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E000 EU- Recht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des P in P, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 10. März 2020, LVwG-050165/6/Bi, betreffend Anordnung der Beendigung der Haltung von Legehennen in ausgestalteten Käfigen nach dem TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit Bescheid der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vom 10. Jänner 2020 wurde dem Revisionswerber gemäß § 35 Abs. 6 TSchG vorgeschrieben, die Haltung seiner Legehennen in den ausgestalteten Käfigen binnen drei Wochen ab Datum der Zustellung des Bescheides zu beenden.
5 Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Verwaltungsgericht abgewiesen mit der wesentlichen Begründung, die Haltung von Legehennen in ausgestalteten Käfigen sei gemäß § 18 Abs. 2 Z 3 TSchG seit 1. Jänner 2020 in Österreich verboten.
6 Als zulässig erachtet der Revisionswerber die vorliegende Revision, weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes von der hg. Rechtsprechung abweiche bzw. solche fehle. Obwohl unionsrechtlich noch zulässig (Verweis auf Artikel 6 der Richtlinie 1999/74/EG des Rates vom 19. Juli 1999), habe der nationale Gesetzgeber die Käfighaltung von Legehennen ab 1. Jänner 2020 verboten und damit seinen Ermessensspielraum überschritten. Dieses Verbot widerspreche Unionsrecht, weil das nationale Recht strengere Vorschriften zur Haltung von Legehennen anwende, als das Unionsrecht vorschreibe. Nach Unionsrecht sei die Haltung von Legehennen in ausgestalteten Käfigen erlaubt.
7 Gemäß § 18 Abs. 3 Z 2 TSchG ist für Käfige gemäß Artikel 6 der Richtlinie 1999/74/EG der Bau oder die erste Inbetriebnahme ab 1. Jänner 2005 verboten (lit. a) und der Betrieb von vor dem 1. Jänner 2005 gebauten Käfigen bis zum Ablauf von 15 Jahren ab der ersten Inbetriebnahme zulässig (lit. b).
8 Punkt 7.3.1.1. der Anlage 6 der 1. Tierhaltungsverordnung lautet:
„Anlagen und Haltungseinrichtungen für die Haltung von Legehennen gemäß Artikel 6 der Richtlinie 1999/74/EG zur Festlegung von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen, die vor dem In-Kraft-Treten des Tierschutzgesetzes gebaut und in Betrieb genommen wurden, dürfen bis zum Ablauf von 15 Jahren ab der ersten Inbetriebnahme weiter betrieben werden, wenn die Bestimmungen des Punktes 6.3.2.2 eingehalten werden. Vor dem In-Kraft-Treten des Tierschutzgesetzes gebaute und in Betrieb genommene Anlagen und Haltungseinrichtungen zur Käfighaltung von Legehennen, die bei der dem In-Kraft-Treten des Tierschutzgesetzes folgenden nächstmöglichen Einstallung den Bestimmungen gemäß Artikel 6 der Richtlinie 1999/74/EG zur Festlegung von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen entsprechen, gelten als bestehende ausgestaltete Käfiganlagen.“
9 In Artikel 6 der Richtlinie 1999/74/EG des Rates vom 19. Juli 1999 zur Festlegung von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen heißt es unter anderem:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ab 1. Januar 2002 alle Käfige im Sinne dieses Kapitels die nachstehenden Mindestanforderungen erfüllen:
1. Den Legehennen muss folgendes zur Verfügung stehen:
a) mindestens 750 cm2 Käfigfläche je Tier...
b) ein Nest;
c) eine Einstreu, die das Picken und Scharren ermöglicht;
d) geeignete Sitzstangen....
2. Es muss ein uneingeschränkt nutzbarer Futtertrog zur Verfügung stehen...
3. Jeder Käfig muss mit einer insbesondere der Größe der Gruppe angemessenen Tränkvorrichtung ausgestattet sein...“
10 Nach Artikel 13 Abs. 2 Satz 1 der genannten Richtlinie können die Mitgliedstaaten jedoch nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen des Vertrags in ihrem Hoheitsgebiet strengere Vorschriften zum Schutz von Legehennen beibehalten oder anwenden, als sie in dieser Richtlinie festgelegt sind.
11 Die Behörde hat gemäß § 35 Abs. 6 TSchG dem Tierhalter Änderungen der Haltungsform oder der Anlagen, in denen die Tiere gehalten werden, oder sonstige Maßnahmen vorzuschreiben, mit denen innerhalb einer angemessenen Frist eine den Zielen und sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechende Haltung erreicht werden kann, wenn sie bei einer Überwachungshandlung feststellt, dass Tiere nicht den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder den darauf gegründeten Verordnungen oder Bescheiden entsprechend gehalten werden.
12 Der Revisionswerber sieht eine Unionsrechtwidrigkeit von § 18 Abs. 3 Z 2 TSchG und Punkt 7.3.1.1. der Anlage 6 der 1. Tierhaltungsverordnung darin, dass diese nationalen Regelungen des Verbots von Käfighaltung strenger seien als die gemäß Artikel 6 der mehrfach angesprochenen Richtlinie erlaubte Haltung in ausgestalteten Käfigen.
13 Selbst wenn man in der nationalen Vorschrift eine weiter reichende Maßnahme zum Schutz von Legehennen sieht, liegt aus folgenden Gründen noch kein Widerspruch zu den Bestimmungen der Richtlinie 1999/74/EG vor, die zu einer Nichtanwendung von § 18 Abs. 3 Z 2 TSchG oder Punkt 7.3.1.1. der Anlage 6 der 1. Tierhaltungsverordnung führte:
14 Schon die Bezeichnung der Richtlinie bringt deren Zweck zum Ausdruck, nämlich die „Festlegung von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen“. Auch der hier in Rede stehende Artikel 6 leg. cit. schreibt den Mitgliedstaaten vor sicherzustellen, dass alle Käfige „die nachstehenden Mindestanforderungen erfüllen“. Ausdrücklich erlaubt Artikel 13 Abs. 2 Satz 1 leg. cit. den Mitgliedstaaten, strengere Vorschriften zum Schutz von Legehennen beizubehalten oder anzuwenden, als sie in dieser Richtlinie festgelegt sind.
15 Durch die den Mitgliedstaaten von der Richtlinie selbst eingeräumte Möglichkeit, strengere Vorschriften ohne weitere Einschränkungen beizubehalten oder anzuwenden, kann die vom Revisionswerber behauptete Unionsrechtswidrigkeit von § 18 Abs. 3 Z 2 TSchG bzw. Punkt 7.3.1.1. der Anlage 6 der 1. Tierhaltungsverordnung nicht darin begründet sein, dass diese Vorschriften (mit einer 15-jährigen Übergangszeit) nunmehr einen weiter gehenden Schutz von Legehennen vorsehen als dies die Richtlinie in Artikel 6 als Mindestanforderung verlangt. Dass eine Unionsrechtswidrigkeit aus anderen Gründen vorläge, hat der Revisionswerber nicht vorgebracht.
16 Soweit der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung behauptet, es würden täglich fast eine Million Eier aus Käfighaltung nach Österreich importiert werden, kann weder darauf noch auf die darauf basierenden Rechtsausführungen (Recht auf ein faires Verfahren, Gleichheitssatz, Diskriminierung) eingegangen werden, weil das Verwaltungsgericht keine entsprechenden Feststellungen getroffen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat das angefochtene Erkenntnis nur auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts im Rahmen der geltend gemachten Revisionspunkte zu überprüfen (§ 41 VwGG).
17 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 25. Juni 2020
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020116.L00Im RIS seit
03.08.2020Zuletzt aktualisiert am
03.08.2020