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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision der Disziplinaranwältin für die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichts, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 18. November 2019, DS/001/2019, betreffend Verfahrenseinstellung in einer Disziplinarangelegenheit nach dem Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (mitbeteiligte Partei: A B in C), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Beschluss des Bundesfinanzgerichts als Disziplinargericht für die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichts wurde die Einleitung der Disziplinaruntersuchung gegen den 1954 geborenen Mitbeteiligten, einen nunmehr in Ruhestand befindlichen Richter des Bundesverwaltungsgerichts, nach der Durchführung von Vorerhebungen nach § 122 Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (RStDG) gemäß § 123 Abs. 4 RStDG abgelehnt und das Verfahren eingestellt. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
2 Von den zwei angezeigten Äußerungen des Mitbeteiligten gegenüber einer Kollegin - so führte das Disziplinargericht in seiner Begründung zusammengefasst rechtlich aus - sei die erste zwar als teilweise zweifellos überschießend und unpassend sowie nicht sonderlich geistreich zu beurteilen. Sie sei aber weder in Beleidigungs- noch in Diskriminierungsabsicht erfolgt und auch objektiv weder als beleidigend noch als diskriminierend zu verstehen. Bei einem zweiten Gespräch anlässlich einer Feier habe der Mitbeteiligte die Grenzen einer bekannt lockeren Kommunikation hingegen überschritten und sei in der Fortsetzung der „Sticheleien“ eine Pflichtverletzung zu sehen. Da es sich jedoch nicht um einen systematischen Angriff mit dem Ziel oder dem Effekt einer Diskriminierung und Abwertung der von seinem Verhalten betroffenen Richterin handle, liege lediglich eine einmalige, spontane Gemütsäußerung vor, die keine disziplinarrechtliche Folge erfordere.
3 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
4 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Unter diesem Gesichtspunkt begründet die revisionswerbende Disziplinaranwältin die grundsätzliche Rechtsfrage in der Revision dahingehend, dass dem Disziplinargericht insofern eine unrichtige rechtliche Beurteilung unterlaufen sei, als der erste Vorfall als sexuelle Belästigung im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 3 Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) zu qualifizieren wäre (Hinweis auf VwGH 4.9.2003, 2000/09/0165). Dementsprechend stelle (auch) dieses Verhalten eine Pflichtverletzung nach § 57 Abs. 3 RStDG dar. Es wäre nicht unter den Tatbestand des Mobbingverbots nach § 57a RStDG zu subsumieren und als nicht tatbestandsmäßig abzutun gewesen. Somit lägen zwei Pflichtverletzungen nach § 57 Abs. 3 RStDG vor, weshalb das Gesamtverhalten neu zu bewerten gewesen wäre. Es habe sich deshalb auch nicht mehr bloß um eine einmalige, spontane Gemütsäußerung gehandelt. Hinsichtlich des zweiten Vorfalls sei zudem nicht geprüft worden, ob dadurch die menschliche Würde der Betroffenen verletzt worden sei oder Verhaltensweisen gesetzt worden seien, die für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, beleidigend oder anstößig gewesen seien, wodurch die Grenze der Pflichtwidrigkeit erreicht worden sei und diese Verhaltensweise einer disziplinarrechtlichen Ahndung bedurft hätte. In Bezug auf das für Richter in § 57a RStDG verankerte Mobbingverbot fehle es zudem an höchstgerichtlicher Judikatur.
6 Mit diesen Ausführungen wird keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt, von deren Entscheidung das Schicksal der Revision abhinge.
7 Soweit damit argumentiert wird, die erste Äußerung des Mitbeteiligten wäre nicht unter § 57a RStDG, sondern als sexuelle Belästigung im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG zu qualifizieren gewesen, wird übersehen, dass vom Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgesetzes ausdrücklich Arbeitsverhältnisse zum Bund ausgenommen sind (§ 1 Abs. 2 Z 3 GlBG). Diese Bestimmung ist daher auf den Mitbeteiligten nicht anzuwenden.
8 Auch das in der Revision zitierte Erkenntnis VwGH 4.9.2003, 2000/09/0165, ist nicht zu § 6 GlBG ergangen. Der dort entschiedene Fall unterscheidet sich aber auch schon deshalb vom vorliegenden Sachverhalt wesentlich, weil jenem Äußerungen eines Vorgesetzten und Dienststellenleiters gegenüber (ihm unterstellten) Mitarbeiterinnen zugrunde lagen. Hier waren hingegen Äußerungen des Mitbeteiligten zu einer gleichrangigen Kollegin zu beurteilen (siehe zum Maßstab für eine Beurteilung unpassender Äußerungen und eines Vergreifens im Ausdruck als Dienstpflichtverletzung etwa VwGH 25.1.2013, 2012/09/0154, mit Hinweis auf VwGH 11.12.1985, 85/09/0223, VwSlg. 11966 A).
9 Eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des ersten Vorfalls durch das Disziplinargericht als eine Äußerung des Mitbeteiligten, die „zwar nicht sonderlich geistreich“, aber weder in Beleidigungs- oder Diskriminierungsabsicht erfolgt noch objektiv als beleidigend oder diskriminierend zu verstehen sei, wird im Zulässigkeitsvorbringen somit nicht aufgezeigt. Die revisionswerbende Partei tritt damit der Annahme, dass lediglich eine Pflichtverletzung vorliege, nicht wirksam entgegen.
10 Hinsichtlich des zweiten Vorfalls ging das Disziplinargericht ohnedies vom Vorliegen einer Pflichtverletzung und von einer Verhaltensweise aus, die von der betroffenen Richterin als unerwünscht und beleidigend empfunden wurde. Die Disziplinaranwältin vermag in ihrer Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht aufzuzeigen, dass die vom Disziplinargericht im Einzelfall vorgenommene Wertung, dass die Pflichtverletzung nach ihrer Art und Schwere noch keiner disziplinarrechtlichen Ahndung bedürfe, unvertretbar unrichtig wäre. Dies ist auch nicht zu erkennen. Dass nicht wegen jeder Standes- oder Amtspflichtverletzung über einen Richter eine Disziplinarstrafe zu verhängen ist, sondern nur, wenn die Pflichtverletzung mit Rücksicht auf die Art oder Schwere der Verfehlung, auf die Wiederholung oder auf andere erschwerende Umstände ein Dienstvergehen darstellt, ergibt sich zudem bereits aus dem klaren Wortlaut des § 101 Abs. 1 RStDG. Inwiefern es Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57a RStDG zur Lösung der vorliegenden Revisionssache bedürfte, wird nicht näher ausgeführt.
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 24. Juni 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020090022.L00Im RIS seit
04.08.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020