TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/27 W173 2228962-1

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Veröffentlicht am 27.05.2020
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Entscheidungsdatum

27.05.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W173 2228962-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , gegen den Bescheid vom 2.1.2020 des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Burgenland, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Auf Grund des Antrages von Frau XXXX , geb. am XXXX , (in weiterer Folge: BF) vom 9.10.2019 auf Ausstellung eines Behindertenpasses wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, eingeholt.

2.Das im Zuge dieser Untersuchung erstellte - in weiterer Folge zusammengefasste - Gutachten vom 28.11.2019 von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der BF enthält auszugsweise Folgendes: "......................

Anamnese:

Zustand nach Verbrennungsunfall an den Händen und im Hals/Kinnbereich als Kind, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Asthma bronchiale.

Derzeitige Beschwerden:

?Ich hatte als Kind einen Verbrennungsunfall an beiden Händen, ich wurde deshalb immer wieder operiert. Mit meinen Händen kann ich nicht arbeiten und ich habe auch Asthma mit spezieller Therapie, das hilft schon, jetzt geht es mir mit der Lunge besser. Ich habe auch Probleme mit dem Kreuz.'

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Nucala, Foster.

Sozialanamnese: AMS.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

19.11.2018 Dr. XXXX : akute Lumbago rez. bei Discopathie L4/5. Keine motorischen Defizite.

1.2.2017, 6.3.2017 Landesklinikum Hochegg: Asthma bronchiale, Beginn der Nucala-Therapie, mittelgradig-obstruktive Ventilationsstörung.

Befundnachreichung:

10.12.2018 Dr. XXXX : Lumbago in Remission, Discopathie L3/4, L4/5.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: Normal.

Ernährungszustand: Normal.

Größe: 160,00 cm, Gewicht: 59,00 kg, Blutdruck: 130/70

Klinischer Status - Fachstatus:

KOPF, HALS:

Keine Stauungszeichen, keine Atemnot, keine Ruhedyspnoe, keine Lippencyanose, Pupillen unauffällig, Lidschluß komplett, kein Nystagmus. Sprache normal und gut verständlich, kein inspiratorischer oder exspiratorischer Stridor. Blande Narben im Kinn/Halsbereich ohne funktionelle Einschränkung.

THORAX / LUNGE / HERZ:

Sonorer Klopfschall, basal etwas verschärftes Vesiculäratmen, normale Atemfrequenz. Reine, rhythmische Herztöne, normofrequent.

ABDOMEN:

Weich, kein Druckschmerz, Peristaltik gut auskultierbar.

WIRBELSÄULE:

Endlagige Funktionseinschränkung im Bereich der Lendenwirbelsäule. Erreicht im Sitzen mit beiden Händen den Boden, um Tasche abzustellen bzw. wiederaufzunehmen, dabei keine relevanten Funktionseinbußen. Paravertebrale Muskelverspannungen im Schulter/Nackenbereich.

EXTREMITÄTEN:

Kreuz / Nacken / Pinzetten / Spitzgriff beidseits regelrecht und vollständig durchführbar, vollständiger Faustschluss beidseits, keine Muskelatrophien. Greiffunktion beidseits erhalten. Im Bereich beider Handflächen blande Narben, Befund wie nach

Hauttransplantation, etwas Strangbildung mit endlagiger funktioneller Einschränkung, links gering Streckdefizit der Finger 2 und 3. Handgelenke beidseits in allen Ebenen frei, Pro/Supination beidseits frei. Keine offenen Stellen, keine Superinfektion, keine Kratzdefekte, keine Diskontinuität der Hautoberfläche.

Hüftgelenke frei beweglich, Kniegelenke frei, Sprunggelenke frei beweglich. Stehen und Gehen im Untersuchungszimmer ohne Hilfsmittel möglich. Keine Ödeme, Fußpulse tastbar.

GROB NEUROLOGISCH:

Keine relevanten motorischen Defizite, keine Sensibilitätsstörungen angegeben, grobe Kraft seitengleich, gute und kräftige Vorfußhebung beidseits, kein Rigor, kein Tremor, Feinmotorik regelrecht.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Unauffällig, sicher und selbstständig, keine Hilfsmittel, Setzen und Erheben unbehindert möglich.

Status Psychicus:

Voll orientiert, Ductus kohärent, Antrieb und Grundstimmung ausgeglichen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Asthma bronchiale Unterer Rahmensatz, da unter spezieller Dauertherapie klinisch kompensiert.

06.05.02.

30

2

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen Oberer Rahmensatz, da radiologische Veränderungen und endlagige funktionelle Einschränkung.

02.01.01.

20

3

Zustand nach Verbrennungsunfall im Kindesalter Unterer Rahmensatz, da weitgehend begrenzt, sowie lediglich endlagiger funktioneller Einschränkung

01.01.02.

20

Gesamtgrad der Behinderung

30v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch 2,3 mangels relevanter ungünstiger Leidensbeeinflussung nicht weiter erhöht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: --------

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Erstgutachten.

....................

X Dauerzustand,

.................................."

3. Das eingeholte Gutachten von Dr. XXXX wurde unter Einräumung einer zweiwöchigen Stellungnahmefrist dem Parteiengehör unterzogen. Die BF sah von einer Stellungnahme ab. Mit Bescheid vom 2.1.2020 wurde der Antrag der BF vom 9.10.2019 abgewiesen. Mit einem Gesamtgrad der Behinderung 30% erfülle sie die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht. Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen stützte sich die belangte Behörde in der Begründung auf das eingeholte ärztliche Gutachten, das einen Gesamtgrad der Behinderung von 30% ergeben habe und einen Bestandteil der Bescheidbegründung bilde. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses würden daher nicht vorliegen.

4. Mit Schreiben vom 7.1.20202 erhob die BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 2.1.2020. Die BF brachte vor, im Hinblick auf ihr Asthma-bronchiale-Leiden bereit zu sein, ein aktuelles Gutachten eines Lungenfacharztes beizubringen. Sie würde sich dazu einer fachärztlichen Untersuchung unterziehen. Auch ein neuer Befund eines Orthopäden könnte nachgereicht werden. Dazu brauche sie aber Termine bei den Fachärzten. Solche Vereinbarungen würden Zeit in Anspruch nehmen. Ihre Behinderung würde sich beträchtlich auf ihr Alltagsleben auswirken und Einschränkungen mit sich bringen. Ein Behindertenausweis wäre ihr in vielen Lebenslagen eine Hilfe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1.Die BF hatte in ihrer Kindheit einen schweren Verbrennungsunfall, der zu Verbrennungen an beiden Händen und im Kinn/Halsbereich führte, und Operationen nach sich zog. Sie leidet auch unter Asthma bronchiale und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung der BF beträgt 30.v.H. Dieser beruhte auf folgenden Leiden: 1. Asthma bronchiale, die mit der spezifischen Dauertherapie kompensiert werden kann (Pos.Nr. 06.05.02 - 30% GdB), 2. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit radiologischen Veränderungen und endlagigen funktionellen Einschränkungen (Pos.Nr. 02.01.01 - 20% GdB), und 3. Zustand nach einem Verbrennungsunfall im Kindesalter mit weitgend begrenzten, lediglich endlagigen funktionellen Einschränkungen (Pos.Nr. 01.01.02 - 20% GdB). Das führende Leiden (1) wurde durch die übrigen Leiden (2-3) wegen fehlender relevanter Leidensbeeinflussung nicht erhöht. Es war von einem Dauerzustand auszugehen.

1.3. Der Gesamtgrad der Behinderung der BF beträgt 30%. Die BF erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.

2. Beweiswürdigung

Es wird auf das oben auszugsweise wiedergegebene, von der belangten Behörde eingeholte schlüssige Sachverständigengutachten vom 28.11.2019 (Dr. XXXX ) verwiesen. Basis für die Einschätzung der Leiden der BF war die Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010.

Der genannte medizinische Sachverständige hat die BF persönlich untersucht und ist auf die Art der Leiden der BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den Leiden der BF und den vor ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen auseinander. Die festgestellten Funktionseinschränkungen stimmen mit den Untersuchungsergebnissen überein und sind den einzelnen Positionen der Einschätzungsverordnung nachvollziehbar zugeordnet.

Für das führende Leiden (Asthma bronchiale) wurde der untere Rahmensatz der Position O6.05.02. der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 30% herangezogen, da mit der klinischen Dauertherapie eine Kompensation erzielt wurde. Selbst die BF räumte in der persönlichen Untersuchung durch den medizinischen Sachverständigen ein, dass es ihr auf Grund der speziellen Therapie mit der Lunge bessergeht. Auch das Leiden 2 wurde auf Grund der endlagigen funktionellen Einschränkungen nachvollziehbar eingestuft. Diese stehen auch im Einklang mit den Untersuchungsergebnissen des Sachverständigen der keine relevanten motorischen Defizite und keine Sensibilitätsstörungen feststellen konnte. Die BF erreichte mit beiden Händen den Boden. Ebenso wurde die Einstufung des Zustandes der BF nach dem Verbrennungsunfall auf Grund der weitgehenden Begrenzung und der endlagigen funktionellen Einschränkungen korrekt mit dem unteren Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 20% vorgenommen worden.

Diese Einschätzungen des genannten Gutachters sind schlüssig begründet und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen der BF. Es steht auch der BF, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093). Die BF hat aber gegen das schlüssige Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 28.11.2019, das von der belangten Behörde eingeholt und dem Parteiengehör unterzogen wurde, keine Einwendungen vorgebracht. Auch im Rahmen ihrer Beschwerde hat die BF keinen aktuellen, aussagekräftigen medizinischen Befund oder ein medizinisches Gutachten mehr vorgelegt. Das von Dr. XXXX erstellte Gutachten vom 28.11.2019 steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Das Beschwerdevorbringen der BF konnte nicht überzeugen. Die BF kündigte darin allfällige neue Befunde an, wobei vorerst bei den Fachärzten Termine vereinbart werden müssten.

3.Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).

3.1.Zu Spruchpunkt A)

3.1.1.Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, idgF (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

3.1.2. Schlussfolgerungen

Der beigezogene medizinische Sachverständige hat die Einschätzung des Grades der Behinderung auf Basis der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010, vorgenommen. Dieser Maßstab ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung heranzuziehen und in den gesetzlichen Bestimmungen (§ 41 Abs. 1BBG) verankert.

Der von der belangten Behörde beigezogene ärztliche Sachverständige Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, hat sich eingehend aus medizinischer Sicht mit den Leiden der BF auseinandergesetzt. Die BF ist diesen schlüssigen Ausführungen des genannten Sachverständigen im Gutachten vom 28.11.2019 nicht mit neuen aussagekräftigen Befunden oder einem Sachverständigengutachten im Rahmen ihrer Beschwerde auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0033).

Das eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , auf das sich das Bundesverwaltungsgericht stützt, steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF ein Ausmaß von 30% erreichen und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0041; 21.9.2010, 2007/11/0228), war spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.3.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall ist für die Entscheidung maßgebend, welches Ausmaß die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF erreichen und ob dieses für die Ausstellung eines Behindertenpasses hinreichend ist. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurde dieses als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist darüber hinaus geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3.2.Zu Spruchpunkt B) (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W173.2228962.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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