Entscheidungsdatum
28.05.2020Norm
BBG §40Spruch
W217 2225198-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von Ing. XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 10.10.2019, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Frau Ing. XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) beantragte am 17.06.2019 einlangend unter Beilage eines Konvolutes an medizinischen Befunden die Ausstellung eines Behindertenpasses.
Im daraufhin eingeholten Sachverständigengutachten vom 22.08.2019, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.08.2019, wurde von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, Folgendes festgehalten:
"Anamnese:
Antragsleiden: Arthrose rechtes Knie, Wirbelsäule und Schulter rechts, hyperreagibles Bronchialsystem
Derzeitige Beschwerden:
?Ich war jetzt bei der Schilddrüsensonographie, weil ich beschwerden beim Schlucken habe, da ist herausgekommen, dass ich zwei Adenome habe. Die Ärztin hat gemeint, ich solle noch zum HNO Arzt gehen mich von dem untersuchen zu lassen. Mein HNO Arzt hat gesagt, dass ich eine Entzündung in der Speiseröhre habe. Eine Gastroskopie habe ich allerdings bis jetzt noch nicht machen lassen. Beschwerden habe ich auch in der rechten Schulter, wo ich auch jetzt eine Stoßwellentherapie bekomme, dort habe ich auch Kalkablagerungen. Beschwerden habe ich auch im rechten Knie, wo ich schon zweimal operiert worden bin. Von meiner Lunge wurde mir gesagt, dass ich das Foster 3. Wochen durchnehmen soll, jetzt soll ich es nur noch nach Bedarf nehmen. Diesbezüglich muss ich allerdings auch wieder zur Kontrolle. Atemnot habe ich bei Belastung und ich huste auch sehr viel Schleim ab. Ich mache auch jeden Tag Gymnastik für die Wirbelsäule und das Knie. Wegen meines Kniegelenkes erledige ich alle Einkäufe mit dem Fahrrad.'
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Oleovit, Cradaegutt, Pantoprazol, Vit B-KOmplex, Bei Bedarf: Foster, Doasin, Gelenk 1000, Vit B17
Sozialanamnese:
verwitwet, 1 Sohn, in Pension
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
DR. XXXX , Gruppenpraxis für Radiologie OEG vom 02.05.2019
HWS + Funktionsaufnahmen (im Stehen):
Seitenaufnahme in Neutralhaltung mit abgeflachter Lordose, in C4-C6 flache kyphotische Fehlhaltung.
C4-C5 und C5-C6 zu C3-C4 mittelgradig eingeengt, C6-C7 minimal verschmälert, an C5 und C6
vordere, größere Spondylophyten.
Die Funktionsaufnahmen in Retroflexion auch in den zwei lädierten Höhen ohne fixiertes Segment,
in Anteflexion physiologisches Treppenphänomen bis C4-C5.
Am AP-Bild occipito-cervikal linkskonvexe Fehlhaltung, Torticollis, in C5-C6 bds. nicht zu grobe, uncarthrotische Auflagerungen.
Röntgen bd. Schultergelenke (a.p. in Innenrotation, axial und Outletviewaufnahme):
Rechts:
Am Y-Bild bei nach gering cranial gerichteter Acromionspitze der subacromiale Abstand 9mm und auch sonst über 8mm breit, nicht verschmälert.
Humeruskopf glatt konturiert, unauffällig strukturiert, im Tuberculum majus etwa caudaler intraspongiöse sklerotisch begrenzte, von einigen mm bis 8mm große Cysten.
Tuberculum majus sonst glatt sklerotisch begrenzt, im Rotatorenmanschettenverlauf keine Weichteilverkalkung. Glenohumeralgelenk mit normal breitem Spalt unauffällig.
Im AC-Gelenk mittelgradige Arthrose mit winzigen Cysten, Spongiosasklerosierung, an dieser Aufnahme oberhalb vom Proc. coracoideus in den Weichteilen eine ovaläre, 3 x 5mm große Verkalkung.
Links:
Am Y-Bild auch hier der subcaromiale Abstand um 9mm breit, nicht verschmälert.
Im Rotatorenmanschettenverlauf keine Weichteilverkalkung, Humeruskopf glatt konturiert, unauffällig strukturiert. Glenohumeralgelenk mit normal breitem Spalt unauffällig, im AC-Gelenk nur minimale, degenerative Veränderungen mit beginnender Sklerosierung.
Röntgen bd. Kniegelenke (im Stehen) + Rosenbergaufnahme:
Rechts:
Erhaltene physiologische Valgussteilung, am Tibiaplateau lateral betonte, aber auch medial beginnende, arthrotische Knochenapposition, Eminentia intercondylica medialis stärker zugespitzt als lateralis, die Grenzlamellen sind glatt konturiert. Am Seitenbild nur inzipiente Knochenappositionen der dorsalen Patellakanten, dorsale Kontur und Femurgleitlager ohne größere arthrotische Auflagerungen. Im Rec. suprapatellaris minimal vermehrte Flüssigkeit.
NB: Ventromedial vor der Patella und dem distalen OS-Drittel und medialseitig am AP-Bild im prox. USDrittel wahrscheinlich Seiteastvarikose.
Links:
Physiologischer Valgus am AP-Bild erhalten, femorotibialer Gelenksspalt normal breit, Grenzlamellen
glatt konturiert, Tibiakopf und Femurcondyli ohne arthrotische Sklerosierung oder Knochenappositionen. Inzipiente Knochenapposition an der medialen Eminentia intercondylica, am Seitenbild Patellakonfiguration unauffällig, keine FP-Arthrose und intraarticulär keine pathologische Ergußmenge.
Dr.med. XXXX , vom 28.05.2019
Diagnose:protr resp Infekt
Sinusitis/ Rhinitis: Va post nasal drip
hyperreagibles Bronchialsystem, schlecht kontrolliert
Beurteilung: antiobstruktive Therapie für 4 Wochen
Mitgebrachte Befunde:
Passgutachten vom 18.05.2010: Degenerative Veränderungen des rechten Kniegelenkes, Zustand nach zweimaliger Gelenksspiegelung 20%, Gastritis 20%, Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule 10%, Gesamt GdB 20%
Schilddrüsensonographie vom 07.08.2019: Geringgradige Struma diffusa rechts, zwei Schilddrüsenadenome links wie beschrieben.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 161,00 cm Gewicht: 60,00 kg Blutdruck: 130/60
Klinischer Status - Fachstatus:
69 Jahre
Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet
Caput:, Visus: unauffällig Hörvermögen nicht eingeschränkt
keine Lippenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNA frei
Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflusstauung, Lymphknoten: nicht palpabel
Thorax. Symmetrisch, elastisch,
Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent
Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe
Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,
Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei.
Pulse: Allseits tastbar
Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. uneingeschränkt durchführbar, rechte Schulter bis 90° abduziertbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben,
Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand sowie Einbeinstand bds. durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, freie Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken, bandstabil, kein Erguss, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds.,
Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: 5 cm
Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen endlagig eingeschränkt
Gesamtmobilität - Gangbild:
normales Gangbild
Status Psychicus:
klar, orientiert
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.Nr
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Pos.Nr.
GdB %
1
Bewegungseinschränkung der rechten Schulter
02.06.03
20
2
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule oberer Rahmensatz, da eine geringgradige Bewegungseinschränkung in allen Ebenen vorliegt
02.01.01
20
3
Hyperreagibles Bronchialsystem unterer Rahmensatz, da mittels Bedarfsmedikation kompensiert
06.05.01
10
4
Arthrose rechtes Knie unterer Rahmensatz, da ohne funktionelle Einschränkung
02.05.18
10
Gesamtgrad der Behinderung 20 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
weil der führende GdB unter der Position 1 durch Leiden 2-4 nicht erhöht wird, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Geringgradiges Struma, sowie 2 SD-Ademone, da ohne Interventionsbedarf und ohne Medikation erreicht keinen GdB.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Erstmalige Einstufung nach der EVO: Besserung von Leiden 1 des VGA. Wegfall von Leiden 2 des VGA, da durch aktuelle Befunde nicht belegt. Gleichbleiben von Leiden 3 des VGA. Hinzukommen von Leiden 1+3
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
keine Änderung des Gesamt -GdB
X Dauerzustand
(...)"
2. Mit Schreiben vom 22.08.2019 wurde der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs das oben zitierte Gutachten zur Kenntnis gebracht. Hierzu brachte die Beschwerdeführerin folgende Einwendungen vor:
Sie könne weder schmerzfrei stehen noch gehen. Schmerzmittel seien aufgrund einer bestehenden chronischen Gastritis keine Option, weshalb sehr viel Geld in alternative Therapien fließen würde. Auch der Zustand der gesamten Wirbelsäule und der rechten Schulter habe sich verschlechtert. Des Weiteren habe eine Gastroskopie eine axiale Hiatushernie ergeben, was die Entzündung und die Schluckbeschwerden der Speiseröhre erklären könnte.
Unter einem übermittelte die Beschwerdeführerin weitere medizinische Befunde.
3. Die von der belangten Behörde bereits befasste Sachverständige erstattete daraufhin am 09.10.2019 folgendes Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage:
"Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Einwendungen der Antragstellerin vom 08.09.2019
Es habe sich vor allem das rechte Kniegelenk verschlechtert, da nun einen Chondropathie Grad IV vorläge. Es bestünden starke Schmerzen ebendort. Aufgrund der chronischen Gastritis sei es ihr nicht möglich Schmerzmedikamente einzunehmen. Weiters habe sich Schulter und Wirbelsäule verschlechtert. Es bestehe eine Vorstufe zur Osteoporose
nachgereichte revelante Befunde
Röntgen des rechten Kniegelenks vom 10.03.2015
Gering- bis mäßiggr. Gonarthrose
Magnetresonanztomographie des rechten Kniegelenkes vom 20.07.2015
Valgusarthrose mit Chondropathie bis Grad IV und subtotaler Destruktion des Außenmeniskus,
leichter Gelenkserguss
Osteodensitometriekontrolle vom 13.07.2016
Osteopenie
BWS-Röntgenkontrolle vom 24.11.2016
Die WK entkalkt, Bandscheiben im mittleren Drittel etagenweise verschmälert, wahrscheinlich bei
Discusdegeneration, die Abschlussplatten aber glatt konturiert, keine Sklerosierung in der Spongiosa in Nachbarschaft der Disci.
Dr. XXXX
FA fu¿r Chirurgie vom 29.08.2019
axiale Hiatushernie, geringgradige Gastritis
weiter siehe auch VGA vom 22.08.2019 Bewegungseinschränkung der rechten Schulter 20%, Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 20% Hyperreagibles Bronchialsystem 10% Arthrose rechtes Knie 10%
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.Nr
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Pos.Nr.
GdB %
1
Bewegungseinschränkung der rechten Schulter
02.06.03
20
2
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule oberer Rahmensatz, da eine geringgradige Bewegungseinschränkung in allen Ebenen vorliegt
02.01.01
20
3
Hyperreagibles Bronchialsystem unterer Rahmensatz, da mittels Bedarfsmedikation kompensiert
06.05.01
10
4
Arthrose rechtes Knie unterer Rahmensatz, da ohne funktionelle Einschränkung
02.05.18
10
5
Gastritis, axiale Hiatushernie unterer Rahmensatz, da geringgradige Entzündungsaktivität dokumentiert
07.04.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
weil der fu¿hrende GdB unter der Position 1 durch Leiden 2-5 nicht erhöht wird, da keine ungu¿nstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
-
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Keine Änderung der Leiden des VGA. Die nachgereichten Befunde erbringen keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich einer Änderung der Einstufung der Leiden 1, 2 und 4. Leiden 5 wird neu aufgenommen.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Keine Änderung des Gesamt-GdB
X Dauerzustand
(...)"
4. Mit Bescheid vom 10.10.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 20 % ergeben habe, weshalb die Voraussetzungen für die Ausstellung des Behindertenpasses nicht vorliegen würden.
5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Darin führte sie aus, dass sich die Arthrose des rechten Kniegelenks von 2009 bis 2019 von Grad Il auf Grad IV verschlechtert habe und nicht verbessert, auch habe bereits im Jahr 2010 der Grad der Behinderung 20 % betragen, daher sei von einer Erhöhung des Grades der Behinderung auszugehen.
6. Am 07.11.2019 langte die Beschwerde samt Fremdakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. In der Folge holte dieses ein ergänzendes Sachverständigengutachten ein.
DDr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, Fachärztin für Unfallchirurgie, führt in ihrem Sachverständigengutachten vom 20.02.2020 Folgendes aus:
"SACHVERHALT:
Gegen den Bescheid des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vom 10.10.2019, mit welchem der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wird, wird Beschwerde vorgebracht.
Im Beschwerdevorbringen der BF vom 4.11 2019, Abl. 48, wird eingewendet, dass sich die Arthrose des rechten Kniegelenks von 2009 bis 2019 von Grad Il auf Grad IV verschlechtert habe, und nicht verbessert, daher sei von einer Erhöhung des Grades der Behinderung auszugehen.
In der Stellungnahme vom 8.9.2019, Abl. 30-31 wird vorgebracht, dass sich der Gesamtgrad der Behinderung von 20 % signifikant verschlechtert habe, die Arthrose habe sich auf Grad IV verschlimmert. Es sei auch aufgrund einer Borrelieninfektion im Juni 2011 zu einer Verschlechterung gekommen. Er könne weder schmerzfrei stehen noch gehen. Schmerzmittel könne er aufgrund einer chronischen Gastritis nicht einnehmen und müsse daher teure Spritzen und Injektionen vornehmen lassen. Der Zustand der Wirbelsäule und rechten Schulter habe sich verschlechtert. Er habe die Vorstufe einer Osteoporose und eine Kalkschulter. Er habe eine Hiatushernie, festgestellt am 20. 8. 2019
Vorgeschichte:
2008 und 2009 Arthroskopie rechtes Kniegelenk und Meniskusteilresektion
Asthma bronchiale, hyperreagibles Bronchialsystem, viermal im Jahr lungenfachärztliche Kontrolle
Abnützungserscheinungen im Bereich der Wirbelsäule und rechten Schulter
Zwischenanamnese seit 9.10.2019:
Keine Operation, kein stationärer Aufenthalt.
Befunde:
Abl. 47 MRT rechtes Kniegelenk vom 24.4.2009 (Z.n. Teilmenisektomie medialer und lateraler Meniskus, diffuse Gonarthrose ohne umschriebene Knorpeldefekte)
Abl. 46 MRT rechtes Kniegelenk vom 8.2.2014 (alte Partialruptur des vorderen Kreuzbands, Verdacht auf Horizontalruptur laterales Hinterhorn, Knorpelausdünnung im lateralen Kompartment, geringer Erguss)
Abl. 45=26 MRT rechtes Kniegelenk vom 20.07.2015 (Valgusgonarthrose mit CP IV und subtotaler Destruktion des Außenmeniskus leichter Gelenkserguss, Partialruptur des VKB heute nicht mehr zu sehen)
Abl. 44 Befund Dr. XXXX FA für Orthopädie 31.10.2019 (Valgusgonarthrose rechts, Patellaspitzensyndrom, Chondromatose, deutliche Zunahme des Knorpelschadens im rechten Knie, Bewegungseinschränkung)
Abl. 29= 25 Befund Knochendichtemessung 13.7.2016 (T-Score -1,7)
Abl. 28 Röntgen rechtes Knie 11.6.2008 (eher noch gering degen. Veränderungen)
Abl. 27 Röntgen rechte Knie, rechter Vorfuß 10.03.2015 (gering- bis mäßiggradige Gonarthrose, Valgisierungstendenz der Großzehe)
Abl. 24= 5 Röntgen BWS 24.11.2016 (Bandscheiben im mittleren Drittel verschmälert, keine Sklerosierung, Spondylophyten im mittleren Drittel fast überbrückend, Verkalkung vorderes Längsband)
Abl. 23 Befund Dr. XXXX FA für Chirurgie 29.8.2019 (axiale Hiatushernie, ggr. Gastritis)
Abl. 22 Labor vom 27.8.2019 (ggr. Leukocytose)
Abl. 11-12 Labor vom 30.9.2019
Abl. 10 Histolog. Befund 30.08.2019 (C-Gastritis, Ösophagopathie wie bei Refluxerkrankung)
Abl. 7 Befund Dr. XXXX 28.5.2019 (Altersentsprechende Lungenfunktion, neg. Bronchospasmolyse, antiobstruktive Therapie für 4 Wochen)
Abl. 6 Röntgen HWS und beide Schultergelenke und Kniegelenke 2.5.2019 (vordere Spondylophyten, Funktionsaufnahmen unauffällig. Schulter rechts: mgr. AC-Arthrose, links: unauffällig.
Knie rechts: incip. Knochenappositionen dors. Patellakante. Links: incip. Knochenappositionen)
Abl. 4 CT Thorax 1.2.2008 (unauffällig)
Sozialanamnese: verwitwet, ein Sohn, lebt alleine in Wohnung im 2. Stockwerk ohne Lift. Berufsanamnese: Pharmazie-Angestellte
XXXX : Oleovit D3, Fangocur, Vitamin B Komplex, Gelenk 1000, Foster, Daosin, Hyaluron- Spritzen, Gel für Einreibungen
Allergien: Neomycin, Amalgam, Chloramphenicol, Celesten
Nikotin: 0
Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX
Derzeitige Beschwerden:
"Schmerzen habe ich in der Lendenwirbelsäule, kann kaum gehen. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt, bekomme regelmäßig Injektionen. Bin regelmäßig bei Lungenfacharzt, bin an der Grenze zu Asthma bronchiale, einen Spray benötige ich nicht täglich
STATUS:
Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.
Größe 161 cm, Gewicht 58 kg, RR 120/80, Alter: 69a
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.
Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.
Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.
Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.
Beinlänge nicht ident, rechts -1 cm.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich
Kniegelenk rechts: geringgradige Valgusstellung, lateral Krepitation, keine Überwärmung, geringgradige Umfangsvermehrung, kein Erguss, Druckschmerz über dem lateralen Gelenkspalt
Kniegelenk links: unauffällig
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig
Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, geringgradige Skoliose, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, Klopfschmerz über der LWS, Druckschmerz L 5 und paralumbal.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 20 cm, Rotation und Seitneigen jeweils 20°
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel, mit Schuheinlagen, das Gangbild ist geringgradig rechts hinkend, geringgradig kleinschrittig und verlangsamt.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
STELLUNGNAHME:
ad 1) Ergibt sich auf Grundlage des Vorbringens der BF in der Beschwerde Abl. 48 und dem neu vorgelegten Befund Abl. 44 eine Änderung zu Vorgutachten?
Ja.
Das Kniegelenksleiden rechts wird im Vergleich zum Vorgutachten vom 9.10.2019 einer Neueinstufung unterzogen, da eine Verschlimmerung der Veränderungen der bildgebenden Diagnostik und eine Zunahme der funktionellen Einschränkungen objektivierbar sind.
Das Schulterleiden rechts hat sich gebessert, aktuell liegt keine objektivierbare Beeinträchtigung vor. Berücksichtigt wird in der Einstufung die Verkalkung mit rezidivierenden Beschwerden.
Die weiteren Leiden werden im Vergleich zur letzten Gutachten vom 9.10.2019 unverändert eingestuft.
Eine Borrelieninfektion im Juni 2011 ist für die Einschätzung nicht relevant, da für die Einschätzung keine funktionellen Defizite vorliegen.
Dass er schmerzfrei weder gehen noch stehen könne, ist anhand des Untersuchungsergebnisses nicht in diesem Ausmaß nachvollziehbar, eine höhergradige funktionelle Einschränkung liegt nicht vor.
Auch bei chronischer Gastritis, die allerdings einer Behandlung zugänglich ist, sind Schmerzmittel verfügbar.
ad 2) Einschätzung des Grades der Behinderung
1 Kniegelenksarthrose rechts 02.05.18 20%
Oberer Rahmensatz, da nachgewiesene fortgeschrittene Knorpelveränderungen und Zustand nach 2-maliger Arthroskopie, bei geringen funktionellen Einschränkungen.
2 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, chronische Lumbalgie
02.01.01 20%
Oberer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden bei geringgradigen bis mäßigen radiologischen Veränderungen und geringen funktionellen Einschränkungen.
3 Abnützungserscheinungen rechte Schulter 02.06.01 10%
Wahl der Position, da rezidivierende Beschwerden bei nachgewiesenen Verkalkungen ohne relevante funktionelle Einschränkung
4 Hyperreagibles Bronchialsystem 06.05.01 10%
Unterer Rahmensatz, da mittels Bedarfsmedikation kompensiert.
5 Gastritis, axiale Hiatushernie 07.04.01 10%
Unterer Rahmensatz, da chronisch rezidivierende Beschwerden, geringgradige Entzündungsaktivität dokumentiert.
ad 2) Gesamtgrad der Behinderung: 20%
Leide 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt. Die weiteren Leiden erhöhen nicht, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit führendem Leiden 1 besteht.
ad 3) Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.
ad 4) Des Gesamt-GdB ist ab Antrag anzunehmen.
Im Rahmen der aktuellen Begutachtung nachgereichte Befunde:
Entlassungsbericht XXXX Krankenhaus 26.5.2009 (arthroskopische Teilmeniskektomie), keine Seitenangabe
Befund Dr. XXXX Facharzt für Orthopädie 6. 20.8.2009 (Varusgonarthrose, Zustand nach Arthroskopie rechtes Knie, Reizerguss, der Aufbau)
Operationsbericht orthopädisches Spital XXXX 20.8.2008 (Arthroskopie rechtes Kniegelenk, Meniskusteilresektion)
Befunde dokumentieren erfolgte Arthroskopien, sind jedoch nicht mehr aktuell, und führen zu keiner Änderung der Einstufung"
9. Mit Schreiben vom 20.03.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde das Sachverständigengutachten von DDr. XXXX zur Kenntnisnahme und allfälligen Stellungnahme binnen zweier Wochen. Diese Frist verstrich ungenützt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren, besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft und hat ihren Wohnsitz im Inland.
1.2. Die Beschwerdeführerin begehrte am 17.06.2019 die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde.
1.3. Bei der Beschwerdeführerin liegen folgende Funktionseinschränkungen vor:
Pos.Nr.
GdB %
1.
Kniegelenksarthrose rechts
02.05.18
20
2.
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, chronische Lumbalgie
02.01.01
20
3.
Abnützungserscheinungen rechte Schulter
02.06.01
10
4.
Hyperreagibles Bronchialsystem
06.05.01
10
5.
Gastritis, axiale Hiatushernie
07.04.01
10
1.4. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 20 v.H.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1) Die getroffenen Feststellungen gründen auf dem diesbezüglich unbedenklichen Eintrag im Zentralen Melderegister und stehen überdies im Einklang mit den Angaben der Beschwerdeführerin.
Zu 1.2) Die Feststellung hinsichtlich der Antragsstellung auf Ausstellung eines Behindertenpasses gründet auf dem diesbezüglich schlüssigen Akteninhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Fremdaktes.
Zu 1.3 bis 1.4) Die Feststellungen zur Höhe des Gesamtgrades der Behinderung und der Art und dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von DDr. XXXX vom 20.02.2020, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.12.2019.
Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei, im Einklang mit der medizinischen Wissenschaft und den Denkgesetzen, eingegangen, wobei die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde und Beweismittel im Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme umfassend Berücksichtigung gefunden haben.
Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin wurde mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. eingeschätzt.
Im Beschwerdeschriftsatz wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Arthrose des rechten Kniegelenkes habe sich von 2009 bis 2019 von Grad II zum Grad IV verschlechtert. Dieses Vorbringen bestätigend, wurde das Kniegelenksleiden rechts durch die Ärztin für Allgemeinmedizin, Fachärztin für Unfallchirurgie im Vergleich zum Vorgutachten vom 09.10.2019 einer Neueinstufung unterzogen, da eine Verschlimmerung der Veränderungen der bildgebenden Diagnostik und eine Zunahme der funktionellen Einschränkungen objektivierbar sind.
Hingegen hat sich das Schulterleiden rechts gebessert, die Sachverständige konnte aktuell keine objektivierbare Beeinträchtigung feststellen.
Die weiteren Leiden wurden im Vergleich zum letzten Gutachten vom 09.10.2019 unverändert eingestuft.
Die Sachverständige stellte fest, dass eine Borrelieninfektion im Juni 2011 für die Einschätzung nicht relevant ist, da für die Einschätzung keine funktionellen Defizite vorliegen.
Dass die Beschwerdeführerin schmerzfrei weder gehen noch stehen könne, konnte von der Sachverständigen anhand des Untersuchungsergebnisses nicht in diesem Ausmaß nachvollzogen werden (vgl. "Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich. Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel, mit Schuheinlagen, das Gangbild ist geringgradig rechts hinkend, geringgradig kleinschrittig und verlangsamt."), eine höhergradige funktionelle Einschränkung liegt somit nicht vor.
Ebenso betonte die Sachverständige in ihrem Gutachten vom 20.02.2020, dass auch bei chronischer Gastritis, die allerdings einer Behandlung zugänglich ist, Schmerzmittel verfügbar sind.
Die Beschwerdeführerin ist dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.02.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Aufgrund der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten Unterlagen und einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin konnte gegenwärtig kein höherer Grad der Behinderung als 20 v.H. objektiviert werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Zur Entscheidung in der Sache
Unter Behinderung iSd Bundesbehindertengesetz (BBG) ist gemäß dessen § 1 Abs 2 leg.cit. die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktion zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderte Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung:
§ 2 Abs. 1 Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit diese durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.
Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das oben dargestellte Sachverständigengutachten vom 20.02.2020 zu Grunde gelegt, aus dem sich ein Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin von 20 v. H. ergibt.
In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Sachverständige setzt sich auf Grundlage der persönlichen Begutachtung mit den vorgelegten Befunden, die in dem Gutachten angeführt sind, sowie auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden objektivierten Gesundheitsschädigungen auseinander.
Die Beschwerdeführerin ist den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, im Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, sie hat - wie bereits oben ausgeführt - kein aktuelles Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher in sachverhaltsbezogener und rechtlich erheblicher Form die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Befundnahmen und Schlussfolgerungen der dem gegenständlichen Verfahren beigezogenen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Eine Verhandlung ist demnach in jenen Fällen durchzuführen, wenn ?civil rights' oder ?strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte betroffen sind und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten.
Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 MRK noch Art 47 GRC entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Funktionseinschränkungen im Hinblick auf deren Einschätzung des durch sie bedingten Grades der Behinderung. Im gegenständlichen Fall bildet ein medizinisches Sachverständigengutachten die Grundlage für die Beurteilung der Höhe des Gesamtgrades der Behinderung. In diesem wurden die Funktionsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin wie oben bereits ausgeführt, nachvollziehbar, vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. bewertet.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens als geklärt anzusehen. Da die Klärung der Rechtssache durch eine eingehende Auseinandersetzung mit den Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin durch ein medizinisches Sachverständigengutachten erfolgte und bedingt durch die dort nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen bedurfte es keiner weiteren