TE Vwgh Erkenntnis 2020/7/9 Ra 2020/09/0019

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Veröffentlicht am 09.07.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita
AuslBG §28 Abs1 Z1 litb
AuslBG §28 Abs1 Z5
AuslBG §28 Abs6
AuslBG §28 Abs7 idF 2017/I/066
AuslBG §3 Abs1
AVG §45 Abs2
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §46
VwGVG 2014 §48

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision der A B in C, vertreten durch Mag. Jürgen Payer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neuer Markt 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 3. Februar 2020, LVwG-S-2739/001-2019, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Krems), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis erkannte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Revisionswerberin schuldig, als Arbeitgeberin einen namentlich genannten irakischen Staatsangehörigen mit Hilfs- und Transporttätigkeiten auf ihrer Baustelle jedenfalls zum Zeitpunkt der Kontrolle durch Organe des Finanzamtes am 3. September 2019, gegen 15:20 Uhr, beschäftigt zu haben, obwohl für diesen keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Wegen der dadurch begangenen Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) wurde über sie eine Geldstrafe von 1 000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden, verhängt. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2        Nach Darstellung des Verfahrensgangs, insbesondere unter Wiedergabe des Beschwerdevorbringens und der Aussagen der einvernommenen Personen, stellte das Verwaltungsgericht folgenden Sachverhalt fest (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

„Am 3.9.2019, 15:20 Uhr, wurden in (...) der türkische Staatsangehörige ET und der irakische Staatsangehörige GB beim Arbeiten angetroffen. Herr T hat eine Steckdose montiert und Herr B hat Holz von Möbeln in Säcken gesammelt und diese Säcke in einen Lieferwagen gegeben. Dies ergibt sich aus der Anzeige der Finanzpolizei. Von den Beamten wurden auch Fotos angefertigt. Mit der [Revisionswerberin] wurde vor Ort eine Niederschrift aufgenommen (Beginn 16:10 Uhr). Herr B war zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz einer Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz.“

3        Nach Wiedergabe des Inhalts der schriftlichen Rechtfertigung der Revisionswerberin im behördlichen Verfahren sowie Darstellung maßgeblicher Gesetzesbestimmungen und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte das Verwaltungsgericht fallbezogen aus, dass der irakische Staatsangehörige unstrittig bei Hilfsarbeiten auf der Liegenschaft der Revisionswerberin angetroffen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei dieser weder im Besitz einer Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz noch bei der Sozialversicherung angemeldet gewesen. Der Umstand, dass die bei der Kontrolle anwesende Revisionswerberin den irakischen Staatsangehörigen nicht persönlich angesprochen und ihm den Auftrag erteilt habe, sei unerheblich, zumal ihr die Arbeiten zugutegekommen seien. Im Übrigen habe T angegeben, dass er gemeinsam mit der Revisionswerberin im Baumarkt Material eingekauft und GB den Transport auf die Baustelle durchgeführt habe.

4        Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen werde, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuteten (wie dies bei Hilfsarbeiten auf einer Baustelle der Fall sei), sei die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden könnten, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstünden (Hinweis auf VwGH 3.11.2004, 2001/18/0129). Um als Beschäftiger nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zu gelten, sei eine unternehmerische Tätigkeit nicht erforderlich. Auch eine Privatperson könne nach § 28 AuslBG als Beschäftiger belangt werden. Es sei gleichgültig, aus welcher Position heraus - hier als Gebäude- und Liegenschaftseigentümerin - der Beschäftiger das Beschäftigungsverhältnis mit dem zu Unrecht beschäftigten Ausländer geschlossen habe. Die Revisionswerberin sei zur Tatzeit vor Ort gewesen und habe auch nicht behauptet, die Arbeiten des GB untersagt zu haben. Ein Gefälligkeits- oder Freundschaftsdienst werde von ihr auch nicht behauptet, zumal sie GB zuvor gar nicht gekannt habe.

5        Es sei auch nicht von einer unentgeltlichen Tätigkeit auszugehen, zumal der Transport und die Arbeiten auf der Baustelle mehrere Stunden gedauert hätten. Für das Vorliegen einer bewilligungspflichtigen Beschäftigung sei aber auch nicht entscheidend, ob für die Verwendung ausdrücklich ein Entgelt vereinbart worden sei, gelte doch im Zweifel gemäß § 1152 ABGB ein angemessenes Entgelt als bedungen und sei nach § 29 AuslBG ein angemessener Lohn zu zahlen. Die Revisionswerberin habe erst in ihrer Rechtfertigung im behördlichen Verfahren den Baumeister T ins Spiel gebracht. Ob auch ET mit diesem zusammengearbeitet habe, sei für dieses Verfahren nicht entscheidungswesentlich, zumal es sich bei diesem offensichtlich um keinen befugten Gewerbetreibenden handle, der von sich aus die auf der Baustelle angetroffenen Personen beauftragt habe. Es sei von ihm weder ein Kostenvoranschlag erstellt, noch eine Rechnung übergeben worden und sei er auch nicht als „Baumeister“ mit entsprechenden Fahrzeugen in Erscheinung getreten. Am Vorfallstag sei ein Privatfahrzeug für den Personen- und Materialtransport auf die Baustelle verwendet worden. GB habe Arbeiten für die Revisionswerberin ausgeführt. Die Revisionswerberin habe zum Baumeister auch keine weiteren Angaben gemacht, sondern nur angegeben, dass die Arbeiten nicht ihren Vorstellungen entsprochen hätten. Dennoch habe sie ET und GB auf der Baustelle arbeiten lassen.

6        Die Einvernahme des GB sei nicht erforderlich gewesen, zumal es unerheblich sei, wie der Kontakt mit ihm zustande gekommen sei und wer GB tatsächlich engagiert habe.

7        Zum Verschulden führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Revisionswerberin an einer kostengünstigen Sanierung ihres Wohnhauses interessiert gewesen sei. Sie habe einen größeren Bargeldbetrag ohne Rechnung übergeben und somit auch in Kauf genommen, dass Personen beschäftigt würden, die allenfalls ohne entsprechende Anmeldung zur Sozialversicherung oder arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen tätig seien.

8        Anschließend begründete das Landesverwaltungsgericht die Strafbemessung näher. Die Unzulässigkeit der Revision wurde mit dem Vorliegen einer Einzelfallentscheidung begründet, die von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweiche.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in der deren Zulässigkeit zusammengefasst mit dem Fehlen von Feststellungen zur Beschäftigereigenschaft der Revisionswerberin begründet und ein Verfahrensmangel im Hinblick auf das Unterlassen der Einvernahme des Ausländers geltend gemacht werden. Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11       Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgericht ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen.

13       Die vorliegende Revision ist aus den in der Revision angeführten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet:

14       § 2 und § 28 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, § 2 in der Fassung BGBl I Nr. 56/2018, § 28 in der Fassung BGBl I Nr. 66/2017, lauten (auszugsweise):

„Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Als Ausländer im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt, wer nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.

(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung

a)   in einem Arbeitsverhältnis,

b)   in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis,

c)   in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs. 5,

d)   nach den Bestimmungen des § 18 oder

e)   überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 1 und 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988, und des § 5a Abs. 1 des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287.

(3) Den Arbeitgebern gleichzuhalten sind

a)   in den Fällen eines arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnisses (Abs. 2 lit. b) der Vertragspartner,

b)   in den Fällen des Abs. 2 lit. c und d der Inhaber des Betriebes, in dem der Ausländer beschäftigt wird, sofern nicht lit. d gilt, oder der Veranstalter,

c)   in den Fällen des Abs. 2 lit. e auch der Beschäftiger im Sinne des § 3 Abs. 3 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes und des § 5a Abs. 3 des Landarbeitsgesetzes 1984,

d)   der ausländische Dienstleistungserbringer, dem eine EU-Entsendebestätigung nach Maßgabe des § 18 Abs. 12 auszustellen ist und

e)   der Inhaber der Niederlassung, die einen unternehmensintern transferierten Arbeitnehmer (§ 2 Abs. 13) beschäftigt.

(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn

1.   ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder

2.   ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25 %

Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag binnen drei Monaten fest, daß ein wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen. Nach Ablauf dieser Frist darf die Tätigkeit auch ohne den erforderlichen Feststellungsbescheid aufgenommen werden. Wird der Antrag nach Ablauf der Frist abgewiesen, ist die bereits begonnene Tätigkeit umgehend, spätestens jedoch binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheides, zu beenden.

...

Strafbestimmungen

§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet (§ 28c), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen,

1.   wer

a)   entgegen § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder der keine für diese Beschäftigung gültige „Rot-Weiß-Rot - Karte“, „Blaue Karte EU, Aufenthaltsbewilligung als unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer („ICT“), Aufenthaltsbewilligung als mobiler unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer („mobile ICT“), Aufenthaltsbewilligung „Familiengemeinschaft“ mit Zugang zum Arbeitsmarkt (§ 20f Abs. 4)“ oder „Niederlassungsbewilligung - Künstler“ oder keine „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“, keine „Aufenthaltsberechtigung plus“, keinen Befreiungsschein (§ 4c) oder keinen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ oder „Daueraufenthalt - EU“ besitzt, oder

b)   entgegen § 18 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wird, in Anspruch nimmt, ohne dass für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, oder

c)   entgegen der Untersagung gemäß § 32a Abs. 8 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder eine Freizügigkeitsbestätigung ausgestellt wurde,

bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis 50 000 Euro;

...

(6) Ein Unternehmen, welches die Erbringung einer Leistung an ein anderes Unternehmen ganz oder teilweise weitergibt, ist neben dem beauftragten Unternehmen gemäß Abs. 1 Z 1 zu bestrafen, wenn es

1.   die Übertretung des von ihm unmittelbar beauftragten oder - im Fall der Auftragsweitergabe - jedes weiteren beauftragten Unternehmens bei der Auftragserfüllung wissentlich geduldet hat, oder

2.   seiner Verpflichtung gemäß § 26 Abs. 6 nicht nachgekommen ist.

(7) Wird ein Ausländer in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Arbeitsstellen eines Unternehmens angetroffen, die im allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich sind, ist das Vorliegen einer nach diesem Bundesgesetz unberechtigten Beschäftigung von der Bezirksverwaltungsbehörde ohne weiteres anzunehmen, wenn der Beschäftiger nicht glaubhaft macht, daß eine unberechtigte Beschäftigung nicht vorliegt.

...“

15       Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0212, mwN).

16       Gemäß der Verweisungsbestimmung des § 38 VwGVG gilt im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten gemäß § 25 Abs. 1 VStG das Amtswegigkeitsprinzip und gemäß § 25 Abs. 2 VStG der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit, wonach vom Verwaltungsgericht von Amts wegen unabhängig von Parteivorbringen und -anträgen der wahre Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln ist. Das Verwaltungsgericht hat aber neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist dem AVG (vgl. zur Anwendbarkeit im vorliegenden Fall § 38 VwGVG iVm § 24 VStG und § 45 Abs. 2 AVG) eine antizipierende Beweiswürdigung fremd und dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich bzw. an sich nicht geeignet ist, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern (vgl. zum Ganzen abermals VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0212, mit Verweis auf VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0041, mwN).

17       Vorweg ist zum angefochtenen Erkenntnis festzuhalten, dass die Feststellungen für sich genommen nicht ausreichen, eine Überprüfung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung zuzulassen. Bereits hiefür ist vielmehr die Heranziehung der übrigen Teile des angefochtenen Erkenntnisses erforderlich.

18       Die Revisionswerberin hat sich überdies bereits in ihrem Beschwerdeschriftsatz zum Nachweis ihres Vorbringens, dass sie einen näher genannten Baumeister mit den Arbeiten an ihrem Haus beauftragt habe und dieser den hier in Rede stehenden irakischen Staatsangehörigen beigezogen habe, auf die Einvernahme unter anderem dieses Irakers berufen.

19       Das Verwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag mit der Begründung verworfen, dass es nicht erheblich sei, wie der Kontakt mit dem irakischen Staatsangehörigen hergestellt worden sei und wer diesen engagiert habe. Diese Rechtsansicht ist verfehlt, weshalb aufgrund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Beweisaufnahme unterblieb.

20       Wie bereits der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, 94/09/0232, ausgesprochen hat, hat der Arbeitgeber die Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers nämlich dann nicht zu verantworten, wenn der Ausländer nicht von diesem sondern von einem Dritten beschäftigt wurde. Daran ändert im hier zu beurteilenden Fall auch die Strafbestimmung des § 28 Abs. 6 AuslBG nichts, sieht diese eine Strafbarkeit des Auftraggebers neben dem Beschäftiger doch nur für Unternehmer vor, die einen Auftrag zur Erbringung einer Leistung zur Gänze oder teilweise an ein anderes Unternehmen weitergeben. Das bloße in Anspruch nehmen von Arbeitsleistungen eines Ausländers (ohne selbst Arbeitgeber zu sein) ist nur im Fall des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b bzw. Z 5 AuslBG unter den dort genannten Voraussetzungen strafbar (siehe VwGH 19.5.2014, Ro 2014/09/0026, zur Unterscheidung zwischen den Strafdrohungen nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a und lit. b bzw. Z 5 AuslBG).

21       Auch der vom Verwaltungsgericht herangezogene Umstand, dass der Baumeister allenfalls nicht professionell auftrat und ihm möglicherweise sogar die Berechtigung zur Ausübung der Baumeistertätigkeit fehlte, würde nicht zu einer unmittelbaren Strafbarkeit der Revisionswerberin führen (vgl. nochmals VwGH 19.1.1995, 94/09/0232, wonach selbst ein bloß zum Schein abgeschlossener Werkvertrag nicht zur unmittelbaren Strafbarkeit des Auftraggebers führt).

22       Das Verwaltungsgericht hätte daher nicht von der Einvernahme des - im gesamten Verfahren noch nicht einmal niederschriftlich einvernommenen - irakischen Staatsangehörigen absehen dürfen und erst nach Aufnahme der Beweise diese umfassend würdigen dürfen. Es hätte sodann konkrete Feststellungen zur Beschäftigung des irakischen Staatsangehörigen zu treffen gehabt.

23       Wenn sich das Verwaltungsgericht zudem darauf beruft, dass der Ausländer unter Umständen arbeitend angetroffen worden sei, die auf ein Dienstverhältnisses hindeuteten, sodass die Annahme eines solchen gerechtfertigt wäre, übersieht es, dass - was sich auch aus dem von ihm in diesem Zusammenhang zitierten Erkenntnis VwGH 3.11.2004, 2001/18/0129, ergibt - hiefür § 28 Abs. 7 AuslBG heranzuziehen ist. Dafür muss der Ausländer in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Arbeitsstellen eines Unternehmens angetroffen werden, die im Allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich sind. Auch wenn Baustellen Arbeitsstellen eines Unternehmens sind, die Betriebsfremden im Allgemeinen nicht zugänglich sind (siehe VwGH 24.3.2011, 2009/09/0028, mwN), lässt sich daraus hier eine Beschäftigung durch die Revisionswerberin nicht ableiten.

24       Das angefochtene Erkenntnis war daher infolge sekundärer Feststellungsmängel wegen vorrangig aufzugreifender Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

25       Der antragsgemäße Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 9. Juli 2020

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Beweiswürdigung antizipative vorweggenommene Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020090019.L00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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