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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31979L0112 Etikettierungs-RL;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde des Mag. A in Dornbirn, vertreten durch Dr. Klaus Grubhofer, Rechtsanwalt in Dornbirn, Riedgasse 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 8. August 1997, Zl. 1-0950/96/E5, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung vom 30. November 1995 lastete die Bezirkshauptmannschaft D. (BH) dem Beschwerdeführer folgende Verwaltungsübertretung an:
"Sie sind als gemäß § 9 VStG namhaft gemachter verantwortlich Beauftragter der Fa. Ö. GmbH, D., S.-Straße X, (für den Bereich: Ordnungsgemäße Kennzeichnung gemäß LMKV für alle von der Firma nicht selbst hergestellten Artikel) dafür verantwortlich, daß von der erwähnten Firma am 28.4.1995 nachfolgende verpackte Lebensmittel an die S.-Zentrale, P., geliefert und damit in Verkehr gebracht wurden, ohne daß diese entsprechend der LebensmittelkennzeichnungsVO 1993 gekennzeichnet waren (Probeziehung erfolgte am 4.5.1995 um 12.05 Uhr bei der S. in P.).
1) "Henze-Baguette zum Fertigbacken", 4 Weckerl verpackt in Kunststofftasse mit aufgeschweißter farbloser Kunststoffhaube mit Etikette versehen, 300 g und
2) "Henze-Baguette zum Fertigbacken",
2 Sandwiches-Weißgebäckstücke, verpackt in Kunststofftasse mit aufgeschweißter farbloser Kunststoffhaube, mit Etikette versehen, 300 g.
Bei beiden verpackten Lebensmitteln war die Angabe der Zusatzstoffklasse gemäß Anhang II LMKVO 1993 für E 472e mangelhaft, da "Backmittel" keine Klassenbezeichnung im Sinne des Anhang II darstellt. Nach der LMKVO 1993 sind Zusatzstoffe mit ihren spezifischen Namen zu deklarieren; gehören sie zu einer der im Anhang II angeführten Klassen, sind sie mit dem Namen dieser Klasse zu bezeichnen, dem der spezifische Name oder die EWG-Nummer zu folgen hat.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1) und 2) § 74/5 Z. 2 LMG i.V.m. §§ 1, 3 und § 4 Z. 7 lit. c und Anhang II der LMKVO 1993."
Der Beschwerdeführer erhob Einspruch. Er rechtfertigte sich damit, am 3. Februar 1995 habe in der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien eine Sitzung stattgefunden, an der u.a. auch Vertreter der Lebensmittelversuchsanstalt und des Fachverbandes der Nahrungs- und Genußmittelindustrie teilgenommen hätten. Dabei sei zu § 4 Z. 7 LMKV beschlossen worden, daß in Verarbeitungsprodukten, die Backmittel als Zutaten enthielten, die Deklaration in der Zutatenliste als "Backmittel" erfolge. Seien im Backmittel Zusatzstoffe enthalten, die im Fertigerzeugnis noch eine technologische Wirkung ausübten, folge der Angabe "Backmittel" die Kennzeichnung der betreffenden Zusatzstoffe mit ihrem spezifischen Namen oder ihrer E-Nummer. Hätten die Zusatzstoffe im Verarbeitungsprodukt keine technologische Wirkung mehr, so liege carry over und damit eine Befreiung von der Kennzeichnung vor.
In den beanstandeten Lebensmitteln habe das Backmittel keine technologische Wirkung mehr, daher entfalle die Kennzeichnungspflicht.
Die BH holte eine Stellungnahme der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung (BALF) ein. Diese führte in ihrem Schreiben vom 4. März 1996 aus, der Darstellung, daß Backmittel als zusammengesetzte Zutat im Sinne von § 4 Z. 7 lit. e deklariert werden können, sei zuzustimmen. Ebenso, daß, wenn die zusammengesetzte Zutat weniger als 25 % des Enderzeugnisses ausmache, eine Aufzählung der Zutaten mit Ausnahme der Zusatzstoffe nicht erforderlich sei. Da Backmittel wegen ihrer technologischen Wirkung eingesetzt würden, seien Zusatzstoffe entsprechend der LMKV 93 bei einer zusammengesetzten Zutat im Sinne von § 4 Z. 7 lit. c zu deklarieren. Bei den vorliegenden Kennzeichnungen sei nur die zusammengesetzte Zutat Backmittel und eine E-Nummer deklariert worden. Da Backmittel die Bezeichnung der Zutat, die E-Nummer aber nur den spezifischen Zusatzstoff kennzeichne, fehle in diesem Fall die Bezeichnung der Klasse gemäß Anhang II. Es sei somit beabsichtigt gewesen, einen technologisch wirksamen Zusatzstoff des Backmittels entsprechend zu kennzeichnen (entgegen den Angaben in der Stellungnahme des Beschwerdeführers). Für E 472e fehle die Angabe der Zusatzstoffklasse "Emulgator". Die richtige Kennzeichnung habe daher lauten müssen, z.B. Backmittel: Emulgator E 472e. Wenn die Empfehlung der Sitzung vom 3. Februar 1995 wirklich dahin laute, daß eine Deklaration mit Backmittel und darauf folgender E-Nummer genüge, so sei dies im Widerspruch zu der LMKV 1993.
Die BH ließ auch Dipl.-Ing. P. von der Lebensmittelversuchsanstalt Wien, Blaasstraße 29, welcher bei der vom Beschwerdeführer angeführten Sitzung vom 3. Februar 1995 in der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien teilgenommen hatte und der vom Beschwerdeführer als Zeuge nominiert worden war, als Zeugen vernehmen.
Dipl.-Ing. P. gab in seiner Zeugeneinvernahme an, bei E 472e handle es sich um Mono- und Diacetylweinsäureester von Mono- und Diglyceriden von Speisefettsäuren. Die technologische Wirkung von E 472e bestehe in einer Stabilisierung des Klebers, d. h. diese Wirkung sei im Teig bis zur Vollendung des Backprozesses gegeben und nach der Eiweißgerinnung sei E 472e wirkungslos. Mit anderen Worten, im Endprodukt sei keine technologische Wirkung mehr gegeben. Gemäß § 4 Z. 7 lit. f LMKV 1993 gälten Zutaten nicht als Zusatzstoffe, wenn sie durch carry over in das Enderzeugnis gelangt seien und dort keine technologische Wirkung mehr ausübten. Die Angabe von E 472e nach dem Begriff Backmittel wäre somit überhaupt nicht erforderlich. Die kleberstabilisierende Wirkung falle unter keinen der im Anhang II zur LMKV 1993 festgelegten Klassennamen, weil z.B. E 472e nicht als Emulgator wirke. Nach § 4 Z. 7 lit. c LMV 1993 seien Zusatzstoffe mit ihren spezifischen Namen zu deklarieren. Daraus folge, daß anstelle von E 472e richtigerweise Mono- und Diacetylweinsäueester von Mono- und Diglyceriden von Speisefettsäuren deklariert hätte werden müssen. Zusammenfassend wäre folgende Deklaration richtig: 1) Backmittel oder 2) Backmittel (Mono- und Diacetylweinsäureester von Mono- und Diglyceriden von Speisefettsäuren). Die Angabe der E-Nummer allein sei nicht ausreichend.
Mit Straferkenntnis vom 15. November 1996 erkannte die BH den Beschwerdeführer (neuerlich) einer Übertretung des Lebensmittelgesetzes für schuldig. Der Spruch dieses Straferkenntnisses ist zunächst ident mit jenem der Strafverfügung vom 30. November 1995, weist dann aber folgenden weiteren Satz auf:
"Die Bezeichnung "E 472e" wäre daher entweder unter Zusatz der Klassenbezeichnung anzubringen gewesen oder überhaupt wegzulassen, da E 472e in den vorliegenden Produkten nicht als Emulgator wirkt."
In der Begründung heißt es, auf Grund der vorliegenden Gutachten sowie der Stellungnahme des Beschwerdeführers werde als erwiesen angenommen, daß die verpackten Lebensmittel bei der Liste der Zutaten u.a. den Aufdruck "Backmittel E 472e" enthielten. Sowohl von Seiten der Lebensmitteluntersuchungsanstalt als auch vom Beschwerdeführer selbst sei angeführt worden, daß die Bezeichnung E 472e mit dem Zusatz "Emulgator" zu versehen wäre. Da dieser Emulgator jedoch im Endprodukt keine technologische Wirkung mehr ausübe, könne gemäß § 4 Z. 7 lit. f der LebensmittelkennzeichnungsVO 1993 die Anführung dieses Zusatzstoffes entfallen. Wenn jedoch - wie auf den vorliegenden Produkten - eine Kennzeichnung mit der EWG-Nummer erfolge, so müsse diese Kennzeichnung auch den Namen einer im Anhang II der LebensmittelkennzeichnungsVO 1993 angeführten Klassen enthalten. Insofern seien die gegenständlichen Produkte falsch bezeichnet gewesen, auch wenn dem Beschwerdeführer beigepflichtet werden müsse, daß die Angabe "E 472e" auf Grund der fehlenden technologischen Wirkung im Endprodukt überhaupt nicht notwendig gewesen wäre. Dies widerspreche auch nicht den Vereinbarungen, welche anläßlich der vom Beschwerdeführer in seiner Rechtfertigung angeführten Sitzung vom 3. Februar 1995 bei der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien getroffen worden seien. Auch dort sei vereinbart worden, daß in Verarbeitungsprodukten, die Backmittel als Zutat enthielten, die Deklaration in der Zutatenliste als "Backmittel" erfolge. Falls diese Backmittel Zusatzstoffe enthielten, die im Enderzeugnis noch eine technologische Wirkung ausübten, habe die Kennzeichnung der betreffenden Zusatzstoffe mit ihrem spezifischen Namen oder ihrer E-Nummer zu erfolgen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß gemäß § 4 Z. 7 lit. c der LebensmittelkennzeichnungsVO 1993 Zusatzstoffe, die zu einer im Anhang II angeführten Klasse gehörten, mit dem Namen dieser Klasse zu bezeichnen seien, dem der spezifische Name oder die EWG-Nummer zu folgen habe. Durch die bloße Angabe der EWG-Nummer ohne Anführung der Klasse habe der Beschwerdeführer automatisch zu verantworten, daß die gegenständlichen Produkte nicht entsprechend der LebensmittelkennzeichnungsVO gekennzeichnet gewesen seien. Seine diesbezüglichen Rechtfertigungen, daß die Anführung der EWG-Nummer überhaupt nicht nötig gewesen sei, seien zwar richtig, könnten jedoch an der Falschbezeichnung nichts ändern.
Der Beschwerdeführer berief. Er machte geltend, die Verwendung der Bezeichnung "E 472e" sei ihm erstmals im Straferkenntnis vorgeworfen worden. Diesbezüglich sei daher Verjährung eingetreten. Wie die BH in der Begründung ihres Straferkenntnisses selbst festgestellt habe, entwickle der Zusatzstoff im Endprodukt keine technologische Wirkung mehr. Es entfalle daher die Kennzeichnungspflicht. Wenn der Beschwerdeführer trotzdem einen Zusatzstoff als "Backmittel" gekennzeichet habe, dann bedeute dies bloß ein "Mehr" an Kennzeichnung, wofür er aber schon deshalb nicht bestraft werden könne, weil ihm ein solcher Vorhalt bisher nie gemacht worden sei und daher auch in dieser Hinsicht Verjährung eingetreten sei. Abgesehen davon sei aus keiner Bestimmung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung abzuleiten, daß ihre "Übererfüllung" strafbar sei.
Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme der BALF zur Zeugenaussage des Dipl.-Ing. P. ein. Die BALF führte in ihrem Schreiben vom 25. April 1997 aus, den Ausführungen des Zeugen P. bezüglich der technologischen Wirkung von E 472e sei zuzustimmen. Nicht zugestimmt werden könne den Aussagen, daß im Endprodukt keine technologische Wirkung mehr gegeben sei, die Angabe des Zusatzstoffes nach dem Begriff Backmittel überhaupt nicht erforderlich wäre sowie daß die kleberstabilisierende Wirkung unter keinen der im Anhang II zur LMKV festgelegten Klassennamen falle. Den Folgerungen in den letzten drei Absätzen der Aussage könne daher nicht gefolgt werden. Backmittel würden wegen ihrer technologischen Wirkung bei der Produktion eingesetzt. Technologisch wirksame Zusatzstoffe seien daher zu deklarieren. E 472e, der Mono- und Diacytylweinsäureester von Mono- und Diglyceriden von Speisefesttsäuren, diene bei Backerzeugnissen durch seine starke Wechselwirkung zu Proteinen (insbesondere Weizenkleber) zur Stärkung der Lipoprotein-Membranen in Weizenteigen. Es würden damit die Herstellungs- und Produktionsabläufe vereinfacht (Knet-Temperatur und Zeittoleranz) sowie das Volumen und das Porenbild bei Hefeteigen verbessert (größeres Gebäckvolumen). Diese technologische Wirkung übe der Zusatzstoff im Teig des Endproduktes aus, nicht in der Zutat "Backmittel", d.h. die technologische Funktion des Zusatzstoffes habe sich nicht in der Zutat "Backmittel" erschöpft, sei dort überhaupt nicht wirksam, sondern werde erst im Endprodukt wirksam. Ein "carry over" im Sinne des § 4 Z. 7 lit. f der LMKV liege daher nicht vor. "Carry over" liege vor, wenn das Übertragen des Zusatzstoffes in einer Menge geschehe, die nicht funktionell sei, d.h. in einer Menge, die wesentlich geringer sei als die, die normalerweise erforderlich sei, um einen wirksamen technologischen Zweck für das Lebensmittel zu erzielen. Der Zusatzstoff E 472e sei daher bei der Zutat Backmittel zu deklarieren. E 472e stelle in seiner technologischen Wirkung ein Mehrbehandlungsmittel (Stoffe, die dem Mehl oder Teig zugefügt werden, um dessen Backfähigkeit zu verbessern) dar. Im weitesten Sinne wäre nach Meinung der BALF auch eine Klassenbezeichnung Emulgator nicht zu beanstanden. Mehlbehandlungsmittel stelle eine schon seit Inkrafttreten der LMKV in Anhang II angeführte Klassenbezeichnung dar. Die korrekte Deklaration sei daher Backmittel (Emulgator oder Mehlbehandlungsmittel: E 472e oder Mono- und Diacetylweinsäureester von Mono- und Diglyceriden von Speisefettsäuren).
In seiner Äußerung zu dieser Stellungnahme der BALF erklärte der Beschwerdeführer, richtig sei, daß E 472e die in dieser Stellungnahme angeführten technologischen Wirkungen entfalte. Unrichtig sei jedoch die Meinung, diese technologischen Wirkungen übe der Zusatzstoff "im Teig des Endproduktes aus". Das Endprodukt sei ja nicht Teig, sondern gebackenes Brot und in diesem übe der Zusatzstoff keine Wirkung mehr aus. Daher treffe es vollkommen zu, wenn der Zeuge Dipl-Ing. P. aussage, die technologische Wirkung von E 472e bestehe in einer Stabilisierung des Klebers, was bedeute, daß diese Wirkung im Teig bis zur Vollendung des Backprozesses gegeben sei, daß aber nach der Eiweißgerinnung E 472e wirkungslos sei. Die BALF übersehe, daß der Teig nur ein Vorprodukt, aber kein Endprodukt darstelle, sodaß es nicht angehe, von einer technologischen Wirkung "im Teig des Endproduktes" zu sprechen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 8. August 1997 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß der Tatvorwurf wie folgt zu lauten hat:
"A. (Der Beschwerdeführer) ist als gemäß § 9 VStG namhaft gemachter verantwortlicher Beauftragte der Firma Ö.-GesmbH, D., S.-Straße X (für den Bereich: ordnungsgemäße Kennzeichnung gem. LMKV 1993 für alle von der Firma nicht selbst hergestellten Artikel) dafür verantwortlich, daß am 28. April 1995 nachfolgende verpackte Lebensmittel an die S.-Zentrale, P., geliefert und damit in Verkehr gebracht wurden, ohne daß diese entsprechend der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 gekennzeichnet waren, indem jeweils bei dem mit Backmittel
E 472e bezeichneten Zusatzstoff die zugehörige Zusatzstoffklasse gemäß Anhang II LMKV 1993, nämlich "Emulgator", fehlte:
1. "Henze-Baguette zum Fertigbacken" vier Weckerl, verpackt in Kunststofftasse mit aufgeschweißter farbloser Kunststoffhaube, mit Etikette versehen, 300 g, und
2. "Henze-Baguette zum Fertigbacken" zwei Sandwiches, Weißgebäckstücke, verpackt in Kunststoffhaube, mit Etikette versehen, 300 g.
Die Probeziehung erfolgte am 4.5.1995 um 12.05 bie der S. in P.".
In der Begründung heißt es, unbestritten sei, daß die Verpackungen der Lebensmittel die Angabe "Backmittel E 472e" enthalten hätten. Die belangte Behörde stütze sich bei ihrer Entscheidung auf die Gutachten der BALF vom 1. August 1995, 4. März 1996 und 25. April 1997. Darin werde im wesentlichen ausgeführt, daß das Backmittel die Bezeichnung der Zutat, die E-Nr. 472e, den spezifischen Zusatzstoff kennzeichne. Im vorliegenden Fall würde daher die Bezeichnung der Klasse gemäß Anhang II fehlen; die richtige Bezeichnung hätte "Backmittel:
Emulgator E 472e" lauten müssen. Die belangte Behörde folge nicht der Zeugenaussage von Dipl.-Ing. P., wonach die technologische Wirkung von E 472e im Teig lediglich bis zur Vollendung des Backprozesses gegeben und E 472e nach der Eiweißgerinnung wirkungslos sei. Die belangte Behörde halte diesbezüglich die Ausführungen der Bundesanstalt für schlüssiger, wonach der Zusatzstoff die technologische Wirkung im Teig des Endproduktes ausübe und nicht in der Zutat "Backmittel". Die technologische Funktion des Zusatzstoffes habe sich nicht in der Zutat "Backmittel" erschöpft, sondern werde erst im Endprodukt wirksam. Ein "carry over" liege daher nicht vor. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang meine, das Endprodukt sei nicht Teig, sei ihm entgegenzuhalten, daß sich aus dem Gutachten der Bundesanstalt eindeutig ergebe, daß die technologische Wirkung erst im Endprodukt wirksam werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 74 Abs. 5 Z. 2 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 15 Abs. 7 oder 8 lit. a oder b, 19 oder 31 Abs. 1 erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt.
Zu den von § 74 Abs. 5 Z. 2 LMG erfaßten Verordnungen gehört auch die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, BGBl. Nr. 72 (LMKV).
Die im Beschwerdefall relevanten Teile des § 4 LMKV lauten:
"§ 4. Verpackte Waren sind wie folgt zu kennzeichnen, sofern die §§ 5 bis 7 nicht anderes bestimmen:
....
7. die Zutaten (Bestandteile und Zusatzstoffe),
....
c) die Zusatzstoffe - mit Ausnahme der Aromen - sind mit ihrem spezifischen Namen zu deklarieren; gehören sie zu einer der im Anhang II angeführten Klassen, sind sie mit dem Namen dieser Klasse zu bezeichnen, dem der spezifische Name oder die EWG-Nummer zu folgen hat; gehört ein Zusatzstoff zu mehreren Klassen, so ist die Klasse anzugeben, der der Zusatzstoff auf Grund seiner hauptsächlichen Wirkung für die betreffende Ware zuzuordnen ist;
...
f) als Zutaten gelten nicht Zusatzstoffe, die in einer Ware lediglich deshalb vorhanden sind, weil sie in einer oder mehreren Zutaten der Ware enthalten waren ("carry over") und die im Enderzeugnis keine technologische Wirkung mehr ausüben;"
Der Anhang II zur LMKV enthält die Klassen der Zutaten, für die die Bezeichnung ihrer Klasse, gefolgt von ihren spezifischen Namen oder der EWG-Nummer stets zu verwenden ist. Darunter findet sich auch die Zutat "Emulgator".
Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde begründe mit keinem Wort, warum die gegenständlichen Lebensmittel im Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers liegen sollten.
Dieses Vorbringen ist unverständlich, enthält doch schon der Spruch des angefochtenen Bescheides die Information, daß der Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter für den Bereich der ordnungsgemäßen Kennzeichnung nach der LMKV zuständig ist.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die gegenständlichen Produkte seien aus Deutschland importiert worden, sodaß die Bestimmungen des EG-Rechtes über die Kennzeichnung von Produkten, die aus einem anderen EU-Land importiert werden, zu berücksichtigen seien. Die belangte Behörde habe nicht untersucht, ob die gegenständliche Kennzeichnung dem deutschen Kennzeichnungsrecht entspreche und inwieweit das EU-Recht eine Einfuhr nach Österreich auf Grund des Grundsatzes des freien Warenverkehrs ohne Abänderung der Kennzeicnung gestatte.
Diesem Vorbringen kann schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt ist, darauf einzugehen. Die Behauptung, daß die gegenständlichen Lebensmittel aus Deutschland importiert worden seien, wird erstmals in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde aufgestellt. Es handelt sich daher um eine gemäß § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung.
Der Beschwerdeführer meint, ihn treffe selbst dann kein Verschulden, wenn - was aber ohnehin nicht der Fall sei - der Zusatzstoff im Endprodukt noch eine technologische Wirkung entfalte, da er sich auf den Beschluß der am 3. Februar 1995 in der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien tagenden Experten habe verlassen dürfen.
Besagter "Beschluß" betraf Rechtsfragen. Auf einen solchen Beschluß durfte sich der Beschwerdeführer nicht verlassen, da das Expertengremium nicht die für die Auslegung des Lebensmittelrechtes zuständige Behörde war. Sollte überdies besagter Beschluß dahingehend zu verstehen sein, daß einem Lebensmittel als Zutat beigegebene Backmittel auch dann, wenn sie dem Anhang II zur LMKV zugehören, nur mit der Angabe "Backmittel" und ihren spezifischen Namen oder ihrer E-Nummer zu kennzeichnen sind, und zwar auch dann, wenn sie im Endprodukt noch eine technologische Wirkung entfalten - so legt der Beschwerdeführer offenbar diesen "Beschluß" aus -, ist diese Auslegung mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 4 Z. 7 lit. c und f LMKV von vornherein unvereinbar, was auch den Beschwerdeführer auffallen mußte.
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, sie habe zu Unrecht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen.
Nach § 51e Abs. 2 VStG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn im bekämpften Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt.
Über den Beschwerdeführer wurden zwei Geldstrafen in Höhe von je S 300,-- verhängt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat er nicht beantragt. Es waren daher die Voraussetzungen des § 51e Abs. 2 VStG für den Entfall der mündlichen Verhandlung erfüllt.
Der Beschwerdeführer bringt vor, das Gutachten der BALF sei widersprüchlich und unverständlich und es sei nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde habe sich daher bei ihrer Annahme, E 472e entfalte im Endprodukt noch eine technologische Wirkung, nicht auf dieses Gutachten stützen dürfen.
Die belangte Behörde geht davon aus, daß E 472e im Endprodukt noch technologische Wirkungen ausübe, § 4 Z. 7 lit. f LMKV daher keine Anwendung finde und daß deshalb in der Kennzeichnung des Zusatzstoffes die Zusatzstoffklasse gemäß Anhang II zur LMKV, nämlich "Emulgator" gefehlt habe. Sie stützt sich dabei auf die Gutachten der BALF vom 1. August 1995, vom 4. März 1996 und vom 25. April 1997.
Das Gutachten vom 1. August 1995 ist das "Anzeigegutachten"; diesem läßt sich zur Begründung einer technologischen Wirkung von E 472e im Endprodukt nichts entnehmen. Das gilt auch für die Stellungnahme der BALF vom 4. März 1996.
Im Gutachten vom 25. April 1997 führt die BALF - insoweit übereinstimmend mit der Aussage des Dipl.-Ing. P. - aus, daß der Zusatzstoff E 472e die technologische Wirkung im Teig ausübt. Damit ist aber nichts darüber gesagt, daß der Zusatzstoff auch im Endprodukt eine technologische Wirkung ausübt. Die Aussage des Dipl.-Ing. P., daß E 472e im Endprodukt nicht mehr wirksam ist, ist damit nicht widerlegt. Der Teig ist nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht das Endprodukt, sondern ein Zwischenprodukt. Wenn die BALF daher davon spricht, daß der Zusatzstoff die technologische Wirkung "im Teig des Endproduktes" ausübt, dann ist das ein Widerspruch in sich.
Die LMKV stellt die innerstaatliche Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, nämlich der Etikettierungsrichtlinie (Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür) dar. § 4 Z. 7 lit. c LMKV entspricht Art. 6 Abs. 5 lit. b zweiter Unterabsatz zweiter Spiegelstrich der Etikettierungsrichtlinie, § 4 Z. 7 lit. f LMKV entspricht Art. 6 Abs. 4 lit. c ii der Etikettierungsrichtlinie.
Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache Pfanni/Landeshauptstadt München (C-144/93, Slg. 1994 I/9, 4624 f), ausgesprochen, daß Art. 6 Abs. 4 Buchstabe c Z. ii erster Gedankenstrich der Etikettierungsrichtlinie dahin auszulegen ist, daß ein Zusatzstoff, der während der Herstellung einer Zutat deren Verfärbung verhindert, im Enderzeugnis keine technologische Wirkung mehr ausübt, wenn er in diesem nicht mehr zur Verhinderung der Verfärbung vorhanden sein muß. Daraus läßt sich ableiten, daß zur Bestimmung, ob ein Zusatzstoff eine technologische Wirkung im Enderzeugnis ausübt, zu prüfen ist, ob sich das Enderzeugnis verändern würde, wenn man den Zusatzstoff nachträglich daraus entfernen würde (vgl. die Ausführungen des Generalanwaltes in der zitierten Entscheidung des EuGH, Z. 13 i.V.m. Z. 11).
Das Gutachten der BALF bietet keine Grundlage für die Annahme, E 472e entfalte im Endprodukt noch eine technologische Wirkung im Sinne des zitierten EuGH-Urteils.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die belangte Behörde habe gegenüber dem erstinstanzlichen Straferkenntnis die ihm zur Last gelegte Tat ausgetauscht.
Nach der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Zur Auswechslung der als erwiesen angenommenen Tat ist die Berufungsbehörde nicht berechtigt (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1060, angeführte Rechtsprechung.
Im erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer das Inverkehrbringen eines nicht entsprechend der LMKV gekennzeichneten Lebensmittels zum Vorwurf gemacht, wobei die Mangelhaftigkeit der Kennzeichnung einerseits in einem Zuviel, andererseits in einem Zuwenig an Kennzeichnungselementen gesehen wurde. Nach der Tatumschreibung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hätte der Beschwerdeführer die Bezeichnung "E 472e" entweder unter Zusatz der Klassenbezeichnung anzubringen gehabt oder er hätte diese Bezeichnung gänzlich weglassen müssen, weil - nach Annahme der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz - E 472e in den vorliegenden Produkten nicht als Emulgator wirkt.
Im angefochtenen Bescheid wird dem Beschwerdeführer zwar auch das Inverkehrbringen von nicht der LMKV entsprechend gekennzeichneten Lebensmittel angelastet. Der Verstoß gegen die LMKV wird hier aber darin gesehen, daß trotz des Umstandes, daß E 472e im Endprodukt eine technologische Wirkung - als Emulgator - entfaltet, die Kennzeichnung nur das Element E 472e, nicht aber die Klassenbezeichnung "Emulgator" aufwies. Ein gänzliches Weglassen der Zusatzstoffkennzeichnung hingegen, welches nach dem erstinstanzlichen Straferkenntnis eine der beiden Alternativen rechtmäßigen Verhaltens gewesen wäre, war nach dem angefochtenen Bescheid ein strafbares Verhalten. Während also die Strafbehörde erster Instanz davon ausgeht, daß E 472e im Endprodukt keine technologischen Wirkungen mehr entfaltet und daher die Bezeichnung "E 472e" entweder in der Kennzeichnung überhaupt nicht aufscheinen hätte dürfen oder nur unter Angabe des Klassennamens, geht die belangte Behörde vom Gegenteil aus, nämlich davon, daß E 472e im Endprodukt noch eine technologische Wirkung entfalte und daß daher nur eine Kennzeichnung des Lebensmittels mit Angabe von E 472e unter Beifügung des Klassennamens "Emulgator" der LMKV entsprochen hätte, während ein Weglassen der Kennzeichnung ein strafbares Verhalten gewesen wäre. Die Verwaltungsstrafbehörden beider Instanzen haben daher dem Beschwerdeführer unterschiedliche Straftaten vorgeworfen. Es liegt ein unzulässiges Auswechseln des Tatvorwurfes vor.
Zu einem Auswechseln der Tat war die belangte Behörde nicht berechtigt.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Gerichtsentscheidung
EuGH 693J0144 Pfanni VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997100196.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
15.11.2011