Entscheidungsdatum
18.06.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
L529 2160621-4/7E
L529 2160625-3/8E
L529 2160618-3/6E
BESCHLUSS
I. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, EAST Ost, vom 05.06.2019, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien:
A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 idgF, nicht rechtmäßig. Der zitierte Bescheid wird daher aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, EAST Ost, vom 05.06.2019, Zl. XXXX (bzw. XXXX ), erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Georgien:
A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 idgF, nicht rechtmäßig. Der zitierte Bescheid wird daher aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
III. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, EAST Ost, vom 05.06.2019, Zl. XXXX (bzw. XXXX ), erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 idgF, nicht rechtmäßig. Der zitierte Bescheid wird daher aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrenshergang
I.1.1. Die erstangeführte Beschwerdeführerin (in weiterer Folge auch "BF1") ist die Mutter der zweit- und drittangeführten mj. Beschwerdeführerinnen (in weiterer Folge auch "BF2" und "BF3"). Die BF sind georgische Staatsangehörige.
Die BF1 reiste zu einem nicht konkret feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.02.2009 unter einer Aliasidentität ( XXXX ) einen ersten Antrag auf internationalen Schutz für sich und die im Bundesgebiet geborene minderjährige BF2, über welchen mit rechtskräftigen Entscheidungen des Asylgerichtshofes vom 22.03.2010 (Zahlen D14 411840-1/2010/2E u.a.) unter gleichzeitigem Ausspruch einer Ausweisung nach Georgien eine abweisende Entscheidung erging. Ein von der BF1 und der minderjährigen BF2 am 03.02.2012 eingebrachter Folgeantrag wurde mit rechtskräftigen Entscheidungen des Asylgerichtshofes vom 15.03.2012, Zahlen D14 411840-2/2012/2E u.a., unter gleichzeitigem Ausspruch einer Ausweisung in den Herkunftsstaat wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Die BF1 kehrte daraufhin gemeinsam mit der minderjährigen BF2 nach Georgien zurück, wo sie in der Folge von Mai 2012 bis August 2014 lebten.
I.1.2. Nach Rückkehr ins Bundesgebiet stellten die BF1 und die mj. BF2 unter neuer Identität Anträge auf internationalen Schutz (VZ: 14893820). Diese wurden mit zweitinstanzlichen Entscheidungen vom 07.01.2015 gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und eine Anordnung zur Außerlandesbringung in die Niederlande erlassen. Eine Überstellung in die Niederlande konnte nicht durchgeführt werden, weil die BF unbekannten Aufenthaltes waren.
I.1.3. Die BF stellten nach Einreise mittels eines erschlichenen holländischen Visums ("Schengenvisum"; Reisevisum, klassisches Touristenvisum) nach ihrer Einreise in Österreich am 08.08.2014, ihrem anschießenden monatelangen rechtswidrigen und für die Behörden verborgenen Aufenthalt im Bundesgebiet am 28.2.2015 (für die BF3 am 13.05.2016) bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") Anträge auf internationalen Schutz.
Dabei brachte die BF1 als Fluchtgrund vor, dass ihr Bruder in Georgien Polizist gewesen sei. Der Bruder habe Beziehungsprobleme mit seiner Frau gehabt und diese erschossen. Ebenso habe er auf deren Bruder geschossen, der schwerverletzt überlebt habe und seitdem im Rollstuhl sitze. Die Familie ihrer Schwägerin habe dann eine Art Blutrache als Vergeltung beschlossen. Aus Furcht um ihr Leben habe sie Georgien zu verlassen.
Mit rechtskräftigen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2017, Zahlen L515 2160621-1/4E, L515 2160625-1/4E und L515 2160618-1/4E, wurden die Beschwerden in Spruchteil A) gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG idgF, §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9, 18 Abs. 1 BFA-VG idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. In Spruchteil B) wurde die Revision für nicht zulässig erklärt.
Aufgrund näher dargestellter beweiswürdigender Erwägungen zur fehlenden Glaubwürdigkeit der seitens der BF1, auch in Bezug auf die von ihr vertretenen minderjährigen BF2 und BF3, ins Treffen geführten Fluchtgründe habe nicht festgestellt werden können, dass die BF den behaupteten Gefährdungen ausgesetzt gewesen wären oder eine solche Gefährdung für den Fall einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hätten. Der belangten Behörde sei beizupflichten, dass es den Beschwerdeführerinnen hypothetisch betrachtet möglich und zumutbar wäre, sich im Falle der behaupteten Bedrohungen an die georgischen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden zu wenden, welche willens und fähig wären, ihnen Schutz zu gewähren. Die Erstbeschwerdeführerin sei eine gesunde arbeitsfähige Frau mittleren Alters mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Die Pflege und Obsorge der minderjährigen BF2 und BF3 sei durch ihre Mutter gesichert. Die BF hätten in Österreich keine Verwandten und würden auch sonst mit keiner ihnen nahestehenden Person zusammenleben. Die BF seien mit einem für vierzehn Tage gültigen Touristenvisum in das Bundesgebiet eingereist, hielten sich seit rund einem Jahr im Bundesgebiet auf und würden ausschließlich von der Grundversorgung leben. Die BF1 absolviere eine bis Februar 2019 dauernde Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin und beherrsche die deutsche Sprache auf B2-Niveau. Die BF2 besuche die Volksschule und habe die dritte Schulstufe erfolgreich abgeschlossen. Die BF würden in ihrem Lebensumfeld über eine, sich aus dem Aufenthalt ergebende, soziale Vernetzung verfügen.
Die angeführten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts wurden der BF1 (gemäß § 11 Abs. 3 BFA-VG) am 22.07.2017 rechtswirksam zugestellt.
Die außerordentliche Revision dagegen wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.09.2017, Zl.: Ra 2017/18/0294-5, zurückgewiesen.
I.1.4. Folgeanträge der BF vom 04.12.2017 wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.04.2018 gemäß § 68 Abs. 1 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsyG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkt II.) und gemäß § 55 Abs. 1a festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt III.).
Mangels Anfechtung erwuchsen die Spruchpunkte I. dieser Bescheide in Rechtskraft. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte II. und III. dieser Bescheide wurden je mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (Zahlen: W192 2160621-21/11E, W192 21600625-2/10E, W192 2160618/10E) vom 28.12.2018 gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52, 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.
Eine außerordentliche Revision dagegen wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.03.2019, Zl.: Ra 2019/21/0044 bis 0046-5, zurückgewiesen.
I.1.5.1. Am 21.05.2019 stellte die BF1 für sich und ihre mj. Kinder (BF2 und BF3) weitere - gegenständliche - Anträge auf Gewährung von internationalem Schutz. Die BF1 brachte nun vor, dass sie im März 2019 den negativen Bescheid zur Kenntnis genommen habe und nach Georgien zurückkehren müsse. Ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie nicht nach Hause dürfe, weil noch Gefahr bestehe. Es gehe um Blutrache. Es seien mehrere Männer dagewesen, die nach ihr gefragt hätten, wo sie sich befinde. Einer davon sei der Bruder ihrer [verstorbenen] Schwägerin gewesen. Diesen Vorfall könne sie auch beweisen.
I.1.5.2. Den BF wurden mit Schreiben vom 23.05.2019 Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Abs. 3 AsylG zugestellt.
I.1.5.3. Am 05.06.2019 wurde die BF im Beisein Ihrer Rechtsberaterin und eines gewillkürten Vertreters durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Die BF führte aus, dass sie mehrere Schreiben erhalten habe. Es würden 5 Leute bestätigen, was im März 2019 in Georgien passiert sei. Konkret gehe es um Beweise, dass sie von der Familie ihrer Schwägerin bedroht und verfolgt werde. Die Schriftstücke seien ihr per Internet übermittelt worden. Vier der Schriftstücke habe sie vor 2 oder 3 Wochen erhalten. Eines der Schriftstücke habe ein Bekannter einer Nachbarin bei ihr vorbeigebracht.
Im Übrigen wiederholte sie das Fluchtvorbringen aus den Anträgen auf internationalen Schutz vom 28.02.2015 und vom 04.12.2017.
I.1.5.4. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.06.2019 erfolgte die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG.
Begründend legte das BFA im Wesentlichen dar, dass die BF angegeben habe, dass die alten Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien. Die Schriftstücke, die sie eingebracht habe, sollten beweisen, dass die Blutrache selbst im Jahr 2019 noch immer aktuell sei.
Im letzten Asylverfahren habe die BF angegeben, dass in Georgien immer noch Gefahren bestünden. Sie hätte Angst vor einer möglichen Blutrache.
Das BFA könne daher nur zum zwingenden Schluss kommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert sei. Es liege sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor.
Anzumerken sei noch, dass der Maßstab für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes § 12 a (2) [AsylG] lediglich eine Prognoseentscheidung sei und diese aufgrund des Vorbringens der BF1 eine voraussichtliche Zurückweisung bedinge, da keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts erkennbar sei, zumal Folgeanträge, wie sich aus den Bemerkungen des FRÄG ergebe, oftmals in rechtsmissbräuchlicher Weise gestellt worden seien, um die Effektuierung der Asylentscheidung zu verzögern bzw. zu verhindern.
Mangels Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts werde voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrages erfolgen.
Aufgrund der Feststellungen zur Lage im Herkunftsland der BF in Verbindung mit ihrem Vorbringen drohe ihnen keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben.
I.1.6. Die gegenständliche Rechtssache wurde der Gerichtsabteilung L529 mit Datum 07.06.2019 zugeteilt. Das vollständige Einlangen der zugehörigen Akten in der Außenstelle Linz (auch der Vorverfahren) wurde vom erkennenden Richter am 17.06.2019 bestätigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Die BF legten im Zuge des nunmehrigen Verfahrens auf internationalen Schutz handschriftliche Dokumente in georgischer Sprache (Briefe der Mutter der BF1, von Nachbarn und eines Bekannten einer Nachbarin - vgl. AS 133 - 141) vor. Diese Dokumente wurden einer Übersetzung nicht zugeführt. Ebenso erfolgte eine allenfalls marginale Befassung der bB mit diesen vorgelegten Dokumenten (vgl. AS 153, 154). Was diese Briefe konkret aussagen, wurde nicht erhoben, ebenso, von wem konkret die Briefe stammen und mit welchem Datum sie datiert sind.
Beweiswürdigende Überlegungen zu diesen Dokumenten fehlen - außer dem Satz, dass diese Schriftstücke, die die BF1 eingebracht habe, beweisen sollten, dass die Blutrache selbst im Jahr 2019 noch immer aktuell sei.
In der rechtlichen Beurteilung finden die von der BF1 vorgelegten Beweismittel keine Erwähnung mehr.
II.2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der oben festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Zu Spruchteil A)
Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:
II.3.2.
§12a (2) AsylG 2005 idgF:
"Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."
§ 22 (10) Asylg 2005 idgF:
"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."
"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
II.3.3. Zu den Voraussetzungen des § 12 a AsylG 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:
II.3.3.1. Eine der Voraussetzungen für die Aberkennung faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, dass "der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist". Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich (insbesondere wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen sein wird.
II.3.3.2.
"Siehe dazu die Erl zur RV 330 BlgNR XXIV. GP 11 ff des FrÄG 2009, auf das § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im Kern zurückgeht: "Abs. 2 regelt die Vorgangsweise bei Folgeanträgen nach [...] zurück- oder abweisenden Entscheidungen (§§ 3, 4, 8 und diesen Entscheidungen folgende Entscheidungen gemäß § 68 Abs. 1 AVG) und bestimmt, dass der faktische Abschiebeschutz eines Fremden in diesen Fällen während des laufenden Verfahrens zur Entscheidung über den Folgeantrag unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden kann. [...] Die Änderung des Sachverhalts hat sich in zeitlicher Hinsicht auf den zum Entscheidungszeitpunkt des vorigen Verfahrens festgestellten Sachverhalt zu beziehen. Die Z 2 stellt eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags dar. [...] Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 Abs. 1 AVG hat es sich um eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes zu handeln, was nur dann anzunehmen sein wird, wenn sich daraus voraussichtlich eine in den Hauptinhalten anders lautende Entscheidung ergeben würde. Naturgemäß bleibt der amtswegige Ermittlungsgrundsatz (in Zusammenschau mit den Mitwirkungspflichten des Asylwerbers gemäß § 15) aufrecht. Die Behörde hat ihre Entscheidung über die Aufhebung demgemäß auf die Ergebnisse des durch den Folgeantrag ausgelösten Ermittlungsverfahrens zu gründen."
II.3.3.3. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes kann freilich dazu führen, dass der Asylwerber trotzdem - vor der inhaltlichen Entscheidung über den Antrag - außer Landes gebracht wird und dass dies unter Umständen mit Folgen verbunden ist, vor denen das Asylrecht gerade schützen will. An eine solche Prognose sind daher strengere Maßstäbe anzulegen als in vergleichbaren Fällen (etwa der Beschleunigung eines Verfahrens gemäß § 27 Abs. 4 AsylG 2005 auf Grund der irrigen Prognose, der Asylantrag werde abzuweisen sein) (vgl. zuletzt den hg. Beschluss vom 27.10.2016, GZ W163 2137550-2).
II.3.3.4. § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt eine Prognoseentscheidung über eine vorausssichtliche Antragszurückweisung; die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl. die in Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, S 284, angeführten Gesetzesmaterialien zu § 22 BFA-VG). In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass das Bundesamt auch dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, den faktischen Abschiebeschutz nicht aufheben muss, sondern dass ihm das Gesetz ermessen einräumt (arg. "kann"); die Ermessensausübung ist im Bescheid zu begründen. In Frage werden bei der notwendigen Abwägung z. B. Umstände kommen wie jener, wie lange Zeit seit der Rechtskraft des Vorbescheides verstrichen ist, wenn der neue Antrag gestellt wird, oder wie häufig der Asylwerber Asylanträge stellt (vgl. unter vielen den hg Beschluss vom 4.7.2014, GZ L512 1422929-3).
Verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegen vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht. Als Vergleichsbescheid ist der Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Fremden (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 6.11.2009, Zl. 2008/19/0783, mwN).
II.3.3.5. Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts iSd § 12a AsylG beschränkt sich auf eine oberflächliche Prüfung des Vorbringens. Wie oben dargestellt kann eine behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung verpflichten; eine andere rechtliche Beurteilung darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein.
Die BF1 brachte im gegenständlichen neuen Asylverfahren vor, mehrere Männer hätten in Georgien nach ihr gefragt, einer davon sei der Bruder der [verstorbenen] Schwägerin gewesen und legte dazu fünf handschriftliche Schreiben in georgischer Sprache vor.
Die belangte Behörde führte dazu beweiswürdigend aus, dass die Schriftstücke, die sie eingebracht habe beweisen sollten, dass die Blutrache selbst im Jahr 2019 noch immer aktuell sei.
Eine nähere Befragung zum Inhalt der Schriftstücke fand nicht statt, eine Übersetzung erfolgte nicht. Die BF wurde auch nicht konkret dazu befragt, von wem die Schriftstücke im Einzelnen stammen. Was diese Briefe konkret aussagen, wurde nicht erhoben, ebenso, mit welchem Datum sie datiert sind.
II.3.3.6. Der belangten Behörde ist gegenständlich zuzustimmen, wenn sie das Vorbringen der Beschwerdeführerin dahingehend interpretiert, dass die neuerliche Antragstellung grundsätzlich auf der gleichen Bedrohungslage wie im ersten Verfahren beruht. Die Beschwerdeführerin legte jedoch Dokumente vor, wonach die Bedrohungssituation eine neue sein könnte. Dass sich die Behörde mit diesem Vorbringen bzw. den neuen Beweismitteln im erforderlichen Ausmaß auseinandergesetzt hätte, ist nicht ersichtlich. Eine Beweiswürdigung zu diesen Dokumenten ist - so vorhanden allenfalls marginal - jedenfalls aber antizipierend und damit unzulässig. Mit dem nunmehrigen Vorbringen der BF1 setzt sich die belangte Behörde für das erkennende Gericht unzureichend auseinander.
II.3.3.7. Es kann daher derzeit nicht hinreichend zuverlässig (im Sinne einer Grobprüfung des Vorliegens des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG) davon ausgegangen werden, dass der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Somit ist jedenfalls eine der drei Voraussetzungen, unter denen der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 leg. cit. aufgehoben werden darf, derzeit nicht erfüllt.
II.3.3.8. Festgehalten wird, dass die hier gegenständliche Entscheidung nicht abschließend über das Verfahren iSd § 68 AVG abspricht, sondern lediglich im Sinne einer Grobprüfung zum Ergebnis kommt, dass die Voraussetzungen aufgrund des nunmehrigen Vorbringens nicht von vornherein als zurückweisungsfähiges Vorbringen qualifiziert werden kann. Der mündlich verkündete Bescheid begnügt sich über weite Strecken damit, allgemeine Aussagen zum Vorbringen der BF zu treffen, substantiierte Ausführungen, warum das Bundesamt das nunmehrige ergänzte Fluchtvorbringen als unglaubwürdig erachtet, fehlen. Das Bundesamt wird in weiterer Folge Feststellungen iSd höchstgerichtlichen Judikatur zum sog. "glaubhaften Kern" (vgl. das bereits zitierte Erk. des VwGH vom 6.11.2009 bzw. das Erk. des VwGH vom 4.11.2004, Zl. 2002/20/0391, mwN) zu treffen haben.
II.3.3.9. Da auch im verkürzten Verfahren nach § 12a AsylG 2005 der amtswegige Ermittlungsgrundsatz (in Zusammenschau mit den Mitwirkungspflichten des Asylwerbers gemäß § 15 AsylG 2005) naturgemäß aufrecht bleibt (vgl. auch RV 330 XXIV. GP zu §12a Abs. 2 AsylG 2005), bedarf es sohin der weiter oben dargelegten ergänzenden Ermittlungen und Auseinandersetzung im Rahmen einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung.
II.3.3.10. Insofern kann das Bundesverwaltungsgericht im derzeitigen Verfahrensstadium - innerhalb des zur Verfügung stehenden und in mehrfacher Hinsicht eingeschränkten Beurteilungsspielraums - nicht abschließend beurteilen, ob das Verfahren nicht zuzulassen gewesen wäre und der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache jedenfalls zurückzuweisen sein wird.
II.3.3.11. Zudem ist aber auch nicht davon auszugehen, dass die Nachholung bzw. Ergänzung von Ermittlungen sowie die Vornahme einer abweichenden Beweiswürdigung von der Überprüfungskompetenz des Bundesverwaltungsgerichts nach § 22 Abs. 1 BFA-VG umfasst sind. Dagegen spricht allein schon der Umstand, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG untersagt ist, wobei auch die kurze Entscheidungsfrist der Nachholung entsprechender Ermittlungen in realiter entgegenstehen wird. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist somit - angesichts der Ermittlungsmängel und nicht aussagekräftigen Beweiswürdigung des Bundesamtes in Bezug auf die vorgelegten Beweismittel - nicht rechtmäßig und waren die Bescheide vom 05.06.2019 sohin aufzuheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.
Schlagworte
antizipierende Beweiswürdigung Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig Familienverfahren FolgeantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L529.2160625.3.00Im RIS seit
31.07.2020Zuletzt aktualisiert am
31.07.2020