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit in einem Ausmaß vor, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglicht.

Beim Beschwerdeführer liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich - auch im Gesamtbild - nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.

1.5. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1. und 1.2.) Die Feststellungen zu den Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem - diesbezüglich widerspruchsfreien - Akteninhalten.

Zu 1.3. bis 1.5.) Die Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen auf den durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX , basierend auf den persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers.

Die durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden, deren Ausmaß und Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausführlich eingegangen. Die genannten Sachverständigengutachten werden daher der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

Es wird in den eingeholten Gutachten schlüssig, nachvollziehbar und im Einklang mit dem erhobenen Untersuchungsbefund ausgeführt, dass kein ausgeprägt eingeschränktes Gangbild vorliegt und es dem Beschwerdeführer möglich ist Wegstrecken von 300 - 400m allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe (zB Gehstock) zurückzulegen. Im Rahmen der durchgeführten Untersuchung konnten zwar eine leichte Umfangvermehrung des linken Kniegelenkes mit endlagigen Beugeschmerzen objektiviert werden, es kann aber weder aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden noch aus den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen objektivierten Funktionsumfängen auf das Erfordernis der Benützung von zwei Unterarmstützkrücken geschlossen werden. Es konnte im Rahmen beider erstinstanzlichen Untersuchungen objektiviert werden, dass der Beschwerdeführer auch ohne Unterarmstützkrücken in der Lage ist sich frei fortzubewegen. So zeigte sich das Gangbild ohne Hilfsmittel zwar verlangsamt, aber nur mäßig links hinkend, bei nicht verbreiterter Spur und nicht verkürzter Schrittlänge wobei die Gesamtmobilität harmonischer erschien. Auch wird im vorgelegten Befund der Orthopädie XXXX vom 04.04.2019 beschrieben, dass nach Implantation einer Tumorresektionsendoprothese die Vollbelastung möglich ist und Krücken additiv verwendet werden können, was aber nicht den Rückschluss zulässt, dass die Benützung dieser Hilfsmittel behinderungsbedingt erforderlich ist. Auch wird im vorgelegten Befund des XXXX vom 23.01.2020 dargestellt, dass im Röntgen kein Hinweis auf eine Implantatlockerung besteht. Sollte der Beschwerdeführer zur Erhöhung der persönlichen Sicherheit zwei Unterarmstützkrücken verwenden bleibt ihm dies unbenommen, das zwingende Erfordernis der Benützung dieser Hilfsmittel konnte aber insbesondere aufgrund der erhobenen Funktionsumfänge der unteren Extremitäten nicht objektiviert werden.

Auf ein Ausmaß an Schmerzen welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne von Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke oder Überwinden von Niveauunterschied verunmöglichen würden, kann weder aus der objektivierten Gesamtmobilität des Beschwerdeführers noch aus der eingenommenen diesbezüglichen Medikation - Novalgin bei Bedarf - geschlossen werden.

Auch konnten an den oberen Extremitäten keine Einschränkungen objektiviert werden welche das sichere Anhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln verunmöglichen würden. Der Schultergürtel steht horizontal, es lagen symmetrische Muskelverhältnisse vor, die Sensibilität wurde als ungestört angegeben und die Benützungszeichen waren seitengleich vorhanden. Alle Gelenke der oberen Extremitäten waren altersentsprechend seitgleich frei beweglich.

Ein Herz- oder Lungenleiden im Sinne einer Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen oder eine hochgradige Rechtsherzinsuffizienz Lungengerüst-erkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie, COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie oder eines Emphysems mit Langzeitsauerstofftherapie liegen beim Beschwerdeführer nicht vor und werden von diesem auch nicht behauptet. Eine maßgebliche Einschränkung der Herz- oder Lungenleiden konnte nicht objektiviert werden und liegen auch keine Befunde vor, welche eine solche beschreiben. Im Rahmen der Untersuchung konnten seitengleiche Atemexkursionen, sonorer Klopfschall und Vesikuläratmung objektiviert werden. Die Herztöne waren rein und rhythmisch. Der verordnete Lungenspray wird bei Bedarf verwendet.

Auch gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Anamneseerhebung selbst an zuerst mit dem Auto und dann weiter mit der U-Bahn zur Untersuchung gekommen zu sein.

Die durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Dem Beschwerdevorbringen wurde insofern entsprochen, als die belangte Behörde ein weiteres fachärztliches auf persönlicher Untersuchung basierendes Sachverständigengutachten eingeholt hat. Das Beschwerdevorbringen war jedoch nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach eine ausreichende Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates und genügende körperliche Belastbarkeit gegeben sind bzw. sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken, zu entkräften.

Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 57/2015)

§ 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 tritt mit 1. Juli 2015 in Kraft. (§ 54 Abs. 18 BBG)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Auf den Beschwerdefall bezogen:

Wie unter Punkt II.2. ausgeführt, war den Sachverständigen zu folgen, dass weder erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten bzw. des sonstigen Stütz- und Bewegungsapparates noch erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vorliegen.

Zum Vorbringen wird angemerkt, dass sowohl die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers als auch dessen kardiopulmonale Belastbarkeit ausreichend sind. Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Gehstock) ist zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Beim Beschwerdeführer konnten auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems.

Daher ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Das Beschwerdevorbringen war nicht geeignet darzutun, dass die gutachterliche Beurteilung, wonach eine ausreichende Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates und genügende körperliche Belastbarkeit gegeben sind bzw. sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken, nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß des Beschwerdeführers entspräche.

Soweit die Einholung von Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Lungenheilkunde beantragt wird, ist dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den vergleichbaren Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) zu verweisen, wonach die Behörde verpflichtet ist, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114). Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden die durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Gegenständlich liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass die Befassung von Sachverständigen der Fachrichtungen Unfallchirurgie/Orthopädie und Allgemeinmedizin sachwidrig erfolgt ist. Die Begutachtung erfolgte nicht zu dem Zweck der Behandlung der beim Beschwerdeführer vorliegenden Gesundheitsschädigungen, sondern zur Erhebung der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher, im erstinstanzlichen Verfahren auf persönlicher Untersuchung basierende Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Der Beschwerdeführer hat von den Sachverständigengutachten vollinhaltlich Kenntnis erlangt. Im Rahmen des Beschwerdevorbringens hatte der Beschwerdeführer die Möglichkeit sich zu äußern bzw. Beweismittel vorzulegen. Es wurden der Beschwerde jedoch keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen.

Das Beschwerdevorbringen war - wie unter Punkt II.2. bzw. II.3.1. bereits ausgeführt - auch in Zusammenschau mit dem Vorlageantrag nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet, vielmehr stehen diese nicht im Widerspruch zum eingeholten Sachverständigenbeweis. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich den tragenden beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde, dass die eingeholten Sachverständigengutachten schlüssig und frei von Widersprüchen sind, angeschlossen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung einerseits von Tatsachenfragen abhängt. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen.

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende - Neuregelung beabsichtigt.

Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W201.2229208.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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