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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz sowie Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache der N L, vertreten durch Mag. Hubert Wagner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. Oktober 2019, VGW-151/085/6229/2018, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde der Revisionswerberin, einer Staatsangehörigen der russischen Föderation, gegen die Abweisung ihres Verlängerungsantrages betreffend den Aufenthaltstitel „Studenten“ als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision für unzulässig.
Begründend führte das VwG im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei im maßgeblichen Studienjahr 2018/2019 beurlaubt gewesen und habe daher keinen Studienerfolg erbracht. Eine Beurlaubung könne zwar aus gesundheitlichen Gründen erfolgen, § 64 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) erfordere jedoch das Vorliegen von einem der Einflusssphäre der Revisionswerberin entzogenen, unabwendbaren oder unvorhersehbaren Ereignis, damit trotz Fehlen eines Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden könne. Die Prüfung der universitätsrechtlichen Voraussetzungen für die Beurlaubung und die des Studienerfolges nach dem NAG stellten unterschiedliche Beurteilungen dar. Für das Studienjahr 2018/2019 sei keine krankheitsbedingte Studienverhinderung nachgewiesen worden. Aufgrund des Vorbringens einer Depression sei die Revisionswerberin bei einer amtsärztlichen Begutachtung am 25. Juni 2019 als psychisch wach, orientiert, gut kontaktfähig und positiv affizierbar beschrieben worden. Eine akute Halsmuskelzerrung sei erstmals ab Juli 2019 aktenkundig und könne somit keine Studienverhinderung für das gesamte Studienjahr nach sich ziehen; dies gelte auch für eine akute Gastroduodenitis, die nur für etwa zwei Monate bestanden habe.
Eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG könne bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung entfallen (Hinweis auf VwGH 6.8.2009, 2009/22/0195).
5 In ihrer Zulässigkeitsbegründung rügt die Revision ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 64 Abs. 3 [nunmehr: 2] NAG (Hinweis auf VwGH 6.3.1996, 95/20/0650). Das VwG habe die Gründe der Verhinderung und deren Wegfall nicht ausreichend und den „wieder eingetretenen Studienfortschritt“ überhaupt nicht geprüft. Die Revisionswerberin sei in Österreich integriert, seit 9. November 2019 mit einem Österreicher verheiratet und strafrechtlich unbescholten.
6 Damit macht die Revision zunächst einen Verfahrensmangel in Bezug auf die vom VwG festgestellten Gründe gemäß § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG geltend, unterlässt es jedoch, konkret darzulegen, inwieweit die gerügte Verletzung der Ermittlungspflicht im vorliegenden Fall Relevanz für den Verfahrensausgang hätte haben können. Insbesondere geht aus der Zulässigkeitsbegründung nicht hervor, welche konkreten Feststellungen betreffend die Verhinderung der Revisionswerberin, im Studienjahr 2018/2019 einen ausreichenden Studienerfolg zu erbringen, das VwG bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels hätte treffen müssen, um zu einer anderen, für die Revisionswerberin günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. VwGH 31.5.2017, Ra 2017/22/0044, Rn. 11, mwN).
Nach ständiger hg. Rechtsprechung kommt es für die Beurteilung des Studienerfolgs ausschließlich auf das vorangegangene, im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bereits abgeschlossene und nicht auf das aktuell laufende Studienjahr an (vgl. VwGH 8.1.2020, Ra 2017/22/0049, Rn. 7, mwN); eine Beurteilung des gesamten Studienverlaufes oder eine Berücksichtigung des aktuellen Fortschrittes ist vom Wortlaut des § 8 Z 8 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung nicht gedeckt. Ein Drittstaatsangehöriger, der einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Absolvierung eines Studiums innehatte und um dessen Verlängerung ansucht, hat grundsätzlich für jedes Studienjahr einen ausreichenden Studienerfolg nachzuweisen (vgl. VwGH 13.6.2019, Ra 2018/22/0293, mwN).
Aus dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis 95/20/0650 betreffend Asylgewährung ist für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen. Das VwG ging ja nicht davon aus, dass das Vorbringen betreffend die gesundheitlichen Probleme nicht nachvollziehbar oder nicht ausreichend dokumentiert wäre, sondern beurteilte die Beeinträchtigungen als nicht geeignet, eine Studienverhinderung für das gesamte Studienjahr zu begründen. Dagegen bringt die Revision nichts vor.
7 Wenn die Revisionswerberin auf ihre Integration, die familiären Bindungen und ihre strafrechtliche Unbescholtenheit hinweist, zielt sie erkennbar auf eine Interessenabwägung ab. Die Revision legt jedoch nicht dar, aus welchem Grund eine solche - entgegen den Ausführungen des VwG - bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung durchzuführen wäre.
8 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
9 Daher erübrigt sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 3. Juni 2020
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020220047.L00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020