TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/29 W207 2221538-1

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Veröffentlicht am 29.05.2020
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Entscheidungsdatum

29.05.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W207 2221538-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 29.05.2019, OB: XXXX 31 , betreffend Einziehung des Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin war seit 26.06.2007 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.). Dies erfolgte damals auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens, in dem nach den Bestimmungen der Richtsatzverordnung die Funktionseinschränkungen 1. "Zustand nach Operation einer bösartigen Neubildung an beiden Eierstöcken und Second Look", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 40 v.H. nach der Positionsnummer g.z. 702 (Tab. 1/Z3) der Richtsatzverordnung, 2. "Degenerative Wirbelsäulenveränderungen", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 190 der Richtsatzverordnung und 3. "Geringe Sehschärfenminderung bei beginnender Linsentrübung beidseits und ohne relevante Gesichtsfeldeinschränkung", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 0 v.H. nach der Positionsnummer 637 (K1/Z1) der Richtsatzverordnung, festgestellt wurden. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde damit begründet, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht werde, da eine wechselseitige Leidensbeeinflussung bestehe. Bei der Beschwerdeführerin liege ein Dauerzustand vor.

Am 07.11.2018 stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumsservice (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung. Diesem Antrag legte sie medizinischen Unterlagen bei.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung vom 27.02.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag, ein. In diesem Sachverständigengutachten wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Polyneuropathie 2 Stufen über unterem Rahmensatz, obwohl keine Lähmungen vorliegen, aber Missempfindungen und Gefühlsstörungen vorhanden

04.06.01

30

2

g. Z. Zustand nach Entfernung eines Gehirnabszesses links 19 06 2016 mit einmaligem epileptischen Anfall 11 06 2016 Mittlerer Rahmensatz, obwohl seit Akutereignis keine weiteren Anfälle aufgetreten sind, aber includiert auch die Kopfschmerzen und verminderte Belastbarkeit

04.10.01

30

3

degenerative Wirbelsäulenveränderungen Unterer Rahmensatz, da keine neurologischen Ausfälle

02.01.02

30

4

Zustand nach Eierstockkrebs und Operation 2006 Unterer Rahmensatz, da keine relevanten Funktionseinschränkungen belegt

13.01.02

10

5

geringe Sehschärfenminderung, beginnende Linsentrübung K1/Z1

11.02.01

0

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die medizinische Sachverständige aus, dass Leiden 1 durch Leiden 2 und 3 um 1 Stufe erhöht werde, da eine wechselseitig negative Leidensbeeinflussung vorliege, die anderen Leiden würden nicht weitererhöhen, da keine weitere negative Leidensbeeinflussung vorliege. Beim Zustand der Beschwerdeführerin handle es sich um einen Dauerzustand. Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung wurde ausgeführt, dass eine Reduktion um eine Stufe vor allem deshalb erfolge, da (nach Antragstellung der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung) eine Bewertung nunmehr nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung erfolge.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28.02.2019 wurde die Beschwerdeführerin betreffend ihren Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und ihr das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 27.02.2019 übermittelt. Der Beschwerdeführerin wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.

Die Beschwerdeführerin brachte keine Stellungnahme ein.

Mit Bescheid vom 11.04.2019, OB: XXXX 20 , wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung (im Sinne einer Erhöhung des Grades der Behinderung) im Behindertenpass ab. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde von Amts wegen mit 40 v.H. neu festgesetzt. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens, wonach der Grad der Behinderung nunmehr lediglich 40 v.H. betrage. Gegen diesen Bescheid erfolgte keine Reaktion der Beschwerdeführerin, sie erhob gegen diesen Bescheid innerhalb der Beschwerdefrist keine Beschwerde. Dieser Bescheid erwuchs daher in Rechtskraft.

Mit Bescheid vom 29.05.2019, OB: XXXX 31 , - sohin nach Eintritt der Rechtskraft des mit 11.04.2019 datierten Bescheides, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung (im Sinne einer Erhöhung des Grades der Behinderung) im Behindertenpass abgewiesen worden und der Gesamtgrad der Behinderung wurde von Amts wegen mit 40 v.H. neu festgesetzt worden war (dieser Bescheid wird in der Folge als "Neufestsetzungsbescheid" bezeichnet) -, stellte die belangte Behörde spruchgemäß fest, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr erfülle. Ihr Behindertenpass sei einzuziehen und unverzüglich dem Sozialministeriumservice vorzulegen (dieser Bescheid vom 29.05.2019 wird in der Folge als "Einziehungsbescheid" bezeichnet).

Mit handschriftlichem Schreiben vom 05.07.2019, bei der belangten Behörde eingelangt am 08.07.2019, erhob die Beschwerdeführerin eine als Einspruch bezeichnete - und nur in Bezug auf den mit 29.05.2019 datierten Einziehungsbescheid, nicht jedoch in Bezug auf den mit 11.04.2019 datierten Neufestsetzungsbescheid fristgerechte - Beschwerde.

In dieser Beschwerde führt die Beschwerdeführerin aus, dass sie einen "Einspruch" machen wolle, da sie nicht verstehe, weshalb ihr Grad der Behinderung von 50 v.H. auf 40 v.H. zurückgestuft worden sei. Sie habe vor 14 Tagen eine schwere Krebsoperation gehabt, derzeit erhalte sie eine Chemotherapie. Die Befunde von der Kopfoperation würden sich bei der belangten Behörde befinden, mehr könne sie dazu nicht sagen. Sie hoffe auf eine positive Entscheidung. Der Beschwerde legte die Beschwerdeführerin neben medizinischen Unterlagen den Einziehungsbescheid vom 29.05.2019 und ihren nunmehr nicht mehr dem Rechtsbestand angehörenden Behindertenpass bei.

Aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin ihrer Beschwerde den Einziehungsbescheid vom 29.05.2019 beilegte, ergibt sich - ganz abgesehen von dem Umstand, dass eine Anfechtung des mit 11.04.2019 datierten Neufestsetzungsbescheides mangels offener Beschwerdefrist rechtlich nicht mehr zulässig gewesen wäre - nach dem objektiven Erklärungswert, dass die Beschwerdeführerin eben diesen Bescheid anfechten wollte.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 22.07.2019 zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W264 zugewiesen.

Nach Aufforderungen der Gerichtsabteilung W264 wurden von der Beschwerdeführerin am 06.09.2019 und 15.01.2020 medizinische Unterlagen nachgereicht.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.04.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 21.04.2020 der Gerichtsabteilung W264 (wegen einer beruflichen Veränderung) abgenommen und der Gerichtsabteilung W207 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin war ab 26.06.2007 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50.v.H.

Am 07.11.2018 beantragte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass.

Mit Bescheid vom 11.04.2019 wies die belangte Behörde spruchgemäß den Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung (im Sinne einer Erhöhung des Grades der Behinderung) im Behindertenpass ab und setzte den Gesamtgrad der Behinderung von Amts wegen mit 40 v.H. neu fest.

Dieser Neufestsetzungsbescheid vom 11.04.2019 wurde entsprechend dem Akteninhalt von der belangten Behörde am 13.04.2019 ohne Zustellnachweis an die Beschwerdeführerin versandt und gilt daher gemäß § 26 Abs. 2 Zustellgesetz als am 17.04.2019 zugestellt. Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid keine Beschwerde erhoben hat, daher ist dieser Bescheid, mit dem der Gesamtgrad der Behinderung von Amts wegen mit 40 v.H. neu festgesetzt wurde, am 29.05.2019 in Rechtskraft erwachsen.

Festgestellt wird, dass seit Eintritt der Rechtskraft dieses Neufestsetzungsbescheides vom 11.04.2019 die Voraussetzungen für einen Behindertenpass im Fall der Beschwerdeführerin nicht mehr vorliegen, diese sind mit einem rechtskräftig festgesetzten Grad der Behinderung von 40. v.H. weggefallen. Der Behindertenpass der Beschwerdeführerin ist daher nicht mehr rechtsgültig.

Mit Einziehungsbescheid vom 29.05.2019 stellte die belangte Behörde spruchgemäß fest, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr erfülle. Ihr Behindertenpass sei einzuziehen und unverzüglich dem Sozialministeriumservice vorzulegen.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin gegen diesen Einziehungsbescheid fristgerecht mit Schreiben vom 05.07.2019 die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhob.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum am 26.06.2007 ausgestellten Behindertenpass, dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und zum mangels Anfechtung rechtskräftig gewordenen Neufestsetzungsbescheid vom 11.04.2019, dieser beinhaltend einen rechtskräftig festgestellten Grad der Behinderung von nur mehr 40 v.H., basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung, dass die belangte Behörde mit Einziehungsbescheid vom 29.05.2019 spruchgemäß festgestellt hat, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr erfülle und ihr Behindertenpass einzuziehen und unverzüglich dem Sozialministeriumservice vorzulegen sei, gründet sich ebenfalls auf den Akteninhalt.

Die Feststellung, dass sich die mit Schreiben vom 05.07.2019 erhobene Beschwerde gegen den Einziehungsbescheid vom 29.05.2019 richtet, ergibt sich, wie bereits oben erwähnt, aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin ihrer Beschwerde den Einziehungsbescheid vom 29.05.2019 beilegte, woraus - ganz abgesehen davon, dass eine Anfechtung des mit 11.04.2019 datierten Neufestsetzungsbescheides wegen abgelaufener Beschwerdefrist rechtlich nicht mehr zulässig gewesen wäre - der objektive Erklärungswert hervorleuchtet, dass die Beschwerdeführerin eben diesen Einziehungsbescheid vom 29.05.2019 anfechten wollte.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

...

§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Wie oben ausgeführt wurde, wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 11.04.2019 spruchgemäß den Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung (im Sinne einer Erhöhung des Grades der Behinderung) im Behindertenpass ab und setzte den Gesamtgrad der Behinderung von Amts wegen mit 40 v.H. neu fest. Dieser Neufestsetzungsbescheid vom 11.04.2019, mit dem der Gesamtgrad der Behinderung von Amts wegen mit 40 v.H. festgesetzt und damit herabgesetzt wurde, ist mangels dagegen erhobener Beschwerde am 29.05.2019 in Rechtskraft erwachsen.

Mit Eintritt der Rechtskraft dieses Neufestsetzungsbescheides vom 11.04.2019 sind im Fall der Beschwerdeführerin aber die Voraussetzungen für einen Behindertenpass gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, mit einem nunmehr rechtskräftig festgesetzten Grad der Behinderung von nur mehr 40. v.H. weggefallen. Der Behindertenpass der Beschwerdeführerin ist daher nicht mehr rechtsgültig.

Gemäß § 43 Abs. 1 BBG ist bei Wegfall der Voraussetzungen der Behindertenpass vom Sozialministeriumservice einzuziehen. Die Einziehung des Behindertenpasses ist daher eine zwingende Rechtsfolge bei einem Wegfall der Voraussetzungen für einen Behindertenpass. Daher war die belangte Behörde nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.05.2019 entsprechend der Bestimmung des § 43 Abs. 1 BBG die Einziehung des Behindertenpasses der Beschwerdeführerin zu veranlassen. Die Einziehung des Behindertenpasses der Beschwerdeführerin erfolgte daher zu Recht.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass, sollte entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Auffassung vertreten werden, dass sich die von der Beschwerdeführerin eingebachte Beschwerde vom 05.07.2019 gegen den mit 11.04.2019 datierten Neufestsetzungsbescheid und nicht gegen den Einziehungsbescheid vom 29.05.2019 richtet, diese Beschwerde wegen Fristversäumnis gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG iVm § 46 BBG als verspätet zurückzuweisen wäre.

Aufgrund der Rechtskraft des Neufestsetzungsbescheides vom 11.04.2019 kann sich das Bundesverwaltungsgericht auch nicht mehr inhaltlich mit dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 27.02.2019 und den Leidenszuständen der Beschwerdeführerin auseinandersetzen, sondern es hat im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ausschließlich zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Einziehung des Behindertenpasses gemäß § 43 Abs. 1 BBG, über die mit dem Einziehungsbescheid vom 29.05.2019 abgesprochen wurde, vorliegen oder nicht. Die Bewertung und Einschätzung der einzelnen Leiden der Beschwerdeführerin und die Höhe des Grades der Behinderung sind somit im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht verfahrensgegenständlich.

Allerdings ist die Beschwerdeführerin - im Hinblick auf die von ihr im Verfahren nachgereichten medizinischen Unterlagen, welche im gegenständlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden können - darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice in Betracht kommt. Mit der gegenständlichen Entscheidung sind im Übrigen auch sämtliche an die Beschwerdeführerin ergangene Aufforderungen der Gerichtsabteilung W264 zur Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen obsolet.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der im Beschwerdefall maßgebliche, im Ergebnis auf die Lösung einer verfahrensrechtlichen Frage beschränkte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Einziehung Grad der Behinderung Neufestsetzung Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W207.2221538.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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