TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/8 W207 2219591-1

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Veröffentlicht am 08.06.2020
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Entscheidungsdatum

08.06.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W207 2219591-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV), gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 24.04.2019, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 42 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer ist seit 16.04.2018 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.). Die Ausstellung des Behindertenpasses erfolgte auf Grundlage eines neurologischen Sachverständigengutachtens vom 27.03.2018, in welchem auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung die Funktionseinschränkung "Familiär spastische Spinalparalyse gz", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 50 v.H. nach der Positionsnummer 04.07.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung, festgestellt wurde. Es wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel trotz der bestehenden Funktionseinschränkung zumutbar sei.

Am 13.11.2018 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO, der entsprechend dem vom Beschwerdeführer unterfertigten Antragsformular für den - auf den Beschwerdeführer zutreffenden - Fall, dass er nicht über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in seinem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt. Diesem Antrag wurden ein Arztbrief eines näher genannten Rehabilitationszentrums vom 06.10.2018, ein Befundbericht einer näher genannten Fachärztin für Nervenheilkunde vom 06.11.2018 und eine Kopie des Behindertenpasses des Beschwerdeführers beigefügt.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 26.03.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.03.2019, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

"...

Anamnese:

Letztbegutachtung 02/2018 mit Zuerkennung eines GdB 50v.H. für familiär spastische Spinalparalyse.

Spastische Spinalparalyse (SPG7, genetisch gesichert 7/2014 KH XXX)

Derzeitige Beschwerden:

Der Antragsteller gibt an, dass 2013 erstmals die Gattin und Freunde bemerkt hätten, dass er "komisch" gehen würde. Diagnose einer familiären spastischen Spinalparalyse im Jahr 2014, wobei der Vater ähnliche Beschwerden gehabt hätte.

Aktuell berichtet Herr M. über Schwierigkeiten beim Stiegensteigen; beim Gehen würde er um die Hälfte langsamer gehen als die meisten Menschen. Zum Stehenbleiben würde Herr M. mehrere Schritte benötigen, zeitweise würde er gegen "Türstöcke und Sessel rennen".

Herr M. würde einen Parkausweis beantragen, um bei Spitälern und Einkaufszentren in der Nähe der Türe parken zu können und Lasten nicht so weit tragen zu müssen.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

keine Dauermedikation

Sozialanamnese:

verheiratet, 2 Kinder

Angestellter bei XXX als Maschinenführer

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Dr. E./FÄ für Nervenheilkunde 11/2018: Diagnose: Spastische Spinalparalyse (SPG7, ED 7/2014)

NRZ XXX 10/2018: Diagnosen: Spastische Spinalparalyse (SPG7, genetisch gesichert

7/2014 KH XXX), Inkompletter Rechtsschenkelblock

... Im 6 Minuten-Gehtest erreichte er gegen Ende 380 m (initial 350 m) bei persistierend spastisch-ataktischem Gangbild. Beim schnellen Gehen konnte eine Erhöhung der subjektiven Sicherheit erreicht werden. Das abrupte Stehen zeigte eine

Besserungstendenz, diese ist allerdings weiterhin nicht möglich, er benötigt weiterhin einige Schritte bis er komplett stehen bleibt. Stiegensteigen erfolgte alternierend hinauf und hinunter mit Anhalten (hinunter deutlich ataktisch und breitbasig) ...

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

47-jähriger Antragsteller in gutem AZ, kommt alleine ohne Hilfsmittel zur Untersuchung.

Ernährungszustand:

unauffällig

Größe: 186,00 cm Gewicht: 76,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput: HNAP frei, kein Meningismus, HWS frei beweglich, Sprache: deutliche Dysarthrie

Himnerven: Pupillen rund, isocor bds., Lichtreaktion prompt und konsensuell, Lidspalten gleich weit, Bulbusmotilität in allen Ebenen frei und koordiniert, horizontaler Blickrichtungsnystagmus, keine Doppelbilder, HN V und VII seitengleich innerviert, basale HN frei.

OE: Trophik, Tonus und grobe Kraft stgl. unauffällig. VA: kein Absinken, Feinmotilität nicht beeinträchtigt, BSR, TSR, RPR übermittellebhaft bds. auslösbar, Knips bds. negativ, Eudiadochokinese bds., FNV re leicht dysmetrisch, links zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen.

UE: Tonus bds. spastisch erhöht, Trophik, grobe Kraft stgl. unauffällig. PV: kein Absinken, PSR und ASR übermittellebhaft bds. auslösbar, Babinski bds. negativ, KHV bds. dysmetrisch, keine unwillkürlichen Bewegungen.

Sensibilität: Angabe einer Hypästhesie re medialer Unterschenkel

Gesamtmobilität - Gangbild:

Gehen frei möglich, spastisch-ataktisches, breitbastiges Gangbild, Zehen- und Fersengang erschwert möglich, Romberg weitgehend unauffällig, Unterberger unsicher mit Fallneigung nach links, etwas erhöhte Wendeschrittzahl

Status Psychicus:

wach, zur Person, örtlich, zeitlich orientiert, Konzentration, Aufmerksamkeit unauffällig, Mnestik altersentsprechend unauffällig, Antrieb unauffällig, Stimmung indifferent, Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen gegeben, Ductus kohärent und zielführend, keine produktive Symptomatik, keine suizidale Einengung

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

familiäre spastische Spinalparalyse, genetisch gesichert

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

keine gesundheitlichen Veränderungen im Vergleich zum Vorgutachten

[X] Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Dem Antragsteller ist es möglich, trotz leicht- bis mittelgradig ausgeprägter spastischer

Gangstörung Wegstrecken von zumindest 300-400m ohne erhebliche Erschwernis zurückzulegen.

Das Zurücklegen des Weges zu einer Haltestelle und zurück ist in einer angemessenen Zeit möglich. Eine ausreichende Trittsicherheit mit Schuhen sowie das sichere Ein- und Aussteigen ist gegeben. An den oberen Extremitäten bestehen keine höhergradigen Funktionsausfälle, sodass Haltegriffe benützt werden können.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nein

..."

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 27.03.2019 wurde der Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt, wonach die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorlägen; das eingeholte Gutachten vom 26.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer mit diesem Schreiben übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.

Der Beschwerdeführer brachte keine Stellungnahme ein.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24.04.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 13.11.2018 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein ärztliches Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.

Ein formaler bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.

Der nunmehr durch den KOBV vertretene Beschwerdeführer brachte am 28.05.2019 fristgerecht ohne Vorlage von Beweismitteln eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.04.2019 folgenden Inhalts - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ein:

"...

Der Beschwerdeführer leidet an einer genetisch gesicherten spastischen Spinalparalyse. Aufgrund dieser Erkrankung ist er inzwischen nicht mehr in der Lage, eine Wegstrecke von 300-400 m zurückzulegen. Der Beschwerdeführer kann keine Stufen steigen. Das Gehen ist beim Beschwerdeführer deutlich verlangsamt und benötigt er mehrere Schritte, bis er stehen bleiben kann. Darüber hinaus ist eine erhöhte Sturzgefahr und ein wiederkehrendes Gegenstoßen an Türstöcke, Wände. Stühle und dergleichen gegeben.

Infolgedessen ist es dem Beschwerdeführer nicht möglich, einerseits ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen, andererseits in ein solches ohne Verletzungsgefahr in angemessener Zeit ein- und auszusteigen und zu benutzen.

Im eingeholten Gutachten von Dr. R. wurde bei der Gesamtmobilität vermerkt, dass ein spastisch-ataktisches, breitbasiges Gangbild mit erschwertem Zehen- und Fersengang, einer erhöhten Wendeschrittzahl sowie Fallneigung nach links besteht. Die Ausführungen der Sachverständigen lassen somit den Rückschluss zu, dass der Beschwerdeführer an erheblichen Einschränkungen neurologischer Funktionen und erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten leidet, Es ergibt sich im Hinblick auf die FalIneigung auch, dass beim Beschwerdeführer eine erhebliche Verletzungsgefahr bei der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels gegeben ist, beispielsweise wenn ein solches abrupt bremsen muss oder anfährt, solange der Beschwerdeführer noch keinen Sitzplatz gefunden hat.

Die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels stellt in Anbetracht der vorliegenden Diagnosen und Funktionseinschränkungen eine unzumutbare Kraftanstrengung für den Beschwerdeführer dar.

Auf diese Umstände wurde im eingeholten neurologischen Gutachten von Dr. R. nicht in ausreichender Weise eingegangen, weshalb die Einholung eines weiteren neurologischen Sachverständigengutachtens beantragt wird.

Es fehlen Feststellungen dazu, in wie weit sich das spastisch-ataktische Gangbild, die erhöhte Wendeschrittzahl, die Fallneigung nach links auf die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels auswirkt, weshalb die angefochtene Entscheidung mit Mangel behaftet Ist.

Beweis:

> Einzuholendes weiteres neurologisches Sachverständigengutachten

> Nachzureichende Befunde

> Bereits vorliegende Befunde

> Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Aus genannten Gründen wird daher gestellt der

ANTRAG

der Beschwerde Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und festzustellen, dass

1. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen

2, In eventu, die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Name des Beschwerdeführers"

Der Beschwerde wurde eine vom Beschwerdeführers gezeichnete Vollmacht vom 14.05.2019 zugunsten des KOBV beigelegt.

Die belangte Behörde legte am 31.05.2019 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W264 zugewiesen.

Am 05.06.2019 wurde von der belangten Behörde der bereits im Rahmen der Antragstellung vorgelegte Arztbrief eines näher genannten Rehabilitationszentrums vom 06.10.2018 sowie ein Befundbericht einer näher genannten Fachärztin für Nervenheilkunde vom 22.05.2019 an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Das Bundesverwaltungsgericht holte ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.02.2020 auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.02.2020, ein. In diesem Gutachten wird - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

"...

SACHVERHALT:

Gegen den Bescheid des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vom 24.04.2019, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass abgewiesen wird, wird Beschwerde vorgebracht.

Im Beschwerdevorbringen des BF vom 27. 5. 2019, vertreten durch den KOBV, wird eingewendet, dass der BF von einer drastischen spinal Paralyse leide und 300-400 m nicht mehr zurücklegen könne, keine Stufensteigen könne, deutlich verlangsamt gehe, eine erhöhte Sturzgefahr bestehe und er unsicher gehe. Er könne nicht die öffentlichen

Verkehrsmittel erreichen und nicht in diese einsteigen bzw. aussteigen bzw. benützen. Aufgrund der Fallneigung bestehe eine erhebliche Verletzungsgefahr bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beim Bremsen oder Anfahren.

Vorgeschichte:

TE, sonst keine Operation

spastische Spinalparalyse, genetisch gesichert 07/2014, seit etwa 2013 zunehmende

Gangstörung

Zwischenanamnese seit 25.03.2019:

Keine Operation, kein stationärer Aufenthalt

Befunde:

Befund MRZ XXX 6. 10. 2018 (spastische Spinalparalyse, genetisch gesichert

07/2014, Inkompletter Rechtschenkelblock)

Befund Dr. E. Facharzt für Neurologie 6. 11. 2018 (spastische Spinalparalyse, KG 5-, kann 300 m gehen, Stiegensteigen schwierig, kann nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, Fortschreiten der Erkrankung sehr wahrscheinlich, Kraftverschlechterung seit 04/2018, regelmäßiges Training empfohlen)

Befund Dr. E. Facharzt für Neurologie 22. 5. 2019 (spastische Spinalparalyse. KG 4, distal 4-. Kann derzeit nur kurze Strecken zurücklegen. Im letzten halben Jahr Sprechen deutlich verschlechtert, deutliche Kraftverschlechterung seit November 2018)

Im Rahmen der aktuellen Begutachtung nachgereichte Befunde:

keine

Sozialanamnese: verheiratet, 2 Kinder, lebt in Einfamilienhaus.

Berufsanamnese: Pensionist seit 1. 7. 2019, vorher Maschinenführer

Medikamente: keine

Allergien: 0

Nikotin: 10

Hilfsmittel: 2 Walking Stöcke

Laufende Therapie: regelmäßige Physiotherapie

Derzeitige Beschwerden:

"In der Kälte ist das Gehen schlechter. Ohne Physiotherapie wäre es noch schlechter. Bin unsicher beim Gehen und muss mich abstützen. Schmerzen habe ich nicht. Einkaufen schwerer Gegenstände schaffe ich nicht, ich kann nichts tragen. Hergekommen bin ich mit dem Auto, wurde von Bekanntem gebracht. Er wartet im Warteraum."

STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 186 cm, Gewicht 84 kg, Alter: 48a

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein

Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken angedeutet durchführbar.

Der Einbeinstand ist mit Anhalten kurz möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse, Bemuskelung herabgesetzt und

Kraft proximal und distal etwas geschwächt.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte

Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich

Babinski beidseits positiv, Lasegue beidseits negativ, Reflexe allseits überlebhaft,

Eudiadochokinese. Unterberger ohne Abweichen möglich, Romberg anfangs unsicher, Gehen im Untersuchungszimmer ohne Anhalten möglich, Richtungswechsel in 4-5 kleinen Schritten ohne Anhalten weitgehend sicher möglich.

Sprache geringgradig verwaschen, aber verständlich.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit 2 Walking Stöcken, das Gangbild ist hinkfrei, geringgradig spastisch ataktisch, kleinschrittig, Schrittlänge eine Fußlänge, geringgradig breitspurig ohne Anhalten verlangsamt. Gesamtmobilität: Aufstehen mit Abstützen, Stehen zum Entkleiden sicher möglich.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

STELLUNGNAHME:

ad a) Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m ist aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels möglich und nicht erheblich erschwert. Das aktuelle Untersuchungsergebnis steht in Einklang mit dem

Untersuchungsergebnis vom 25.3.2019 und dem Befund NRZ XXX vom 6. 10. 2018.

Eine maßgebliche Verschlimmerung mit erheblicher Zunahme der Gangbildbeeinträchtigung bzw. Gangleistungsminderung ist nicht objektivierbar.

ad b) Ausreichende Standsicherheit und Gangsicherheit auch ohne Hilfsmittel konnten festgestellt werden, die Verwendung einfacher Hilfsmittel, wie zum Beispiel Wanderstöcke, erschwert die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in hohem Maße.

ad c) Gleichgewichtsprobleme und Gangunsicherheit konnten sowohl bei der aktuellen

Begutachtung als auch in den Vorgutachten und im Arztbrief NRZ XXX sowie Bericht

Dr. E. 22. 5. 2019 beschrieben werden.

Diese haben jedoch keinen wesentlichen Einfluss auf die Möglichkeit, öffentliche

Verkehrsmittel zu benutzen. Weder liegt eine relevante Kraftminderung vor noch eine relevante Stand- oder Gangunsicherheit. Das breitbasig paraspastisch- ataktische Gangbild wird bereits am 6. 10. 2018 im NRZ XXX beschrieben, und es konnten am Laufband ohne Pause 500 m zurückgelegt werden.

Zwar konnte eine Zunahme der Dysarthrie festgestellt werden, jedoch im Vergleich des Status der jeweiligen Untersuchungsergebnisse keine maßgebliche objektivierbare

Verschlimmerung des Gangbilds.

ad e) Es konnte eine etwas erhöhte Wendeschrittzahl von 4-5 kleinen Schritten beim Richtungswechsel ohne Anhalten festgestellt werden, eine maßgebliche Unsicherheit konnte dabei nicht festgestellt werden, sodass dadurch das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300-400 m und Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert ist.

ad f) Es konnte bei den durchgeführten Funktionsproben (Rhomberg, Unterberger, Einbeinstand) keine eindeutige Fallneigung nach links festgestellt werden. Zwar war eine anfängliche Unsicherheit teilweise feststellbar, jedoch kein Abweichen nach einer Richtung, sodass das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300-400 m das Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert ist.

ad g) Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen können überwunden werden. Der Bewegungsumfang der Gelenke der unteren Extremitäten ist nicht eingeschränkt. Die Kraft ist zwar proximal und distal etwas geschwächt, jedoch nicht maßgeblich, sodass Niveauunterschiede überwunden werden können.

ad h) Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche und bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt in einem Ausmaß, dass das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert wäre, ist nicht anzunehmen. Die Kraft. in den oberen Extremitäten ist ausreichend, um sich festzuhalten. Auch ohne Hilfsmittel konnte ein sicheres Stehen beobachtet werden, mit Schuhen ist eine ausreichende Standfestigkeit gegeben. Hinsichtlich therapeutischer Optionen ist die Intensivierung physiotherapeutischer Maßnahmen zumutbar und möglich

ad i) Objektivierbar ist ein breitbasiges paraspastisch-ataktisches Gangbild, Stehen und

Gehen im Untersuchungszimmer ohne Anhalten ausreichend sicher. Auch unter

Berücksichtigung sämtlicher vorgelegter Befunde ist kein Ausmaß einer

Gangbildbeeinträchtigung oder Gangleistungsminderung objektivierbar, welches das

Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren Könnte.

ad j) Erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten liegen nicht vor. Es konnte ein unauffälliger Gelenksstatus festgestellt werden. Ein radikuläres Defizit liegt nicht vor. Die neuromuskuläre Erkrankung führt zu keiner erheblichen Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten.

ad k) Erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten liegen nicht vor, es konnte kein neurologisches Defizit festgestellt werden. Der Gelenksstatus ist unauffällig.

ad l) Schmerzen werden bei der aktuellen Befragung nicht angegeben, auch konnte in den Vorgutachten und in den genannten Befunden kein Hinweis auf Schmerzen festgestellt werden. Eine analgetische Therapie nicht etabliert.

Es konnten weder Schmerzen noch eine Einschränkung der cardiopulmonalen Belastbarkeit erhoben werden, welche sich auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel negativ auswirken würden.

ad m) Schmerzmittel werden nicht eingenommen und sind weder in den Vorgutachten noch in den genannten Dokumenten angeführt.

ad n) Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt nicht vor.

Diesbezüglich findet sich weder in den vorgelegten Befunden noch anhand der aktuellen

Begutachtung ein Hinweis.

ad o) Die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Neurologie ist nicht erforderlich.

Gutachterlicher Auftrag ist es, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegen. Wesentlich dafür ist, einen ausführlichen Status zu erheben und, unter Berücksichtigung aller vorliegenden Befunde, zu prüfen, ob die für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel geforderten Fähigkeiten ausreichend vorliegen.

Dies ist aus allgemeinmedizinischer Sicht möglich.

Fragestellungen, die einem Facharzt für Neurologie vorbehalten sind, ergeben sich nicht."

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.04.2020, dem rechtlich vertretenen Beschwerdeführer zugestellt am 22.04.2020, wurden die Parteien des Verfahrens über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt. Den Parteien wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen vier Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht abzugeben.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.04.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 21.04.2020 der Gerichtsabteilung W264 (wegen einer beruflichen Veränderung) abgenommen und der Gerichtsabteilung W207 neu zugewiesen.

Die belangte Behörde erstattete innerhalb der ihr dafür eingeräumten Frist keine Stellungnahme.

Mit Schreiben vom 14.05.2020, eingelangt am 18.05.2020, legte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung dem Bundeverwaltungsgericht ohne Vorlage neuer Beweismittel eine Stellungnahme folgenden Inhalts, hier in anonymisierter Form wiedergegeben, vor:

"...

Die Sachverständige führt auf Seite 4 unter Punkt C aus, dass Gleichgewichtsprobleme und Gangunsicherheiten sowohl bei der aktuellen Begutachtung als auch in dem Vorgutachten und im Arztbrief NRZ XXX sowie im Bericht von Dr. E. vom 22.05.2019 beschrieben werden. Diese hätten jedoch keinen wesentlichen Einfluss auf die Möglichkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Es liege weder eine relevante Kraftminderung vor noch eine relevante Stand- oder Gangunsicherheit.

Dazu wird ausgeführt, dass im Arztbrief des NRZ XXX vom 06.10.2018 auf Seite 2 im neurologischen Status zum Stand- und Gangbild ausgeführt wird, dass Romberg erschwert und Unterberger aufgrund Sturzgefahr nicht durchgeführt werden können sowie der Fersen- und Zehengang beidseits infolge Sturzgefahr kaum möglich ist. Selbst wenn der Beschwerdeführer sich im Untersuchungszimmer der Sachverständigen ohne Hilfsmittel fortbewegen konnte, ist zu bedenken, dass der Beschwerdeführer im Untersuchungsraum nur wenige Schritte zurücklegt und er keinen Erschütterungen oder Bewegungen eines Fahrzeuges ausgesetzt ist. In einer fahrenden U-Bahn, einem Bus oder einem Zug ist der Beschwerdeführer nicht in der Lage, ohne erhöhter Sturzgefahr, sich während der Fahrt fortzubewegen, zumal er außer Haus Hilfsmittel benötigt und auch mit Anhalten beim Bremsen des Kraftfahrzeuges die Kraft der oberen Extremitäten nicht ausreichend ist um sich sicher Anzuhalten.

Hingewiesen wird. auch darauf, dass die Sachverständige auf Seite 5 ihres Gutachtens unter Punkt E ausführt, dass beim Beschwerdeführer eine etwas erhöhte Wendeschrittzahl von 4-5 kleinen Schritten beim Richtungswechsel festgestellt wurde. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer eine erhöhte Schrittzahl beim Richtungswechsel in einem öffentlichen Verkehrsmittel braucht in Verbindung damit, dass ihm während der Fahrt eines öffentlichen Verkehrsmittels die Fortbewegung innerhalb dieses Verkehrsmittels nicht sicher möglich ist.

Hinzukommt, dass der Beschwerdeführer auch Stiegen steigen nur mit Anhalten, langsam überwinden kann und aufgrund des breitbasigen paraspastisch-ataktischem Gangbild jedoch auch an Gehsteigkanten hängen bleibt, was wiederum eine Sturzgefahr zur Folge hat.

Es wird daher beantragt, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens einer Überprüfung zu unterziehen und festzustellen, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung in den Behindertenpass vorliegen.

Name des Beschwerdeführers"

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.

Der Beschwerdeführer stellte am 13.11.2018 beim Sozialministeriumservice den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

Der Beschwerdeführer leidet unter folgender im Zusammenhang mit der Frage der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel relevanter Funktionseinschränkung:

* Familiäre spastische Spinalparalyse

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Befundungen und Beurteilungen im von der belangten Behörde eingeholten neurologischen Sachverständigengutachten vom 26.03.2019, das durch das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.02.2020 bestätigt wird, der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Vorliegen eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. sowie zur gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur vorliegenden Funktionseinschränkung und die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führt, gründen sich auf das von der belangten Behörde eingeholte neurologische Sachverständigengutachten vom 26.03.2019, das durch das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.02.2020 bestätigt wird, woraus sich auch ergibt und wodurch bestätigt ist, dass eine zwischenzeitliche Änderung des Sachverhaltes im Vergleich zum Zeitpunkt der Einholung des neurologischen Sachverständigengutachtens vom 26.03.2019 und der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht eingetreten ist. Beide Sachverständigengutachten beruhen auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers.

Unter Berücksichtigung sämtlicher vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachter medizinischer Unterlagen und nach persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers wurde von den medizinischen Sachverständigen auf Grundlage der zu berücksichtigenden und unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkung festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer zumutbar ist.

Die vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene medizinische Sachverständige gelangte unter den von ihr geprüften Gesichtspunkten - wie schon die neurologische Sachverständige in ihrem Sachverständigengutachten vom 26.03.2019 - zu dem Schluss, dass für den Beschwerdeführer das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels möglich ist. Ausreichende Stand- und Gangsicherheit auch ohne Hilfsmittel konnten festgestellt werden, die Verwendung einfacher Hilfsmittel, wie zum Beispiel Wanderstöcke, erschwert die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in hohem Maße. Die Verwendung von Gehbehelfen - bei einem Gehbehelf handelt es sich um eine zumutbare Kompensationsmöglichkeit iSd § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen - wäre somit bei Bedarf zulässig. Bei der aktuellen Untersuchung konnten, wie bereits im Vorgutachten vom 26.03.2019 und in den vorgelegten Befunden vom 06.10.2018 und 22.05.2019, Gleichgewichtsprobleme und eine Gangunsicherheit festgestellt werden. Diese haben jedoch keinen wesentlichen Einfluss auf die Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Weder liegt eine relevante Kraftminderung vor noch eine im Sinne einer Unzumutbarkeit relevante Stand- oder Gangunsicherheit. Es konnte eine etwas erhöhte Wendeschrittzahl von 4-5 kleinen Schritten beim Richtungswechsel ohne Anhalten objektiviert werden, eine maßgebliche Unsicherheit konnte dabei jedoch nicht festgestellt werden, sodass dadurch das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300-400 m und das Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert ist. Es konnte bei den durchgeführten Funktionsproben (Rhomberg, Unterberger, Einbeinstand) keine eindeutige Fallneigung nach links erfasst werden. Zwar war eine anfängliche Unsicherheit teilweise feststellbar, jedoch kein Abweichen nach einer Richtung, sodass das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300-400 m und das Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel nicht maßgeblich erschwert ist. Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen können überwunden werden. Der Bewegungsumfang der Gelenke der unteren Extremitäten ist nicht eingeschränkt. Die Kraft ist zwar proximal und distal etwas geschwächt, jedoch nicht maßgeblich, sodass Niveauunterschiede überwunden werden können. Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche und bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt in einem Ausmaß, dass das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert wäre, sind nicht anzunehmen. Die Kraft in den oberen Extremitäten ist außerdem ausreichend, um sich festzuhalten. Auch ohne Hilfsmittel konnte ein sicheres Stehen beobachtet werden, mit Schuhen ist eine ausreichende Standfestigkeit gegeben. Objektivierbar war ein breitbasiges paraspastisch-ataktisches Gangbild, Stehen und Gehen im Untersuchungszimmer war jedoch ohne Anhalten ausreichend sicher möglich. Auch unter Berücksichtigung sämtlicher vorgelegter Befunde ist kein Ausmaß einer Gangbildbeeinträchtigung oder Gangleistungsminderung objektiviert, welches das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren würde. Erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten liegen somit vor. Es konnte ein unauffälliger Gelenksstatus festgestellt werden. Ein radikuläres Defizit liegt nicht vor. Die neuromuskuläre Erkrankung führt daher zu keiner erheblichen Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten.

Erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten liegen nicht vor, es konnte kein neurologisches Defizit festgestellt werden. Der Gelenksstatus ist unauffällig. Schmerzen wurden bei der aktuellen Befragung nicht angegeben, auch konnte in den Vorgutachten und in den vorgelegten Befunden kein Hinweis auf Schmerzen festgestellt werden. Eine analgetische Therapie ist nicht etabliert. Auch eine Einschränkung der cardiopulmonalen Belastbarkeit, welche sich auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel negativ auswirken würde, konnte nicht erhoben werden.

Diese Schlussfolgerungen der medizinischen Sachverständigen finden Bestätigung in ihren Aufzeichnungen zur persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.02.2020 im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung insbesondere zu den oberen und unteren Extremitäten, zur Wirbelsäule bzw. zur Gesamtmobilität und zum Gangbild ("...Schultergürtel und beide oberen Extremitäten: Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar. Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken angedeutet durchführbar. Der Einbeinstand ist mit Anhalten kurz möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse, Bemuskelung herabgesetzt und Kraft proximal und distal etwas geschwächt. Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich. Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule. Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich Babinski beidseits positiv, Lasegue beidseits negativ, Reflexe allseits überlebhaft, Eudiadochokinese. Unterberger ohne Abweichen möglich, Romberg anfangs unsicher, Gehen im Untersuchungszimmer ohne Anhalten möglich, Richtungswechsel in 4-5 kleinen Schritten ohne Anhalten weitgehend sicher möglich. Sprache geringgradig verwaschen, aber verständlich. Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit 2 Walking Stöcken, das Gangbild ist hinkfrei, geringgradig spastisch ataktisch, kleinschrittig, Schrittlänge eine Fußlänge, geringgradig breitspurig ohne Anhalten verlangsamt. Gesamtmobilität: Aufstehen mit Abstützen, Stehen zum Entkleiden sicher möglich. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.").

Daraus ergibt sich, auch bestätigt durch die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, dass beim Beschwerdeführer zwar unbestritten eine nicht unbeträchtliche Funktionseinschränkung vorliegt, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschwert, dass aber die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde bzw. in der Stellungnahme zum Parteiengehör vorgebrachten, subjektiv empfundenen Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel (beim Beschwerdeführer sei erhöhte Sturzgefahr in öffentlichen Verkehrsmitteln gegeben, er benötige außer Haus Hilfsmittel, er könne sich aufgrund fehlender Kraft in den oberen Extremitäten in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ausreichend sicher anhalten) nicht in entsprechendem Ausmaß - im Sinne des Vorliegens erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit nach dem Maßstab des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen - objektiviert werden konnten.

Sollte der Beschwerdeführer zur Erhöhung seines subjektiven Sicherheitsgefühls in öffentlichen Verkehrsmitteln ein einfaches Hilfsmittel, beispielsweise Walkingstöcke, benutzen wollen, so steht ihm dies natürlich frei und erschwert dies die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in hohem Maße. Wie oben bereits ausgeführt, ist die Verwendung von Gehbehelfen eine zu berücksichtigende zumutbare Kompensationsmöglichkeit iSd § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen. Schließlich ist nochmals festzuhalten, dass bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.02.2020 - entgegen den Ausführungen in der Stellungnahme zum Parteiengehör - keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten objektiviert werden konnten. Die Kraft in den oberen Extremitäten ist ausreichend, um sich in öffentlichen Verkehrsmitteln festzuhalten. Zum Hinweis in der Stellungnahme zum Parteiengehör, dass im Sachverständigengutachten vom 20.02.2020 ausführt werde, dass beim Beschwerdeführer eine etwas erhöhte Wendeschrittzahl von 4-5 kleinen Schritten beim Richtungswechsel festgestellt worden sei, ist festzuhalten, dass dies zutreffend ist. Damit ist jedoch, wie von den medizinischen Sachverständigen zutreffend ausgeführt wurde, aktuell keine maßgebliche Unsicherheit verbunden, die das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300-400 m und das Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel erheblich erschweren würde.

Zu den Ausführungen in der Stellungnahme zum Parteiengehör, dass der Beschwerdeführer Stiegen nur mit Anhalten langsam überwinden könne und aufgrund des breitbasigen paraspastisch-ataktischem Gangbildes an Gehsteigkanten hängen bleibe, was wiederum eine Sturzgefahr zur Folge habe, ist abermals auszuführen, dass bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.02.2020 keine erhöhte Sturzneigung festgestellt werden und auch nicht objektiviert werden konnte, dass der Beschwerdeführer Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen nicht überwinden kann. Die Behauptung, dass der Beschwerdeführer aufgrund des breitbasigen paraspastisch-ataktischem Gangbildes an Gehsteigkanten hängen bleibe, wurde nicht befundmäßig belegt und steht nicht in Einklang mit den Ergebnissen der beiden durch die beigezogenen medizinischen Sachverständigen durchgeführten persönlichen Untersuchungen, im Rahmen derer - wie bereits ausgeführt - eine maßgebliche erhöhte Sturzneigung nicht festgestellt werden konnte.

Es ist nochmals festzuhalten, dass das aktuelle Untersuchungsergebnis vom 13.02.2020 in Einklang mit dem Untersuchungsergebnis des neurologischen Vorgutachtens vom 25.03.2019 sowie dem vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Befund eines näher genannten Rehabilitationszentrums vom 06.10.2018 steht. Das breitbasig paraspastisch- ataktische Gangbild wird bereits im vorgelegten Arztbrief eines näher genannten Rehabilitationszentrums vom 06.10.2018 beschrieben, trotzdem konnte der Beschwerdeführer am Laufband ohne Pause 500 m zurücklegen. Zwar konnte eine Zunahme der Dysarthrie festgestellt werden, jedoch im Vergleich des Status der jeweiligen Untersuchungsergebnisse keine maßgebliche Verschlimmerung mit erheblicher Zunahme der Gangbildbeeinträchtigung bzw. Gangleistungsminderung.

Hinsichtlich therapeutischer Optionen ist die Intensivierung der physiotherapeutischen Maßnahmen zumutbar und möglich. Auch dies stellt eine zu berücksichtigende zumutbare therapeutische Option bzw. Kompensationsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen dar.

Hinsichtlich der bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel tätigte der Beschwerdeführer daher im Beschwerdeverfahren kein Vorbringen, das die Beurteilungen der beiden beigezogenen medizinischen Sachverständigen entkräften hätte können; der Beschwerdeführer legte der Beschwerde bzw. der Stellungnahme zum Parteiengehör auch keine weiteren Befunde bei, die geeignet wären, die durch die medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden im Sinne nachhaltiger, zumindest sechs Monate dauernder Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates zu belegen bzw. eine wesentliche Verschlimmerung bestehender Leiden zu dokumentieren und damit das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Der Beschwerdeführer ist dem von der belangten Behörde eingeholten neurologischen Sachverständigengutachten vom 26.03.2019, das durch das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.02.2020 bestätigt wird, in der Beschwerde bzw. in der Stellungnahme zum Parteiengehör daher im Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruhenden von der belangten Behörde eingeholten neurologischen Sachverständigengutachtens vom 26.03.2019, das durch das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.02.2020 bestätigt wird. Diese medizinischen Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

a)...

b)...

...

2. ...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)..."

In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der Stammfassung) unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall in Betracht kommend - Folgendes ausgeführt:

"§ 1 Abs. 2 Z 3:

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

...

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B.: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

- Kleinwuchs,

- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar."

Der Vollständigkeit halber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24.04.2019 der Antrag des

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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