TE Vwgh Beschluss 2020/6/30 Ra 2020/09/0026

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Veröffentlicht am 30.06.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Sabine Mantler, Rechtsanwältin in 1140 Wien, Fenzlgasse 49/12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. August 2019, W116 2017556-1/18E, betreffend eine Disziplinarsache nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 12. August 2019 sprach das Bundesverwaltungsgericht - in Bestätigung zweier Spruchpunkte des die Entlassung aussprechenden Disziplinarerkenntnisses der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 2. Dezember 2014 - den Revisionswerber, einen 1956 geborenen Exekutivbeamten, zweier Dienstpflichtverletzungen nach § 43 Abs. 2 in Verbindung mit § 91 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) schuldig, weil er von 2004 bis 2008 nach Genehmigung des Schuldenregulierungsverfahrens und Annahme eines Zahlungsplans sowie Bestellung eines Masseverwalters, als Schuldner die Befriedigung seiner Gläubiger dadurch geschmälert hatte, dass er unter verschiedenen Firmen Finanzierungsgeschäfte, Versicherungen und Veranlagungen getätigt, dafür Provisionen von zumindest 66.055,22 € auf die Firmenkonten erhalten, diesen Betrag jedoch dem Masseverwalter verschwiegen und nicht abgeführt hatte, und so dieses Geld vorsätzlich an der Masse vorbeigebracht hatte, und verhängte über ihn hiefür die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von drei Monatsbezügen gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979. Von einem weiteren Vorwurf sprach es den Revisionswerber frei. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die er mit dem Eventualantrag auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof verband und bereits in diesem Schriftsatz die außerordentliche Revision ausführte.

3        Mit Beschluss vom 11. Dezember 2019, E 3455/2019-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und sprach gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG aus, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten werde.

4        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        Der Revisionswerber sieht die seine Revision zulässig machende grundsätzliche Rechtsfrage im Fehlen von Rechtsprechung „des Verwaltungsgerichtshofes [oder eines anderen Höchstgerichtes]“ dazu gelegen, ob ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts, gegen den wegen des Vorwurfs strafbarer Handlungen in Ausübung seiner richterlichen Tätigkeit im zugrundeliegenden Verfahren Straf- und Disziplinarverfahren anhängig seien, sich in diesem Verfahren gemäß § 6 VwGVG und § 7 AVG als befangen zu erklären habe.

7        Zudem gebe es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Überschreitung der gesetzlichen Verfahrensdauer des § 135c BDG 1979 um 4,5 Jahre und der damit zusammenhängenden überlangen Verfahrensdauer in einem Verfahren über die Entlassung eines Beamten.

8        Mit diesem allgemein gehaltenen Zulässigkeitsvorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

9        So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass weder die Erstattung einer Strafanzeige etwa nach § 302 Abs. 1 StGB - ohne Hinzutreten weiterer begründeter Umstände - noch das Verlangen nach disziplinärer Verfolgung wegen Säumigkeit in einem Verfahren für sich einen Anlass bieten, die Befangenheit des einschreitenden Organwalters nach § 7 Abs. 1 Z 3 AVG anzunehmen, hätte es doch sonst jede Partei in der Hand, sich durch ein Einbringen derartiger Rechtsbehelfe dem gesetzlichen Richter zu entziehen (siehe etwa VwGH 24.1.2014, 2013/09/0171, unter Hinweis auf VwGH 10.8.2006, 2006/02/0122; vgl. auch VwGH 20.10.2015, Ra 2015/05/0053; 12.10.2017, Ra 2017/08/0067 bis 0069). Auf die bereits vom Verwaltungsgericht korrekt zitierten, ebenfalls in diese Richtung weisenden Entscheidungen anderer Höchstgerichte kann in diesem Zusammenhang verwiesen werden (siehe etwa VfGH 20.6.2001, B 670/00, VfSlg. 16.209; OGH 1.9.1987, 5 Ob 347/87, ua; 23.2.1993, 1 Ob 623/92), wiewohl auch das Fehlen von Rechtsprechung anderer Höchstgerichte eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht begründen würde (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2016/09/0120).

10       Das Vorbringen zur Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht - diese wurde von jenem ohnedies als Milderungsgrund gewertet (vgl. etwa VwGH 16.9.2009, 2008/09/0360) -, zeigt schon mangels konkreter Verknüpfung mit dem zu beurteilenden Fall keine grundsätzliche Rechtsfrage auf (siehe zudem zur Überschreitung von gesetzlichen Entscheidungsfristen etwa VwGH 19.12.2018, Ra 2018/08/0086; 22.4.1997, 97/11/0050; 16.12.1997, 96/09/0266).

11       Die Revision war daher schon wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zur Behandlung geeignet nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Ob der Revisionswerber mit dem von ihm ausgeführten Revisionspunkt eine Verletzung in einem subjektiv-öffentlichen Recht im Sinn des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geltend macht, kann hier daher ebenso dahingestellt bleiben, wie die im vorliegenden Fall an Hand von § 25a Abs. 5 und § 26 Abs. 4 VwGG zu prüfende Rechtzeitigkeit der Revision.

Wien, am 30. Juni 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020090026.L00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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