TE Vwgh Beschluss 2020/7/3 Ro 2019/10/0034

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Veröffentlicht am 03.07.2020
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Index

L92005 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Salzburg
L92105 Behindertenhilfe Rehabilitation Salzburg
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §1
AVG §13 Abs1
BehindertenG Slbg 1981 §6
B-VG Art133 Abs4
MSG Slbg 2010 §30 Abs1 Z2
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der Salzburger Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 17. April 2019, Zl. 405-9/720/1/6-2019, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg; mitbeteiligte Partei: A B in S), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2019, Ro 2017/10/0038, verwiesen.

2        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Februar 2017 wurde dem Mitbeteiligten für den Zeitraum von Februar 2017 bis Juni 2017 Mindestsicherung in Form einer monatlichen Geldleistung in der Höhe von € 197,38 zuerkannt.

3        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. März 2017 (in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 29. März 2017) wurde der Mitbeteiligte verpflichtet, den in der Zeit von 9. Februar 2017 bis 31. März 2017 entstandenen Mindestsicherungsaufwand in der Höhe von € 213,52 zurückzuzahlen.

4        Mit dem nunmehr angefochtenen, im zweiten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 17. April 2019 wurde - unter anderem - in Stattgebung der Beschwerde des Mitbeteiligten der Bescheid der belangten Behörde vom 14. März 2017 (in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 29. März 2017) ersatzlos aufgehoben (Spruchpunkt I.1.). Weiters wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass hinsichtlich dieses Spruchpunktes die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, hinsichtlich der weiteren Spruchpunkte I.2. bis I.4. jedoch nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

5        Begründend ging das Verwaltungsgericht im Kern davon aus, dass ein „nachträgliches Bekanntwerden“ im Sinne des § 30 Abs. 1 Z 2 Salzburger Mindestsicherungsgesetz (Sbg. MSG) nicht vorliege, da der belangten Behörde bereits ab der Erlassung des Bescheides vom 9. Februar 2017 über die Zuerkennung der Hilfeleistung nach § 6 Salzburger Behindertengesetz (SBG) bekannt gewesen sei, dass dem Mitbeteiligten ein (im Rahmen der Behindertenhilfe monatlich gewährtes) Taschengeld gewährt worden sei. Der belangten Behörde müsse bei Erlassung des Bescheides vom 9. Februar 2017 „bekannt und bewusst gewesen sein, dass hier einem Mindestsicherungsbezieher Behindertenhilfe gewährt“ werde. Dies hätte sie bei der Erlassung des Bescheides vom 13. Februar 2017 über die Zuerkennung von Leistungen der Mindestsicherung zu berücksichtigen gehabt. Eine nachträgliche Sanierung dieser unterlassenen Berücksichtigung im Wege des Kostenersatzes komme jedoch nicht in Betracht (Verweis auf VwGH 24.4.2001, 2000/11/0021; 29.1.2009, 2007/10/0286, VwSlg. 17612 A). Ob der Mitbeteiligte allenfalls im Wege der Rückerstattung gemäß § 28 Sbg. MSG zur Rückzahlung zu verpflichten gewesen wäre, sei nicht weiter zu prüfen, da die belangte Behörde ihren Bescheid „stets nur auf die Frage des Kostenersatzes im Sinne von §§ 29 ff MSG gestützt“ habe.

6        Den Ausspruch nach § 25a VwGG begründete das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Spruchpunktes I.1. damit, dass die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen sei, „ob der Umstand der Gewährung einer Eingliederungshilfe nach SBG durch dieselbe Behörde (bzw sogar idente Organisationseinheit des Hilfsapparates der Behörde) ein nachträgliches Bekanntwerden im Sinne von § 30 Abs. 1 Z 2 MSG mit der Konsequenz der Kostenersatzpflicht des Hilfesuchenden bewirken“ könne. Dazu fehle höchstgerichtliche Judikatur.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Salzburger Landesregierung, die dem gesamten Inhalt nach lediglich Spruchpunkt I.1. des angefochtenen Erkenntnisses bekämpft.

8        Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.

9        Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

10       Die Revision ist unzulässig:

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemal3 Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

13       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 26.9.2019, Ro 2019/10/0028; 28.5.2019, Ro 2019/10/0002; 30.1.2019, Ro 2017/10/0037). Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. VwGH 18.12.2019, Ro 2018/10/0002; 21.11.2019, Ro 2018/10/0022; 22.10.2019, Ro 2018/10/0044). Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/10/0180; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015; 27.2.2020, Ra 2019/10/0121).

14       Die vorliegende Amtsrevision wiederholt in ihren Zulässigkeitsausführungen zunächst die oben wiedergegebene Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes. Im Weiteren wird dazu ausgeführt, dass diese Rechtsfrage „eng an datenschutzrechtliche Erwägungen geknüpft“ sei; auch wenn es sich um dieselbe Behörde handle, so würden doch unterschiedliche Gesetze vollzogen, es müssten datenschutzrechtliche Vorschriften beachtet werden. Es sei von erheblicher Bedeutung abzuklären, „inwieweit ein nachträgliches Bekanntwerden innerhalb einer Behörde überhaupt möglich“ sei. Eine Klärung sei im Sinne der Rechtssicherheit von Bedeutung, zumal es für die Behörde essentiell sei zu wissen, „inwieweit eine Datenweitergabe rechtmäßig ist bzw. wie umfassend eine Ermittlungspflicht auszulegen ist“. Es sei auch für die Hilfe suchende Person von erheblicher Bedeutung, „inwieweit sie Änderungen oder die Gewährung von Leistungen, die dieselbe Behörde betreffen, angeben müsse, um nicht gegen die Anzeigepflicht zu verstoßen“.

15       Zu diesem Zulässigkeitsvorbringen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass in der Amtsrevision ausdrücklich ausgeführt wird, dass dem Verwaltungsgericht dahin zuzustimmen sei, dass „Leistungen der Behindertenhilfe und Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung von derselben Behörde bzw. Organisationseinheit gewährt“ würden. Das Verwaltungsgericht ist in seiner Zulässigkeitsbegründung auch davon ausgegangen, dass nicht nur dieselbe Behörde - der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg -, sondern „sogar [die] idente Organisationseinheit des Hilfsapparates der Behörde“ jene Leistung nach dem SBG zuerkannt hat, deren „nachträgliches Bekanntwerden“ dem in Rede stehenden Ersatzanspruch nach § 30 Abs. 1 Z 2 Sbg. MSG zugrunde gelegt wurde. Als im Revisionsfall allein relevante Rechtsfrage wird daher insoweit lediglich die Frage angesprochen, ob die Gewährung einer Leistung der Behindertenhilfe durch die belangte Behörde, die von jener Organisationseinheit (des Hilfsapparates) der belangten Behörde approbiert wurde, der auch die Approbation der Zuerkennung einer Mindestsicherungsleistung obliegt, der belangten Behörde „bekannt“ ist, sodass ein „nachträgliches Bekanntwerden“ im Sinne des § 30 Abs. 1 Z 2 Sbg. MSG von vornherein nicht in Betracht kommt.

16       Davon ausgehend wird mit der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes bzw. den Zulässigkeitsausführungen der Amtsrevisionswerberin eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aber nicht aufgezeigt, kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass ein „nachträgliches Bekanntwerden“ im Sinne des § 30 Abs. 1 Z 2 Sbg. MSG nicht vorliegt, wenn (sogar) „jene Organisationseinheit des Hilfsapparates der Behörde“ über die Gewährung einer Leistung nach dem SBG in Kenntnis ist, die auch die Frage der Gewährung von Leistungen nach dem Sbg. MSG zu approbieren hat. Auf Abgrenzungsfragen der Zurechnung von Kenntnissen anderer Organisationseinheiten (des Hilfsapparates) der belangten Behörde kommt es daher fallbezogen nicht an. Für den von der Amtsrevisionswerberin eingenommenen Standpunkt, es käme insofern auf den Kenntnisstand der Sachbearbeiterin bzw. des Sachbearbeiters der Behörde „im Zuständigkeitsbereich der Bedarfsorientierten Mindestsicherung“ an, fehlt es an jeglicher gesetzlicher Grundlage. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen aber klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 20.12.2019, Ra 2019/10/0124; 2.8.2019, Ra 2019/10/0099; 4.7.2018, Ra 2017/10/0199).

17       Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass es ohne Bedeutung ist, ob dem für eine bestimmte Angelegenheit zuständigen Sachbearbeiter einer Bezirkshauptmannschaft ein Umstand persönlich bekannt ist oder nicht, da die Behörde eine Einheit darstellt und es daher Aufgabe der einzelnen Abteilungen der Bezirkshauptmannschaft ist, einander die entsprechenden Kenntnisse zu vermitteln (vgl. VwGH 22.5.1985, 84/03/0123, VwSlg. 11774 A, mwN). Es hat die eine Einheit bildende Behörde zu verantworten, wenn Schriftstücke nicht rechtzeitig in die jeweils zuständige Abteilung weitergeleitet werden (vgl. VwGH 8.7.1988, 86/18/0127). Der von der Amtsrevisionswerberin eingenommene Standpunkt steht mit dieser Rechtsprechung nicht im Einklang.

18       Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Juli 2020

Schlagworte

Behördenorganisation Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019100034.J00

Im RIS seit

10.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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