TE Vwgh Beschluss 2020/6/16 Ra 2020/19/0029

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Veröffentlicht am 16.06.2020
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §45 Abs2
AVG §58 Abs2
AVG §60
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des D A R, vertreten durch Mag. Heinz Bauer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Elisabethstraße 50b, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2019, W170 2131738-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der minderjährige Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 17. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er habe Syrien wegen des Krieges und aus Angst vor den IS-Kämpfern verlassen.

2        Mit Bescheid vom 23. Juni 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3        Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Das BVwG führte - soweit hier maßgeblich - begründend aus, der Revisionswerber habe keine aktuelle, zum Entscheidungszeitpunkt drohende Verfolgung vorgebracht. Ihm drohe im Herkunftsgebiet weder Verfolgung durch den IS, noch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Zwangsrekrutierung durch die „YPG“ (kurdische Volksverteidigungseinheiten) oder das syrische Militär.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, es fehle Rechtsprechung zu einer Konstellation wie der vorliegenden, in der zwei Brüdern des Revisionswerbers in Österreich jeweils der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei.

9        Damit legt die Revision aber schon deswegen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil eine Bindungswirkung in Bezug auf die Verfahren betreffend andere Personen nicht besteht (vgl. VwGH 30.5.2018, Ra 2018/18/0085; 9.10.2019, Ra 2019/20/0476). Auch ist der Revisionswerber im Verhältnis zu seinen asylberechtigten Brüdern kein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005, sodass eine Asylgewährung im Wege des Familienverfahrens von vornherein ausscheidet.

10       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit auch vor, das angefochtene Erkenntnis sei widersprüchlich, weil es einerseits Zwangsrekrutierungen bei Minderjährigen für möglich halte, andererseits eine solche beim Revisionswerber für nicht hinreichend wahrscheinlich erachte.

11       Das BVwG legte seiner Entscheidung zwar zu Grunde, dass Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen durch die kurdischen Kräfte weiterhin möglich seien. Für eine Zwangsrekrutierung des Revisionswerbers, der in seinem Herkunftsort unter dem Schutz seiner Familie stehe, bestehe allerdings keine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Die Revision legt nicht dar, dass das BVwG damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Beurteilung einer Verfolgungsgefahr abgewichen wäre (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413, mwN, wonach eine Verfolgungsgefahr dann anzunehmen ist, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, während die bloß entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht genügt).

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Juni 2020

Schlagworte

freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190029.L00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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