Entscheidungsdatum
28.05.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W201 2228206-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 12.12.2019, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung " in den Behindertenpass liegen nicht vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG .
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte einlangend am 09.09.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) der belangten Behörde unter Vorlage eines medizinischen Beweismittels einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung (StVO, welcher auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gilt, sofern die antragstellende Partei nicht bereits im Besitz eines solchen ist.
2. Dem, durch die belangte Behörde eingeholten, auf persönliche Untersuchung am 23.10.2019 basierenden Sachverständigengutachten Dris. XXXX, Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin ist (auszugsweise) Folgendes zu entnehmen:
"Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen, sichtbare Schleimhautpartien
Unauffällig, Pupillen rund, isocor, prompte Reaktion auf Licht. Halsvenen nicht gestaut.
Thorax: symmetrisch, elastisch. Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Keine Dyspnoe, keine Zyanose.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz. Integument: unauffällig.
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten: Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, Radialispulse beidseits tastbar, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen am linken Bein kurz möglich, Fersenstand links mit Anhalten und ohne Einsinken kurz durchführbar. Zustand nach Amputation des rechten Unterschenkels, Stumpflänge 16 cm, Narbe frisch bei kurz zurückliegender Operation, Stumpf gut mit Weichteil gedeckt und unauffällig. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie beidseits frei, Sprunggelenke und Zehen sind links frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrecht Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Kein Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich. BWS/LWS: FBA: im Sitzen wird der linke Fuß erreicht, in allen Ebenen frei beweglich. Lasegue bds. negativ, geprüfte Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt im Rollstuhl, mit Halbschuh links, das Stehen am linken Bein ist kurz ohne Anhalten möglich. Transfer auf die Untersuchungsliege selbstständig. Bei kurz zurückliegender Operation noch keine Prothesenversorgung. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Position
GdB
01
Amputation im Unterschenkelbereich rechts Wahl dieser Position, da genügend Funktionstüchtigkeit des Stumpfes.
02.05.44
50 vH
Gesamtgrad der Behinderung
50 vH
Dauerzustand."
Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird Folgendes festgehalten:
"Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken. Der Amputationsstumpf im Bereich des rechten Unterschenkels ist mit einer gut passenden Unterschenkelprothese belastungsstabil versorgbar. Der, anlässlich der ho. Begutachtung benützte Rollstuhl ist, bei rezenter Unterschenkelamputation, und erst bevorstehender Prothesenanpassung, nicht behinderungswirksam, da voraussichtlich nicht länger als
6 Monate erforderlich. An den oberen Extremitäten sind keine Funktionseinschränkungen dokumentiert, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten ist möglich, der sichere Transport möglich. Es sind keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit dokumentiert, sodass das Erreichen und Benützen öffentlicher Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert ist.
Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein"
3. Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG am 04.11.2019 durchgeführten Parteiengehörs wurden keine Einwendungen erhoben.
4. Am 12.12.2019 hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 40, § 41 und
§ 45 BBG einen unbefristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH eingetragen.
5. Mit dem am 12.12.2019 erlassenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung" Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
Die Abweisung wurde mit dem Ergebnis der fachärztlichen Untersuchung begründet.
6. Mit Email vom 29.01.2020 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde ausgeführt, dass er aufgrund seines Krankheitsbildes - der Amputation des rechten Unterschenkels - öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen könne. Er sei überwiegend auf einen Rollstuhl angewiesen und könne bei öffentlichen Verkehrsmitteln weder Ein- noch Aussteigen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses.
1.2. Der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ist am 09.09.2019 bei der belangten Behörde eingelangt.
1.3. Bei der vorliegenden Gesundheitsschädigung handelt es sich nicht um eine Funktionsbeeinträchtigung die zumindest 6 Monate andauert.
1.4. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem darin befindlichen fachärztlichen Gutachten vom 23.10.2019.
Das durch die belangte Behörde eingeholte fachärztliche Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden, deren Ausmaß und Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausführlich eingegangen. Das genannte Sachverständigengutachten wird daher der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers und die vorgelegten Beweismittel waren nicht geeignet, die gutachterlichen Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Der Beschwerdeführer leidet an einem Zustand nach Unterschenkelamputation rechts welche am 24.09.2019 erfolgte. Die Feststellung der befassten Sachverständigen, dass der Amputationsstumpf im Bereich des rechten Unterschenkels mit einer gut passenden Unterschenkelprothese belastungsstabil versorgbar ist, steht im Einklang mit dem erhobenen Untersuchungsbefund. So beträgt die Stumpflänge 16 cm, der Stumpf ist gut mit Weichteil gedeckt und unauffällig.
Der Einwand des Beschwerdeführers er sei derzeit überwiegend auf einen Rollstuhl angewiesen ist - hinsichtlich der zum Zeitpunkt der Untersuchung erst einen Monat zurückliegenden Amputation und der daher noch laufenden Heilungsbewährung - nicht geeignet eine Änderung der Beurteilung zu bewirken, da auf Grund des erhobenen Untersuchungsbefundes und der noch bevorstehenden Prothesenanpassung nicht vom Vorliegen einer Funktionsbeeinträchtigung auszugehen ist, welche zumindest 6 Monate andauert.
Auch sind die weiteren Funktionen der unteren Extremitäten nicht eingeschränkt. So konnte im Rahmen der persönlichen Untersuchung objektiviert werden, dass die Hüft- und Kniegelenke beidseits frei beweglich und bandstabil sind und ein Heben der gestreckten unteren Extremität beidseits bei Kraftgrad 5 möglich war. Auch war der Einbeinstand links dem Beschwerdeführer kurz ohne Anhalten möglich. Diesen im eingeholten Sachverständigengutachten gemachten Angaben zum Bewegungsumfang ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten. Es ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer bei angepasster Prothese die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ohne erhebliche Einschränkungen möglich ist.
Das Vorliegen weiterer relevanter Gesundheitsschädigungen konnte im Rahmen der persönlichen Untersuchung nicht objektiviert werden, wurde nicht durch Befunde dokumentiert und wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.
Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend berücksichtigt. Auch wurden im Beschwerdevorbringen weder neue Leiden vorgebracht noch wurden weitere medizinische Beweismittel vorgelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Auf den Beschwerdefall bezogen:
Im eingeholten fachärztlichen Sachverständigengutachten wurde schlüssig festgestellt, dass zwar ein Zustand nach Amputation des Unterschenkels rechts vorliegt, der Beschwerdeführer aber noch in Heilungsbewährung befindlich ist und die aus diesem Leiden resultierenden Funktionseinschränkungen nicht länger als 6 Monate andauern werden, sodass in der Gesamtbetrachtung - bei ansonsten uneingeschränkter Funktion der Extremitäten - das Erreichen, das Be- und Entsteigen sowie die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nach Ablauf der Heilungsbewährung und Anpassung der Unterschenkelprothese sicher möglich ist.
Weitere Gesundheitsschädigungen konnten weder objektiviert werden, noch wurden solche vom Beschwerdeführer behauptet.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernde Gesundheitsschädigung kein Ausmaß erreicht, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung einerseits von Tatsachenfragen abhängt. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende - Neuregelung beabsichtigt.
Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W201.2228206.1.00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020