Entscheidungsdatum
28.05.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W201 2223257-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 04.06.2019, OB XXXX in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 22.08.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), u Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung vom 22.08.2019 bestätigt.
Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung " in den Behindertenpass liegen nicht vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG .
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) hat dem Beschwerdeführer am 15.03.2017 einen unbefristeten Behindertenpass ausgestellt, einen Grad der Behinderung in Höhe von 70 vH eingetragen und die Zusatzeintragung "D1" vorgenommen.
2. Dieser Entscheidung wurden die auf persönlicher Untersuchung am 28.11.2016 und 02.12.2016 basierenden Sachverständigengutachten Dris. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin und Dris. XXXX , Fachärztin für Augenheilkunde zu Grunde gelegt, in welchen (auszugsweise) Folgendes festgestellt wurde:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Pos.Nr.
GdB %
1
Läsion der linken Lumbal-/Sakralgelenke nach Polio Unterer Rahmensatz, da relativ gut kompensiert.
04.03.02
50 vH
2
Insulinpflichtiger Diabetes mellitus Wahl dieser Positionsnummer, da funktionelle Diabeteseinstellung, sowie diabetische Polyneuropathie, unterer Rahmensatz da stabile Stoffwechsellage.
09.02.04
50 vH
3
Zustand nach grauer Star Operation mit Hinterkammerlinsenimplantation beidseits, Zustand nach grüner Star Operation rechts bei Sekundärglaukom, Sehverminderung rechts auf 0,05 und links auf 0,8 Tabelle, Kolonne 8, Zeile 1 Kunstlinsenimplantation beidseits +10%
11.02.01
40 vH
Gesamtgrad der Behinderung
70 vH
3. Der Beschwerdeführer stellte einlangend am 24.05.2018 bei der belangten Behörde unter Vorlage medizinischer Beweismittel einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
4. Mit email vom 25.06.2018 wurde vom Beschwerdeführer mitgeteilt, dass der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses als erledigt anzusehen sei, er aber ersuche, den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und die vorgelegten Beweismittel als Antrag auf Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" zu werten.
5. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 11.10.2018 eingeholt, in welchen zusammengefasst (auszugsweise) im Wesentlichen Folgendes festgehalten wurde.
"Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand normal. Ernährungszustand sehr gut.
Kopf/Hals: Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet. Gehör altersentsprechend unauffällig, unauffällige Halsorgane. Visus: Zustand nach grauer Star Operation mit Hinterkammerlinsenimplantation beidseits, Zustand nach grüner Star Operation rechts bei Sekundärglaukom, Sehverminderung rechts auf 0,05 und links auf 0,8.
Thorax/Herz/Lunge: Inspektorisch und auskultatorisch unauffällig. Nichtraucher, keine Atemauffälligkeiten. Blutdruck 140/80.
Abdomen: Über TN, unauffällige Organgrenzen, keine Druckempfindlichkeit
Extremitäten: Diffuse Muskelatrophie linkes Bein, Amputation linke Kleinzehe - Verband angelegt - wird nicht abgenommen, rechtes Bein und beide Arme frei beweglich, kein Tremor, keine Ödeme.
Wirbelsäule: Unauffällig strukturiert, ausreichend frei bewegliche HWS/BWS/LWS. Beobachtet beim selbständigen Aus- und Ankleiden im Rahmen der Untersuchung (bis auf die Unterwäsche).
Neurologie: Keine wesentlichen Residuen nach PICA-Insult objektivierbar.
Gesamtmobilität-Gangbild: Kommt mit 2 Unterarm-Stützkrücken ins Untersuchungszimmer, verwendet nach eigenen Angaben die Krücken, da auch die Operationswunde am linken Fuß noch nicht ganz abgeheilt ist. Freies Stehen auf den Beinen ist möglich.
Status Psychicus: Voll orientiert. Stimmung und Antrieb unauffällig. Kooperativ.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
01
Post-Poliomyelitis-Parese der linken unteren Extremität
02
Insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit diabetischer Polyneuropathie
03
Zustand nach Grauer Star Operation mit Hinterkammerlinsenimplantation beidseits, Zustand nach Grüner Star Operation rechts bei Sekundärglaukom, Sehverminderung rechts auf 0,05 und links auf 0,8
04
Periphere arterielle Verschlusskrankheit - akraler Typ - Verlust der linken Kleinzehe - mittelschwere periphere arterielle Verschlusskrankheit linke untere Extremität, arterieller Normalbefund am rechten Bein.
Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird Folgendes festgehalten:
Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
"Keine. Öffentliche Verkehrsmittel sind zumutbar, da weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten und der Wirbelsäule, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vorliegen. Unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde kann eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe allenfalls unter Verwendung eines Gehstockes/einer Unterarmstützkrücke - da damit die Stand- und Gangsicherheit optimiert werden kann - ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Die vorliegenden dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht auf die Möglichkeit des sicheren Ein- und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen aus. Die behinderungsbedingte ständige Notwendigkeit der Verwendung zweier Unterarmstützkrücken/eines Rollators zur Überwindung einer kurzen Wegstrecke ist unter Berücksichtigung des erhobenen Untersuchungsbefundes (auch unter Berücksichtigung des Verlustes der linken Kleinzehe) nicht nachvollziehbar.
6. Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG am 18.02.2019 erteilten Parteiengehörs mit welchem das eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht wurde, hat der Beschwerdeführer unter Vorlage weiterer Beweismittel im Wesentlichen vorgebracht, dass er mit dem Ergebnis der ärztlichen Beweisaufnahme nicht einverstanden sei. Der Sachverständige habe ihn nicht richtig untersucht und habe sich nicht die Mühe gemacht, seine Gehfähigkeit zu beobachten. Mit nur einer Krücke könne er sich lediglich in der Wohnung fortbewegen wo er sich jederzeit an Möbeln abstützen könne. Er könne das linke Bein kaum belasten und benötige immer zwei Krücken oder einen Rollator zum Gehen. Betreffend das linke Bein würden Befund vorliegen, welche eine massive Einschränkung der linken unteren Extremität dokumentieren würden, welche aber nicht berücksichtigt worden seien. Die nötige Gang- und Standsicherheit könne er nur unter Verwendung von zwei Stützkrücken erreichen. Es sei ihm nicht möglich öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, da die Höhe der Stufen eine unüberwindbare Hürde darstelle. Er ersuche um neuerliche Begutachtung durch einen anderen Arzt.
7. In der zur Überprüfung der Einwendungen und vorgelegten Beweismittel eingeholten, auf der Aktenlage basierenden, medizinischen Stellungnahme Dris. XXXX vom 03.06.2019 wird nach Wiedergabe der erhobenen Einwendungen im Wesentlichen Folgendes festgehalten:
"Befundnachreichung XXXX vom 19.12.2018: St.p. Amputation 5. Zehe linker Fuß am 27.07.2018, Wunde bland, nicht belegt, keine Entzündungszeichen. Die Befundnachreichung vom XXXX vom Dezember 2018 bestätigt ein folgenfreies Abheilen der Wunde nach Amputation der linken Kleinzehe. Damit ergibt sich unter Berücksichtigung dieser Befundnachreichung und auch des im Gutachten XXXX zitierten Befundes (Gehen mit einer Unterarmstützkrücke möglich, freies Stehen nur kurz möglich, gute Rumpfkontrolle) erst recht folgende Schlussfolgerung: Öffentliche Verkehrsmittel sind zumutbar, da weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten und der Wirbelsäule, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vorliegen. Unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde kann eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe - allerdings unter Verwendung eines Gehstockes/einer Unterarmstützkrücke, da damit die Stand- und Gangsicherheit optimiert werden kann - ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Die vorliegenden dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht auf die Möglichkeit des sicheren Ein- und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen aus. Die behinderungsbedingte Notwendigkeit der Verwendung zweier Unterarmstützkrücken/eines Rollators zur Überwindung einer kurzen Wegstrecke ist unter Berücksichtigung des erhobenen Untersuchungsbefundes (auch unter Berücksichtigung des Verlustes der linken Kleinzehe) nicht nachvollziehbar."
8. Ohne den Beschwerdeführer vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Kenntnis zu setzen hat die belangte Behörde mit dem am 03.06.2019 erlassenen Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung" Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
Die Abweisung wurde mit dem Ergebnis des medizinischen Beweisverfahrens begründet.
In der Beilage wurden das Sachverständigengutachten Dris. XXXX und dessen ergänzende Stellungnahme übermittelt.
9. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde - die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen wiederholend - ergänzend vorgebracht, dass seinem Antrag auf Begutachtung durch einen anderen Arzt nicht stattgegeben worden sei. Eine Strecke von 400 m könne er nur mit zwei Krücken und Pausen alle 100 m sehr langsam zurücklegen. Er beziehe Pflegegeld der Stufe 2.
10. In der Folge hat die belangte Behörde zur Überprüfung der Beschwerde vom bereits befassten Sachverständigen Dr. XXXX eine auf der Aktenlage basierende mit 22.08.2019 datierte medizinische Stellungnahme eingeholt in welcher auszugsweise im Wesentlichen Folgendes festgehalten wird:
"Gutachterliche Stellungnahme:
Die neuerliche Stellungnahme und die Befundnachreichung des XXXX vom
Juni 2019 bedingt keine Änderung der bisherigen Beurteilung, da keine neuen relevanten Aspekte - betreffend der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - aufgezeigt wurden. Damit ergibt sich weiterhin vor allem unter Berücksichtigung des im Gutachten zitierten Befundes des XXXX (Gehen mit einer Unterarmstützkrücke möglich, freies Stehen nur kurz möglich, gute Rumpfkontrolle) weiterhin folgende Schlussfolgerung: Öffentliche Verkehrsmittel sind zumutbar, da weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten und der Wirbelsäule, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vorliegen. Unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde kann eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe - allenfalls unter Verwendung von orthopädischem Schuhwerk und eines Gehstockes/einer Unterarmstützkrücke (damit kann die Stand-und Gangsicherheit optimiert werden) - ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Die vorliegenden dauernden Gesundheits-schädigungen wirken sich nicht auf die Möglichkeit des sicheren Ein-und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen aus. Die behinderungsbedingte ständige Notwendigkeit der Verwendung zweier Unterarm-stützkrücken/eines Rollators zur Überwindung einer kurzen Wegstrecke ist unter Berücksichtigung des erhobenen Untersuchungsbefundes (auch unter Berücksichtigung des Verlustes der linken Kleinzehe) nicht nachvollziehbar."
11. Am 22.08.2019 erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher die Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.06.2019 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen wurde.
Als Beilage zum Bescheid wurde die Stellungahme Dris. XXXX vom 22.08.2019 übermittelt.
12. Mit Schreiben vom 04.09.2019, eingelangt am 09.09.2019 hat der Beschwerdeführer unter Vorlage weiterer Beweismittel, rechtzeitig die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beantragt.
13. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am 10.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
14. Im zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten
Dris. XXXX Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie, sowie Ärztin für Allgemeinmedizin wird basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 24.10.2019 (auszugsweise) Folgendes festgestellt:
"Status:
Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut. Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen, Lidspalt rechts verschmälert.
Thorax: Symmetrisch, elastisch. Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz. Integument: unauffällig.
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten: Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen nur kurz möglich, Stehen mit einer Krücke sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang rechts mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar, links nicht möglich. Der Einbeinstand ist rechts mit Anhalten, links nicht möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich. Die Beinachse ist im Lot. Verschmächtigung der linken unteren Extremität, Bandmaß Oberschenkel rechts 49 cm, links 40 cm, Unterschenkel rechts 40 cm, links 35 cm. Die Durchblutung ist ungestört, periphere Pulse links nicht tastbar, Akren links geringgradig kühler, die Sensibilität in den Füßen bds. wird als gestört angegeben. Keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Kniegelenk links: Druckschmerz medial, sonst unauffällig, bandstabil, jedoch mäßige muskuläre Instabilität. Zustand nach Amputation der 5. Zehe links, Narbe bland. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie sind seitengleich frei beweglich, Sprunggelenke und Zehen rechts frei, links endlagig eingeschränkt beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist rechts bis 60 0 bei KG 5, links nicht möglich. Kraft rechts KG 5, links proximal KG 3-4, distal KG 2-3
Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule. Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich. BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich. Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslosbar.
Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt selbständig gehend mit Sandalen mit 2 Unterarm-stützkrücken, Gangbild mit einer Krücke verlangsamt, mäßig links hinkend mit geschwächtem Anheben des linken Beins. Schrittlänge annähernd seitengleich. Die Gesamtmobilität mit Aufstehen vom Sessel, Hinlegen auf die Liege und Aufstehen von der Liege ist selbstständig möglich, beim Sitzen gute Rumpfkontrolle. Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status psychicus: unauffällig.
Diagnoseliste:
1) Post-Poliomyelitis-Parese linke untere Extremität
2) Insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit diabetischer Polyneuropathie
3) Zustand nach Grauer Star Operation mit Hinterkammerlinsen-lmplantation beidseits, Zustand nach Grüner Star Operation rechts bei Sekundärglaukom, Sehverminderung rechts auf 0,05, links auf 0,8
4) Periphere arterielle Verschlusskrankheit, akraler Typ, Verlust der linken Zehe V nach Trauma, ausreichende Kollateralisation gegeben"
Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?
"Nein. Es liegt zwar eine objektivierbare Schwäche der linken unteren Extremität mit muskulärem Defizit und mittelgradig eingeschränkter Kraftentfaltung vor, mit Unterstützung einer Unterarmstützkrücke ist jedoch ein ausreichend sicheres Stehen und Gehen möglich und ist in den Befunden des XXXX dokumentiert (das Gehen mit einer Unterarmstützkrücke möglich)."
Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten vor?
"Nein. Im Bereich der oberen Extremitäten liegen keine Funktionseinschränkungen vor."
Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?
"Nein."
Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
"Bei der fachärztlich-orthopädischen Untersuchung finden sich an beiden oberen Extremitäten keine behinderungsrelevanten funktionsbeeinträchtigenden Einschränkungen der Beweglichkeit, Motorik oder Sensibilität, wodurch ein festes Anhalten und ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gegeben ist. Trotz der Funktionseinschränkung durch die mäßige Schwäche der linken unteren Extremität bei Postpoliosyndrom ist eine ausreichende Gehstrecke von 300-400 aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, unter Verwendung einer Unterarmstützkrücke, bewältigbar und zuzumuten. Das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel, sowie das Bewältigen von Niveauunterschieden oder Hindernissen, die Sitzplatzsuche und die notwendige Fortbewegung innerhalb eines öffentlichen Verkehrsmittels ist wegen des ausreichenden Bewegungsumfanges aller großen Gelenke der unteren Extremitäten, wenn erforderlich im Nachstellschritt, durchführbar und zuzumuten. Die Verwendung eines Hilfsmittels zum Gehen (Krücke) erhöht die Stabilität, stellt keine erhebliche Erschwernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dar und ist somit zuzumuten. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist nicht erheblich erschwert, Kraft und Stand-und Gangsicherheit sind nicht erheblich eingeschränkt. Eine Therapierefraktion hinsichtlich der angegebenen Beschwerden ist nicht gegeben, da durch eine Intensivierung multimodaler Maßnahmen, vor allem physiotherapeutischer, und/oder einen stationären Rehabilitationsaufenthalt eine Verbesserung möglich ist.
Stellungnahme zu den Einwendungen des BF:
"Im Beschwerdevorbringen des BF vom 04.03.2019, wird vorgebracht, dass er nur in der Wohnung mit einer Krücke gehen könne. Er könne das linke Bein nicht belasten und benötige immer 2 Krücken oder einen Rollator für die nötige Stand- und Gangsicherheit. Er könne nicht in einen Zug einsteigen. Die Befunde mit dem linken Bein, Poliomyelitis, Infarkt, seien nicht berücksichtigt worden. Dem wird entgegengehalten, dass ein ausreichend sicheres Gehen mit einer Unterarmstützkrücke mehrfach, vor allem auch im XXXX , festgestellt werden konnte. Bei Zustand nach Infarkt 02/2018 konnten keine Residuen festgestellt werden, Schwindelsymptomatik war in den Vorgutachten, im aktuellen Gutachten und in den vorliegenden Befunden nicht mehr feststellbar."
15. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG am 24.03.2020 erteilten Parteiengehörs haben weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde Einwendungen erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses.
1.2. Der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ist am 25.06.2018 bei der belangten Behörde eingelangt.
Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 10.09.2019 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
1.3. Beim Beschwerdeführer liegen folgende Funktionseinschränkungen vor:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
01
Post-Poliomyelitis-Parese linke untere Extremität
02
Insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit diabetischer Polyneuropathie
03
Zustand nach Grauer Star Operation mit Hinterkammerlinsen-lmplantation beidseits, Zustand nach Grüner Star Operation rechts bei Sekundärglaukom, Sehverminderung rechts auf 0,05, links auf 0,8
04
Periphere arterielle Verschlusskrankheit, akraler Typ, Verlust der linken Zehe V nach Trauma, ausreichende Kollateralisation gegeben
1.4. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke (ca. 300 m - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe (Gehstock/eine Stützkrücke), ohne maßgebende Unterbrechung zurücklegen bzw. wird durch die Verwendung allenfalls erforderlicher Behelfe die Benützung des öffentlichen Transportmittels nicht in hohem Maße erschwert. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt.
Es liegen weder erheblichen dauerhaften Einschränkungen der unteren oder der oberen Extremitäten vor. Das Erfordernis der Benützung von zwei Unterarmstützkrücken oder eines Rollators kann nicht festgestellt werden.
Es liegen keine erheblichen dauerhaften Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit und auch keine Einschränkungen der Sinnesfunktionen in einem Ausmaß vor, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglicht.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich - auch im Gesamtbild - nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.
1.5. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1. und 1.2.) Die Feststellungen zu den Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem - diesbezüglich widerspruchsfreien - Akteninhalten.
Zu 1.3. bis 1.5.) Die Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen auf dem durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX , basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers.
Das eingeholte fachärztliche Sachverständigengutachten ist - auch in Zusammenschau mit den durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten - schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden, deren Ausmaß und Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausführlich eingegangen. Das genannte Sachverständigengutachten wird daher der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
So wird im eingeholten Gutachten Dris. XXXX schlüssig, nachvollziehbar und im Einklang mit dem erhobenen Untersuchungsbefund ausgeführt, dass trotz der Funktionseinschränkungen durch die Schwäche der linken unteren Extremität bei Postpoliosyndrom und ansonsten klinisch unauffälligen, freien Gelenksfunktionen der unteren Extremitäten, eine Gehstrecke von 300 - 400 m vom Beschwerdeführer zurückgelegt werden kann, da keine erhebliche Einschränkung der Kraft und der Stand- und Gangsicherheit besteht.
Dies Beurteilung steht auch im Einklang mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden. So wird im vorgelegten Arztbrief des XXXX dargestellt, dass der Beschwerdeführer als Aktivitätsziel eine Steigerung der Gangsicherheit und der Gangausdauer ohne Pause auf über 10 Minuten anstrebte und die Rehabilitationsziele auch weitgehend erreicht wurden. Ebenso wird in diesem Befund angeführt, dass der Beschwerdeführer mit einer Krücke rechts nach Hause entlassen wurde. Auch konnte im Rahmen der Untersuchung Dris. XXXX ein mit einer Krücke zwar verlangsamtes und mäßig rechts hinkendes Gangbild bei aber annähernd gleicher Schrittlänge objektiviert werden und war das Stehen mit einer Krücke sicher möglich. Es kann daher aus der vorliegenden Gesamtmobilität nicht auf das Erfordernis von zwei Stützkrücken oder eines Rollators geschlossen werden.
Die Sachverständige beschreibt auch schlüssig und nachvollziehbar, dass die beim Beschwerdeführer vorliegende PAVK nicht geeignet ist, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu verunmöglichen, da diese nicht höhergradig ausgebildet ist und ausreichend Kollateralisation besteht. Diese Beurteilung steht im Einklang mit dem vorliegenden Befund des XXXX vom 10.08.2018 und der durchgeführten CT-Becken-Angio vom 02.08.2018 in welcher dargestellt wird, dass derzeit keine Gefäßrekonstruktion erforderlich ist.
Zusammenfassend erläutert die Sachverständige vor dem Hintergrund der vorliegenden Befunde und des erhobenen klinischen Status glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer das Erreichen, das Ein- und Aussteigen sowie das Bewältigen von Niveauunterschieden wegen des ausreichenden Bewegungsumfanges aller großen Gelenke der unteren Extremitäten, gegebenenfalls im Nachstellschritt möglich ist, wobei die Verwendung einer Krücke zur Erhöhung der Stabilität keine erhebliche Erschwernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darstellt.
Motorische oder neurologische Defizite, welche eine maßgeblich negative Auswirkung auf das Gangbild, bzw. auf die Gangsicherheit konnte auch bei keiner der durchgeführten persönlichen Untersuchungen objektviert werden und wurden solche auch nicht durch Befunde dokumentiert.
An den oberen Extremitäten konnten keine Einschränkungen objektiviert werden welche das sichere Anhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln verunmöglichen würden und ist auch das bestehende Augenleiden nicht geeignet, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu verunmöglichen. Diesbezüglich wurden vom Beschwerdeführer auch keine Einschränkungen behauptet.
Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
Dem Beschwerdevorbringen wurde insofern entsprochen, als das Bundesverwaltungsgericht ein fachärztliches auf persönlicher Untersuchung basierendes Sachverständigengutachten eingeholt hat. Das Beschwerdevorbringen ist jedoch nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach eine ausreichende Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates und genügende körperliche Belastbarkeit gegeben sind bzw. sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken, zu entkräften.
Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 57/2015)
§ 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 tritt mit 1. Juli 2015 in Kraft. (§ 54 Abs. 18 BBG)
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Auf den Beschwerdefall bezogen:
Da, wie unter Punkt II.2. ausgeführt, dem Sachverständigen Dris. XXXX zu folgen war, dass keine der vorliegenden Gesundheitsschädigungen relevante Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hat, wird der Entscheidung zugrunde gelegt, dass keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten bzw. des sonstigen Stütz- und Bewegungsapparates, der neurologischen Funktionen der körperlichen Belastbarkeit und der Sinnesfunktionen bestehen.
Zum Vorbringen wird angemerkt, dass sowohl die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers ausreichend sind. Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Gehstock) ist zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Beim Beschwerdeführer konnten auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems.
Daher ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
Das Beschwerdevorbringen war nicht geeignet darzutun, dass die gutachterliche Beurteilung, wonach eine ausreichende Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates, genügende körperliche Belastbarkeit sowie ausreichende Funktion der Sinnesorgane gegeben sind bzw. sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken, nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß des Beschwerdeführers entspräche.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Sachverständigengutachten geprüft und wurde durch das Bundesverwaltungsgericht ein fachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Es wurden der Beschwerde auch keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet. Der Beschwerdeführer wurde sowohl im behördlichen als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren persönlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind.
Der Beschwerdeführer hat von den durch die belangte Behörde und von den durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten vollinhaltlich Kenntnis erlangt.
Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch im Rahmen des erteilten Parteiengehörs nicht bestritten.
Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung einerseits von Tatsachenfragen abhängt. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende - Neuregelung beabsichtigt.
Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W201.2223257.1.00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020