TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/8 W133 2188175-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.06.2020
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Entscheidungsdatum

08.06.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2188175-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von

XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle Wien, vom 14.02.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Im Verwaltungsakt befindet sich ein Vorgutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 21.02.2015, welches aufgrund eines vormaligen Antrages des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 07.01.2015 eingeholt worden war. In diesem Gutachten wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen Oberer Rahmensatz, da endlagige Funktionseinschränkung.

02.01.01

20

2

Hyperopie/Astigmatismus

11.02.01 Tabelle, Kolonne 1, Zeile 1

0

3

Laktoseintoleranz 1 Stufe über unterem Rahmensatz, da diätisch stabilisierbar.

09.03.01

20

4

Depressio mit Panik und Angst, Somatisierung 1 Stufe über unterem Rahmensatz, da Dauermedikation und fachärztliche Betreuung gegeben.

03.06.01

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend wurde ausgeführt, dass das führende Leiden 1 durch die Leiden 2 - 4 nicht weiter erhöht werde, da keine ausreichend ungünstige Leidensbeeinflussung vorliege. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 31.03.2014 sei das Leiden 4 neu aufgenommen worden. Daher wies das Sozialministeriumservice (in der Folge auch als "belangte Behörde" bezeichnet) mit Bescheid vom 13.04.2015 den damaligen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundebehindertengesetz (BBG) ab. Dies erfolgte unter Zugrundelegung des eben angeführten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens.

Am 18.12.2017 stellte der Beschwerdeführer, ein XXXX Staatsangehöriger, bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes und einer Kopie seines Aufenthaltstitels einen neuerlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 13.02.2018 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Abnützungen der Wirbelsäule Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da mäßige radiologische Veränderungen jedoch nur geringfügige Funktionseinschränkungen.

02.01.01

20

2

Laktoseintoleranz Heranziehung dieser Position mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz, da diätisch stabilisierbar und bei gutem Ernährungs- und Allgemeinzustand.

09.03.01

20

3

Depression, Somatisierungsstörung Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da therapeutisch stabilisierter Verlauf ohne Interventionsbedarf bei erhaltener sozialer Integration

03.06.01

20

4

Hyperopie/Astigmatismus Tabelle Kolonne 1, Zeile 1

11.02.01

0

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, das führende Leiden 1 werde von den anderen Leiden nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliege. Eine Prostatahypertrophie sei nicht befundmäßig belegt. Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2015 seien keine Veränderungen objektivierbar gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.02.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da er mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 20 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 20 v.H. betrage. Das Gutachten vom 13.02.2018 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben des Beschwerdeführers am 26.02.2018 fristgerecht eine Beschwerde eingebracht. Darin führt der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er viele Lebensmittel und Getränke (Milchprodukte, Obst, Eier, Rindfleisch, Salat, Suppen, Schnitzel, Pizza, Döner, Fruchtsäfte, Alkohol) nicht vertragen würde. Er würde von all diesen Produkten Blähungen und schließlich Durchfall bekommen. Seine Verdauung funktioniere nicht gut. Er habe keine Lebensmittel-Enzyme. Wenn er esse, ginge das Essen nicht ins Blut, deswegen habe er keine Kraft, sei immer müde und lustlos. Er sei drei Monate lang bei einer Diätberaterin gewesen, dadurch habe sich allerdings nichts verändert. Des Weiteren leide er unter einer Depression und einer Somatisierungsstörung, dagegen würde er Medikamente einnehmen. Außerdem habe er Rückenschmerzen, er könne nicht stehenbleiben bzw. länger als 10 Minuten sitzen. Der Beschwerde wurden bereits mit dem Antrag vorgelegte medizinische Befunde beigelegt.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 05.03.2018 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein allgemeinmedizinisches Aktengutachten unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung vom 03.08.2019 eingeholt. In diesem Gutachten wurden die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Laktoseintoleranz, Fructose-Malabsorption Oberer Rahmensatz, da nachvollziehbare Beschwerden vorliegen, Diäteinhaltung erforderlich ist und da keine dokumentierten Hinweise auf dauernde manifeste Schleimhautveränderungen vorliegen.

07.04.04

20

2

Depression, Somatisierungsstörung Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da unter Therapie stabil und sozial integriert.

03.06.01

20

3

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Oberer Rahmensatz, da beweisende radiologische Befunde und geringe Funktionseinschränkungen vorliegen.

02.01.01

20

4

Hyperopie/Astigmatismus Tabelle, Kolonne 1, Zeile 1

11.02.01

0

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, das klinisch führende Leiden 1 - überlagert von Leiden 2 - werde durch die Leiden 3 und 4 wegen fehlender ungünstiger Beeinflussung des Hauptleidens und fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz nicht weiter erhöht. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 13.02.2018 sei nunmehr unter Punkt 1 neben der Laktoseintoleranz auch die Fructose-Malabsorption berücksichtigt worden. Für beide Gesundheitsschädigungen sei die Positionsnummer 07.04.04 mit einem Grad der Behinderung von 10 oder 20 v.H. heranzuziehen. Es liege keine hereditäre Fructose-Intoleranz, sondern die harmlosere Fructose- Malabsorption vor. Die übrigen Gesundheitsschädigungen seien unverändert übernommen worden, da die bisherige Beurteilung mit den Beweismitteln kompatibel sei. Weitere einschätzungsrelevante Gesundheitsschädigungen seien in den Beweismitteln nicht dokumentiert.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

Mit Schreiben vom 17.02.2020, dem Beschwerdeführer zugestellt am 27.02.2020, informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien des Verfahrens über das Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu eine Stellungnahme abzugeben.

Weder der Beschwerdeführer, noch die belangte Behörde erstatteten eine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 18.12.2017 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Er ist XXXX Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Laktoseintoleranz und Fructose-Malabsorption mit nachvollziehbaren Beschwerden, Diäteinhaltung erforderlich, keine dokumentierten Hinweise auf dauernde manifeste Schleimhautveränderungen;

2. Depression, Somatisierungsstörung, unter Therapie stabil und sozial integriert;

3. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, beweisende radiologische Befunde und geringe Funktionseinschränkungen vorliegend;

4. Hyperopie/Astigmatismus.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 20 v.H.

Das klinisch führende Leiden 1 - überlagert von Leiden 2 - wird durch die Leiden 3 und 4 wegen fehlender ungünstiger Beeinflussung des Hauptleidens und fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz nicht weiter erhöht.

In dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten allgemeinmedizinischen Aktengutachten vom 03.08.2019 wurde im Vergleich zum allgemeinmedizinischen Vorgutachten vom 13.02.2018 nunmehr unter Leiden 1 neben der Laktoseintoleranz auch die Fructose-Malabsorption berücksichtigt. Daraus ergibt sich allerdings keine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung. Die übrigen Gesundheitsschädigungen wurden unverändert übernommen, da die bisherige Beurteilung mit den Beweismitteln kompatibel war.

Eine Prostatahypertrophie ist befundmäßig nicht belegt.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Aktengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 03.08.2019, welche die Ergebnisse des allgemeinmedizinischen Vorgutachtens vom 13.02.2018 im Wesentlichen bestätigen, der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur XXXX Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Aktengutachten vom 03.08.2019, welches sich im Wesentlichen mit dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten vom 13.02.2018 deckt. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen einer persönlicher Untersuchung erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Im Vergleich zum Vorgutachten vom 13.02.2018 wurde von dem, vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Gutachter in seinem Aktengutachten vom 03.08.2019 nunmehr unter Leiden 1 neben der Laktoseintoleranz auch die Fructose-Malabsorption berücksichtigt, weil eine solche befundmäßig belegt ist. Daraus ergibt sich allerdings keine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zum Vorgutachten. Die übrigen Gesundheitsschädigungen des Vorgutachtens wurden im Gutachten vom 03.08.2019 unverändert übernommen.

Führendes Leiden des Beschwerdeführers sind die Laktoseintoleranz und die Fructose-Malabsorption. Beim Beschwerdeführer liegt somit keine hereditäre Fructose-Intoleranz, sondern die harmlosere Fructose- Malabsorption vor. Diese Leiden wurden entsprechend den festgestellten Funktionseinschränkungen berücksichtigt und korrekt der Positionsnummer 07.04.04 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche chronische Darmstörungen leichten Grades ohne chronische Schleimhautveränderungen betrifft. Auch die Zuordnung zum oberen Rahmensatz dieser Positionsnummer mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. ist nachvollziehbar und richtig, da beim Beschwerdeführer nachvollziehbare Beschwerden vorliegen, welche er bei seiner persönlichen Untersuchung am 30.01.2018 und abermals in seiner Beschwerde umfassend dargelegt hat. Außerdem ist beim Beschwerdeführer eine entsprechende Diäteinhaltung erforderlich. Es liegen allerdings keine dokumentierten Hinweise auf dauernde manifeste Schleimhautveränderungen vor, weshalb sich die gegenständlich vorgenommene Einstufung als richtig erweist. Die Zuordnung zur nächsthöheren Positionsnummer 07.04.05 mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. würde insbesondere das Vorliegen von chronischen Schleimhautveränderungen sowie von geringen bis mittelschweren Beeinträchtigungen des Allgemein- und Ernährungszustandes bedingen. Eine Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes liegt beim Beschwerdeführer, welcher bei einer Größe von 181 cm 86 Kilogramm wiegt, allerdings nicht vor. Auch das Vorliegen von chronischen Schleimhautveränderungen konnte beim Beschwerdeführer - wie bereits ausgeführt - nicht objektiviert werden.

Leiden 2 des Beschwerdeführers ist eine Depression bzw. eine Somatisierungsstörung. Die von den Sachverständigen getroffene medizinische Zuordnung dieses Leidens zur Positionsnummer 03.06.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche depressive Störungen leichten Grades betrifft, ist nachvollziehbar und richtig. Auch die Zuordnung eine Stufe über dem unteren Rahmensatz ist nachvollziehbar und richtig. Beim Beschwerdeführer liegt in Bezug auf seine Depression unter Therapie ein stabilisiertes Zustandsbild vor, außerdem ist die soziale Integration gegeben. Die Zuordnung zum nächsthöheren Rahmensatz der herangezogenen Positionsnummer würde bereits fallweise beginnende soziale Rückzugstendenzen bedingen. Das Vorliegen von Rückzugstendenzen wurde vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren jedoch nicht behauptet und ergeben sich solche auch nicht aus den im Verfahren vorgelegten Befunden.

Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule wurden von den Gutachtern nachvollziehbar und richtig dem oberen Rahmensatz der Positionsnummer 02.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule geringen Grades mit mäßigen radiologischen Veränderungen betrifft, zugeordnet. Die beigezogenen Sachverständigen hielten nachvollziehbar fest, dass beim Beschwerdeführer mäßige radiologische Veränderungen, jedoch nur geringfügige Funktionseinschränkungen vorliegen. Höhere Funktionseinschränkungen betreffend die Wirbelsäule sind nicht befundmäßig dokumentiert und konnten auch im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung nicht objektiviert werden.

Die Beurteilung des Leiden 4 (Hyperopie/Astigmatismus) wurde vom Beschwerdeführer nicht moniert.

Eine Prostatahypertrophie ist befundmäßig nicht belegt.

Die sachverständige Feststellung, dass das klinisch führende Leiden 1 - überlagert von Leiden 2 - durch die Leiden 3 und 4 wegen fehlender ungünstiger Beeinflussung des Hauptleidens und fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz nicht weiter erhöht wird, ist nicht zu beanstanden.

Zusammenfassend ist daher vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung des Untersuchungsergebnisses nicht ersichtlich, dass die Gutachter die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätten. Der Beschwerdeführer ist dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Aktengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 03.08.2019 auch nicht mehr entgegengetreten.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde ist somit im Ergebnis nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer ist den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 13.02.2018 und 03.08.2019. Diese werden wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Aktengutachten vom 03.08.2019, welches sich im Wesentlichen mit dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten vom 13.02.2018 deckt, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 20 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in den Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften.

Die medizinischen Sachverständigengutachten sind auch nicht zu beanstanden, wenn sie im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sehen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2188175.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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