TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/2 W133 2227390-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.06.2020
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Entscheidungsdatum

02.06.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2227390-1/3E

W133 2227489-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen

1.) den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 13.11.2019, betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass und

2.) gegen den gemäß § 45 Abs. 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 14.11.2019

zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich beider angefochtenen Bescheide als unbegründet abgewiesen.

Der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 60 (sechzig) von Hundert (v.H.).

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG in beiden Fällen nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin war seit 23.01.2017 Inhaberin eines bis 31.03.2019 befristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 80 v.H. mit den Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und "Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" sowie Inhaberin eines bis 31.03.2019 befristeten Parkausweises gemäß § 29b StVO. Die Ausstellung erfolgte nach Einholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 28.03.2017, in dem die Funktionseinschränkungen 1. "Stammganglieninsult rechts - arterio-arterieller Genese am 12.10.2016" bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 80 v.H. nach der Positionsnummer 04.01.03 der Anlage der Einschätzungsverordnung und 2. "Hypertonie" bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 05.01.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung, festgestellt wurden. Es wurde ausgeführt, dass Leiden 1 durch das Leiden 2 wegen fehlender ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung und fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz nicht weiter erhöht werde. Es wurde eine Nachuntersuchung für März 2019 angeordnet, da eine Besserung des Leidens 1 wahrscheinlich sei. Es wurde weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zum damaligen Zeitpunkt nicht zumutbar war.

Die Beschwerdeführerin stellte in weiterer Folge am 26.03.2019 beim Sozialministeriumsservice, Landesstelle Wien (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet), ohne Vorlage von Beweismitteln einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), welcher entsprechend dem von der Beschwerdeführerin unterfertigten Antragsformular auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in dem Behindertenpass galt. Daher wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28.03.2019 von der belangten Behörde aufgefordert, aktuelle Befunde nachzureichen. Am 10.04.2019 langte ein Befundkonvolut der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde ein.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 13.08.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

armbetontes Hemisyndrom links nach Stammganglieninsult 10/2016 mittlerer Rahmensatz, da Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes, jedoch mit einfacher Gehhilfe relativ gute Gehleistung; inkludiert Begleitdepression

04.01.02

60

2

Zustand nach Hüftgelenksersatz links oberer Rahmensatz, da liegendes Osteosynthesematerial ohne Lockerungszeichen und Flexion bis 90° möglich; inkludiert geringe Beinverkürzung links

02.05.07

20

3

leichter Bluthochdruck fixer Rahmensatz

05.01.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, das führende Leiden 1 werde durch die Gesundheitsschädigung unter der Nummer 2 nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken bestehe. Leiden 3 erhöhe nicht, da es von zu geringer funktioneller Relevanz sei. Gallensteine als Zufallsbefund ohne Therapieerfordernis würden bei gutem Ernährungszustand keinen Grad der Behinderung erreichen. Ein erhöhter Blutfettspiegel stelle zwar einen Risikofaktor dar, erreiche jedoch keinen Grad der Behinderung. Auch ein Zustand nach einer Brustoperation ohne Folgeschaden bedinge keinen Grad der Behinderung. Zu den Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2017 führte der Gutachter aus, dass sich hinsichtlich des Leidens 3 kein abweichendes Kalkül ergebe. Leiden 1 habe sich stabilisiert und werde daher um zwei Stufen niedriger bewertet. Dies wirke sich auf die Gesamteinschätzung aus. Leiden 2 sei neu in das Gutachten aufgenommen worden. Durch die abweichende Beurteilung des Leidens 1 sei die Herabsetzung der Gesamteinschätzung um zwei Stufen gerechtfertigt. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Schreiben vom 14.08.2019 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das allgemeinmedizinische Gutachten vom 13.08.2019 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Mit Schreiben vom 29.08.2019 brachte die Beschwerdeführerin unter Vorlage eines umfangreichen Befundkonvoluts eine Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Darin führt sie zusammengefasst aus, dass sich ihr Gesundheitszustand nicht verbessert habe und bei ihr daher nach wie vor ein Behinderungsgrad von 80 v.H. vorliege. Der Stellungnahme wurden neben Befunden eine Sachverhaltsdarstellung und ihr befristeter Behindertenpass sowie der befristete Parkausweis beigelegt.

Aufgrund der eingebrachten Stellungnahme und der vorgelegten Befunde holte die belangte Behörde eine Stellungnahme des Allgemeinmediziners vom 12.11.2019 ein, welcher das Gutachten vom 13.08.2019 erstellt hatte. Darin führt der Gutachter zusammengefasst aus, dass an der Beurteilung im Gutachten vom 13.08.2019 festgehalten werde.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 13.11.2019 wurde der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vom 26.03.2019 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt worden sei. Der unbefristete Behindertenpass im Scheckkartenformat mit den Zusatzeintragungen "Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese" werde in den nächsten Tagen übermittelt werden. Da sie einen befristeten Behindertenpass besitze, sei die neue Scheckkarte ab 01.04.2019 gültig. Das eingeholte Gutachten vom 13.08.2019 sowie die das Gutachten ergänzende Stellungnahme vom 12.11.2019 wurden der Beschwerdeführerin gemeinsam mit diesem Schreiben übermittelt.

Mit Bescheid vom 13.11.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 26.03.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab. Sie stützte den Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens.

Ein bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.

Mit Begleitschreiben der belangten Behörde vom 14.11.2019 wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60 v.H. übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Am 17.12.2019 langte bei der belangten Behörde eine fristgerechte Beschwerde ein. Darin wendet sich die Beschwerdeführerin sowohl gegen die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" als auch gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass. Sie führt begründend aus, dass es seit den Schlaganfällen im Oktober 2016 keine Verbesserung gegeben habe, auch der Hüftgelenksbruch 2017 habe zu keiner Verbesserung beigetragen, ihr Zustand sei im Gegenteil schlechter geworden. Sie fordere daher die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens. Die Beschwerdeführerin legte der Beschwerde keine medizinischen Befunde bei.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 10.01.2020 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin war von 23.01.2017 bis 31.03.2019 Inhaberin eines befristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 80 v.H. mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie Inhaberin eines befristeten Parkausweises gemäß § 29b StVO.

Sie stellte am 26.03.2019 Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in diesem Behindertenpass.

Mit Bescheid vom 13.11.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" ab. Ihr wurde am 14.11.2019 ein unbefristeter Behindertenpass mit einem nunmehr festgestellten Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. ausgestellt.

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Armbetontes Hemisyndrom links nach Stammganglieninsult 10/2016, Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes, jedoch mit einfacher Gehhilfe relativ gute Gehleistung, inkludiert die Begleitdepression;

2. Zustand nach Hüftgelenksersatz links, liegendes Osteosynthesematerial ohne Lockerungszeichen und Flexion bis 90° möglich, inkludiert die geringe Beinverkürzung links;

3. Leichter Bluthochdruck.

Das führende Leiden 1 wird durch das Leiden 2 nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken besteht. Leiden 3 erhöht das führende Leiden nicht weiter, da es von zu geringer funktioneller Relevanz ist.

Gallensteine als Zufallsbefund ohne Therapieerfordernis erreichen bei gutem Ernährungszustand keinen Grad der Behinderung. Ein erhöhter Blutfettspiegel stellt zwar einen Risikofaktor dar, erreicht jedoch keinen Behinderungsgrad. Auch ein Zustand nach einer Brustoperation ohne Folgeschaden bedingt keinen Grad der Behinderung.

Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2017 ist eine Stabilisierung des führenden Leidens 1 eingetreten, das Leiden 2 ist neu hinzugekommen und das Leiden 3 wurde unverändert eingestuft. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde aufgrund der Besserung von Leiden 1 um zwei Stufen auf 60 v.H. herabgesetzt.

Da die nunmehr anerkannten Gesundheitsschädigungen keine erhebliche Einschränkung der Mobilität mehr zur Folge haben, liegen die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht mehr vor; diesbezüglich wird auf die beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung, medizinischer Einschätzung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 13.08.2019 und in dessen ergänzender Stellungnahme vom 12.11.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt nunmehr 60 v.H. und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist ihr zumutbar. Es wurden im Verfahren keine Befunde vorgelegt, die weitere oder höhere Funktionseinschränkungen als im Gutachten vom 13.08.30219 bereits medizinisch festgestellt wurden, belegen würden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen betreffend das Vorverfahren, die gegenständliche Antragstellung sowie zur Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" mit Bescheid vom 13.11.2019 und zur Ausstellung eines unbefristeten Behindertenpass mit einem festgestellten Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur österreichischen Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin und zu ihrem Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland ergeben sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht aktuell eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister.

Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen, zum aktuellen Grad der Behinderung sowie zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gründen auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 13.08.2019 und der ergänzend eingeholten Stellungnahme desselben Arztes vom 12.11.2019, basierend auf den im Laufe des Verfahrens vorgelegten Befunden und einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin. Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten bzw. die Stellungnahme setzen sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden und entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird auf die detaillierten, oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Im Vorgutachten aus dem Jahr 2017 wurde als führendes Leiden der Beschwerdeführerin ein "Stammganglieninsult rechts - arterio-arterieller Genese am 12.10.2016" nach der Positionsnummer 04.01.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche cerebrale Lähmungen schweren Grades betrifft, mit einem Grad der Behinderung von 80 v.H. eingestuft. Begründend wurde vom damals beigezogenen Gutachter ausgeführt, dass der untere Rahmensatz dieser Positionsnummer herangezogen worden sei, da eine hochgradige Parese des linken Armes und eine mit einer Peronaeusschiene korrigierbare Funktionseinschränkung des linken Beines vorliege. Es wurde vom damaligen Gutachter eine Nachuntersuchung für März 2019 angeordnet, da eine Besserung dieses Leidens möglich sei. Gegenständlich wurde als führendes Leiden entsprechend den festgestellten Funktionseinschränkungen unter dem Leidenszustand 1 ein "Armbetontes Hemisyndrom links nach Stammganglieninsult 10/2016" nach der Positionsnummer 04.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche cerebrale Lähmungen mittleren Grades betrifft, mit einem Grad der Behinderung von nur mehr 60 v.H. eingestuft. Es wurde der mittlere Rahmensatz dieser Positionsnummer herangezogen, da vom beigezogenen Gutachter bei der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.06.2019 die Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes, jedoch mit einer einfachen Gehhilfe eine relativ gute Gehleistung festgestellt werden konnten ("obere Extremität: frei beweglich bis auf endlagige Elevationsstörung des rechten Armes, der linke Arm wird unter Zuhilfenahme des rechten Armes bis knapp zur Horizontalen gehoben, Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand, diese Hand kann nur als Hilfshand verwendet werden, geringgradige Involutionsatrophie der Oberarmmuskulatur links Oberarmumfang links: 25cm (rechts: 27cm), Unterarmumfang links: 21cm (rechts: 22cm), Handgelenksumfang links: 16cm (links: 17cm), das linke Handgelenk verharrt in einer Fallhandstellung, die nur geringfügig manipuliert werden kann, Globalfunktion und grobe Kraft rechts erhalten, Nacken- und Kreuzgriff nur rechts möglich", "Gesamtmobilität - Gangbild: hinkendes Gangbild, keine objektivierbare Sturzneigung, AW verwendet einen Einpunktstock zur sicheren selbständigen Fortbewegung"). Diese Einschätzung des Allgemeinmediziners wird durch die im Laufe des Verfahrens vorgelegten Befunde bestätigt. So wird beispielsweise in einem im Rahmen des Parteiengehörs vorgelegten Ambulanzbrief eines näher genannten Krankenhauses vom 28.08.2019 an der linken unteren Extremität ein Kräftegrad 4/5 (gut) nach Janda beschrieben und ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin mit einem Stock mobil ist. Auch aus einem im Rahmen der Antragstellung vorgelegten Entlassungsbrief eines näher genannten Krankenhauses vom 16.10.2017 ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin mit einem Gehstock über kurze Strecken selbstständig mobil ist. Die Begleitdepression wurde im Rahmen der Einstufung des Leidens 1 inkludiert. Da es im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2017 insgesamt zu einer Stabilisierung des Leidens 1 gekommen ist, wurde der Behinderungsgrad vom Gutachter korrekt um zwei Stufen herabgesetzt.

Nachdem die Beschwerdeführerin im September 2017 einen Oberschenkelhalsbruch erlitten hatte und sie daraufhin mit einer Totalendoprothese links versorgt wurde, wurde vom beigezogenen Gutachter als Leiden 2 "Zustand nach Hüftgelenksersatz links" nach der Positionsnummer 02.05.07 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche Funktionseinschränkungen der Hüftgelenke geringen Grades einseitig betrifft, neu eingestuft. Vom Sachverständigen wurde unter Berücksichtigung des liegenden Osteosynthesematerial ohne Lockerungszeichen und den im Rahmen der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin festgestellten mäßigen Einschränkungen bei Beugung und Drehung der linken Hüfte - es war eine Beugung bis 90° möglich - korrekt dem oberen Rahmensatz (20 v.H.) dieser Positionsnummer zugeordnet. Diese Einschätzung des Allgemeinmediziners wird durch die im Laufe des Verfahrens vorgelegten Befunde bestätigt. In einem im Rahmen des Parteiengehörs vorgelegten Befund eines näher genannten Krankenhauses vom 11.06.2019 wird beschrieben, dass szintigraphisch kein Hinweis auf eine mechanische Prothesenlockerung und entzündliche Prozesse im Bereich der Hüfttotalendoprothese links vorliegen. Auch in einem im Rahmen des Parteiengehörs vorgelegten Röntgenbefund eines näher genannten Röntgenzentrums vom 23.07.2019 wird ausgeführt, dass bei der Beschwerdeführerin ein Zustand nach Hüfttotalendprothese links ohne Lockerungszeichen vorliegt. Bei der gegenständlichen Einschätzung des Leidens 2 wurde die geringe Beinverkürzung links berücksichtigt. Die neu vorgenommene Einstufung des Leidens 2 "Zustand nach Hüftgelenksersatz links" nach einem Oberschenkelhalsbruch im September 2017 ist daher nicht zu beanstanden.

Auch der Bluthochdruck wurde vom Gutachter wie bereits im Vorgutachten aus dem Jahr 2017 unter Leiden 3 (vormaliges Leiden 2) durch die Wahl der Positionsnummer 05.01.01 richtig eingestuft, zumal nur eine leichte Hypertonie vorliegt. Diesbezüglich wird im Gutachten vom 13.08.2019 festgehalten, dass bei der Beschwerdeführerin unter Therapie ein normales Blutdruckverhalten vorliegt.

Die Feststellungen des Sachverständigen, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 nicht erhöht wird, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken besteht und dass das Leiden 3 das führende Leiden 1 nicht weiter erhöht, da es von zu geringer funktioneller Relevanz ist, sind nicht zu beanstanden.

Auch die Feststellungen des Gutachters, dass Gallensteine als Zufallsbefund ohne Therapieerfordernis bei gutem Ernährungszustand, ein erhöhter Blutfettspiegel sowie ein Zustand nach einer Brustoperation ohne Folgeschaden keinen Grad der Behinderung erreichen, sind korrekt und nachvollziehbar.

Schließlich wird in dem im gegenständlichen Verfahren eingeholten Gutachten unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde vollständig, widerspruchsfrei und schlüssig auf die für eine allfällige Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass geforderten Voraussetzungen eingegangen und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin - auch auf Basis der Untersuchung des Allgemeinmediziners am 11.06.2019 - aktuell zumutbar ist.

Es wurde festgestellt, dass bei der Beschwerdeführerin keine höhergradige Funktionsstörung der unteren Extremitäten vorliegt. Es fanden sich im klinischen Befund keine signifikanten motorischen Ausfälle. Die Beschwerdeführerin kann unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe eine kurze Wegstrecke von mehr als 300 Metern zu Fuß ohne Unterbrechung, ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung, ohne große Schmerzen und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Die Benützung einer einfachen Gehhilfe (Stock) stellt eine zumutbare Kompensationsmöglichkeit dar. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Das Anhalten ist mit der rechten Hand uneingeschränkt möglich, die linke Hand kann nur als Hilfshand verwendet werden.

Ein Herzleiden, welches eine hochgradige Einschränkung der Auswurfleistung zur Folge hätte und eine signifikante Belastungsstörung verursachen würde, konnte bei der klinischen Untersuchung und aufgrund der vorliegenden Befunde nicht ermittelt werden.

Es liegen weiters keine erheblichen Einschränkungen der psychischen, neurologischen und intellektuellen Funktionen vor, die Gefahreneinschätzung im öffentlichen Raum ist gegeben.

Ein nachweislich therapierefraktäres schweres Anfallsleiden ist nicht dokumentiert. Von den anerkannten Leiden geht keine hochgradige Schwäche mit einer Belastungsstörung aus, die eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen könnte.

Die von der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs angegebene Schwindelsymptomatik und eine sich daraus ergebende Sturzneigung konnte im Rahmen der persönlichen Untersuchung durch den beigezogenen Arzt für Allgemeinmedizin nicht objektiviert werden, zudem handelt es sich bei den von der Beschwerdeführerin anamnestisch angegebenen Medikamenten um solche zur Behandlung von Bluthochdruck, erhöhtem Cholesterin, der Begleitdepression sowie der Refluxkrankheit. Auch wurden im Rahmen der Anamneseerhebung keine Schwindelbeschwerden inklusive Sturzneigung angeführt. Es konnte somit nicht festgestellt werden, dass diesbezüglich ein einschätzungsrelevantes Leiden vorliegt.

Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin Pflegegeld der Stufe 1 (vormals der Stufe 2) bezieht, lässt nicht den Schluss zu, dass sie keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen kann.

Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten somit nicht über den im gegenständlichen Fall erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

Somit ist das Erreichen und Benützen öffentlicher Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin in Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände aktuell nicht mehr unzumutbar. Bewegungseinschränkungen oder Belastbarkeitseinschränkungen in einem zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führenden Ausmaß konnten durch den Sachverständigen nicht mehr objektiviert werden. Der Gutachter begründet nachvollziehbar, warum er aus medizinischer Sicht davon ausgeht, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nunmehr zumutbar ist.

Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 13.08.2019 und an der dieses Gutachten ergänzenden Stellungnahme vom 12.11.2019. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die beiden zu beurteilenden Verfahren werden gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

....

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:

"§ 1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

a)...

b)...

...

2. ...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)..."

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) - (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):

"Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

...

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

...

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.

...

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

..."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung das medizinische Sachverständigengutachten vom 13.08.2019 und die dieses Gutachten ergänzende Stellungnahme vom 12.11.2019 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 60 v.H. beträgt und ihr die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nunmehr zumutbar ist; vgl. dazu die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung. Die Funktionseinschränkungen wurden vom Gutachter entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Nach dem Sachverständigengutachten vom 13.08.2019 liegen keine ausreichend erheblichen Einschränkungen der Funktionen der oberen oder unteren Extremitäten, der körperlichen Belastbarkeit oder psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen, keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems und keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würden.

Da festzustellen war, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt und der Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H. beträgt, war die Beschwerde, die sich gegen beide Bescheide richtete, spruchgemäß abzuweisen.

Es ist aber zulässig, im Falle der Verschlechterung des Gesundheitszustandes abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht (vgl. dazu etwa VwGH 20.11.2012, 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, da ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.

Da der Sachverhalt feststeht und die Sache daher entscheidungsreif ist, war dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachten nicht Folge zu geben, zumal im gegenständlichen Verfahren bereits ein nicht zu beanstandendes medizinisches Sachverständigengutachten inklusive ergänzender gutachterlicher Stellungnahme eingeholt wurde und der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde.

Im gegenständlichen Fall wurden die Fragen der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung sowie der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, Schmerzen, Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens bzw. der dieses Gutachten ergänzenden Stellungnahme geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2227390.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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