Entscheidungsdatum
10.06.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W200 2230212-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland, vom 11.02.2030, OB: 89318081100022, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer ist seit 29.06.2015 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 von 100. Ursächlich dafür waren folgende Funktionseinschränkungen:
1. Aufbrauchzeichen des Bewegungs- bzw. Stützapparats
2. Zustand nach Dünndarmteilresektion und Hemikolektomie rechts 2009 wegen eines Dünndarmlymphoms. Zustand nach Adhäsiolyse wegen eines Darmverschlusses 2014.
In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer am 19.11.2019 den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass unter Vorlage von medizinischen Unterlagen.
Das eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 13.01.2020 gestaltete sich wie folgt:
"Anamnese:
Aufbrauchzeichen des Bewegungs- und Stützapparates, Z.n. Dünndarmteilresektion und Hemikolektomie rechts wegen eines Dünndarmlymphoms, Z.n. Adhäsiolyse eines Dünndarmverschlusses 2014.
Neu hinzugekommen: Zystische Formationen im Bereich des Pankreas mit V. a. IPMN vom Seitast-Typ DD gemischter Typ DD seröse Zystadenome, multiple kleinste Leberzysten, Leberparenchymverkalkung.
Derzeitige Beschwerden:
Er könne nicht lang gehen. Er müsse häufig auf die Toilette. Jetzt sei auch noch was mit der Bauchspeicheldrüse hinzugekommen.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Urosin
Sozialanamnese:
Pensionist, verheiratet,
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Befunde mitgebracht:
KH BB XXXX 10/2019, Contusio columnae vertebralis lumbalis und cervicalis.
Relevante Befunde im Akt:
Hanusch KH 11/2019, V. a. IPMN vom Seitast-Typ DD gemischter Typ DD z seröse Zystadenome, zystische Formationen im Bereich des Pankreas, kleinste Leberzysten, bekannte große Leberparenchymverkalkung, NHL, DLBCL seit 11/2009 - Nachsorge, Z.n. OP eines Dünndarmileus 10/2009, Z.n. rechtseitiger Hemikolektomie und Dünndarmresektion, V. a. Kurzdarmsyndrom, Z.n. Chemotherapie 2010, Procedere: MRT-Verlaufskontrolle in 6 Monaten.
Angiologische Ambulanz, Hanusch KH, 10/2019, Patient kommt zur angiologischen Durchuntersuchung der peripheren Gefäße. Anamnestisch keine Claudicatio erhebbar, Gehstrecke unbegrenzt. Keine trophischen Läsionen. Neurologisch ist der Patient unauffällig, keine TIA, Amaurosis fugax oder Insult. Kein rezentes kardiales Ereignis. Wandunregelmäßigkeiten im Gefäßverlauf der A. carotis interna bds. ohne hämodynamisch relevante Stenose.
Die A. vertebralis bds. orthograd perfundiert.
Untersuchungsbefund: (...)
Klinischer Status - Fachstatus:
HNA: Presbyakusis,
Cor: rein, rhythmisch,
Pulmo: VA, SKS,
Abdomen: blande Narbe nach Bauchoperation, weich, indolent,
WS: KS über LWS, FBA im Stehen Mitte Waden, Zehen- und Fersenstand bds. möglich, Lasegue bds. neg.
OE: deutliche Funktionseinschränkung im Bereich beider Schultergelenke, Nacken- und Schürzengriff bds. nicht endlagig (Ohr, Hüfte), Faustschluss bds. vollständig, Fingerpolyarthrosen, keine Sensibilitätsstörungen,
UE: keine wesentliche Funktionseinschränkung der großen Gelenke, Zehen- und Fersenstand und Einbeinstand bds. möglich, keine Varizen, keine Ödeme,
Gesamtmobilität - Gangbild:
Gehen: frei, sicher, ohne Hilfsmittel,
Zehen-, Fersen- und Einbeinstand bds. möglich, ausreichend sicherer Gang und Stand, gute körperliche Belastbarkeit,
Status Psychicus:
grob unauffällig, in allen Qualitäten gut orientiert, keine wesentliche Einschränkung der Kognition oder Mnestik, Ductus kohärent, euthym,
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Aufbrauchzeichen des Bewegungs- und Stützapparates
2
Zustand nach Dünndarmteilresektion und Hemikolektomie rechts 2009 wegen eines Dünndarmlymphoms, Zustand nach Adhäsiolyse wegen eines Darmverschlusses 2014,
3
Zystische Läsionen im Bereich der Bauchspeicheldrüse, derzeit in Abklärung,
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Nunmehriges Leiden 3 wird hinzugefügt. Die übrigen Leiden keine wesentliche Einschränkung. Der Gesamtzustand im Wesentlichen unverändert. (...)
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Trotz der Funktionseinschränkungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates, des Z.n. Darm-OP und der Funktionseinschränkung im Bereich der Bauchspeicheldrüse sind das sichere Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport gewährleistet. Niveauunterschiede können ausreichend sicher überwunden werden. Eine kurze Wegstrecke kann ausreichend sicher ohne Pause zurückgelegt werden. Ausreichend sicherer Stand und Gang. Ausreichend gute körperliche Belastbarkeit. Keine Stuhlinkontinenz beschrieben.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein
Gutachterliche Stellungnahme:
Trotz der Funktionseinschränkungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates ist bei ausreichend sicherem Gang und Stand und bei guter körperlicher Belastbarkeit die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausreichend sicher möglich. Stuhlinkontinenz wird nicht beschrieben."
Im gewährten Parteiengehör monierte der Beschwerdeführer, dass seiner Ansicht nach die relevanten Untersuchungen von der Ärztin im Zuge der Gutachtenserstellung nicht durchgeführt worden seien. Des Weiteren seien die Befunde der Vorerkrankungen nicht ausreichend berücksichtigt worden. Er ersuche um eine neuerliche Untersuchung.
Die befasste Ärztin für Allgemeinmedizin führte dazu am 10.02.2020 aus, dass sämtliche Leiden berücksichtigt und beurteilt, die vorgelegten Befunde ausreichend gewürdigt worden seien. Die Untersuchung des Stütz- und Bewegungsapparates sei in adäquatem Umfang durchgeführt und beschrieben worden. Ebenso seien die Vorerkrankungen entsprechend der Vorgutachten und unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde beurteilt worden. Laut dem vorgelegten Befund des Hanusch Krankenhauses 10/19 sei die Gehstrecke unbegrenzt. Es sei keine Änderung vorzunehmen.
Mit Bescheid vom 11.02.2020 wies die belangte Behörde den Antrag vom 19.11.2019 mangels Vorliegen der Voraussetzungen ab.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde ohne Vorlage von Unterlagen vorgebracht, dass beim Beschwerdeführer eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vorliege. Aufgrund der laufenden, unzähligen Arztbesuche in Wien und XXXX seien die körperlichen Anstrengungen immens und der körperliche Zustand sei wegen der vielen Untersuchungen und der regelmäßig zu fahrenden Distanz zwischen seinem Wohnort und den Krankenhäusern sehr geschwächt. Des Weiteren hätte er ständig mit Magen-, Darmbeschwerden (Bauchspeicheldrüse) zu kämpfen, die einen ständigen und in kurzen Abständen befindlichen Toilettengang erfordern. Dieser Umstand sei logischer Weise ein großes Problem bei den langen Distanzen, die er regelmäßig zurücklegen müsse.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.
1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Allgemeinmedizinischer Status:
HNA: Presbyakusis,
Cor: rein, rhythmisch,
Pulmo: VA, SKS,
Abdomen: blande Narbe nach Bauchoperation, weich, indolent,
WS: KS über LWS, FBA im Stehen Mitte Waden, Zehen- und Fersenstand bds. möglich, Lasegue bds. neg.
OE: deutliche Funktionseinschränkung im Bereich beider Schultergelenke, Nacken- und Schürzengriff bds. nicht endlagig (Ohr, Hüfte), Faustschluss bds. vollständig, Fingerpolyarthrosen, keine Sensibilitätsstörungen,
UE: keine wesentliche Funktionseinschränkung der großen Gelenke, Zehen- und Fersenstand und Einbeinstand bds. möglich, keine Varizen, keine Ödeme,
Gesamtmobilität - Gangbild:
Gehen: frei, sicher, ohne Hilfsmittel,
Zehen-, Fersen- und Einbeinstand bds. möglich, ausreichend sicherer Gang und Stand, gute körperliche Belastbarkeit,
Status Psychicus:
grob unauffällig, in allen Qualitäten gut orientiert, keine wesentliche Einschränkung der Kognition oder Mnestik, Ductus kohärent, euthym,
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die körperliche Belastbarkeit ist gut vorhanden. Es liegen auch keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten vor.
Zwar liegen Funktionseinschränkungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates vor, bei ausreichend sicherem Gang und Stand und bei guter körperlicher Belastbarkeit ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausreichend sicher möglich. Der Beschwerdeführer geht frei flüssig ohne Hilfsmittel. Ein freies Stehen ist sicher möglich. Die Gesamtmobilität ist ausreichend, um sich im öffentlichen Raum selbständig fortzubewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, ohne Unterbrechung und ohne größere Schmerzen zurückzulegen. Der vorliegende Bewegungsumfang ist ausreichend, um Stufen zu überwinden und kurze Gehstrecken zurückzulegen. An den oberen Extremitäten ist keine erhebliche Funktionsbehinderung fassbar.
Der Zustand nach Dünndarmteilresektion und Hemikolektomie rechts 2009 wegen eines Dünndarmlymphoms sowie der Zustand nach Adhäsiolyse wegen eines Darmverschlusses 2014 und die in Abklärung befindliche Funktionseinschränkung im Bereich der Bauchspeicheldrüse erschwert die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht auf erhebliche Weise. Es liegen keine maßgeblichen Komplikationen vor.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich - auch im Zusammenwirken - nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellten Funktionseinschränkungen. Es besteht auch keine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Die allfällige Verwendung eines Gehstocks ist zumutbar.
Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Beim Beschwerdeführer liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 13.01.2020 sowie eine Stellungnahme zu den Einwendungen eingeholt worden. In diesem Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Die festgestellten Leiden führen laut Gutachten nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung.
Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf den Patientenbrief der angiologischen Ambulanz des Hanusch Krankenhauses vom 07.11.2019 zu verweisen, in dem festgehalten wird: "Patient kommt zur angiologischen Durchuntersuchung der peripheren Gefäße. Anamenstisch keine Claudicatio erhebbar, Gehstrecke unbegrenzt."
Die Beschreibung des Gangbildes im Gutachten gestaltet sich wie folgt:
"Gehen: frei, sicher, ohne Hilfsmittel,
Zehen-, Fersen- und Einbeinstand bds. möglich, ausreichend sicherer Gang und Stand, gute körperliche Belastbarkeit"
Die Gutachterin hat nachvollziehbar beschrieben, dass zwar Funktionseinschränkungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates vorliegen, bei ausreichend sicherem Gang und Stand und bei guter körperlicher Belastbarkeit die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausreichend sicher möglich sei.
Wenn nunmehr der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde erstmals vorbringt, dass er ständig mit Magen- Darm Problemen zu kämpfen hätten, die einen ständigen und in kurzen Abständen notwendigen Toilettengang erfordern, so ist dem der Auszug der Ambulanzkartei - Gastroenterologische Ambulanz der I. Medizinischen Abteilung des Hanusch Krankenhauses vom 05.11.2019 entgegenzuhalten, in dem unter den vom Beschwerdeführer beschriebenen aktuellen Beschwerden beschrieben wird: "Herr XXXX kommt mit ÜW von der hämato-onkolog. Amb. Mit MRT d. Leber zur Begutachtung bei V.a. IPMN. Gelegentlich wässriger Durchfall nach fettreichen Mahlzeiten."
Die Ausführungen des Beschwerdeführers vor dem behandelnden Arzt des Hanusch Krankenhauses weichen somit gravierend von seinen Ausführungen in der Beschwerde ab und legte der Beschwerdeführer auch keine medizinischen Unterlagen zu seinen Behauptungen vor.
Aufgrund der Untersuchung und der vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Unterlagen hat sich ergeben, dass auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vorliegen. Die Gutachterin hält auch nachvollziehbar fest, dass keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vorliegen.
Aus den Gutachten ergeben sich auch keinerlei Hinweise auf maßgebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen.
Eine hochgradige und anhaltende Immunschwäche bzw. anhaltende Störungen des Immunsystems liegen ebenfalls nicht vor.
Im Gutachten wird weiters explizit beschrieben, dass jedenfalls von zurücklegbaren kurzen Wegstrecken ausgegangen werden kann und das sichere Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet sind. Das Überwinden von Niveauunterschieden ist ausreichend sicher möglich.
Eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung, die eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründen würde, kann der erkennende Senat somit unter Zugrundelegung des schlüssigen allgemeinmedizinischen Gutachtens vom 13.01.2020 beim Beschwerdeführer nicht erkennen.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Beim Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Es ist beim Beschwerdeführer von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren. Das Darmleiden bewirkt, wie bereits festgestellt, ebenfalls keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar." rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt worden. In dem vorzitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und das Nichtvorliegen der Voraussetzungen - konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen - für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden die Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre. Da das erstattete Vorbringen bzw. die vorgebrachten Leiden bereits einer Beurteilung im Rahmen der erfolgten Untersuchung unterzogen wurden, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2230212.1.00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020