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L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 30. April 2019, Zl. VGW-242/035/3727/2019/VOR-2, betreffend Mindestsicherung (mitbeteiligte Partei: P Ö in W, vertreten durch Dr. Christian Burghardt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Am Hof 13/18), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - in der Sache - der Mitbeteiligten aufgrund ihres Antrags vom 9. November 2018 für den Zeitraum 1. Jänner bis 28. Februar 2019 eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhaltes samt Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs in Höhe von € 885,47 sowie eine monatliche Mietbeihilfe von € 86,51 zuerkannt. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die 21-jährige Mitbeteiligte sei alleine in ihrer Wohnung in Wien wohnhaft.
3 Der Mitbeteiligten sei bereits von März bis Juni 2018 aufgrund der „4-Monatsregel“ des § 8 Abs. 2 Z 5 lit. b erster Satz Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) der höhere Mindeststandard ausbezahlt worden. Die „Orientierungsphase“ aufgrund der Nichtunterbreitung eines Angebots (durch das AMS) im Sinne des § 8 Abs. 2 Z 5 lit. b zweiter Satz WMG sei bereits einmal, nämlich im Juli 2018, verlängert worden. In den Monaten August und September 2018 habe die Mitbeteiligte einen AMS-Kurs besucht.
4 Mit Bescheid der Behörde vom 4. Dezember 2018 sei ihr u.a. für den [im Beschwerde- bzw. Revisionsfall maßgeblichen] Zeitraum 1. Jänner bis 28. Februar 2019 eine Leistung in der Höhe des Mindeststandards gemäß § 8 Abs. 2 Z 7 WMG (75 % des Ausgangsbetrags) und eine Mietbeihilfe zuerkannt worden.
5 Die Mitbeteiligte sei in diesem Zeitraum beim AMS arbeitssuchend gemeldet gewesen und habe im Jänner 2019 keine Schulung besucht, weil ihr das AMS in diesem Monat keine „sinnvollen“ Kurse habe anbieten können. Vom 4. bis 7. Februar 2019 habe sich die Mitbeteiligte wieder in einer Schulung des AMS befunden.
6 Die Mitbeteiligte habe daher im Jänner 2019 mangels Erwerbstätigkeit, Ausbildung oder einer in § 8 Abs. 2 Z 5 lit. a WMG angeführten Maßnahme nicht die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen [für die Anwendung des höheren Mindeststandards] erfüllt. Da die Mitbeteiligte aber beim AMS arbeitssuchend gemeldet gewesen sei und ihr im Jänner 2019 kein Angebot nach der erwähnten Bestimmung unterbreitet worden sei, habe die Mitbeteiligte in dieser Zeit gemäß § 8 Abs. 2 Z 5 lit. b zweiter Satz WMG die Voraussetzungen für eine Erhöhung des viermonatigen Gesamtausmaßes erfüllt, weshalb der Mindeststandard im gegenständlichen Fall 100 % des Wertes nach § 8 Abs. 2 Z 1 WMG betrage.
7 Zwar werde in den Gesetzeserläuterungen ausgeführt, dass die viermonatige Frist als Übergang nur bei „erstmaliger“ Inanspruchnahme vorgesehen sei bzw. dass der höhere Mindeststandard nur „einmalig“ für vier Monate zur Anwendung zu kommen habe; dass sich diese viermonatige Frist um Zeiten, in denen Anspruchsberechtigten kein Angebot nach § 8 Abs. 2 Z 5 lit. a WMG unterbreitet worden sei, ebenfalls nur „einmalig“ verlängere, lasse sich aber weder dem Wortlaut der Bestimmung noch den Erläuterungen entnehmen. Der auf die Mitbeteiligte anzuwendende Mindeststandard betrage daher im gegenständlichen Zuerkennungszeitraum gemäß § 8 Abs. 2 Z 5 lit. b WMG € 885,47, und sie habe Anspruch auf eine Mietbeihilfe von € 86,51 monatlich.
8 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Z 5 WMG fehle und der Rechtsfrage, ob gemäß lit. b zweiter Satz leg. cit nur eine einmalige Verlängerung der viermonatigen Frist aufgrund Nichtunterbreitung eines Angebotes nach lit. a dieser Bestimmung zulässig sei, über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung zukomme.
9 In der dagegen erhobenen Revision schloss sich der Amtsrevisionswerber (in der Folge: Behörde) den Zulässigkeitserwägungen des Verwaltungsgerichts an.
10 In dem vom Verwaltungsgericht durchgeführten Vorverfahren erstattete die Mitbeteiligte keine Revisionsbeantwortung.
11 Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:
12 Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
13 § 8 Wiener Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 38/2010 idF LGBl. Nr. 2/2018 (WMG), lautet auszugsweise:
„Mindeststandards
§ 8. (1) Die Bemessung der Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs erfolgt auf Grund der Mindeststandards gemäß Abs. 2, die bei volljährigen Personen auch einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 vH des jeweiligen Mindeststandards enthalten.
(2) Die Mindeststandards für den Bemessungszeitraum von einem Monat betragen:
1. 100 vH des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG abzüglich des Betrages für die Krankenversicherung
...
3. 75 vH des Wertes nach Z 1 für volljährige Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr, sofern sie allein, in Ehe, eingetragener Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft (Bedarfsgemeinschaft § 7 Abs. 2 Z 2) und im gemeinsamen Haushalt mit zumindest einem Eltern- oder Großelternteil oder einer zur Obsorge berechtigten Person leben,
a) unter der Voraussetzung, dass sich diese Personen in diesem Monat in einer Schul- oder Erwerbsausbildung, in einem Beschäftigungsverhältnis, in einer Schulungsmaßnahme im Auftrag des AMS mit dem Status „SC“ (Schulung) befinden oder befunden haben oder in diesem Monat an Integrationsmaßnahmen nach § 6 Abs. 1 IntG teilnehmen oder teilgenommen haben, denen sie nach Maßgabe bundesgesetzlicher Vorgaben zugewiesen wurden und
b) bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen nach lit. a. bis zu einem Gesamtausmaß von vier Monaten. Das Gesamtausmaß von vier Monaten erhöht sich um Zeiten, in denen Anspruchsberechtigten kein Angebot nach lit. a unterbreitet wurde.
4. ...
5. 100 vH des Wertes nach Z 1 für alleinstehende volljährige Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr, sofern sie nicht im gemeinsamen Haushalt mit zumindest einem Eltern- oder Großelternteil leben
a) unter der Voraussetzung, dass sich diese Personen in diesem Monat in einer Schul- oder Erwerbsausbildung, in einem Beschäftigungsverhältnis, in einer Schulungsmaßnahme im Auftrag des AMS mit dem Status „SC“ (Schulung) befinden oder befunden haben oder in diesem Monat an Integrationsmaßnahmen nach § 6 Abs. 1 IntG teilnehmen oder teilgenommen haben, denen sie nach Maßgabe bundesgesetzlicher Vorgaben zugewiesen wurden und
b) bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen nach lit. a. bis zu einem Gesamtausmaß von vier Monaten. Das Gesamtausmaß von vier Monaten erhöht sich um Zeiten, in denen Anspruchsberechtigten kein Angebot nach lit. a unterbreitet wurde.
6. 75 vH des Wertes nach Z 1 für volljährige Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr, sofern sie nicht im gemeinsamen Haushalt mit zumindest einem Eltern- oder Großelternteil oder einer zur Obsorge berechtigten Person leben, sondern in einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft (Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 2) leben
a) unter der Voraussetzung, dass sich diese Personen in diesem Monat in einer Schul- oder Erwerbsausbildung, in einem Beschäftigungsverhältnis, in einer Schulungsmaßnahme im Auftrag des AMS mit dem Status „SC“ (Schulung) befinden oder befunden haben oder in diesem Monat an Integrationsmaßnahmen nach § 6 Abs. 1 IntG teilnehmen oder teilgenommen haben, denen sie nach Maßgabe bundesgesetzlicher Vorgaben zugewiesen wurden und
b) bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen nach lit. a. bis zu einem Gesamtausmaß von vier Monaten. Das Gesamtausmaß von vier Monaten erhöht sich um Zeiten, in denen Anspruchsberechtigten kein Angebot nach lit. a unterbreitet wurde.
7. 75 vH des Wertes nach Z 1 für alleinstehende volljährige Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr, sofern sie nicht im gemeinsamen Haushalt mit zumindest einem Eltern- oder Großelternteil oder einer zur Obsorge berechtigten Person leben, wenn sich diese Personen in diesem Monat zu keiner Zeit in einer Schul- oder Erwerbsausbildung, in einem Beschäftigungsverhältnis, in einer Schulungsmaßnahme im Auftrag des AMS mit dem Status „SC“ (Schulung) befinden oder befunden haben oder in diesem Monat zu keiner Zeit an Integrationsmaßnahmen nach § 6 Abs. 1 IntG, teilnehmen oder teilgenommen haben, denen sie nach Maßgabe bundesgesetzlicher Vorgaben zugewiesen wurden und keine der Ausnahmen gemäß § 14 Abs. 4 für die Dauer des gesamten Bemessungszeitraums für sie zur Anwendung kommt.
...“
14 Die Erläuterungen (Beilage 23/2017, LG-02972-2017-0001, S. 7 f) zu dem mit der Novelle LGBl. Nr. 2/2018 neu gefassten § 8 Abs. 2 WMG lauten auszugsweise (Unterstreichungen hinzugefügt):
„... Die Differenzierung der Mindeststandards in § 8 Abs. 2 ist in Hinblick auf das Ziel der Eingliederung in das Erwerbsleben und der tatsächlichen Lebenshaltungskosten gerechtfertigt. Die im Fall einer Schulungsmaßnahme des AMS ... oder einem Beschäftigungsverhältnis zur Anwendung gelangenden Mindeststandards stellen ein neues Anreiz- und Belohnungssystem dar. ... Als Übergang wird bei erstmaliger Inanspruchnahme eine viermonatige Frist vorgesehen, um der betroffenen Person zu ermöglichen, die Voraussetzungen für die höheren Mindeststandards herzustellen (Orientierungsphase). Die vier Monate müssen nicht in einem ausgeschöpft werden. ... Maßgeblich für den anzuwendenden Mindeststandard sind folgende Merkmale:
- Beschäftigung, Ausbildung oder Teilnahme an Maßnahmen
- Bedarfsgemeinschaft und Haushaltszugehörigkeit
- Erstmalige Inanspruchnahme (4-Monatsregelung)
Der anzuwendende Mindeststandard ist von der Konstellation der Merkmale abhängig. So etwa kommt bei der Bemessung für eine 24-jährige Person, die erwerbstätig ist, in einer Lebensgemeinschaft und nicht mehr im Haushalt der Eltern lebt, ein Mindeststandard in der Höhe von 75% des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG zur Anwendung ... Liegt keine Erwerbstätigkeit, Ausbildung oder entsprechende Maßnahme vor, kommt zunächst dennoch einmalig für vier Monate der Mindeststandard in der Höhe 75% zur Anwendung ...Nach Ablauf der vier Monate kommt ohne Erwerbstätigkeit, Ausbildung oder entsprechende Maßnahme der Mindeststandard in der Höhe von 50% zur Anwendung ...“
15 Die Behörde führt in der Revisionsbegründung zusammengefasst aus, dass sich aus dem Wortlaut, dem Gesamtzusammenhang und dem Sinn der „Viermonatsregelung“ des § 8 Abs. 2 Z 5 lit. b WMG sowie unter Berücksichtigung der Erläuterungen ergebe, dass die Möglichkeit der Verlängerung der Viermonatsfrist - und sohin des Anspruchs auf den höheren Mindeststandard - nur einmalig erfolgen könne.
16 Zur Auslegung des § 8 Abs. 2 Z 5 lit. b zweiter Satz WMG (Erhöhung des viermonatigen Bezugszeitraumes) ist Folgendes auszuführen:
17 Mit der Novelle LGBl. Nr. 2/2018 erfolgte eine Neuregelung der anzuwendenden Mindeststandards in § 8 Abs. 2 WMG. Nach dem Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang der im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmung der Z 5 - vergleichbare Regelungen enthalten die Z 3 und 6 - des Abs. 2 sowie ausweislich der zitierten Erläuterungen liegt der Regelung die Intention des Gesetzgebers zu Grunde, den ua. in einem Beschäftigungsverhältnis oder einer Schulungsmaßnahme im Auftrag des AMS befindlichen Personen - im Sinne der Verwirklichung eines „Anreiz- und Belohnungssystems“ - den jeweils in Betracht kommenden höheren Mindeststandard zuzuerkennen.
18 Um den betroffenen Personen zu ermöglichen, diese Voraussetzungen zu erreichen, wird ein Übergangszeitraum („Orientierungsphase“) von maximal (argum: „Gesamtausmaß“) vier Monaten festgelegt, in dem der jeweils höhere Mindeststandard zur Anwendung kommt (jeweils lit. b erster Satz der Z 3, 5 und 6). Nach den Erläuterungen steht der höhere Mindeststandard in diesem Fall jedoch lediglich bei „erstmaliger“ Inanspruchnahme des Übergangszeitraumes bzw. nur „einmalig“ zu.
19 Von diesem Gesetzesverständnis geht im Revisionsfall - in Übereinstimmung mit der Behörde - auch das Verwaltungsgericht aus.
20 Das Gesetz sieht nun weiters vor, dass sich dieses „Gesamtausmaß“ von vier Monaten um Zeiten erhöht, in denen Anspruchsberechtigten kein Angebot im Sinne der lit. a der genannten Regelungen unterbreitet wird (jeweils lit. b zweiter Satz der Z 3, 5 und 6 des § 8 Abs. 2 WMG).
21 Im Gegensatz zur Behörde steht das Verwaltungsgericht diesbezüglich auf dem Standpunkt, dass damit ein Anspruch aufVerlängerung des „Gesamtausmaßes“ nicht bloß im Anschluss an die (erst- bzw. einmalige) Ausschöpfung der viermonatigen Übergangsfrist eingeräumt, sondern darüber hinaus auch eine mehrmalige Inanspruchnahme der höheren Mindeststandards ermöglicht wird.
22 Diese Auffassung vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen.
23 Grundsätzlich beträgt die Dauer der „Orientierungsphase“, in der ein erhöhter Mindeststandard gebührt, vier Monate (vgl. Rz 18). Es handelt sich daher bei dem erhöhten Mindeststandard gemäß § 8 Abs. 2 Z 5 (wie auch Z 3 und 6) lit. b WMG um einen zeitlich begrenzten Leistungsanspruch. Da sich der Bezugszeitraum jedoch „um Zeiten, in denen Anspruchsberechtigten kein Angebot nach lit. a unterbreitet wurde“ erhöht, wird die Beendigung des Anspruchszeitraumes um die Zeitspanne, in der kein solches Angebot unterbreitet wurde, hinausgeschoben. Die Beendigung eines laufenden Anspruchszeitraumes kann nur durch Ereignisse innerhalb dieses Zeitraumes beeinflusst werden. Die nach § 8 Abs. 2 Z 5 (wie auch Z 3 und 6) lit. b zweiter Satz WMG für die Erhöhung des Gesamtausmaßes der „Orientierungsphase“ erforderliche Voraussetzung der fehlenden Unterbreitung eines Angebotes nach lit. a leg. cit. muss daher während der laufenden „Orientierungsphase“ eingetreten sein.
24 Aber nicht nur aus dem Konzept eines zeitlich befristeten Anspruchszeitraumes, sondern auch aus der jeweiligen Textierung der Anspruchsgrundlagen (§ 8 Abs. 2 Z 3, 5 und 6 lit. b zweiter Satz WMG) ergibt sich, dass die Voraussetzung für die Erhöhung des Bezugszeitraumes eines erhöhten Mindeststandards während der noch laufenden „Orientierungsphase“ eintreten muss, erhöht sich der Bezugszeitraum doch um Zeiten, in denen Anspruchsberechtigten kein Angebot nach lit. a unterbreitet wurde. Anspruchsberechtigt im Sinne der genannten Gesetzesbestimmungen ist aber nur jemand, der im aufrechten Bezug des erhöhten Mindeststandards, um dessen Verlängerung es geht, steht.
25 Mit einer einem „Mindestsicherungseinsteiger“ zukommenden anfänglichen und zeitlich begrenzten Leistung wird auch der in den Erläuterungen, die von einer „Orientierungsphase“ sprechen, die bei erstmaliger Inanspruchnahme schlagend werden soll, angesprochenen Zielsetzung entsprochen.
26 Der Vollständigkeit halber ist aber darauf hinzuweisen, dass die viermonatige Bezugsdauer durch Zeiten unterbrochen werden kann, in denen ein originärer Bezug des erhöhten Mindeststandards nach § 8 Abs. 2 Z 5 (aber auch Z 3 und Z 6) lit. a WMG vorliegt. Dies ergibt sich daraus, dass § 8 Abs. 2 Z 5 lit. b WMG nur dann zur Anwendung gelangt, wenn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Z 5 lit. a leg. cit. nicht vorliegen. Damit wäre der Bezugszeitraum entsprechend den Erläuterungen auch „nicht in einem ausgeschöpft“.
27 Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass sich der viermonatige Bezug erhöhter Mindestsicherung nach § 8 Abs. 2 Z5 (und auch Z 3 und 6) lit. b WMG um innerhalb des laufenden Bezugszeitraumes liegende Zeiträume erhöht, in denen den jeweiligen Anspruchsberechtigten kein Angebot nach lit. a leg. cit. unterbreitet wurde. Daraus folgt aber auch, dass nach Ablauf der - allenfalls erhöhten - Bezugsdauer erhöhter Mindestsicherung liegende Zeiten eines fehlenden Angebotes nach lit. a leg. cit. nicht für eine (weitere) Erhöhung des Bezugszeitraumes in Betracht kommen.
28 Demgegenüber hätte die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung zur Konsequenz, dass nach (einmaliger) Inanspruchnahme der viermonatigen Übergangsfrist in weiterer Folge der erhöhte Mindeststandard immer dann - und sohin unbegrenzt oft- zur Anwendung käme, wenn dem Anspruchsberechtigten kein entsprechendes Beschäftigungs- oder Schulungsangebot etc. unterbreitet würde. Damit würde aber im Ergebnis die eigentlich anspruchsbegründende (einmalige) viermonatige Übergangsfrist nicht bloß „erhöht“, sondern im Ergebnis eine weitgehend eigenständige Anspruchsvoraussetzung begründet. Diese Intention kann dem Gesetzgeber aber nicht zugesonnen werden, zumal bereits dem Grundtatbestand der lit. b (der Einräumung der viermonatigen Übergangsfrist) der Charakter einer Ausnahmeregelung - nämlich ein befristetes Absehen vom Erfordernis der in den lit. a der Z 3, 5 und 6 des § 8 Abs. 2 WMG genannten, für die Anwendung des jeweils höheren Mindeststandards eigentlich anspruchsbegründenden Voraussetzungen - zukommt.
29 Für den Revisionsfall ergibt sich daraus:
30 Das Verwaltungsgericht hat der Mitbeteiligten für den Zeitraum 1. Jänner bis 28. Februar 2019 den höheren Mindeststandard (im Ausmaß von 100%) gemäß § 8 Abs. 2 Z 5 lit. b zweiter Satz WMG zu Unrecht zugesprochen, weil die Mitbeteiligte infolge (erstmaliger) Inanspruchnahme der „Vier-Monatsregelung“ des § 8 Abs. 2 Z 5 lit. b erster Satz WMG im Zeitraum März bis Juni 2018 samt „Verlängerung“ im Juli 2018 den (einmaligen) Anspruch auf den erhöhten Mindeststandard (im Ausmaß von 100% des Ausgangsbetrages) bereits ausgeschöpft hatte.
31 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Wien, am 3. Juli 2020
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019100035.J00Im RIS seit
10.08.2020Zuletzt aktualisiert am
10.08.2020