Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §293Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des G S in R, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1220 Wien, Stadlauer Straße 39/1/Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 4. Juli 2019, Zl. RV/2100503/2015, betreffend Einkommensteuer 2012 und Bescheidberichtigung gemäß § 293 BAO, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Beim Revisionswerber fand eine Außenprüfung betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer der Jahre 2010 bis 2012 statt, die mit Schlussbesprechung vom 17. September 2014 endete. Am selben Tag erging ein Aufhebungsbescheid gemäß § 299 Abs. 1 BAO mit folgendem Spruch:
„Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 1.10.2013 wird gem. § 299 Abs. 1 aufgehoben.“
2 Der Aufhebungsbescheid wurde wie folgt begründet:
„Gem. § 299 (1) BAO kann die Abgabenbehörde von Amtswegen einen Bescheid aufheben, wenn sich der Spruch des bisherigen Bescheides als nicht richtig erweist. Dies ist gegenständlich der Fall, weil im Rahmen einer Überprüfung des bisherigen Einkommensteuerbescheides 2009 festgestellt wurde, dass sowohl die Einkünfte aus einer Beteiligungsveräußerung zu niedrig erklärt als [auch] die Sonderausgaben zu hoch beantragt wurden, was bei der erklärungsgemäß erfolgten Veranlagung die Unrichtigkeit des Bescheidspruches zur Folge hatte, und nun eine Bescheidaufhebung notwendig macht. Bezüglich der sachverhaltsmäßigen Darstellung und der rechtlichen Würdigung der beiden zur Bescheidaufhebung führenden Feststellungen wird auf den gem. § 299 Abs. 2 BAO erlassenen neuen Sachbescheid samt Prüfungsniederschrift und Prüfungsbericht vom jeweils selben Tag verwiesen. Die dort dargestellte Neuberechnung des steuerlichen Einkommens führt zu einer hohen Abgabennachforderung, weshalb die Bescheidaufhebung geboten ist.“
3 Am selben Tag erging auch ein neuer Einkommensteuerbescheid 2012, mit dem u.a. höhere Einkünfte aus einer Beteiligungsveräußerung gemäß § 27a Abs. 1 EStG 1988 dem besonderen Steuersatz von 25% unterworfen wurden.
4 Mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 erhob der Revisionswerber Beschwerde, die sich „(nur) gegen die als ‚Einkommensteuerbescheid 2012‘ bezeichnete Erledigung vom 17.9.2014, zugestellt noch am selben Tag“ richtete. Begründend führte der Revisionswerber aus, bei der angefochtenen Erledigung handle es sich um einen absolut nichtigen Verwaltungsakt, weil der Aufhebungsbescheid gemäß § 299 Abs. 1 BAO vom selben Tag den Einkommensteuerbescheid 2009 betreffen würde. Der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid 2012 vom 1. Oktober 2013 gehöre mangels Beseitigung noch immer dem Rechtsbestand an. Der Spruch des Aufhebungsbescheides sei kurz und bündig, klar und eindeutig, somit nicht an Hand der Begründung auslegungsbedürftig. Überdies komme auch in der Begründung des Aufhebungsbescheides die Jahreszahl „2009“ vor, sodass an eine Berichtigung gemäß § 293 BAO nicht zu denken sei.
5 Mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 berichtigte das Finanzamt den Aufhebungsbescheid vom 17. September 2014 insoweit, als der Spruchteil „Einkommensteuerbescheid 2009 vom 1.10.2013“ bezüglich der falschen Jahreszahl „2009“ auf richtig „2012“ korrigiert wurde.
6 Begründend führte das Finanzamt auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass sich der Prüfer im Zuge der Außenprüfung eingehend mit der im Jahr 2012 erfolgten Beteiligungsveräußerung befasst habe und dazu auch ein entsprechender Schriftverkehr mit dem steuerlichen Vertreter des Revisionswerbers geführt worden sei, in dem immer vom „Beteiligungsverkauf 2012“ die Rede gewesen sei. Anlässlich der Schlussbesprechung seien die Prüfungsniederschrift und der Prüfungsbericht sowie bezüglich der von der Feststellung betroffenen Einkommensteuer 2012 der Aufhebungsbescheid gemäß § 299 Abs. 1 BAO sowie der neue Sachbescheid, alle datiert vom 17. September 2014, persönlich ausgehändigt worden. Die diesbezügliche schriftliche Übernahmebestätigung habe gelautet:
„Im Zuge der Schlussbesprechung am heutigen Tag, den 17.9.2014 anl. der Außenprüfung bei Herrn [Revisionswerber] wurden folgende Schriftstücke ausgehändigt:
Aufhebungsbescheid Einkommensteuer 2012 vom 17.9.2014
Einkommensteuer 2012 (neu) 17.9.2014
Niederschrift anlässlich Schlussbesprechung vom 17.9.2014
BP Prüfungs-Bericht vom 17.9.2014 (zusätzliche Bescheidbegründung zu Einkommensteuerbescheid 2012)
[Ort], am 17.9.2014
Vollständig übernommen am:“
7 Auch im übergebenen Prüfungsbericht werde im Zuge der Sachverhaltsschilderung und der rechtlichen Würdigung mehrfach der Bezug zum relevanten Prüfungsjahr 2012 hergestellt.
8 Anlässlich der Beschwerdeerhebung sei dem Finanzamt erstmals aufgefallen, dass der Aufhebungsbescheid tatsächlich - wie vom Revisionswerber vorgebracht - die falsche Jahreszahl 2009 aufweise. Im Revisionsfall stehe dertatsächliche Bescheidwille des Finanzamtes außer Zweifel. Dies ergebe sich schon aus dem dargestellten chronologischen Ablauf der Sachverhaltskette. Die gesamte Prüfung habe vom Start weg mit dem Prüfungsauftrag, dem Prüfungsgeschehen und dem Prüfungsabschluss keinesfalls irgendeinen Vorgang des Jahres 2009 betroffen. Auch werde das richtige Bescheiddatum des aufzuhebenden Einkommensteuerbescheides angeführt. Einen Einkommensteuerbescheid 2009 vom 1. Oktober 2013 habe es nie gegeben. In Entsprechung der Vorgaben des § 299 Abs. 2 BAO habe das Finanzamt den Aufhebungsbescheid und den neuen Sachbescheid (für 2012) verbunden. Das „Bescheidpärchen“ habe sich willentlich nur auf das Jahr 2012 bezogen. Dass in der Bescheidbegründung gleichfalls die falsche Jahreszahl 2009 aufscheine, stelle einen logischen Folgeabschreibefehler dar.
9 Gegen diesen Berichtigungsbescheid erhob der Revisionswerber gleichfalls Beschwerde.
10 Nach Ergehen abweisender Beschwerdevorentscheidungen und Vorlageanträgen des Revisionswerbers wies das Bundesfinanzgericht (BFG) sowohl die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 als auch jene gegen den Berichtigungsbescheid als unbegründet ab.
11 Das BFG schloss sich der Beurteilung des Finanzamtes an, dass es sich bei der Angabe der falschen Jahreszahl um einen offenkundigen Schreibfehler handle. Aus der Zusammenschau der vorgelegten Urkunden ergebe sich zweifelsfrei, dass sich der Behördenwille auf die Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2012 beziehe. Zum einen habe sich der Prüfungsauftrag (nur) auf die Jahre 2010 bis 2012 erstreckt; zum anderen hätten sich auch die bei der Außenprüfung getroffenen Feststellungen auf die Einkommensteuer 2012 bezogen. Es sei ausschließlich um die in diesem Jahr erfolgte Beteiligungsveräußerung gegangen. Im Zuge der Schlussbesprechung hätten der Revisionswerber und sein steuerlicher Vertreter u.a. die Übernahme des Aufhebungsbescheides Einkommensteuer 2012 vom 17.9.2014 bestätigt. Daher habe auch dem Revisionswerber und seinem steuerlichen Vertreter bewusst sein müssen, dass sich der Aufhebungsbescheid nicht auf das Jahr 2009 beziehen könne. In Zusammenschau des Spruchs und der Bescheidbegründung, in der auf den Prüfungsbericht samt Niederschrift verwiesen werde, sei ein Auseinanderklaffen von tatsächlichem Bescheidwillen und formeller Erklärung des Bescheidwillens zu erkennen, weswegen der Aufhebungsbescheid einer Berichtigung gemäß § 293 BAO zugänglich sei.
12 Der berichtigende Bescheid vom 30. Oktober 2014 sei nicht an die Stelle des fehlerhaften Bescheides getreten, sondern bilde mit diesem eine Einheit, sodass die Berichtigung auf den Zeitpunkt der Erlassung des berichtigten Bescheides zurückwirke. Da die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2012 vom 1. Oktober 2013 mit Datum des Aufhebungsbescheides vom 17. September 2014 bewirkt worden sei, sei der neue Einkommensteuerbescheid 2012 vom 17. September 2014 rechtswirksam erlassen worden.
13 Weiters sprach das BFG aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision in einem „ersten“ und „vierten Zulassungsgrund“ vor, § 293 BAO sei ein Verfahrenstitel für „kleinere Unrichtigkeiten unterhalb einer gewissen Schwere (Gravität).“ Der Austausch des Aufhebungsobjektes liege jedoch oberhalb dieser Obergrenze. Zudem stehe der Berichtigungsbescheid mit sich selbst in unlösbarem Widerspruch, weil in der Bescheidbegründung weiterhin das unrichtige Jahr 2009 aufscheine.
19 Gemäß § 293 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigen.
20 Die Einrichtung des § 293 BAO dient der Beseitigung des infolge bestimmter Fehlerquellen gegen den Willen der Behörde entstandenen erkennbaren Auseinanderklaffens von Bescheidabsicht und formeller Erklärung des Bescheidwillens (vgl. VwGH 24.11.2011, 2008/15/0205).
21 Das Zulassungsvorbringen wendet sich nicht gegen die im angefochtenen Erkenntnis getroffene Feststellung, dass die tatsächliche Absicht des Finanzamtes - von vorneherein erkennbar - auf die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2012 (mit Ausfertigungsdatum 1.10.2013) gerichtet war. Damit zeigt die Revision aber kein Abweichen des Erkenntnisses von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf. Eine Differenzierung nach „kleineren“ oder „größeren“ Unrichtigkeiten - nach welchem Maßstab eine solche Differenzierung vorgenommen werden sollte, legt im Übrigen auch die Revision nicht dar - findet sich in der Rechtsprechung nicht. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof gerade im Zusammenhang mit der Fehlbezeichnung eines Abgabenzeitraumes im Erkenntnis vom 13. Dezember 1995, 95/13/0030, ausgesprochen, dass es sich bei der Anführung eines falschen Jahres um ein offensichtliches Schreibversehen iSd § 293 Abs. 1 BAO handeln könne, welches einem richtigen Bescheidverständnis ungeachtet des Umstandes, dass ein Berichtigungsbescheid nicht erlassen worden sei, nicht entgegenstehe.
22 Als „zweiten Zulassungsgrund“ macht die Revision geltend, dass der Berichtigungsbescheid außerhalb der für eine Bescheidaufhebung gemäß § 299 Abs. 1 BAO relevanten Jahresfrist des § 302 Abs. 1 BAO ergangen sei.
23 Dieses Vorbringen lässt - worauf schon das BFG zutreffend hingewiesen hat - außer Acht, dass die Berichtigung rückwirkend auf den Zeitpunkt der Erlassung des berichtigten Bescheides erfolgt (vgl. Ritz, BAO6, § 293 Tz 28, und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Erlassung eines Berichtigungsbescheides im Sinne des § 293 BAO hat nicht zur Folge, dass dieser an die Stelle des berichtigten Bescheides tritt. Ein Berichtigungsbescheid bildet vielmehr mit dem von ihm berichtigten Bescheid eine Einheit (vgl. VwGH 24.6.2009, 2009/15/0104).
24 Eine Verletzung der Bestimmung des § 299 Abs. 2 BAO, wonach mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden sei - von der Revision als „dritter Zulassungsgrund“ geltend gemacht - liegt daher gleichfalls nicht vor.
25 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 12. Juni 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150123.L00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020