TE Vwgh Erkenntnis 1998/1/27 96/02/0295

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Veröffentlicht am 27.01.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §48 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs4 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 23. April 1996, Zl. UVS-01/11/00080/96, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: G in Wien, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. April 1996 wurde die an diese gerichtete Beschwerde gemäß § 52 Abs. 2 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, (FrG) in Verbindung mit § 67c Abs. 3 (nunmehr Abs. 4) AVG Folge gegeben und sowohl die Verhängung der Schubhaft als auch die Aufrechterhaltung derselben bezüglich der mitbeteiligten Partei für rechtswidrig erklärt. Weiters wurde von der belangten Behörde angeordnet, die mitbeteiligte Partei unverzüglich zu enthaften, und der Bund verpflichtet, die mit S 8.453,-- gemäß § 79a AVG bestimmten Kosten des Verfahrens binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u.a. zum festgestellten Sachverhalt ausgeführt, die mitbeteiligte Partei sei am 31. Jänner 1993 (illegal) in das Bundesgebiet eingereist und habe fristgerecht einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug als unbegründet abgewiesen worden sei.

Die Bezirkshauptmannschaft Baden habe gegen die mitbeteiligte Partei mit Bescheid vom 18. Februar 1993 die Ausweisung erlassen. Aufgrund faktischer Abschiebungshindernisse sei ein Aufschub der Ausweisung bis einschließlich 29. September 1993 gewährt worden. Während dieser Zeit (am 6. Juli 1993) habe die mitbeteiligte Partei einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und eine näher bezeichnete Wohnung "unter polizeilicher Meldung" bezogen. Seit dem 2. Februar 1995 seien gegen die mitbeteiligte Partei Anzeigen wegen nicht fristgerechter Ausreise aus Österreich anhängig. Die mitbeteiligte Partei sei am 8. März 1995 und am 10. August 1995 jeweils in Schubhaft genommen worden und wegen Haftunfähigkeit (Hungerstreik) kurz darauf jeweils wieder entlassen worden. Die aktuelle Schubhaft sei am 14. April 1996 gegen die mitbeteiligte Partei verhängt worden, wobei nach Ansicht der Fremdenbehörde erster Instanz (Bundespolizeidirektion Wien) die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft rechtlich geboten gewesen sei, um damit die Vollstreckung der rechtskräftigen Ausweisung der BH Baden durch Abschiebung zu erwirken. Die Bundespolizeidirektion Wien habe am 18. April 1996 (neuerlich) beim Bundesministerium für Inneres angesucht, ein Heimreisezertifikat für die mitbeteiligte Partei zu erwirken.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, im § 41 FrG seien jene Bestimmungen zusammengefaßt worden, in denen die Verhängung der Schubhaft "überhaupt zulässig" sei. Hiebei gehe es durchwegs um den Gesichtspunkt der "Sicherung der erforderlichen Maßnahme". Sicherheitspolitische Aspekte - also etwa Überlegungen, ob die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit durch Schubhaft wiederhergestellt oder aufrechterhalten werden sollen - hätten "für die Haftfrage" keine Bedeutung.

Die Bundespolizeidirektion Wien habe die (zur Sicherung der Abschiebung der mitbeteiligte Partei verhängte) Schubhaft damit begründet, daß diese aufgrund der "bestehenden Ausweisung" der mitbeteiligten Partei und der von der mitbeteiligten Partei bekundeten "Ausreiseunwilligkeit" notwendig sei, und die Möglichkeit, ohne fremdenpolizeiliche Maßnahmen auszureisen, "nicht mehr gegeben werden" könne. Es sei aber von der Fremdenbehörde erster Instanz eingeräumt worden, daß für die mitbeteiligte Partei kein Heimreisezertifikat vorliege. Es würden sich auch im Verwaltungsakt keine Feststellungen finden, daß die mitbeteiligte Partei behördlichen Ladungen oder Aufforderungen, zur Behörde zu kommen, nicht Folge geleistet hätte oder daß die mitbeteiligte Partei an der Anschrift, an der sie polizeilich gemeldet sei, nicht greifbar gewesen sei oder zur Verfügung der Behörde gestanden hätte bzw. sich aus anderen Gründen fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen gesucht habe.

Offenkundiger Grund für die Verhängung der Schubhaft sei die zwangsweise Durchsetzung der Ausweisung gewesen, für die jedoch die nötigen Dokumente (Heimreisezertifikat) fehlten.

Es sei daher nicht einzusehen, weshalb die Ausweisung durch Schubhaft zu sichern sei. Würde man nämlich der Auffassung der Fremdenbehörde erster Instanz folgen, käme man zu einem, dem Wortlaut und der Absicht des Gesetzes (insbesondere des § 41 FrG) "offenkundig zuwiderlaufenden Ergebnis", daß die "Außerlandesweisung" jedenfalls durch Verhängung der Schubhaft zu sichern sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 53 FrG gestützte Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erstatteten Gegenschrift wandte die belangte Behörde ein, der angefochtene Bescheid sei der Bundespolizeidirektion Wien bereits am 26. April 1996 (rechtswirksam) zugestellt worden. Die vom Bundesminister für Inneres am 19. Juni 1996 eingebrachte Amtsbeschwerde sei infolge verspäteter Einbringung (nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist) unzulässig und daher zurückzuweisen. Insbesondere wendet sich die belangte Behörde gegen die vom Bundesminister vertretene Ansicht, die Beschwerde sei rechtzeitig eingebracht worden, weil der Bundesminister erst am 13. Mai 1996 vom angefochtenen Bescheid Kenntnis erlangt habe.

Dem ist entgegenzuhalten, daß in einem Fall des Art. 131 Abs. 2 B-VG - um einen solchen handelt es sich bei einer sogenannten Amtsbeschwerde nach § 53 FrG - die sechswöchige Beschwerdefrist nach § 26 Abs. 1 Z. 4 VwGG erst dann zu laufen beginnt, wenn der Bescheid aufgrund der Verwaltungsvorschriften dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, mit dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.

Aufgrund der Verwaltungsvorschriften - insbesondere jener nach dem Fremdengesetz - ist eine Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Bundesminister - soweit aus den Verwaltungsakten ersichtlich ist - nicht erfolgt. Für die von der belangten Behörde offenbar vertretene Ansicht, die Beschwerdefrist habe bereits ab Zustellung des Bescheides an eine andere Behörde (hier die Bundespolizeidirektion Wien als Partei des Verwaltungsverfahrens vor der belangten Behörde) zu laufen begonnen, ist aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 26 Abs. 1 Z. 4 VwGG kein Raum (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 1994, Zl. 93/18/0379, und vom 24. Juni 1994, Zl. 94/02/0146). Die Amtsbeschwerde war daher im Hinblick auf die erst am 13. Mai 1995 erlangte Kenntnis des Bundesministers vom angefochtenen Bescheid rechtzeitig.

Der beschwerdeführende Bundesminister bringt vor, die mitbeteiligte Partei habe sich seit 30. September 1993 (seit Ablauf des letzten vor der Behörde bewilligten Abschiebungsaufschubs) illegal in Österreich aufgehalten und sei trotz Vorliegens eines rechtskräftigen Ausweisungsbescheides nicht ausgereist. Sie habe "ihre Ausreiseunwilligkeit ... beharrlich unter Beweis gestellt", was insbesondere durch die am 13. März 1995 erfolgte niederschriftliche Einvernahme deutlich zum Ausdruck gebracht worden sei. Die mitbeteiligte Partei habe nämlich angegeben, Österreich deshalb nicht verlassen zu wollen, weil sie am 6. Juli 1993 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet habe.

Insbesondere gehe aus dem von der belangten Behörde vorgebrachten Einwand, die mitbeteiligte Partei könne jederzeit in der ehelichen Wohnung angetroffen werden, klar hervor, daß die mitbeteiligte Partei nicht gewillt sei, ihren mit dem rechtskräftigen Ausweisungsbescheid in Widerspruch stehenden Aufenthalt im Bundesgebiet zu beenden.

Von der Fremdenbehörde wurde die verfahrensgegenständliche Schubhaft gemäß § 41 Abs. 1 FrG zur Sicherung der Abschiebung (§ 36 FrG) verhängt.

Unbestritten ist, daß die gegen die mitbeteiligte Partei verhängte Ausweisung rechtskräftig geworden ist und auch - wie aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen ist - eine (diesbezüglich angeregte) Aufhebung dieses Bescheides nach § 68 Abs. 2 AVG nicht erfolgte.

Gemäß § 22 Abs. 1 FrG hat aber der Fremde u.a. im Falle einer infolge des Eintritts der Rechtskraft durchsetzbar gewordenen Ausweisung "unverzüglich" auszureisen. Dieser gesetzlichen Verpflichtung ist die mitbeteiligte Partei unbestrittenermaßen - trotz längst abgelaufener Frist für den Abschiebungsaufschub - nicht nachgekommen. Aus dem gesamten, von der Behörde festgestellten Verhalten der mitbeteiligten Partei geht jedoch hinreichend deutlich hervor, daß diese nicht gewillt war, ihren mit dem rechtskräftigen Ausweisungsbescheid in Widerspruch stehenden Aufenthalt in Österreich zu beenden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Schubhaft im Grunde des § 41 Abs. 1 FrG "notwendig", wenn die Annahme gerechtfertigt ist, daß beim Fremden keine Ausreisewilligkeit besteht und somit durch die Verhängung der Schubhaft die rechtlich gebotene Ausreise gesichert werden soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 1995, Zl. 95/02/0207, m. w.N). Im Zuge des Verfahrens vor der belangten Behörde sind gleichfalls keine Aspekte hervorgekommen, die die von der Fremdenbehörde festgestellte fehlende Ausreisewilligkeit der mitbeteiligten Partei widerlegt hätten. Auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffene Aussage, es würden Feststellungen im gesamten Schubhaftakt fehlen, daß sich die mitbeteiligte Partei allfälligen fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen werde, kam es jedoch im Lichte der vorzitierten Judikatur zu § 41 Abs. 1 FrG nicht an.

Auch das von der belangten Behörde mehrfach erwähnte Fehlen eines Heimreisezertifikates für die mitbeteiligte Partei war nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der gegen die mitbeteiligte Partei verhängten Schubhaft darzutun.

Dem Gesetz kann nämlich nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht entnommen werden, daß der unabhängige Verwaltungssenat zu prüfen hätte, in welcher Reihenfolge die Fremdenbehörden die zur Durchsetzung der Abschiebung geeignet erscheinenden Maßnahmen zu treffen haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 97/02/0035, m.w.N.).

Im übrigen hat der beschwerdeführende Bundesminister zutreffend auch auf die Bestimmung des § 48 Abs. 4 Z. 3 FrG verwiesen, wonach die Schubhaft, wenn ein Fremder nur deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil er die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht besitzt, bis zum Ablauf der vierten Woche nach Einlangen der Bewilligung der Behörde, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden darf. Daraus ist ersichtlich, daß gerade die Erwirkung eines noch fehlenden Heimreisezertifikates bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der Verhängung der Schubhaft nicht entgegensteht.

Auch hinsichtlich der Dauer der Anhaltung sind beim Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf das umgehende Bemühen der Fremdenbehörde, beim Bundesminister für Inneres die Zustimmung zur Kostentragung für die geplante Abschiebung sowie eine Kontaktaufnahme mit der zuständigen diplomatischen Vertretung Ghanas zwecks Ausstellung eines gültigen Heimreisezertifikates für die mitbeteiligte Partei zu erwirken, keine rechtlichen Bedenken hinsichtlich der verhängten Schubhaft hervorgekommen.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich daher der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, sodaß dieser (einschließlich des Kostenzuspruchs) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Da - entgegen einer anderslautenden Behauptung der belangten Behörde in der von dieser erstatteten Gegenschrift - der gegenständlichen Amtsbeschwerde nicht zu entnehmen ist, daß der Bundesminister für den Fall des Obsiegens ein entsprechendes Kostenbegehren gestellt hätte, erübrigt sich auch eine diesbezügliche Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996020295.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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