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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §45 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde des D in Wien, vertreten durch Dr. Egbert Schmid und Dr. Michael Kutis, Rechtsanwälte in Wien III,
Landstraßer Hauptstraße 113, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. Juni 1997, Zl. UVS-07/L/20/00503/96, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Unter dem Datum des 12. November 1996 erließ das Magistratische Bezirksamt gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis, dessen Spruch folgenden Wortlaut hat:
"Sie haben als Mitglied des Vorstandes und somit zur Vertretung nach außen Berufener der W.-Genossenschaft zu verantworten, daß diese Genossenschaft in der Werksküche in W., K.-Straße X. am 10. Juli 1996 nicht vorgesorgt hat, daß Lebensmittel nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt in Verkehr gebracht werden, als
1) das im Küchenbereich befindliche Fenster schadhaft war (Lack blätterte ab);
2) das obgenannte Fenster geöffnet war und keinerlei Vorrichtung gegen das Eindringen von Insekten vorhanden war;
3) obwohl eine Vorsorge gegen die hygienisch nachteilige Beeinflußung der Lebensmittel nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar war, indem Sie
zu 1) das Fenster reparieren (neu lackieren),
zu 2) eine Vorrichtung gegen das Eindringen von Insekten
anbringen (Fliegengitter)."
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG in Verbindung mit § 20 leg. cit. begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe von S 1.300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 17 Stunden) verhängt. Der Beschwerdeführer berief.
Er brachte vor, die W.-Genossenschaft sei weder Eigentümer des Gebäudes noch der benützten Räumlichkeiten, in denen die Werksküche betrieben werde, noch deren Mieter; vielmehr sei ihr lediglich die Benützung dieser Räumlichkeiten seitens der P.-AG gestattet. Darüber hinaus stünden der Genossenschaft keinerlei Rechte und Befugnisse an dem Objekt bzw. den Räumen zu; insbesondere oblägen sämtliche Erhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten sowie Veränderungen wie etwa die Erneuerung der Lackierung oder die Anbringung von Gittern außerhalb der Fenster der P.-AG. Das einzige, was der Beschwerdeführer zur Behebung des festgestellten Mißstandes habe tun können, sei jeweils die unverzügliche Verständigung der P.-AG und eine an diese gerichtete Bitte um Abhilfe gewesen. Erst nach der 3. Beanstandung im Jahr 1996 seien die diesbezüglichen Bemühungen des Beschwerdeführers erfolgreich gewesen. Der Beschwerdeführer habe nachweislich alles ihm mögliche getan, um der übertretenen Verwaltungsvorschrift gemäß zu handeln und ihr Geltung zu verschaffen. Der Tatbestand sei somit in subjektiver Richtung nicht erfüllt.
Was den objektiven Tatbestand anlange, so weise der Beschwerdeführer darauf hin, daß sowohl die Rechtsordnung als auch berechtigte Interessen Betroffener nur in geringem Maß gefährdet oder verletzt worden seien und vor allem im Hinblick auf die zwischenzeitige Beseitigung des Mißstandes Strafwürdigkeit nicht gegeben scheine. Der Lack der Fenster sei zwar schadhaft gewesen, doch habe situationsbedingt abblätternder Lack nicht in Speisen oder Rohprodukte gelangen können. Die Fenster befänden sich im dicht verbauten städtischen Bereich, nicht auf Straßenniveau, in einem Bereich also, in dem es erfahrungsgemäß so gut wie keine Insekten gäbe, sodaß in diesem Bereich auch nicht die Gefahr einer konkreten schädlichen Wirkung bestanden habe.
Bei der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 11. März 1997 gab der Beschwerdeführer laut Verhandlungsschrift folgende Erklärung ab:
"Der Sachverhalt als solcher wird nicht bestritten, die Berufung bezieht sich auf die subjektive Tatseite. Dazu wird mir heute eine Frist von sechs Wochen gewährt, entweder einen schriftlichen Nachweis dafür zu führen, daß mit Ausnahme der Schreiben, die der Berufung beigelegt wurden, keine Möglichkeit bestand, für eine Beseitigung der Mängel zu sorgen, allenfalls vertragliche Vereinbarungen) und entsprechende Zeugen dafür zu nennen, daß weitergehende Maßnahmen getroffen wurden oder eben nicht möglich waren."
Bei der fortgesetzten Verhandlung am 20. Juni 1997 äußerte der Beschwerdeführer, die Mängel hätten zum Beanstandungszeitpunkt noch bestanden, seien aber mittlerweile saniert. Er habe zwei oder drei Schreiben an die Direktion der P.-AG gerichtet und habe auch mehrfach mündlich interveniert. Die Schreiben befänden sich im Akt. Es sei immer wieder zugesichert worden, daß die Mängel saniert würden.
Grundsätzlich habe er keine Möglichkeit gehabt, die Verbesserungen selbst durchzuführen. Er habe schon vor den Beanstandungen auf die Notwendigkeit der Verbesserung hingewiesen und darauf, daß Fliegengitter aus hygienischen Gründen notwendig seien. Sanktionsmöglichkeiten für das Unterlassen der Verbesserungen habe es auf Seiten der W.-Genossenschaft keine gegeben. Der Vertrag zeige eine dominante Stellung der P.-AG; es habe nur mit entsprechendem Druck um Vornahme der Sanierung ersucht werden können.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. Juni 1997 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis.
In der Begründung heißt es, auf Grund des durchgeführten Verfahrens, insbesondere auf Grund der unbedenklichen Anzeige der Magistratsabteilung 59, Marktamtsabteilung für den
1. Bezirk vom 10. Juli 1996 und der Eingeständnisse des Beschwerdeführers sei der von der Strafbehörde erster Instanz dem Straferkenntnis zugrundegelegte Sachverhalt als erwiesen anzusehen. Die Gefahr einer nachteiligen hygienischen Beeinflußung bei abblätterndem Lack von Küchenfenstern, somit von Räumen, in denen Speisen zubereitet werden, sowie dem Fehlen einer Vorsorge gegen das Eindringen von Insekten in einem der Zubereitung von Speisen dienenden Raum sei offenkundig. Daß absplitternder Lack bzw. Insekten nicht zu den bzw. in die Lebensmittel gelangen könnten, sei vom Beschwerdeführer zwar in der Berufung behauptet, weder in diesem Schriftsatz noch in der mündlichen Verhandlung aber näher ausgeführt worden und es sei das Vorliegen des objektiven Tatbestandes in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zugestanden worden. Die Handlungen, die der Beschwerdeführer hätte setzen müssen, seien im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wörtlich angeführt. Dieser entspreche daher den Erfordernissen des § 44a Z. 1 VStG. Der Beschwerdeführer bestreite sein Verschulden und mache dazu geltend, er habe alles in seiner Macht stehende getan, um die Mängel sanieren zu lassen; seine Position gegenüber der P.-AG hätte ihm aber keine weiteren Maßnahmen erlaubt. Hinsichtlich der mit der Berufung vorgelegten Unterlagen, nämlich der Schreiben vom 12. September 1994 und vom 17. März 1995, sei festzustellen, daß es sich nach dem Inhalt dieser Schreiben dabei um bloße Ersuchschreiben der W.-Genossenschaft handle, daß diese Schreiben aber gänzlich sanktionsfrei seien und daß seitens der P.-AG weder auf das erste noch auf das 2. Schreiben insoweit reagiert worden sei, daß die Mängel beseitigt worden wären. Der Beschwerdeführer habe somit nicht darauf vertrauen können, daß seinen Interventionen Folge geleistet würde, sei doch seitens der zuständigen Direktion der P.-AG trotz Hinweises auf die Hygienerichtlinien und auf eine Bestanstandung durch einen Beamten des Marktamtes zwei Jahre lang trotz entsprechender Schreiben nicht reagiert worden. Der Beschwerdeführer habe auch, obwohl keine entsprechenden Reaktionen erfolgt seien, keine weitergehenden Maßnahmen gesetzt oder angedroht, sondern habe es bis zum Schluß bei den jahrelang erfolglos gebliebenen Maßnahmen, nämlich dem bloßen Ersuchen um Mängelbehebung, belassen. Zum vorgelegten Gestattungsvertrag sei festzustellen, daß es sich dabei offensichtlich um ein bloßes Muster handle, entbehre dieser Gestattungsvertrag doch einer Konkretisierung betreffend die in Rede stehenden Räume und es fehle jegliche Unterschrift der beteiligten Parteien. Darüber hinaus sei nicht einsichtig, weshalb seitens der W.-Genossenschaft die Einhaltung der Pflichten des anderen Vertragspartners nicht durch Beschreitung des Rechtsweges - falls dieser Gestattungsvertrag tatsächlich abgeschlossen worden sei - hätte erreicht werden können. Letztlich sei aber festzustellen, daß der Beschwerdeführer angesichts des Umstandes, daß die P.-AG die Mängel, die eine hygienisch nachteilige Beeinflußung bewirkt hätten, langfristig nicht saniert habe, dafür Sorge tragen hätte müssen, daß es nicht zu einer Zubereitung von Lebensmitteln bzw. zu einem Inverkehrbringen dieser Lebensmittel unter den in Rede stehenden Bedingungen gekommen wäre. Gerade der Umstand, daß die Mängel bereits zwei Jahre vor ihrer Sanierung bestanden hätten und der Beschwerdeführer sich erfolglos um ihre Verbesserung bemüht habe, zeige, daß es hinreichend Zeit gegeben hätte, für entsprechende Verbesserungsmaßnahmen zu sorgen oder von der Zubereitung bzw. Inverkehrbringung der Lebensmittel unter diesen Bedingungen Abstand zu nehmen. Es sei somit die objektive wie auch die subjektive Tatseite als erwiesen anzusehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe keine Ermittlungen darüber angestellt, ob mit der Tatsache, daß an einem Küchenfenster der Lack abblättere und an dem Fenster keine Vorrichtung gegen das Eindringen von Insekten vorhanden gewesen sei, eine wenigstens abstrakte Gefahr der hygienisch nachteiligen Beeinflußung von Lebensmitteln verbunden gewesen sei. Wenn vom Beschwerdeführer der Sachverhalt als solcher nicht bestritten worden sei, so habe sich dies natürlich nur darauf beziehen können, daß einer Anordnung des Marktamtes objektiv nicht Folge geleistet worden sei. Keineswegs habe er in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, die Berufung beziehe sich lediglich auf die subjektive Tatseite. Um das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 LMG zu bejahen, hätte festgestellt werden müssen, daß der Beschwerdeführer Lebensmittel in Verkehr gebracht habe, um welche es sich dabei gehandelt habe und auf welche Weise die Inverkehrsetzung erfolgt sei und wie es konkret zu einer Gefahr der hygienisch nachteiligen Beeinflußung hätte kommen können. Da derartige Feststellungen fehlten, sei eine rechtliche Würdigung im Sinne tatbestandsmäßigen Verhaltens ausgeschlossen. Demgemäß fehle auch im Spruch des angefochtenen Bescheides die konkrete Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat, sodaß § 44a Z. 1 VStG verletzt sei. Ein Paralellverfahren sei deshalb eingestellt worden.
Der Beschwerdeführer habe keine Möglichkeit gehabt, die festgestellten Mängel abzustellen. Welche Sanktionen er gegen die Säumigkeit des Vertragspartners hätte veranlassen können und müssen, bleibe im angefochtenen Bescheid unbeantwortet. Die theoretische Möglichkeit einer Betriebsstillegung zur Vermeidung der behaupteten Gefährdung sei unrealistisch. Dies würde die Unzumutbarkeitsgrenze überschreiten. Es könne auch nicht davon gesprochen werden, ein allfälliges Verschulden sei nicht als verschwindend geringfügig anzusehen oder die allfällige Verwirklichung des Tatbestandes sei nicht aus besonderen Gründen nur schwer vermeidbar gewesen.
Letztlich sei auszuführen, daß der Beschwerdeführer nicht - wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt - Mitglied des Vorstandes einer W.-Genossenschaft der P.-Verwaltung sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem Hinweis darauf, daß nach dem Vertrag zwischen der W. -Genossenschaft und der P.-AG die Vornahme der Reparaturen am Fenster und das Anbringen eines Insektengitters Sache der P.-AG gewesen sei, kann der Beschwerdeführer nicht die Unmöglichkeit der Einhaltung der übertretenen Verwaltungsvorschrift dartun.
Der Beschwerdeführer hat die Funktion eines Vorstandsmitgliedes der W.-Genossenschaft übernommen. Bei gehöriger Aufmerksamkeit mußte ihm bewußt sein, daß es ihm auf Grund der Vertragsgestaltung nicht möglich sein werde, in jedem Fall für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu sorgen. Wenn der Beschwerdeführer trotzdem die Funktion eines Vorstandsmitgliedes übernommen hat, dann liegt darin eine Form der Einlassungsfahrlässigkeit (vgl. dazu Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch3, 112), für die er einzustehen hat. Außerdem hatte er, wenn es ihm nicht gelang, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, seine Funktion zurückzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1996, 94/02/0158). Auch die Einstellung des Betriebes war eine Möglichkeit, die Übertretung von Verwaltungsvorschriften zu vermeiden. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf hinweist, eine solche Betriebseinstellung würde die Unzumutbarkeitsschwelle überschreiten, so verkennt er den Begriff des "nicht Unzumutbaren" in § 20 LMG. Dieser bezieht sich auf die zur Verhinderung einer hygienisch nachteiligen Beeinflußung von Lebensmitteln zu treffenden Maßnahmen. Diese bestanden im Beschwerdefall in der Reparatur des Fensters und im Anbringen eines Insektengitters. Diese Maßnahmen aber waren zumutbar.
In dem von der belangten Behörde unverändert bestätigten Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist die Funktion des Beschwerdeführers richtig bezeichnet. Lediglich in der in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltenen Wiedergabe dieses Spruches findet sich eine falsche Bezeichnung. Dies schadet aber nicht.
Hingegen ist der Beschwerdeführer im Recht, wenn er bemängelt, daß keine Feststellungen getroffen wurden, inwiefern aus abblätterndem Fensterlack eine Gefahr für Lebensmittel resultieren soll und daß der Spruch des Straferkenntnisses nicht dem §§ 44a Z. 1 VStG entspricht.
Nach § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.
Nach § 44a Z. 1 VStG ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß
1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbetandsmerkmale ermöglicht wird,
2. die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.
Was den vorstehenden Punkt 1 anlangt, sind entsprechende, d. h. in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Soweit die Strafbarkeit das Vorliegen bestimmter, in der Person des Täters gelegener besonderer Merkmale voraussetzt, sind insbesondere auch diese Merkmale zu bezeichnen. Was den vorstehenden Punkt 2 anlangt (unverwechselbares Feststehen der Identität der Tat) muß a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu worden. Taugliche Beweismittel im Sinne der vorstehenden lit. a sind solche, die ein Beweisthema betreffen, das sich auf das in Strafverfolgung gezogene Faktum bezieht (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. N.F. 11466/A, u.a.).
Der Spruch eines Straferkenntnisses muß so gefaßt sein, daß die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht, daß ihm einerseits die erwiesen angenommene Tat, andererseits die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten wird (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 8. Mai 1987, Slg. N.F. 12.466/A, u.a.).
Dem Beschwerdeführer wird eine Übertretung nach § 44 Abs. 5 Z. 3 in Verbindung mit § 20 LMG zur Last gelegt.
Nach § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer (u.a.) den Bestimmungen des § 20 zuwiderhandelt.
Nach § 20 LMG hat derjenige, der Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit daß nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist.
Bei einer Übertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG in Verbindung mit § 20 leg. cit. handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Die Vorsorgepflicht wird nicht nur dann verletzt, wenn der hygienisch nachteilige Einfluß tatsächlich eingetreten ist; es genügt vielmehr bereits abstrakte Gefährdung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1992, 92/10/0190, u.a.). Das bedeutet aber nicht, daß jede auch nur irgendwie denkbare Gefahr für Lebensmittel, selbst dann, wenn sie nur unter denkbar ungünstigsten und nicht vorsehbaren Verhältnissen auftritt, eine Verletzung des § 20 LMG darstellt. Die Pflicht, vorzusorgen, daß die Waren nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, setzt die Vorhersehbarkeit des hygienisch nachteiligen Einflusses voraus (vgl. Barfuß-Smolka-Onder, Lebensmittelrecht2, Komm. zu § 20, 4).
Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß die abstrakte Gefährdung von Lebensmitteln durch das fehlende Insektengitter in Verbindung mit dem offenem Fenster in der Küche offenkundig ist und es daher diesbezüglich keiner weiteren Anführungen im Spruch des Straferkenntnisses bedurfte. Nicht gilt dies hingegen für eine hygienisch nachteilige Beeinflußung von Lebensmitteln durch das Abblättern von Fensterlack. Hier fehlt im Spruch die Anführung jener Sachverhaltselemente, aus denen auf eine abstrakte Gefährdung geschlossen werden kann. Daß aus dem Abblättern von Fensterlack in der Küche vorhersehbar die Gefahr einer hygienisch nachteiligen Beeinflußung von Lebensmitteln resultiert, ist ohne Dazwischentreten weiterer Sachverhaltselemente - etwa der Zubereitung der Speisen in unmittelbarer Fensternähe aber auch das Vorhandensein von Manipulationsflächen - nicht ersichtlich. Der Spruch enthält derartige Sachverhaltselemente nicht. Er genügt daher nicht der aus der Rechtsprechung ableitbaren Forderung, daß aus der Umschreibung der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden können muß. Der Spruch genügt aber auch nicht der Anforderung, daß er den Beschuldigten in die Lage versetzt, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten. Durch das Fehlen jenes Elementes, welches die Verbindung zwischen dem Abblättern von Lack und der abstrakten Gefährdung von Lebensmitteln herstellt, war es dem Beschwerdeführer auch nicht möglich, Beweise dafür anzubieten, daß dieses von der Behörde offenbar angenommene, aber nicht offenbarte und dem Beschwerdeführer daher auch nicht bekannte Sachverhaltselement in Wirklichkeit nicht vorliege.
Aber auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides fehlt eine Darlegung, warum aus dem Abblättern des Fensterlacks in der Küche eine vorhersehbare hygyienisch nachteilige Beeinflußung von Lebensmitteln resultieren könnte.
Die belangte Behörde beruft sich diesbezüglich darauf, der Beschwerdeführer habe in der mündlichen Verhandlung den objektiven Tatbestand nicht bestritten. Dies ersetzt aber nicht die fehlende Begründung, da der Beschwerdeführer, wie sich aus seinen Berufungsausführungen ergibt, mit dem "objektiven Tatbestand" offensichtlich nur die Tatsache des Abblätterns von Lack, nicht aber eine daraus resultierende Gefahr einer hygienisch nachteiligen Beeinflußung von Lebensmitteln, welche er ausdrücklich bestritten hat, gemeint hat.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als mit Rechtswidrigkeit sowohl des Inhalts als auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet. Da eine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Mängel im Spruch Nichtangabe der verletzten Verwaltungsvorschrift Spruch und Begründung Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der TatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997100156.X00Im RIS seit
11.07.2001