TE Vwgh Beschluss 2020/6/9 Ra 2019/06/0029

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Veröffentlicht am 09.06.2020
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Index

L82007 Bauordnung Tirol
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Tir 2018 §34
BauO Tir 2018 §45
BauO Tir 2018 §46
VVG §10 Abs2
VVG §4 Abs1
VwRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2019/06/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache 1. der A B und 2. des F B, beide in A und beide vertreten durch Mag. Michael Tinzl, Mag. Albert Frank und Mag. Michael Schönlechner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Museumstraße 21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 10. Dezember 2018, LVwG-2018/38/2588-1, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Axams, vertreten durch Dr. Andreas Ruetz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 28/4. Stock; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (in der Folge: LVwG) wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Axams, mit welchem ihnen die Beseitigung einer Stützmauer sowie einer Böschungssicherung auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG A. aufgetragen worden war, unter Neufestsetzung der Leistungsfrist als unbegründet abgewiesen (1.). Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (2.).

5        Begründend führte das LVwG hierzu zusammengefasst aus, die in Rede stehende, näher beschriebene Stützmauer aus Stahlbeton befinde sich an der Nordgrenze des Grundstückes der revisionswerbenden Parteien und sei in den Jahren 1982/1983 errichtet worden. Sowohl zum Zeitpunkt der Errichtung als auch nach der geltenden Rechtslage handle es sich dabei aus näheren Gründen um eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage. Eine baurechtliche Bewilligung dafür liege nicht vor. Die ebenfalls vom baupolizeilichen Auftrag erfasste Böschungssicherung, welche sich an der Nordwestseite und der Nordseite der Zufahrt auf das Grundstück der revisionswerbenden Parteien befinde, sei im Jahr 2013 errichtet worden; auch bei dieser handle es sich aus näheren Gründen um eine sowohl zum Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch nach der geltenden Rechtslage bewilligungspflichtige bauliche Anlage, für welche eine Baubewilligung ebenfalls nicht vorliege.

6        Mit bei der Baubehörde am 18. Dezember 2018 eingelangtem Schreiben samt beigeschlossenem Einreichplan ersuchten die revisionswerbenden Parteien um nachträgliche baubehördliche Bewilligung für die beiden verfahrensgegenständlichen baulichen Anlagen.

7        Zur Zulässigkeit der gegen das angefochtene Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision bringen die revisionswerbenden Parteien - erstmals im Verfahren - vor, das auf ihrem Grundstück befindliche Einfamilienhaus sei mit Baubewilligung des Bürgermeisters der Gemeinde Axams vom 29. November 1983 bewilligt worden; mit Bescheid vom 16. Februar 1987 habe die Baubehörde dem Rechtsvorgänger der revisionswerbenden Parteien die Benützungsbewilligung dafür, sowie für die „in die [...] aufliegenden Pläne eingezeichneten Änderungen“ erteilt. Dieser Umstand ergebe sich aus dem dem LVwG vorliegenden Bauakt, welcher eine wesentliche Beweisgrundlage für das gegenständliche Verfahren darstelle. Dem Benützungsbewilligungsbescheid sei eine Verhandlung an Ort und Stelle vorausgegangen; die in Rede stehende Stützmauer und die ursprüngliche Böschungssicherung ohne Erneuerung im Jahr 2013 seien zu diesem Zeitpunkt schon vorhanden gewesen. Es spiele daher keine Rolle, dass zu keinem Zeitpunkt um eine Baubewilligung angesucht worden oder eine Bauanzeige getätigt worden sei; vielmehr stelle sich „die Frage, ob sich der Bescheid vom 16.02.1987, womit seitens der Baubehörde der Gemeinde Axams dem Neubau eines Einfamilienhauses die Benützungsbewilligung erteilt wurde, nicht auch auf sämtliche zum damaligen Zeitpunkt bereits errichteten Außenanlagen, sohin auch auf die zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls bereits errichtete Stützmauer als auch auf die zur damaligen Zeit bereits vorhanden[e] Böschungssicherung, bezogen hat und dadurch eine baubehördliche Genehmigung erwirkt“ worden sei. Hierzu gebe es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.

8        Die belangte Behörde erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung

9        Die Revision ist unzulässig:

10       Die revisionswerbenden Parteien treten den Ausführungen des LVwG im angefochtenen Erkenntnis, wonach es sich sowohl bei der verfahrensgegenständlichen Stützmauer als auch bei der Böschungssicherung um zum Zeitpunkt deren jeweiliger Errichtung und nach der geltenden Rechtslage bewilligungspflichtige bauliche Anlagen handle, nicht entgegen. Weiters führen sie selbst aus, dass für beide baulichen Anlagen zu keinem Zeitpunkt (Anmerkung: im Hinblick den zwischenzeitlich eingebrachten Antrag auf nachträgliche Baubewilligung gemeint wohl: vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses) um Baubewilligung angesucht worden sei, stehen dabei jedoch offenbar auf dem rechtlichen Standpunkt, mit der Benützungsbewilligung für das Einfamilienhaus im Jahr 1987 sei auch die Baubewilligung für die beiden Anlagen miterteilt worden.

11       Abgesehen davon, dass diesem Zulässigkeitsvorbringen bereits das aus § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG ableitbare Neuerungsverbot entgegensteht (vgl. dazu etwa VwGH 2.4.2020, Ra 2020/06/0058, 0059) irren die revisionswerbenden Parteien auch, wenn sie meinen, im gegebenen Zusammenhang existiere noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes:

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Bauordnungswidrigkeiten bzw. Planabweichungen grundsätzlich auch durch eine erteilte Benützungsbewilligung nicht geheilt werden und es besteht trotz erteilter Benützungsbewilligung die Möglichkeit, einen baupolizeilichen Auftrag zu erlassen und den Bauwerber aufzufordern, den konsensmäßigen Zustand herzustellen (vgl. VwGH 10.11.1992, 90/05/0033, 23.9.1999, 98/06/0196, oder auch 16.3.2012, 2010/05/0182). Sohin kann grundsätzlich aus einer Benützungsbewilligung ein Recht auf Belassung eines der Bauordnung oder dem Baukonsens nicht entsprechenden Zustandes nicht abgeleitet werden; wenn darüber hinaus in einer Verhandlungsschrift oder einem Benützungsbewilligungsbescheid objektiv unrichtig ausgeführt wird, dass die Ausführung des Bauvorhabens „plangemäß“ sei, kann sich die Benützungsbewilligung nur auf eine (vermeintliche) plangemäße Ausführung beziehen und kann von einem Bescheidwillen der Behörde, eine vorliegende, durch Auflagen eingeschränkte Befugnis abzuändern, keine Rede sein (vgl. zu allem zuletzt etwa VwGH 14. April 2020, Ra 2020/06/0080, mwN).

13       Anhaltspunkte dafür, dass im gegenständlichen Fall ausnahmsweise mit der Benützungsbewilligung auch die Baubewilligung für die Stützmauer und allenfalls für eine Böschungssicherung in ihrer ursprünglichen Form erteilt worden sei, lassen sich dem Inhalt der vorgelegten Verfahrensakten, insbesondere auch den in den Plänen eingezeichneten Änderungen, nicht entnehmen.

14       In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

15       Abschließend ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch zur Tiroler Bauordnung hinzuweisen, wonach im Falle der Anhängigkeit eines Verfahrens über eine nachträgliche Baubewilligung ein Bauauftrag grundsätzlich nicht vollstreckt werden darf (VwGH 19.12.2012, 2012/06/0032).

Wien, am 9. Juni 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019060029.L00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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