TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/20 I408 2230275-1

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Veröffentlicht am 20.04.2020
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Entscheidungsdatum

20.04.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs3
FPG §70 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2230275-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Ungarn, vertreten durch RA Mag. Michael KATHREIN, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2020, Zl. 1137074200/190237959, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Über den Beschwerdeführer wurde am 12.02.2019 die Untersuchungshaft wegen des Verdachts des Suchtgifthandels verhängt. Mit Schreiben vom 11.03.2019 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) den Beschwerdeführer auf, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu äußern. Der Beschwerdeführer erstattete die entsprechende Stellungnahme nach Fristerstreckung mit Schriftsatz vom 17.04.2019.

2. Mit Erkenntnis des Landesgerichtes XXXX zu XXXX wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt, welche er aktuell verbüßt.

3. Am 06.02.2020 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

4. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 27.02.2020 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte der Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufgrund seiner langjährigen wiederholten Tatbegehungen im Bereich der Suchtmitteldelikte eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 02.04.2020 (eingelangt 06.04.2020) mit den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, auf Durchführung einer Beschwerdeverhandlung sowie auf Behebung des angefochtenen Bescheides. Hilfsweise strebt der Beschwerdeführer eine Verkürzung des Aufenthaltsverbotes an. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass aufgrund des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers sowie des hohen Integrationsgrades die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes unzulässig sei und der angefochtene Bescheid überdies keine nachvollziehbare Gefährdungsprognose enthalten würde.

6. Mit Schriftsatz vom 07.04.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 14.04.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Ungarn. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig, hat grundlegende Deutschkenntnisse und spricht Ungarisch als Muttersprache. Er besuchte in Ungarn zwölf Jahre lang die Schule und absolvierte anschließend ein Studium für Hoch- und Tiefbau.

Er hält sich seit Juni 2015 im Bundesgebiet auf und war bis zu seiner Verhaftung im Februar 2019 durchgehend als Arbeiter in einer Metzgerei tätig.

Mit Erkenntnis des Landesgerichtes XXXX vom 02.08.2019 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer mit Mittätern wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall und Abs. 4 Z 3 SMG sowie nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Verurteilung erfolgte im Wesentlichen wegen des Handels von Suchtgiften (Amphetamin und Kokain) in einem Zeitraum von Frühjahr 2017 bis 10.02.2019. Mildernd wertete das erkennende Gericht den Beitrag des Beschwerdeführers zur Wahrheitsfindung, erschwerend hingegen seine Vorstrafenbelastung aufgrund gleichartiger Verurteilungen in Ungarn, das Aufeinandertreffen mehrerer Verbrechen, seine Bestimmungstäterschaft sowie eine vielfache Überschreitung auch der 25-fachen Grenzmenge des § 28b SMG. Die Entscheidung erwuchs am 30.01.2020 in Rechtskraft. Der Nichtigkeitsbeschwerde seiner Lebensgefährtin wurde stattgegeben und das diesbezügliche Strafverfahren wird unter GZ XXXX wiederholt.

Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin, ebenfalls eine ungarische Staatsbürgerin, besteht seit acht Jahren und in Österreich lebten sie bis zu seiner Festnahme im Februar 2019 in einem gemeinsamen Haushalt.

Neben seiner Lebensgefährtin unterhält der Beschwerdeführer in Österreich soziale Kontakte zu 4-5 Familien sowie zu einer in XXXX lebenden Cousine. In Ungarn leben die Mutter, eine Schwester sowie ein guter Freund, zu welchen er auch in laufendem Kontakt steht. Aus erster Ehe hat der Beschwerdeführer einen volljährigen Sohn, welcher in den USA lebt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, in den bekämpften Bescheid sowie in den Beschwerdeschriftsatz.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sondern reines Rechtsvorbringen.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Verfahrensergebnisse, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seinen Sprachkenntnissen, seiner Schulbildung und seiner Arbeitsfähigkeit gründen sich auf die Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde (Einvernahmeprotokoll vom 06.02.2020). Seine Staatsangehörigkeit und seine Identität steht aufgrund der vorliegenden Identitätsdokumente (AS 259 f) zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zum Aufenthalt in Österreich und zu seiner Beschäftigung als Arbeiter beruhen auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde sowie der dazu übereinstimmenden Abfrage aus ZMR und SV.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 14.04.2020 und den im Akt aufliegenden Strafurteilen.

Die Feststellung zur Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers zu einer ungarischen Staatsbürgerin ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde sowie den Beschwerdeausführungen. Die Ausführungen zum strafgerichtlichen Verfahren gegen die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes zu GZ XXXX.

Die Feststellungen zu den sozialen und familiären Kontakten in Österreich und in Ungarn entsprechen seinen Angaben vor der belangten Behörde, den Feststellungen im angefochtenen Bescheid sowie dem Umstand, dass diese im Rahmen der Beschwerde nicht bekämpft wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger (§ 2 Abs. 4 Z 8 FPG) zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahme nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Bei einer Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 3 Z 1 FPG sogar unbefristet erlassen werden.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des oder der Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0234).

Aufgrund des vom Beschwerdeführer begangenen Verbrechens des Suchgifthandels in einem derart massiven Ausmaß wie im gegenständlichen Fall ist die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet. Das Ausmaß der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe beträgt mehr als das eineinhalbfache der in § 67 Abs. 3 Z 1 FPG festgelegten Grenze für die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots.

Auch die Art der Begehung und die Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten, die in den dazu ergangenen strafgerichtlichen Urteilen eindrucksvoll dokumentiert ist, sowie der lange Zeitraum der Begehung, zeugen unzweifelhaft von einer gravierenden kriminellen Energie des Beschwerdeführers und daraus ableitbaren hohen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Überdies war zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer laut eigenem Vorbringen (Stellungnahme AS 68, Einvernahme AS 149 sowie Beschwerdeschriftsatz) bereits in Ungarn wegen eines Suchtgiftdelikts zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Die genannten Gründe lassen jedenfalls eine Prognose für eine Tatwiederholung nicht als unbegründet erscheinen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Änderung des persönlichen Verhaltens trotz des bereits erlittenen Haftübels nicht stattgefunden hat, sodass eine (erneute) Rückfälligkeit nicht ausgeschlossen werden kann.

Zudem ist im Sinne einer Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere von Suchtgift- und Gewaltkriminalität, als sehr groß zu bewerten (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474).

Hinsichtlich dieser strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Das Aufenthaltsverbot greift in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ein. Daher ist eine einzelfallbezogene gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei sind zu seinen Gunsten sein knapp fünfjähriger rechtmäßiger inländischer Aufenthalt als Unionsbürger sowie die Beziehung zu seiner ebenfalls im Bundesgebiet aufhältigen Lebensgefährtin zu berücksichtigen. Letztere ist allerdings seit geraumer Zeit haftbedingt eingeschränkt und auch sein Aufenthalt ist schon durch sein strafbares Verhalten seit zumindest Frühjahr 2017 schwer belastet.

Es ist dem Beschwerdeführer jedenfalls zumutbar, sich trotz seiner mehrjährigen Abwesenheit wieder in die ungarische Gesellschaft einzugliedern, zumal er sprachkundig ist und bis zu seinem 47. Lebensjahr in Ungarn lebte, wo er seine Schulbildung und den Großteil seines Erwerbslebens absolviert hat. Zudem bestehen in Ungarn Anknüpfungspunkte zu seiner Mutter, seiner Schwester und einem guten Freund, wohingegen in Österreich nur die Lebensgefährtin als maßgebliche Bezugsperson vorhanden ist. Die Aufrechterhaltung der Beziehung zu seiner Lebensgefährtin wird dem Beschwerdeführer - ähnlich wie aktuell in der Haft - jedenfalls via Telefon, Brief oder Internet möglich sein. Des Weiteren steht dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin, welche ebenfalls ungarische Staatsbürgerin ist, jederzeit frei, ihre Beziehung nach Verbüßung der Haft in Ungarn fortzusetzen. Es sind anlassbezogen keine Umstände hervorgekommen oder behauptet worden, die einer Rückkehr auch der Lebensgefährtin entgegenstünden.

Bei Abwägung aller relevanten Umstände überwiegt das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich.

Die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer ist im Ergebnis aufgrund des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung, welches wegen des ihm vorzuwerfenden Verbrechens des Suchtgifthandels besonders groß ist, trotz der vorhandenen privaten und familiären Bindungen im Bundesgebiet nicht zu beanstanden. Bei so gravierenden Straftaten über einen längeren Zeitraum und daraus ableitbarer hoher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ist die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch gegen einen mehrjährig in Österreich befindlichen EWR-Bürger zulässig, weshalb gemäß § 67 Abs. 1 und 3 FPG die vorliegende Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des oder der Fremden in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn oder sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.

Im gegenständlichen Fall sind weder die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung noch die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs korrekturbedürftig. Aufgrund des von dem Beschwerdeführer begangenen Verbrechens und des unmittelbar anschließenden mehrjährigen Freiheitsentzugs ist seine sofortige Ausreise nach dem Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit jedenfalls notwendig. Dies führt auch dazu, dass ihm kein Durchsetzungsaufschub zu erteilen ist, zumal er die Vorbereitungen für seine Ausreise auch schon während des Strafvollzugs (insbesondere im Rahmen des Entlassungsvollzugs iSd §§ 144 ff StVG und von Ausgängen gemäß § 147 StVG) treffen und organisieren kann. Auch die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids ist somit abzuweisen.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu: Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen wirft keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf und richtet sich ausschließlich gegen die rechtliche Beurteilung. Der Sachverhalt ist aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde zweifelsfrei geklärt, zumal das Bundesverwaltungsgericht ohnedies von den Behauptungen des Beschwerdeführers zu seinen familiären und privaten Anknüpfungen im Inland ausgeht, sodass keine weiteren Beweise aufzunehmen waren.

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich trotz des Vorliegens einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im vorliegenden Fall auch keinen persönlicher Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten auch dann für den Beschwerdeführer kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).

Zudem liegt ein Verfahren nach § 18 BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, innert sieben Tagen zu entscheiden, es sei denn es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs 5 VFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall - wie oben dargelegt - aber nicht gegeben.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

aufenthaltsbeendende Maßnahme Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall Durchsetzungsaufschub Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2230275.1.00

Im RIS seit

31.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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