Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des M N, vertreten durch die Preslmayr Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Universitätsring 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. August 2019, L527 2189528-1/17E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 11. Jänner 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er habe sich bereits in seinem Herkunftsstaat vom Islam abgewendet und dem Christentum zugewandt. Er sei deshalb denunziert worden, weshalb die Polizei nach ihm gesucht habe und er geflüchtet sei. In Österreich sei er nunmehr getauft worden. Aufgrund seines Glaubenswechsels drohe ihm im Iran die Todesstrafe.
2 Mit Bescheid vom 21. Februar 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das BVwG führte aus, die Angaben des Revisionswerbers zu seinen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates seien - unter Berücksichtigung mehrerer Ungereimtheiten in seinen Aussagen - nicht glaubwürdig. Es ergebe sich, dass sich der Revisionswerber nicht vom Islam abgewandt habe und nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Vielmehr liege eine Scheinkonversion vor. Dem Revisionswerber drohe im Iran daher keine Verfolgung.
5 Mit Beschluss vom 24. Februar 2020, E 3252/2019-14, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision wendet sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst gegen die Beweiswürdigung des BVwG hinsichtlich des Vorliegens einer bloßen Scheinkonversion und bringt vor, das BVwG habe die dazu erforderliche Gesamtbetrachtung nicht vorgenommen und sich lediglich auf angeblich mangelndes Wissen des Revisionswerbers über Glaubensinhalte gestützt.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 13.2.2020, Ra 2019/19/0310, mwN).
11 Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 13.2.2020, Ra 2019/19/0398, mwN). Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0517, mwN).
12 Das BVwG, das sich im Zuge einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte und den Pastor der Gemeinde, die der Revisionswerber besucht, als Zeugen einvernommen hat, hat sich im vorliegenden Fall entgegen der Revision mit allen nach dieser Judikatur zur Beurteilung des Glaubenswechsels maßgeblichen Aspekten - insbesondere auch mit den religiösen Aktivitäten des Revisionswerbers und seinen Angaben zu den Umständen und den Motiven seiner Konversion - auseinandergesetzt. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass an das Wissen eines Asylwebers über den von ihm angenommenen Glauben bzw. einzelne theologische Fragestellungen keine überzogenen Erwartungen geknüpft werden dürfen (vgl. VwGH 14.3.2019, Ra 2018/18/0455; 25.3.2020, Ra 2020/14/0130). Das BVwG hat sich in seiner Beweiswürdigung aber nicht tragend auf die teilweise unrichtigen bzw. ausweichenden Antworten des Revisionswerbers zu christlichen Glaubensinhalten gestützt, sondern ausdrücklich festgehalten, dass diesen Umständen kein besonderes Gewicht beigemessen werde. Maßgeblich für seine Beurteilung sei, dass der Revisionswerber eine echte Konversion aus innerer Überzeugung durch seine Aussagen nicht plausibel habe darstellen können. Dazu stützte das BVwG sich auf diverse Ungereimtheiten in den Angaben des Revisionswerbers, die ihn persönlich nicht glaubwürdig hätten erscheinen lassen, sowie darauf, dass - aus näher genannten Gründen - seine Aussagen zu seiner Glaubensüberzeugung aufgesetzt und nicht authentisch erschienen seien. Dass diese Beweiswürdigung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden gravierenden Mangelhaftigkeit leiden würde, vermag die Revision nicht darzulegen.
13 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, das BVwG hätte sich näher damit auseinandersetzen müssen, welche Konsequenzen die - allenfalls auch nur zum Schein erfolgte - Konversion des Revisionswerbers bzw. sein Lebenswandel in Österreich - nämlich auch das Führen einer außerehelichen Beziehung - bei einer Rückkehr in den Iran hätten. Diese Ausführungen lassen jedoch erneut die Ausführungen des BVwG außer Acht und übergehen die im angefochtenen Erkenntnis auf der Grundlage von Länderberichten getroffenen Feststellungen, denen die Revision nicht entgegentritt, wonach Personen, die im Ausland formal einen Glaubenswechsel vollzogen haben, aber nach ihrer Rückkehr in den Iran keine religiösen Aktivitäten zeigen, im Iran keinen Repressionen ausgesetzt seien. Die Revision bekämpft diese Feststellungen nicht. Im Hinblick konkret auf den Revisionswerber führte das BVwG aus, dass seine religiösen Aktivitäten und sein Lebenswandel in Österreich im Iran nicht bekannt geworden seien, weshalb er vor dem Hintergrund, dass seine Angaben zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates nicht glaubwürdig seien und eine bloße Scheinkonversion vorliege, bei einer Rückkehr keine Verfolgung zu befürchten habe. Auch in diesem Zusammenhang zeigt die Revision eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung nicht auf.
14 Soweit sich die Revision schließlich gegen die Rückkehrentscheidung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 5.3.2020, Ra 2019/19/0071, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend in seiner Interessenabwägung alle maßgeblichen Aspekte - insbesondere auch die Schwangerschaft der Lebensgefährtin des Revisionswerbers im Entscheidungszeitpunkt - berücksichtigt. Eine Unvertretbarkeit der Beurteilung, wonach das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung die für einen Verbleib im Bundesgebiet sprechenden Interessen des Revisionswerbers überwiege, legt die Revision nicht dar (vgl. idS zur Berücksichtigung der Schwangerschaft der Lebensgefährtin eines Asylwerbers VwGH 22.1.2020, Ra 2019/14/0591; 27.6.2019, Ra 2019/14/0232; 28.2.2019, Ra 2018/14/0222; jeweils mit weiteren Hinweisen).
15 Wenn die Revision schließlich unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch vorbringt, das BVwG habe es unterlassen, die Voraussetzungen eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zu prüfen, und insofern den Grundsatz der Amtswegigkeit verletzt, ist darauf zu verweisen, dass nach dem klaren Wortlaut des § 58 Abs. 2 AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 nur dann von Amts wegen zu prüfen ist, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Es handelt sich dabei um jene Fälle, in welchen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung eine drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK entgegensteht (vgl. VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0528, mwN).
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 22. Juni 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190151.L00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020