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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BDG 1979 §43aBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Mag. Vinzenz Fröhlich, Dr. Maria Christina Kolar-Syrmas, Dr. Armin Karisch, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 15/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. April 2020, W146 2202801-1/25E, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der im Jahr 1960 geborene Revisionswerber stand als Polizist im Dienstgrad eines Kontrollinspektors in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
2 Das über ihn die Disziplinarstrafe der Entlassung gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) verhängende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2019 wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 2019, Ra 2019/09/0062, auf das für Näheres verwiesen wird, aufgehoben.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Erkenntnis vom 17. April 2020 sprach das Bundesverwaltungsgericht abermals die Entlassung aus. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.
4 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner Revision unter diesem Gesichtspunkt zunächst darin gelegen, dass das Bundesverwaltungsgericht den von ihm gestellten Beweisanträgen auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und Einvernahme der Polizeischülerin nicht nachgekommen ist. Das dazu erstattete Vorbringen zeigt jedoch nicht auf, inwiefern eine Beweisaufnahme für eine Entscheidung über die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nur mehr gegenständliche Höhe der Disziplinarstrafe relevant gewesen wäre (siehe VwGH 20.5.2020, Ra 2020/09/0020; 21.1.2020, Ra 2019/09/0158, zur erforderlichen Relevanzdarstellung bei Geltendmachung von Verfahrensmängeln).
7 Das Bundesverwaltungsgericht hat - entgegen dem dies bestreitenden Revisionsvorbringen - nunmehr auch die erforderliche Prognoseentscheidung (siehe VwGH 25.9.2019, Ra 2019/09/0062, Rn. 36) getroffen. Es berücksichtigte dabei, dass der Revisionswerber - erstmals unter medizinischer Aufsicht - einen Alkoholentzug absolvierte und seit den Vorfällen abstinent ist. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang jedoch auch das näher dargestellte, früheren Disziplinarverurteilungen des Revisionswerbers zugrundeliegende - und als auf der gleichen schädlichen Neigung beruhend beurteilte - Verhalten (Alkohol im Dienst, Weisungsmissachtung, Abwesenheit vom Dienst, Dienstpflichtverletzung in Vorgesetztenfunktion) sowie den in der durchgeführten mündlichen Verhandlung unmittelbar gewonnenen Eindruck vom Revisionswerber, der als eher von Gleichgültigkeit denn von Reue getragen beschriebenen wurde, verwertet.
8 Soweit sich das Zulässigkeitsvorbringen im Übrigen vorwiegend gegen die Strafbemessung wendet, ist vorweg festzuhalten, dass die Strafbemessung als Ermessensentscheidung nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen von dessen Befugnissen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unterliegt, als dieser gegebenenfalls zu prüfen hat, ob von dem im Gesetz eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde. Soweit weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegt, geht die Ausübung des Ermessens über die Bedeutung des Einzelfalls nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar (vgl. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0208; 24.5.2017, Ra 2017/09/0017).
9 Wenn der Revisionswerber im Zusammenhang mit der ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung nach § 43a BDG 1979 die Annahme seiner Vorgesetztenfunktion als erschwerend als Doppelverwertung beanstandet, übersieht er, dass § 43a BDG 1979 keineswegs nur Vorgesetzten Dienstpflichten auferlegt, Vorgesetzte jedoch eine besondere Vorbildfunktion und Verantwortung haben (VwGH 4.9.2003, 2000/09/0166).
10 Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner sowohl den Umstand, dass der Revisionswerber in den Jahren 2001 und 2013 belobigt wurde festgestellt, wie auch - der insoweit bindenden (§ 63 Abs. 1 VwGG) Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes im ersten Rechtsgang (VwGH 25.9.2019, Ra 2019/09/0062, Rn. 41) entsprechend - das den disziplinären Vorstrafen zugrundeliegende Verhalten bei seiner Prognoseentscheidung berücksichtigt.
11 Das Verwaltungsgericht hat zudem basierend auf dem vom Revisionswerber in der von ihm durchgeführten mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nachvollziehbar dargelegt und ausreichend begründet, weshalb es - im Gegensatz zur Disziplinarkommission - nicht von einem reumütigen Geständnis des Revisionswerbers ausging. Ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird mit dem im Zusammenhang mit der Verneinung des Milderungsgrunds einer unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer erstatteten Vorbringen nicht aufgezeigt (siehe etwa VwGH 21.4.2020, Ra 2020/17/0018, u.a., mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes; VwGH 3.2.2020, Ra 2019/02/0212; 5.9.2013, 2011/09/0147; siehe auch VwGH 23.2.2017, Ro 2015/09/0013, zu der in der Revision angesprochenen mit dem Disziplinarverfahren verbundenen „Unbill“). Schließlich stellt das Absolvieren einer Therapie - trotz bloß demonstrativer Aufzählung des § 34 StGB - keinen eigenen Milderungsgrund dar. Dies ist allenfalls im Rahmen des Wohlverhaltens zu berücksichtigen, dem im Hinblick auf die Suspendierung und das laufende Disziplinarverfahren im vorliegenden Fall jedoch keine relevante Bedeutung zuzumessen ist (VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0208). Im Rahmen der Zukunftsprognose nahm das Bundesverwaltungsgericht auf den aufgezeigten Umstand aber ohnedies Rücksicht.
12 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht auf Basis des von ihm in der mündlichen Verhandlung vom Revisionswerber gewonnenen persönlichen Eindrucks, in umfassend und nachvollziehbar begründeter Abwägung dargelegt hat, weshalb bereits generalpräventive Erwägungen die verhängte Entlassung erfordern und spezialpräventive Gründe diesem Ergebnis nicht entgegenstehen. Eine krasse Fehlbeurteilung im Sinn eines Ermessensmissbrauchs oder eine Ausübung des Ermessens auf gesetzwidrige Weise zeigt der Revisionswerber nicht auf.
13 Die Revision war daher mangels Rechtsfragen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren unter Absehen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung (§ 39 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall VwGG) zurückzuweisen.
Wien, am 15. Juli 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020090028.L00Im RIS seit
29.09.2020Zuletzt aktualisiert am
29.09.2020