TE Vwgh Erkenntnis 2020/6/24 Ra 2019/05/0315

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Veröffentlicht am 24.06.2020
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Index

10/10 Grundrechte
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AWG 2002 §39 Abs1 Z4
AWG 2002 §42 Abs1 Z2
AWG 2002 §42 Abs1 Z3
AWG 2002 §50
AWG 2002 §50 Abs4
StGG Art5

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak, Dr. Leonhartsberger und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der H GmbH in S, vertreten durch Dr. Thomas Bründl, Rechtsanwalt in 5204 Strasswalchen, Mondseer Straße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 26. September 2019, 405-2/177/1/14-2019, betreffend Bewilligung einer Anlage nach dem AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung; mitbeteiligte Partei: N L in K, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Eingabe vom 9. April 2018 beantragte die Revisionswerberin die Erteilung der abfallwirtschaftsrechtlichen und naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb der Bodenaushubdeponie L. auf näher genannten Grundstücken.

2        Bei der mündlichen Verhandlung am 22. November 2018 sprach sich der Mitbeteiligte gegen die Bewilligung aus. Teil des Einreichprojektes sei die Verkehrsanbindung. Es solle ein Fahrweg angelegt werden, der auf das Weggrundstück Nr. 465 führte. Dieses Grundstück befinde sich zu zwei Drittel im Eigentum des Mitbeteiligten. Es handle sich um einen privaten Stichweg und nicht um eine öffentliche Straße. Der Mitbeteiligte als Mehrheitseigentümer des Grundstückes Nr. 465 stimme einer Änderung der Nutzung für die Zwecke der Deponie nicht zu. Die Deponie verfüge daher über keine Zufahrt und sei nicht genehmigungsfähig. Gleiches gelte für die Grundstücke Nrn. 469 und 463, die sich je zur Hälfte im Eigentum des Mitbeteiligten befänden.

3        Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 21. Mai 2019 wurde die beantragte abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung im vereinfachten Verfahren gemäß § 50 AWG 2002 erteilt (Spruchpunkt I), ebenso die naturschutzrechtliche Bewilligung (Spruchpunkt II).

4        Begründend wurde unter anderem ausgeführt, die Frage der Zulässigkeit der Zufahrt über Grundstück Nr. 465 sei auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Es liege im unternehmerischen Risiko der Revisionswerberin, ob sie die abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung konsumieren könne, zumal die Möglichkeit der Zufahrt bzw. die Zufahrt selbst nicht Bewilligungsvoraussetzung sei.

5        Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge und hob den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 21. Mai 2019 auf. Das am „26. April 2019“ bei der Behörde eingelangte Ansuchen der Revisionswerberin vom „9. April 2019“ wurde gemäß § 50 iVm §§ 38 Abs. 1 und 39 Abs. 1 Z 4 AWG 2002 zurückgewiesen. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen dieses Erkenntnis die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, Zustimmungserklärungen des Mitbeteiligten als Miteigentümer der Grundstücke Nr. 469 und 465 und des Landes Salzburg als Eigentümer des Grundstückes Nr. 467 für die Verwendung der Grundstücke zur Zufahrt und Abfahrt zur bzw. von der Deponie seien nicht vorgelegt worden. Bei den Wegparzellen Nrn. 465 und 469 handle es sich um keinen öffentlichen Weg (Straße mit öffentlichem Verkehr), sondern um einen im Miteigentum des Mitbeteiligten (2/3 bzw. 1/2) und der Revisionswerberin (1/3 bzw. 1/2) stehenden Privatweg. Die projektmäßig vorgesehene Zufahrt in diesem Bereich sei somit der Behandlungsanlage zuzurechnen. Mangels vollständiger Eigentümeridentität der Revisionswerberin sei die Zustimmungserklärung sämtlicher betroffener Grundeigentümer notwendig. Die Revisionswerberin habe diese nicht vorgelegt. Der Mitbeteiligte habe zudem erklärt, die Zustimmung für die Verwendung der in seinem Miteigentum stehenden Grundstücke Nr. 465 und 469 zu verweigern.

8        Die Parteistellung des Mitbeteiligten ergebe sich gemäß § 50 Abs. 4 iVm § 39 Abs. 1 Z 4 AWG 2002 aus seiner Eigenschaft als vom Vorhaben der Revisionswerberin betroffener, zu einer Duldung verpflichteter Grundeigentümer. Diese Parteistellung sei mit dem Recht verbunden, das Nichtvorliegen seiner Zustimmungserklärung im Behördenverfahren und im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geltend zu machen. Das Ansuchen sei daher zurückzuweisen.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

10       Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig als unzulässig zurückzuweisen bzw. als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11       Die Revision erweist sich in Anbetracht der Frage der Parteistellung des Mitbeteiligten im vereinfachten Verfahren gemäß § 50 AWG 2002 als zulässig.

12       In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, dem Mitbeteiligten komme keine Parteistellung im Verfahren zu und außerdem sei die Revisionswerberin selbst Miteigentümerin der gegenständlichen Grundstücke, die der Zufahrt zur Deponie dienten, sodass ein Befahren des Zufahrtsweges unstrittigerweise zivilrechtlich zustehe und eine Zustimmungserklärung des Mitbeteiligten als weiterem Miteigentümer des Zufahrtsweges dem Antrag nicht beizuschließen gewesen sei. Da das Gesamtvolumen der Deponie unter 100.000 m³ liege, sei das Genehmigungsverfahren im vereinfachten Verfahren durchgeführt worden. Der Mitbeteiligte habe seine Beschwerde auf die Parteistellung als Nachbar gestützt. Ein Nachbar habe im vereinfachten Verfahren lediglich ein Anhörungsrecht, jedoch keine Parteistellung. Eine Parteistellung als zu einer Duldung Verpflichteter käme nur dann in Frage, wenn diese Duldungspflicht im Spruch des Bescheides normativ statuiert worden wäre. Dies sei hier nicht der Fall. Außerdem werde der Mitbeteiligte nicht zu einer Duldung verpflichtet, da der Revisionswerberin als Miteigentümerin ohnehin das Recht des Fahrens auf dem Zufahrtsweg zustehe. Die Voraussetzungen dafür, dass das Verfahren im vereinfachten Genehmigungsverfahren durchzuführen sei, habe der Mitbeteiligte nie bestritten. Die Beschwerde wäre daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Mangels Parteistellung des Mitbeteiligten hätte das Verwaltungsgericht keine Entscheidung in der Sache selbst treffen dürfen. Außerdem sei gemäß § 39 Abs. 1 Z 4 AWG 2002 die Zustimmungserklärung des Eigentümers, nicht aber des schlichten Miteigentümers notwendig. Der Revisionswerberin als weiterer Miteigentümerin komme ohnehin zivilrechtlich das Recht auf Benützung der Wegparzellen zu. Auf dem Zivilrechtsweg wäre die Verfügungsbefugnis zu klären. Diesbezügliche Auseinandersetzungen seien von der Verwaltungsbehörde auf dem Zivilrechtsweg zu verweisen.

13       § 38 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 idF BGBl. I Nr. 97/2013, lautet auszugsweise:

„Konzentration und Zuständigkeit

§ 38. (1) (Verfassungsbestimmung) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften - mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren - anzuwenden, die im Bereich des Gas-, Elektrizitätswirtschafts-, Landesstraßen-, Naturschutz- und Raumordnungsrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Hinsichtlich dieser landesrechtlichen Vorschriften hat die Behörde im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden. Die behördlichen Befugnisse und Aufgaben zur Überprüfung der Ausführung einer Behandlungsanlage und der Übereinstimmung mit dem Genehmigungsbescheid, zur Kontrolle, zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands, zur Gefahrenabwehr, zur nachträglichen Konsensanpassung und zur Vorschreibung und Durchführung von Maßnahmen bei Errichtung, Betrieb, Änderung und Auflassung sind vom Landeshauptmann entsprechend den folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes wahrzunehmen. In Angelegenheiten des Landesrechts ist der Landeshauptmann als Mitglied der Landesregierung oberstes Organ der Landesvollziehung.

...“

14       § 39 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 idF BGBl. I Nr. 71/2019, lautet auszugsweise:

„Antragsunterlagen

§ 39. (1) Dem Antrag auf eine Genehmigung gemäß § 37 sind in vierfacher Ausfertigung insbesondere anzuschließen:

...

4.   die Zustimmungserklärung des Liegenschaftseigentümers, auf dessen Liegenschaft die Behandlungsanlage errichtet werden soll, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer ist;

...“

15       § 50 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 idF BGBl. I Nr. 97/2013, lautet auszugsweise:

„Vereinfachtes Verfahren

§ 50. (1) Im vereinfachten Verfahren sind die §§ 38, 39, 43 und 46 bis 49 nach Maßgabe der folgenden Absätze anzuwenden.

...

(4) Parteistellung im vereinfachten Verfahren hat der Antragsteller, derjenige, der zu einer Duldung verpflichtet werden soll, das Arbeitsinspektorat gemäß dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in Wahrnehmung seiner Aufgaben und der Umweltanwalt mit dem Recht, die Einhaltung von naturschutzrechtlichen Vorschriften und hinsichtlich der Verfahren gemäß § 37 Abs. 3 Z 2 bis 4 die Wahrung der öffentlichen Interessen gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 4 im Verfahren geltend zu machen. Dem Umweltanwalt wird das Recht eingeräumt, Rechtsmittel zu ergreifen, einschließlich Beschwerde an das Verwaltungsgericht sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.“

16       Bei Genehmigungen im vereinfachten Verfahren haben auf Grund des § 50 Abs. 4 AWG 2002 weder der Nachbar noch die Eigentümer der Liegenschaften, auf denen die Anlage errichtet werden soll, Parteistellung (vgl. für andere Genehmigungsverfahren hingegen § 42 Abs. 1 Z 2 und 3 AWG 2002). Das Verwaltungsgericht ist auch nicht davon ausgegangen, dass der Mitbeteiligte als Nachbar oder als Miteigentümer der Liegenschaft, auf der die Behandlungsanlage errichtet werden soll, Parteistellung hätte. Es hat die Parteistellung des Mitbeteiligten vielmehr daraus abgeleitet, dass er durch die Genehmigung der Anlage zu einer Duldung verpflichtet werde. Unter Berufung auf das Erkenntnis VwGH 17.2.2011, 2007/07/0134, legte das Verwaltungsgericht dem zugrunde, dass die gegenständlichen Weggrundstücke keine Straße mit öffentlichem Verkehr seien, weshalb sie einen Teil der Betriebsanlage bildeten.

17       Auch wenn man davon ausgeht, dass dies zutrifft und daher die Zustimmung des Mitbeteiligten als Antragsunterlage gemäß § 39 Abs. 1 Z 4 AWG 2002 erforderlich wäre, führt dies nicht dazu, dass der Mitbeteiligte als Miteigentümer der gegenständlichen Weggrundstücke durch die gegenständliche Genehmigung der Anlage zu einer Duldung verpflichtet wird: Eine öffentlich-rechtliche Bewilligung sagt nämlich nichts darüber aus, ob die Anlage nicht mit Mitteln des Privatrechtes verhindert werden kann. Eine solche Bewilligung ist daher nicht geeignet, in das Eigentumsrecht des Grundeigentümers einzugreifen (vgl. für Baubewilligungen VfGH 6.3.1997, B 3509/96), etwa durch eine Duldungspflicht. Eine nach dem Privatrecht unzulässige Beeinträchtigung des Eigentums kann mit den Mitteln des Privatrechtes bekämpft werden.

18       In dem zitierten Erkenntnis des VfGH vom 6.3.1997 ging es allerdings darum, dass die Tiroler Bauordnung überhaupt auf die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers verzichtet hatte, was der Verfassungsgerichtshof für verfassungsrechtlich unbedenklich hielt. Im vorliegenden Fall ist es hingegen so, dass das AWG 2002 in seinem § 39 Abs. 1 Z 4 die Zustimmungserklärung verlangt, eine Parteistellung des zustimmungsberechtigten Grundeigentümers auf Grund des § 50 Abs. 4 AWG 2002 aber ausgeschlossen ist. Das ändert jedoch nichts daran, dass die öffentlich-rechtliche Genehmigung als solche nicht geeignet ist, in das Eigentumsrecht des Grundeigentümers einzugreifen und gegebenenfalls Duldungspflichten auszulösen. Anders wäre dies nur, wenn im Spruch der Bewilligung auch eine Duldungspflicht verankert worden wäre (vgl. VwGH 27.5.2003, 2002/07/0100), was gegenständlich nicht der Fall ist.

19       Dem Mitbeteiligten kommt daher im gegenständlichen Genehmigungsverfahren nicht deshalb Parteistellung zu, weil er zu einer Duldung verpflichtet worden wäre, und es wurde durch die erteilte Bewilligung auch nicht in ein subjektiv-öffentliches Recht des Mitbeteiligten eingegriffen. Das Verwaltungsgericht hätte folglich die Beschwerde des Mitbeteiligten zurückweisen müssen.

20       Da es dem Mitbeteiligten unbenommen bleibt, als Grundmiteigentümer seine Ansprüche mit den Mitteln des Privatrechtes zu verfolgen, kann auch keine verfassungsrechtliche Bedenklichkeit dahin gesehen werden, wenn das AWG 2002 zwar in § 39 Abs. 1 Z 4 AWG 2002 die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers verlangt, ihm aber im Verwaltungsverfahren nach § 50 AWG 2002 keine Möglichkeit gibt, deren Fehlen geltend zu machen. Es mag zwar rechtspolitisch, insbesondere verwaltungsökonomisch fragwürdig sein, ein vereinfachtes Verfahren einzuführen und gerade dabei aus privatrechtlichen Gründen eventuell nicht konsumierbare Bewilligungen zu erteilen, verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich in diesem Zusammenhang aber nicht (vgl. auch dazu VfGH 6.3.1997, B 3509/96).

21       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

22       Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 24. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019050315.L00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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