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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der Satzung einer Gebietskrankenkasse hinsichtlich der Kostenerstattung an den Patienten bei Inanspruchnahme eines Nichtvertragsarztes; Rechtssphäre des antragstellenden Facharztes nicht unmittelbar berührtSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 1995 begehrt der Antragsteller - ein Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten in Gmunden, der in keinem vertraglichen Verhältnis zur Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse steht -, gestützt auf Art139 B-VG die Aufhebung der §§25 Abs1 und 50 der Satzung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse sowie des Anhanges 6 zu dieser Satzung, alle Bestimmungen idF der
1. Änderung der Satzung, kundgemacht in der Sozialen Sicherheit (im folgenden: SoSi) Nr. 5/1995. Außerdem werden zahlreiche Eventualbegehren gestellt.
1.2. Die §§25 Abs1 und 50 der Satzung, SoSi Nr. 2/1995, Amtliche Verlautbarung Nr. 9, idF SoSi Nr. 5/1995, Amtliche Verlautbarung Nr. 50, lauten wie folgt:
"§25. (1) Bei Inanspruchnahme eines Nichtvertragsarztes (Wahlarztes) werden die Kosten für eine Ordination mit zwei Fünfteln der in Betracht kommenden pauschalierten Grundvergütung (Fallpauschale u.a.) erstattet. Die Kostenerstattung darf
1. im Kalendervierteljahr die in der Honorarordnung für einen vergleichbaren Vertragsarzt vorgesehene Grundvergütung (Fallpauschale u.a.) zuzüglich der in der Honorarordnung vorgesehenen Zuschläge und Honorare für Einzelleistung und Visiten,
2. jedenfalls aber das Honorar, das dem Wahlarzt tatsächlich entrichtet wurde,
nicht übersteigen. Insoweit in der Honorarordnung für die Vertragsärzte Verrechnungsbeschränkungen (z.B. Limitierungen, degressive Honorare, Mengenrabattregelungen usw.) vorgesehen sind, gelten für die Rückvergütung von Wahlarztrechnungen die im Anhang 6 festgelegten Punkt- und Schillingwerte."
"§50. Die Ergänzung des §25 Abs1 dieser Satzung sowie die Hinzufügung des Anhanges 6 durch die 1. Änderung treten am 1. Juli 1995, frühestens jedoch an dem Tag in Kraft, der auf den Tag der Kundmachung in der Fachzeitschrift 'Soziale Sicherheit' folgt."
Der Anhang 6 der Satzung enthält eine lange Aufstellung betreffend in Schilling ausgedrückte Punktwerte für bestimmte Leistungen, die Patienten im Falle der Inanspruchnahme von Wahlärzten von seiten der Kasse rückerstattet werden.
1.3. Zur Legitimation wird im Antrag vorgebracht, daß die bekämpften Verordnungsbestimmungen unmittelbar in das dem Antragsteller verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums eingreifen. Inhalt der bekämpften Bestimmungen sei eine minimierte Rückersatzmöglichkeit für Patienten. Seit Verordnungserlassung sei bereits eine stetige Abnahme des Patientenzustroms festzustellen. Auch wenn man das Unternehmen "Wahlarztpraxis" nicht als Vermögenswert iSd Art5 StGG ansehen wollte, so unterfalle es doch dem Eigentumsbegriff des Art1 des 1. ZPEMRK. Deshalb sei ein Eingriff in subjektive Rechte des Antragstellers gegeben.
Außerdem würden die bekämpften Vorschriften gegen das dem Antragsteller verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verstoßen, da die bekämpften Bestimmungen die bisherige Gleichstellung von Wahlärzten und Kassenvertragsärzten beseitigen. Zudem greife die Satzung, soweit sie bekämpft werde, in das dem Antragsteller verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung ein, da sie die Einkommenserzielung an sich beschränke. Darüber hinaus sei in den sich aus einzelnen Rechtsvorschriften ergebenden Befugnissen eines freiberuflich tätigen Arztes ein auf einfachgesetzlicher Ebene gewährleistetes subjektives Recht zu sehen, in welches durch die bekämpften Bestimmungen ein Eingriff bewirkt werde. Jedenfalls aber erfolge durch sie eine Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen des Antragstellers, näherhin der "Rechtsposition der Wahlärzte auf Einkommenserzielung durch die Behandlung von Patienten, die das Recht auf freie Arztwahl in Anspruch nehmen".
Unmittelbar wirksam seien die bekämpften Verordnungsbestimmungen deshalb, weil aufgrund der durch sie eingeschränkten Rückersatzmöglichkeiten für Wahlarztpatienten der Wert des Unternehmens des Antragstellers laufend geringer werde.
2.1. Sowohl die - anwaltlich vertretene - Generalversammlung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse als auch der Bundesminister für Arbeit und Soziales haben eine Äußerung erstattet, in der sie jeweils die Legitimation des Antragstellers verneinen und die Zurückweisung des Verordnungsprüfungsantrages, in eventu dessen Abweisung begehren.
2.2. Diesen Äußerungen ist der Antragsteller mit einer Gegenäußerung entgegengetreten.
3. Der Antrag ist unzulässig.
3.1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988).
3.2. Mit seinem Vorbringen vermag der Antragsteller nicht darzutun, daß seine Rechtsposition durch die von ihm bekämpften Verordnungsbestimmungen unmittelbar betroffen wird. Seine Ausführungen zur Antragslegitimation laufen letztlich alle darauf hinaus, daß die angefochtenen Bestimmungen Auswirkungen auf seine ökonomische Situation haben.
Der bekämpfte §25 Abs1 der Satzung ordnet iVm Anhang 6 der Satzung - der ebenfalls angefochtene §50 der Satzung hat nur das Inkrafttreten der zitierten Vorschrift zum Gegenstand - an, welche Kosten dem Patienten bei Inanspruchnahme eines Nichtvertragsarztes von der Kasse erstattet werden. Diese Gesetzesbestimmung richtet sich schon mangels eines Rechtsverhältnisses zwischen Krankenkasse und Nichtvertragsarzt nicht an den Antragsteller. Adressaten dieser Regelung sind vielmehr ausschließlich bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse versicherte Personen.
Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß die angefochtenen Bestimmungen möglicherweise dazu geeignet sind, die wirtschaftliche Position von Nichtvertragsärzten zu beeinflussen. Dabei handelt es sich aber nur um Reflexwirkungen der bekämpften Regelungen. Diese ändern nichts daran, daß die angefochtenen Vorschriften des §25 Abs1 der Satzung iVm Anhang 6 der Satzung die Rechtsstellung des Antragstellers nicht gestalten, weshalb auch die ebenfalls bekämpfte Inkrafttretensbestimmung des §50 der Satzung in dessen Rechtsposition nicht eingreifen kann (vgl. zB VfSlg. 8670/1979, 11623/1988 und VfGH 2.10.1995 V77/94).
Der Antrag war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Sozialversicherung, KrankenversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:V169.1995Dokumentnummer
JFT_10039694_95V00169_00