TE Vwgh Erkenntnis 1988/4/8 88/18/0040

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Veröffentlicht am 08.04.1988
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Index

Veterinärwesen
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren
86/01 Veterinärrecht allgemein

Norm

AVG §1
AVG §56
TSG 1909 §24 Abs4 idF 1978/220
TSG 1909 §24 Abs6 idF 1974/141 1978/220
TSG 1909 §24 Abs6 idF 1978/220
TSG 1909 §24 Abs7 idF 1974/141 1978/220
TSG 1909 §24 Abs7 idF 1978/220
TSG 1909 §31a idF 1974/141 1978/220
TSG 1909 §48 Z2 idF 1974/141 1978/220
TSG 1909 §52b Abs1 Z1 idF 1974/141 1978/220
TSG 1909 §52b Abs1 Z1 idF 1978/220
TSG 1909 §52b Abs1 Z2 idF 1978/220
VwRallg

Beachte


Vorgeschichte:
85/09/0214 E 29.01.1987;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, Dr. Domittner und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Böhler, über die Beschwerde des Vereines M in W, vertreten durch Dr. Klaus Braunegg, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 26. August 1987, Zl. 776.992/3-VII/10 a/87, betreffend Entschädigung nach dem Tierseuchengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 29. Jänner 1987, Zl. 85/09/0214, hingewiesen, mit welchem der Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 22. Mai 1981 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen mit der Begründung aufgehoben worden war, daß nicht untersucht worden sei, ob die Behauptung zutreffe, daß ein für die Zuerkennung der beantragten Entschädigung gemäß § 52b Abs. 1 Z. 2 des Tierseuchengesetzes erforderlicher Bescheid im Sinne des § 24 Abs. 7 leg. cit. erlassen worden sei.

Mit dem daraufhin nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens ergangenen Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 26. August 1987 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 10. April 1981 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 neuerlich keine Folge gegeben und der erwähnte Bescheid bestätigt.

Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens verwies die Berufungsbehörde auf die Entscheidungsgründe des erwähnten hg. Vorerkenntnisses vom 29. Jänner 1987, wonach ein Entschädigungsanspruch nach § 52b Abs. 1 Z. 2 des Tierseuchengesetzes im wesentlichen eine durch Bescheid ausgesprochene Sperre eines Unternehmens gemäß § 24 Abs. 7 leg. cit. voraussetze und ein durch Verordnung gemäß § 31a dieses Gesetzes ausgesprochenes Veranstaltungsverbot nicht von vornherein verhindere, daß trotzdem eine Sperre im Sinne des § 24 Abs. 7 ausgesprochen werde. Der Verwaltungsgerichtshof habe beanstandet, so wurde in der Begründung dieses Bescheides weiter ausgeführt, daß sich die belangte Behörde mit dem Berufungsvorbringen nicht auseinandergesetzt und insbesondere nicht untersucht habe, ob die Behauptung des beschwerdeführenden Vereines, daß ein Bescheid erlassen worden sei, richtig oder unrichtig sei. Sie habe auch keine hinreichenden Sachverhaltsfeststellungen darüber getroffen, ob die behauptete bescheidmäßige Verfügung die Sperre eines Unternehmens bewirkt habe oder nicht. Nach einer Wiedergabe des Wortlautes des § 52b Abs. 1 Z. 1 des Tierseuchengesetzes, einem Hinweis auf die Verordnung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 3. März 1981 sowie auf die von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten-Umgebung verfügte Gebietssperre gemäß § 24 Abs. 4 des Tierseuchengesetzes führte die Berufungsbehörde sodann aus, daß sie entsprechend dem erwähnten hg. Vorerkenntnis ergänzende Erhebungen durchgeführt habe, wobei die Bezirkshauptmannschaft Tulln am 21. Juli 1987 berichtet habe, daß der Beschwerdeführerin weder durch einen mündlich verkündeten noch durch einen schriftlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln die Abhaltung ihres Konzertes am 9. März 1981 in X verboten worden sei. Die Bezirkshauptmannschaft Tulln habe lediglich die Verordnung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 3. März 1981 an alle Bürgermeister des Bezirkes Tulln mit dem Ersuchen um ortsübliche Verlautbarung versendet. Da somit über das Gebiet der Stadtgemeinde X keine Gebietssperre gemäß § 24 Abs. 4 des Tierseuchengesetzes verhängt worden sei, sei auf Grund der vorzitierten Gesetzesstellen kein Entschädigungsanspruch für den infolge Absage der für den 9. März 1981 geplanten bezüglichen Veranstaltung in X entstandenen Vermögensnachteil gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und unter Hinweis auf die zur hg. Zl. 85/09/0214 erstattete Gegenschrift von der Verfassung einer neuerlichen Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Gerichtshof hat schon in seinem erwähnten Vorerkenntnis vom 29. Jänner 1987 ausgeführt, daß ein Entschädigungsanspruch nach § 52b Abs. 1 Z. 2 des Tierseuchengesetzes im wesentlichen eine durch Bescheid ausgesprochene Sperre eines Unternehmens gemäß § 24 Abs. 7 dieses Gesetzes voraussetze, und hat den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 22. Mai 1981, wie schon erwähnt worden ist, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil insbesondere nicht untersucht worden sei, ob die Behauptung der Beschwerdeführerin zutreffe, daß ein Bescheid erlassen worden sei. Die belangte Behörde habe auch keine hinreichenden Sachverhaltsfeststellungen darüber getroffen, ob die behauptete bescheidmäßige Verfügung die Sperre eines Unternehmens bewirkt habe oder nicht. Die belangte Behörde hatte demnach im fortgesetzten Verfahren in erster Linie zu prüfen, ob eine bescheidmäßige Verfügung im Sinne des § 24 Abs. 7 des Tierseuchengesetzes erlassen worden ist.

Gemäß § 62 Abs. 1 AVG 1950 können Bescheide, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden. Zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schlusse der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. die Erkenntnisse vom 30. September 1985, Zl. 85/10/0051, vom 11. September 1986, Zl. 84/06/0151, und vom 5. November 1986, Zl. 84/01/0299) ist die mündliche Verkündung eines Bescheides ein Formalakt, der den Parteien als solcher zu Bewußtsein kommen muß, wobei eine Unterlassung der Beurkundung zur Folge hat, daß ein Bescheid nicht existent wird.

Entsprechend dem in der wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnten - übrigens in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten nicht auffindbaren - Bericht der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 21. Juli 1987 sei der Beschwerdeführerin „weder durch einen mündlich verkündeten noch durch einen schriftlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln die Abhaltung ihres Konzertes am 9. März 1981 in X verboten“ worden. Zu diesem Bericht wurde der Beschwerdeführerin nach der Aktenlage kein Parteiengehör gewährt, was umso schwerer wiegt, als in der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgebracht wird, daß sich die belangte Behörde mit dem Berufungsvorbringen neuerlich nicht auseinandergesetzt und insbesondere wiederum nicht untersucht habe, ob die Behauptung der Beschwerdeführerin richtig oder unrichtig sei, daß „sowohl durch den Bürgermeister als auch durch die Bezirkshauptmannschaft“ ein Bescheid erlassen worden sei. Diesem Vorbringen kommt nämlich insofern Berechtigung zu, als keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der erwähnte Bericht der Bezirkshauptmannschaft Tulln nach einer Befragung jener entsprechend den Beschwerdeausführungen „mit der Durchführung und Überwachung der durch den Landeshauptmann von Niederösterreich erlassenen Verordnung befaßten“, namentlich genannten „Bearbeiter“ erstattet worden ist und offensichtlich auch die übrigen drei in der Beschwerde namentlich erwähnten Personen zu dieser Frage nicht einvernommen worden sind. Es kann daher ungeachtet des erwähnten Berichtes der Bezirkshauptmannschaft Tulln nicht ausgeschlossen werden, daß die in Rede stehende Veranstaltung durch einen Bescheid untersagt worden ist, welcher von einem der damals beauftragten, von der Beschwerdeführerin namhaft gemachten „Bearbeiter“ mündlich verkündet und beurkundet worden ist, weshalb sowohl diese Behördenvertreter als auch die übrigen namhaft gemachten Personen einzuvernehmen gewesen wären, um ein vollständiges Bild aber jene Vorgänge zu gewinnen, die bei der Beschwerdeführerin offensichtlich den Eindruck einer bescheidmäßigen Untersagung des Konzertes vom 9. März 1981 erweckt haben.

Obwohl für die Erlassung einer bescheidmäßigen Verfügung im Sinne des § 24 Abs. 7 des Tierseuchengesetzes die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig gewesen wäre (diese Bestimmung ist nämlich im Zusammenhalt mit Abs. 6 leg. cit. zu lesen), kann ferner nicht ausgeschlossen werden, daß auch die Stadtgemeinde X eine bescheidmäßige Verfügung im Sinne des § 24 Abs. 7 leg. cit. erlassen hat, welcher ungeachtet der mangelnden Kompetenz jedenfalls bis zu deren Aufhebung Rechtswirksamkeit zugekommen wäre und zu einem Verbot der in Rede stehenden Veranstaltung geführt hätte. Die belangte Behörde hätte daher das schon wiedergegebene Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin über die Erlassung eines Untersagungsbescheides durch den Bürgermeister der Stadtgemeinde X zum Anlaß der schon in der Berufung beantragten Einvernahme sowohl des Bürgermeisters als auch des Stadtamtsdirektors der Stadtgemeinde X nehmen müssen, um klarzustellen, ob das für 9. März 1981 geplante Konzert nicht etwa durch einen mündlich verkündeten und beurkundeten oder durch einen schriftlichen Bescheid der Stadtgemeinde X untersagt worden ist.

Da die aufgezeigten Verfahrensmängel wesentlich sind, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Bescheid gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wobei unter Hinweis auf das hg. Vorerkenntnis vom 29. Jänner 1987 zur Vermeidung von Unklarheiten nochmals festgehalten wird, daß im fortgesetzten Verfahren nicht nur die Frage der Erlassung eines Bescheides schlechthin, sondern auch zu klären sein wird, ob die allfällige bescheidmäßige Verfügung die Sperre eines Unternehmens bewirkt hat oder nicht.

Im übrigen soll nicht unerwähnt bleiben, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides, was die Beschwerdeführerin mit Recht aufgezeigt hat, anstelle der im Beschwerdefall maßgebenden Regelung des § 52b Abs. 1 Z. 2 des Tierseuchengesetzes die Z. 1 dieser Gesetzesstelle wiedergegeben und sich überdies darauf berufen hat, daß über das Gebiet der Stadtgemeinde X keine Gebietssperre gemäß § 24 Abs. 4 leg. cit. verhängt worden sei. Daraus resultiert jedoch keine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, weil sich aus dem die wesentliche Begründung des hg. Vorerkenntnisses vom 29. Jänner 1987 wiedergebenden Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, daß der Ausgang des Verfahrens von der Beantwortung der Frage abhängt, ob von einer bescheidmäßig ausgesprochenen Sperre eines Unternehmens im Sinne des § 24 Abs. 7 leg. cit. auszugehen ist oder nicht. Die im mehrfach erwähnten Bericht der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 21. Juli 1987 getroffene Feststellung, daß der Beschwerdeführerin „weder durch einen mündlich verkündeten noch durch einen schriftlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln die Abhaltung ihres Konzertes am 9. März 1981 in X verboten wurde“, kann sich nämlich nur auf eine bescheidmäßige Verfügung im Sinne des § 24 Abs. 7 leg. cit. beziehen, weil eine Gebietssperre im Sinne des § 24 Abs. 4 leg. cit. im Verordnungswege zu verfügen gewesen wäre und überdies entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten-Umgebung, aber nicht von der für den Bereich der Stadtgemeinde X zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde, eine solche Gebietssperre verhängt worden ist.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien , am 8. April 1988

Schlagworte

Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1988:1988180040.X00

Im RIS seit

03.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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