TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/29 W173 2227579-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.05.2020
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Entscheidungsdatum

29.05.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W173 2227579-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela Schidlof sowie den fachkundigen Laienrichter Franz Groschan als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 5.12.2019, betreffend Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Am 10.10.2019 beantragte Herr XXXX , geb. am XXXX , (in der Folge BF) die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sowie die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO. Dazu legte er medizinische Unterlagen vor. Als seine Leiden bezeichnete der BF Nierenversagen und Dialyse.

2. Von der belangen Behörde wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Im Gutachten vom 5.11.2019 führte Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, auf Basis einer persönlichen Untersuchung des BF im Wesentlichen aus:

".................................

Anamnese:

Erstbegutachtung

2019-2 suspekte Nierenzyste in Beobachtung, Katheterimplantation linke Brust Expl. 9-

2019 zur Hämodialyse seit 2-2019, dzt, 3 x wöchentlich

2019-5 Ciminoshuntanlage li UA

Arterielle Hypertonie bekannt - derzeit mit medikamentöser Therapie ausreichend eingestellt.

Diabetes mellitus seit ca. 2008 bekannt, letzter NBZ nicht erinnerlich, letzte HbA1c 4,99 im September. Derzeit Pause von Insulin - diätisch eingestellt. Periphere Polyneuropathie und Nephropathie bekannt.

Obstruktives Schlafapnoesyndrom ohne Maskenbeatmung

Derzeitige Beschwerden:

Der Antragswerber klagt ?über Kribbeln in Füßen und Fingern

Er habe Fußschmerzen, alles schmerze, er bekomme immer Krämpfe, die Nase sei immer verstopft, Kopfschmerzen, sei nach der Dialyse schwindlig und müde

Von der Lunge habe er nichts'

Pflaster Allergie bekannt

Anderwärtige schwere Krankheiten, Operationen oder Spitalsaufenthalte werden negiert.

Lt. eigenen Angaben Benutzung der öffentlichen VM ?nicht möglich wegen der Fußschmerzen, er könne nicht gehen'

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel:

Neurontin, EMLA, Fermed, Eporatio, Etalpha, Lovenox, Paracetamol, Pregabalin, Exforge, Carvedilol, Amlodipin, Lasix, Urosin, Calc, Sevelamer, Nephrotrans, Salmecomp

Sozialanamnese:

In Serbien geboren, dort Schule, in Österreich seit dem 17. LJ 1985, hier nie gearbeitet, verheiratet seit ca. 1985, Gattin Küchenhelferin, 2 erw. Kinder, 4 Enkel.

wohnt in Gemeindewohnung im EG.

Kein Pflegegeld

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2019-10 mitgebrachter Befund Wiener Dialysezentrum:

? Terminale dialysepflichtige NI CKDG5DA3, vaskuläre und diab Np, 1.HD am 12.2.19

? V.a Gambro Filter Unverträglichkeit PF 210 und Fresenius FX 100 (Dyspnoe)

? Ciminoshuntanlage li UA am 28.05.19 (KH Hietzing)

? st.p. PC-lmpl links 11.2.19

? hypochrome mikrozytäre Anämie, sek. Hyperparathyreoisdismus

? Susp kompl Nierenzyste re Niere ~> CT Kontrolle 10/2019 deutlich gößenregrediente Zyste rechter unteren Nierenpol, links am kaudalen Nierenpol größenstationäre Zyste mit neu abgrenzbaren ca. 4 mm messendem KM-Enhancement im Randbereich, suspekt, Nebennierenadenom rechts

? Arterielle Hypertonie

? DM 2 (ED 2008), insulinpflichtig seit 10/2014, seit 2019 nur diätetische Th HbA1c 5 8% im 1/19, HbA1C 4,99% im 9/19

? Polyneuropathie, senso-motorisch

? Astigmatismus, Hyperopie, Presbyopie, aber keine diab Rp (4/19) ~> Ko in 1 a

? ECHO 4/19: grenzwertig gr li V, noch normale sLVF, 0 WBST, li VH vergr IVSD 14mm

akzentuierter Perikardspalt; ECHO 3/16: normgr li V, deutl konz LVH, normalse syst LVF

EF 62%, diastol Fktsstörung (Pseudonormalisierung), Klappen unauff, 0 PE

? incipiente CAVK, minimalste sklerotische Veränderungen im Bulbusbereich ACI unauff (CarUS 4/19)

? COPD oder ACO 2B (5/19)

? leicht-mittelgradige Schlafapnoe (5/19) ~> Ko in 6 Monaten

? Polyneuropathie

? Adipositas

? Vermehrte und vergr. LK (14 mm) paraösophageal knapp oberhalb des Hiatus aorticus.

sowie vermehrte u geringe vergr LK im Bereich Leberpforte, paraaortal, retroperitoneal

im mesenteriellen FettGW des Mittelbauches - CT 2/19

? Nebennierenadenom re (2 cm) - CT 2/19

? Hyperlipidämie

? Hyperurikämie

? Sigmadivertikulose, Divertikulose im Colon desc (CT 1/19, bzw CT 8/19)

? intraluminales Lipom (4,6x 2'6 cm) in der Pars horizontales inf duodeni/duodenojejunaler Übergang

? Nikotinabusus

? Calcaneussporn plantar und dorsal bds (8/18)

? st.p. Podagra bds.

? Übernahme aus dem KH Hietzing am 25.2.19

2019-9 Wiener Dialysezentrum:

hochgradig suspekter Nierenzyste im rezenten CT

? Terminale dialysepflichtige NI CKDG5DA3, vaskuläre und diab Np, 1.HD am 12.2.19

? V.a Gambro Filter Unverträglichkeit PF 210 und Fresenius FX 100 (Dyspnoe)

? Ciminoshuntanlage li UA am 28.05.19 (KH Hietzing)

? st.p. PC-lmpl links 11.2.19

? hypochrome mikrozytäre Anämie, sek. Hyperparathyreoisdismus

? Susp kompl Nierenzyste re Niere ~> CT-KM 2/19: Cortikale Nierenzyste re 11x11x13cm,

glatt begrenzt, minim. Wandverdickung, keine Septen -> in Observanz wegen Größe, links,

? Arterielle Hypertonie

? DM 2 (ED 2008), insulinpflichtig seit 10/2014, seit 2019 nur diätetische Th HbA1c 5 8% im 1/19, HbA1C 5,26% im 6/19

? Polyneuropathie, senso-motorische

? Astigmatismus, Hyperopie, Presbyopie, aber keine diab Rp (4/19) ~> Ko in 1 a

? ECHO 4/19: grenzwertig gr li V, noch normale sLVF, 0 WBST, li VH vergr IVSD 14mm

akzentuierter Perikardspalt; ECHO 3/16: normgr li V, deutl konz LVH, normalse syst LVF

EF 62%, diastol Fktsstörung (Pseudonormalisierung), Klappen unauff, 0 PE

? incipiente CAVK, minimalste sklerotische Veränderungen im Bulbusbereich ACI unauff ( (CarUS 4/19)

? COPD oder ACO 2B (5/19)

? ieicht-mittelgradige Schlafapnoe (5/19) ~> Ko in 6 Monaten

? Polyneuropathie

? Adipositas

? Vermehrte und vergr. LK (14 mm) paraösophageal knapp oberhalb des Hiatus aorticus.

sowie vermehrte u geringe vergr LK im Bereich Leberpforte, paraaortal, retroperitoneal

im mesenteriellen FettGW des Mittelbauches - CT 2/19

? Nebennierenadenom re (2 cm) - CT 2/19

? Hyperlipidämie

? Hyperurikämie

? Sigmadivertikulose, Divertikulose im Colon desc (CT 1/19, bzw CT 8/19)

? intraluminales Lipom (4,6x 2'6 cm) in der Pars horizontales inf duodeni/duodenojejunaler Übergang

? Nikotinabusus

? Calcaneussporn plantar und dorsal bds (8/18)

? st.p. Podagra bds.

? Übernahme aus dem KH Hietzing am 25.2.19

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: 51-jähriger AW in gutem AZ, kommt alleine ins Untersuchungszimmer

Ernährungszustand: gut

Größe: 175,00 cm, Gewicht: 113,00 kg, Blutdruck: 130/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Haut: und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, kein Ikterus, keine periphere oder zentrale Zyanose

Caput: HNAP frei, kein Meningismus, sichtbare Schleimhäute: unauffällig Zunge feucht, wird gerade hervorgestreckt, normal

Brillenträger

PR unauffällig, Rachen: bland,

Gebiss: sanierungsbedürftig

Hörvermögen ohne Hörgerät unauffällig

Collum: Halsorgane unauffällig, keine Einflußstauung, keine Stenosegeräusche

Thorax: symmetrisch, blande Narbenverhältnisse linke Brust n

Cor: HT rhythmisch, mittellaut, normfrequent, Puls: 72 / min

Pulmo: sonorer KS, Vesikuläratmen, Basen atemverschieblich, keine Dyspnoe in Ruhe und beim Gang im Zimmer

Abdomen: Bauchdecken über Thoraxniveau, Hepar nicht vergrößert, Lien nicht palpabel, keine pathologischen Resistenzen tastbar, mäßiger diffuser Druckschmerz, NL bds. frei

Extremitäten:

OE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig.

blande Narbenverhältnisse bei Shunt linker Unterarm

Nacken und Schürzengriff möglich,

in den Gelenken altersentsprechend frei beweglich, Faustschluss beidseits unauffällig eine Sensibilitätsstörung wird nicht angegeben

Feinmotorik und Fingerfertigkeit ungestört.

UE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig. In den Gelenken altersentsprechend frei beweglich, Bandstabilität, strumpfförmige Hypästhesie beider Unterschenkel angegeben, selbständige Hebung beider Beine von der Unterlage möglich, grobe Kraft an beiden Beinen seitengleich normal. Fußpulse tastbar, verstärkte Venenzeichnung, keine Ödeme, Hyperpigmentiereung der distalen Unterschenkel links mehr als rechts; PSR: seitengleich unauffällig, Nervenstämme: frei, Lasegue: neg.

Wirbelsäule: In der Aufsicht gerade, weitgehend im Lot, in der Seitenansicht verstärkte Brustkyphose FBA: 20 cm durchgeführt, Aufrichten frei,

kein Klopfschmerz, Schober: Ott: unauffällig, zu 1/4 eingeschränkte Seitneigung und Seitdrehung der LWS, endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der HWS, Kinn-Brustabstand: 1 cm, Hartspann der paravertebralen Muskulatur,

Gesamtmobilität - Gangbild:

kommt mit Halbschuhen frei gehend intermittierend stampfend rechts mit sonst unauffälliger Abrollbewegung, Zehenballen- und Fersengang sowie Einbeinstand beidseits mit vornübergebeugtem Anhalten durchgeführt. Die tiefe Hocke wird ohne Anhalten zu 1/2 durchgeführt. Vermag sich selbständig aus- und wieder anzuziehen

Status Psychicus: Bewusstsein klar; gut kontaktfähig, allseits orientiert, Gedanken in Form und Inhalt geordnet, psychomotorisch ausgeglichen, Merk- und Konzentrationsfähigkeit erhalten; keine produktive oder psychotische Symptomatik,

Antrieb unauffällig, Affekt: dysthym

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes

Pos.Nr.

GdB %

01

Dialysepflichtige Niereninsuffizienz seit 2-2019 Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da mit 3x wöchentlich Hämodialyse kompensiert - inkludiert auf Nierenzysten

05.04.04

60%

02

Diabetes mellitus Oberer Rahmensatz, da periphere Polyneuropathie und Nephropathie

09.02.01

30%

03

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen Heranziehung dieser Position mit den oberen Rahmensatz, da mäßige Funktionseinschränkungen ohne radikuläre Ausfälle

02.01.01

20%

04

Arterielle Hypertonie

05.01.01

10

05

Obstruktives Schlafapnoesyndrom ohne Maskenbeamtungserfordernis

06.11.01.

10

06

Degenerative Gelenksveränderungen Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da keine maßgeblichen Funktionseinschränkungen objektivierbar

02.02.01.

10

Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2 erhöht nicht, da teilweise Leidensüberschneidung mit 1 vorliegt Leiden 3-6 erhöhen nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

keines vorliegend

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung: --

.................................

X Nachuntesuchung 11/2022, da Besserung nach eventueller Nierentransplantation möglich ist.

.................................

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Bedingt durch das dialysepflichtige Nierenleiden liegt eine moderate Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, welche jedoch eine erhebliche Erschwernis des Erreichens, Besteigens und Mitfahrens mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ausreichend begründen kann.

Darüber hinaus führt auch das Zusammenwirken mit den degenerativen Gelenks- und Wirbelsäulenveränderungen und dem der diabetischen Polyneuropathie nicht zu einer maßgeblichen Behinderung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nein

..........................................."

3. Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten wurde mit Schreiben vom 7.11.2019 unter Einräumung einer Stellungnahmefrist dem Parteiengehör unterzogen. Der BF sah von einer Stellungnahme ab.

4. Mit Bescheid vom 5.12.2019 wurde die am 10.10.2019 beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen. Die belangte Behörde stützte sich auf das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Bescheidbegründung darstelle. Gegen das übermittelte Sachverständigengutachten habe der BF im Parteiengehör keine Einwendungen vorgebracht. Der BF erfülle die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht. Hingewiesen wurde auch darauf, dass über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nicht abgesprochen werde, da dafür die grundsätzliche Voraussetzung der Gewährung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würde.

5. Mit Schreiben vom 17.12.2019 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 5.12.2019 zur Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung". Als Dialysepatient mit einem Grad der Behinderung von 60% müsse er jeden zweiten Tag für 4,5 Stunden zur Dialyse fahren, wobei er seit dem Hausbesuch der medizinischen Sachverständigen, die ihn im Hinblick auf seinen Antrag auf Pflegegeld besucht habe, überwiegend auf den Gebrauch eines Mobilrollers angewiesen sei. Er könne zwar mit dem Auto fahren. Öffentliche Verkehrsmittel könne er auf Grund seiner Schmerzen im Bein nicht benützen. Er müsse sich nach einigen Schritten niedersetzen. Seit einigen Tagen könne er wegen seiner schweren Beine und der damit verbundenen Schmerzen kaum einige Schritte gehen. Sitzen sei für ihn hingegen problemlos, sodass er mit dem Auto fahren könne. Für Arztbesuche benötige er eine Begleitperson. Seine Frau besitze keinen Führerschein. Vielmehr sei er der einzige in der Familie mit Führerschein. Zu allen Ärzten und Untersuchungen müsse er mit dem Auto fahren. Seit einigen Tagen müsse ihm auch seine Frau die Socken und die Schuhe anziehen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.Feststellungen:

1.1. Der BF erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der BF hat seinen Wohnsitz im Inland. Der Gesamtgrad der Behinderung des BF beträgt 60 v.H. Der BF verfügt über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H.

1.2. Der BF leidet an einer dialysepflichtiger Niereninsuffizienz seit 2.2019, Diabetes mellitus mit peripherer Polyneuropathie und Nephropathie, degenerativen Wirbelsäulen-veränderungen mit mäßigen Funktionseinschränkungen ohne radikuläre Ausfälle, arterielle Hypertonie, obstruktives Schlafapnoesyndrom ohne Maskenbeatmung und degenerativen Gelenksveränderungen ohne maßgebliche Funktionseinschränkungen. Die Gelenke der oberen und unteren Extremitäten sind altersentsprechend frei beweglich. Er kann beide Beine von der Unterlage selbständig Heben. Die grobe Kraft an seinen beiden Beinen ist seitengleich normal. Sein dialysepflichtiges Nierenleiden ist mit moderaten Einschränkungen seiner körperlichen Belastbarkeit verbunden.

1.3.Er hat keine erheblichen Einschränkungen der unteren oder oberen Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit. Dies gilt auch für seine psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen. Der BF leidet auch nicht unter einer schwer anhaltenden Erkrankung des Immunsystems. Der BF kann eine Gehstrecke von rund 300-400 Meter aus eigener Kraft ohne Unterbrechung bewältigen und Niveauunterschiede beim Ein- und Aussteigen in und aus dem öffentlichen Verkehrsmittel überwinden. Es ist auch sein sicherer Transport im öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet.

1.4. Dem BF ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

2.Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem vorliegenden Gerichtsakt.

Zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen im Hinblick auf den beantragten Zusatzvermerk "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" wurde im oben wiedergegebenen schlüssigen Sachverständigengutachten vom 5.11.2019 von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, das von der belangten Behörde eingeholt wurde, ausführlich und nachvollziehbar Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF mit erhobenen klinischen Befunden und den schlüssigen und nachvollziehbaren gutachterlichen Äußerungen entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Der BF hat auf Grund des dialysepflichtigen Nierenleidens moderate Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, die das Erreichen von, Ein- und Aussteigen und das Mitfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich erschweren. Aber auch in Zusammenschau mit seinen degenerativen Gelenks- und Wirbelsäulenveränderungen und seiner diabetischen Polyneuropathie kommt es beim BF zu keinen maßgeblichen Behinderungen bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Dieses Ergebnis spiegelt sich auch in den nachvollziehbaren Ausführungen des genannten Sachverständigen im schlüssigen Gutachten vom 5.11.2019 bei der persönlichen Untersuchung des BF wider. Der BF konnten ohne Hilfsmittel in Halbschuhen frei gehen, wobei er intermittierend rechts stampfend aber sonst mit unauffälliger Abrollbewegung sich fortbewegte. Er konnte sowohl den Zehenballen- und Fersengang sowie den Einbeinstand beidseits mit vorneübergebeugten Anhalten durchführen. Die tiefe Hocke konnte ohne Anhalten zur Hälfte durchgeführt werden. Die degenerativen Gelenksveränderungen sind mit keinen maßgeblichen Einschränkungen verbunden. Ebenso bestehen nur mäßige Funktionseinschränkungen ohne radikuläre Ausfälle bei seiner Wirbelsäule.

Es lagen damit keine erhebliche Einschränkung der unteren und oberen Extremitäten oder körperlichen Belastbarkeit bzw. der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen, auf Grund derer der Schluss gezogen werden könnte, dass dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar wäre, vor. Das nachvollziehbare medizinischen Sachverständigengutachten und die persönliche Untersuchung des BF haben keinen solchen Schluss zugelassen. Den schlüssigen Ausführungen im Gutachten vom 5.11.2019 ist der BF auch nicht im Rahmen des Parteiengehörs entgegengetreten.

Das Vorbringen des BF in seiner Beschwerde vom 17.12.2019 kann nicht überzeugen. Im Hinblick auf einen behaupteten Gebrauch eines Mobilrollers, auf die Schmerzen in den Beinen sowie deren Schwere, die ihm zwar beim Sitzen im Auto und beim Fahren des Autos nicht behindern würden, aber nur einige Schritte beim Gehen ermöglichen würden, und auf die Notwendigkeit einer Begleitperson beim Arztbesuch wurden vom BF keine objektivierbaren, aktuellen medizinischen Befunden vorgelegt. Mit einem Grad der Behinderung von 60% und einer Dialysepflicht an jedem zweiten Tag werden die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht erfüllt. Für die begehrte Zusatzeintragung ist auch nicht maßgebend, ob der BF der einzige Führerscheinbesitzer in der Familie ist. Das behauptete Anziehen von Socken und Schuhen, das ihm nur mehr seit einigen Tagen mit Hilfe seiner Frau möglich sei, wurde ebenfalls nicht mit medizinischen Nachweisen belegt.

3.Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063; VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005).

3.1.Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs. 2 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, wurde mit BGBl II Nr. 263/2016 novelliert. Gemäß § 5 Abs. 3 der Novelle ist § 1 dieser Verordnung mit Ablauf des 21.09.2016 in Kraft getreten.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen), BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, ist der Behindertenpass mit einem 35 x 45 mm großen Lichtbild auszustatten und hat zu enthalten:

1. den Familien- oder Nachnamen, den Vornamen, den akademischen Grad oder die Standesbezeichnung und das Geburtsdatum des Menschen mit Behinderung;

2. die Versicherungsnummer;

3. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;

4. eine allfällige Befristung.

Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in

§ 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur oben genannten Verordnung wird auszugsweise Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 (auszugsweise):

Abs. 2 unterscheidet zwei Arten von Eintragungen; solche, die die Art der Behinderung des Passinhabers/der Passinhaberin betreffen und jene, die Feststellungen über Erfordernisse des Menschen mit Behinderung im täglichen Leben treffen, etwa die behinderungsbedingte Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH vom 14.05.2009, 2007/11/0080).

Für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, "Leben am Land") oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258).

Zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens wird auf die obigen Erörterungen verwiesen.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF nicht ein Ausmaß erreichen, welches die Eintragung des Zusatzes "Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Hinsichtlich der bekämpften Abweisung der Zusatzeintragung ist im gegenständlichen Fall für die Entscheidung maßgebend, ob die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß erreichen, welches die Eintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" rechtfertigt. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Diesem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 5.11.2019 trat der BF auch im Rahmen des Parteiengehörs nicht entgegen. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurde dieses als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3.3.Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. Ra 2014/01/0010; VwGH vom 24.03.2014, Zl. Ro 2014/01/0011) zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W173.2227579.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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