TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/29 I408 2162613-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2020
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Entscheidungsdatum

29.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2162605-1/37E

I408 2162628-1/41E

I408 2162618-1/38E

I408 2162607-1/37E

I408 2162613-1/37E

I408 2162615-1/37E

I408 2162621-1/37E

I408 2162625-1/37E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr: Harald NEUSCHMID über die Beschwerden von XXXX, geb. XXXX (BF1), XXXX, geb. XXXX (BF2), XXXX, geb. XXXX(BF3), XXXX, geb. XXXX, (BF4), XXXX, geb. XXXX (BF5), XXXX, geb. XXXX, (BF6), XXXX, geb. XXXX, (BF7) und XXXX, geb. XXXX, (BF8), alle StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.06.2017, Zl. XXXX, (BF1), ZI. XXXX, (BF2), ZI. XXXX, (BF3), ZI. XXXX, (BF4), ZI. XXXX, (BF5), ZI. XXXX, (BF6), ZI. |XXXX, (BF7), ZI. XXXX, (BF8), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.66

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrenshergang

Der Zweitbeschwerdeführer (BF2) und die Drittbeschwerdeführerin (BF3) sind die Eltern des Viertbeschwerdeführers (BF4, geb. XXXX), der Fünftbeschwerdeführerin (BF5, geb. XXXX), des Sechstbeschwerdeführers (BF6, geb. XXXX), der Siebtbeschwerdeführerin (BF7, geb. XXXX) und der Achtbeschwerdeführerin (BF8, geb. XXXX). Beim Erstbeschwerdeführer (BF1) handelt es sich um den Vater des Zweitbeschwerdeführers.

BF2 reiste im Juni 2015 alleine unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und gab am 04.06.2015 als Fluchtgrund an, schiitische Milizen hätten ihn bedroht, sollte er sich ihnen nicht anschließen. Diese hätten von seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit erfahren und aus Furcht um sein Leben sei er geflohen.

Im November 2015 folgten die anderen Familienmitglieder (B3 bis BF8) mit BF1, dem Vater von BF2.

BF1 gab am 09.11.2015 zusammengefasst an, dass seine Kinder wegen der Zusammenarbeit mit den Amerikanern 2005 bedroht wurden und deshalb mit seiner Familie den Irak verlassen musste. Während er mit seiner Ehefrau und drei seiner Söhne in Dubai lebte, sei sein Sohn BF2 wieder in den Irak zurückgekehrt. Er sollte bei den Milizen mitkämpfen und sei deshalb geflohen, weil er in Basra keine Überlebenschancen hatte. Er sei wegen seiner Enkelkinder vor 7 Monaten in den Irak zurückgekehrt.

BF3 gab bei ihrer Ersteinvernahme am selben Tag an, dass ihr Ehemann (BF2) schon vor 8 Monaten geflohen sei. Sie habe danach von Milizen Drohbriefe erhalten. Diese wären Schiiten und wollen sich an ihnen als Sunniten rächen. Sie habe Anzeige bei der Polizei erstattet und weitere Drohungen bekommen. Sie habe deshalb ihren Schwiegervater angerufen und ihn gebeten, zu ihnen zu kommen und in weiterer Folge sind sie gemeinsam über die Türkei zu ihrem Ehemann nach Österreich geflüchtet, vor allem, weil sie Angst hatte, dass ihre Kinder entführt oder getötet werden.

Am 16.05.2017 wurden die drei erwachsenen Beschwerdeführer (BF1, BF2 und BF3) niederschriftlich von Organen der belangten Behörde einvernommen.

Mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom 02.06.2017 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihnen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt.

Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit ho. Erkenntnis vom 23.10.2017 abgewiesen, welches mit Erkenntnis des VwGH vom 30.05.2018, Ra 2017/18/0481 bis 0488-11, wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften behoben wurden.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.06.2019 wurden die Verfahren dem erkennenden Richter zugewiesen.

Am 31.10.2019 fand im Beisein aller Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung statt.

Zur zweifelsfreien Abklärung der allgemeinen Lage im Irak im Hinblick auf die 5 minderjährigen Kinder der Familie sowie in Bezug auf die gesundheitliche Beeinträchtigung des 6-jährigen BF6, wurden Anfragen an die Staatendokumentation gestellt. Die beiden Anfragebeantwortungen zur Behandlung von autistischen Störungen sowie zum Zugang zum Bildungssystem für schulpflichtige Kinder in Bagdad wurden den Beschwerdeführern am 12.12.2019, wie in der mündlichen Verhandlung angekündigt, zum Parteiengehör übermittelt. Eine Stellungnahme dazu ist nicht ergangen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Verfahren von BF1 (Vater bzw. Großvater) wird mit den Verfahren von BF2 und BF3 (Eltern) und BF4 bis BF8 (Kinder) verbunden und die letzteren werden gemäß § 34 AsylG als Familienverfahren geführt.

Zum persönlichen Umfeld der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige und gehören der arabischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft an.

Die Identität der Beschwerdeführer steht fest. Die Beschwerdeführer tragen den im Spruch angeführten Namen und sind an dem angegebenen Datum geboren. Alle sind schlepperunterstützt, unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet eingereist.

BF1 hat 2006 mit seiner Familie, seine Ehefrau und seine vier Söhnen, darunter BF2 mit seiner Ehefrau BF3 und der ersten Tochter (BF8) den Irak verlassen und sich in Syrien bzw. in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine neue Existenz aufgebaut. BF2 ist mit seiner Familie 2012 bzw. 2013 wieder in den Irak zurückgekehrt, weil seine Geschäfte im Oman nicht so verliefen wie geplant. BF1 kehrte 2015 nur kurz in den Irak zurück, organisierte die Ausreise seiner Schwiegertochter sowie seiner Enkelkinder (BF3 bis BF8) und reiste mit diesen zu seinem schon in Österreich aufhältigen Sohn BF2.

Vier Schwestern des BF1 und Familienangehörige der BF3 leben in guten wirtschaftlichen Verhältnissen im Irak. BF1 lebte bis September 2015 in Dubai, wo sich derzeit seine Ehefrau und drei seiner Söhne aufhalten.

BF1 und seine Söhne waren und sind im Transportwesen bzw. im Handel mit Autos/Lkws unternehmerisch tätig, sei es im Irak, in Syrien oder in Dubai. Die Familie ist wohlhabend und gut situiert. So verdiente BF2 in Basra, wo er bei einer Firma für die Transportlogistik zuständig war, zwischen 5.000 und 6.000 Dollar monatlich.

Die Familie des BF2 blieb in der Nähe von Bagdad und wohnte im Umfeld von Angehörigen beider Familien. BF3 organisierte den Haushalt und betreute die Kinder, von den BF4 und BF8 bereits die Schule besuchten.

In Österreich leben die Beschwerdeführer in einer von der Caritas bereitgestellten Unterkunft und es stehen ihr zwei Zimmer zur Verfügung. Sie beziehen Leistungen der Grundversorgung, haben finanzielle Unterstützung von in Dubai lebenden Familienangehörigen erhalten und zur Bestreitung des Lebensunterhaltes hat BF3 auch Schmuck verkauft. In Österreich bestehen ansonsten keine anderen verwandtschaftlichen Bindungen

Die Beschwerdeführer bringen sich in ihrem Umfeld ein, nehmen an verschiedenen Projekten und Veranstaltungen teil und verfügen dadurch über soziale Kontakte. Die erwachsenen Beschwerdeführer sind erkennbar bemüht, über Kurse und persönliche Kontakte die deutsche Sprache zu erlernen und werden dabei von ihren Kindern unterstützt. Sie sind gesund und arbeitsfähig. BF1 und BF2 erbringen seit 2019 freiwillige Arbeitsleistungen für die Gemeinde, wollen arbeiten und sich in Österreich eine Existenz aufbauen. BF3 kümmert sich um die Familie, insbesondere um das behinderte Kind (BF6). Alle drei legen großen Wert auf eine gute Ausbildung der Kinder.

Bis auf BF6 sind alle Kinder gesund, besuchen die Schule, sind dort integriert und beherrschen die deutsche Sprache schon recht gut. Innerhalb der Familie wird überwiegend arabisch gesprochen.

BF6 benötigt nach einem Unfall im Juni 2016, als er in Österreich mit 2 1/2 Jahren in einen Swimmingpool fast ertrunken wäre, viel Aufmerksamkeit und Zuwendung. Seither leidet das Kind an Autismusspektrumsstörungen und weist einen allgemeinen Entwicklungsrückstand von ca. 21/2 Jahren. Besonders problematisch sind eine damit verbundene Zwangssymptomatik, die schlechte Impulskontrolle und die schlechte Autoregulation mit Schreianfällen. BF6 erhält einmal pro Woche therapeutische Behandlungen sowie an Medikamenten Risperidon.

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Es kann nicht festgestellt werden, dass BF2 bzw. dessen Familie (BF3 bis BF8) vor ihrer Ausreise von Milizen bedroht oder konkreten Verfolgungshandlungen ausgesetzt waren, sei es wegen ihrer Religionszugehörigkeit oder der Zusammenarbeit der Familie mit den Amerikanern in der Vergangenheit.

BF1, der Vater von BF2, war zudem seit 2006 nicht mehr im Irak aufhältig, kehrte nur für kurze Zeit zur Organisation der Ausreise der Familie seines Sohnes in den Irak zurück und war in dieser Zeit selbst keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat eine unmenschliche Behandlung droht oder sie aufgrund der allgemeinen Lage in eine existenzbedrohliche Lage geraten würden.

Zur Lage im Herkunftsstaat Irak

Die Sicherheitslage hat sich seit dem militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 erkennbar verbessert. Aktivitäten von Mitgliedern der IS, schiitischer Milizen oder sunnitische Stammesmilizen richten sich meistens gezielt gegen staatliche Institutionen und können, wie einzelne, gezielte Bombenabschläge nicht ausgeschlossen werden. Die im Länderbericht genannten Zahlen haben sich in den letzten Monaten auf einem Niveau eingependelt, sodass nicht mehr von einer völligen Schutzlosigkeit der betroffenen Bevölkerung ausgegangen werden kann. So wurden im Juli 2019 vom Irak-Experten Joel Wing im Gouvernement Bagdad 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 15 Toten und 27 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden 14 Vorfälle erfasst, mit neun Toten und elf Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 16.10.2019).

Auch die wirtschaftliche Situation hat sich in den letzten Jahren zunehmend stabilisiert und wird über nationale und internationale Hilfsprogramme zum Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur gestützt und weiter vorangetrieben.

Die Hälfte der irakischen Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Kinder waren und sind Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Sie sind nach Angaben der Vereinten Nationen in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind durch Gewaltakte gegen sie selbst oder gegen Familienmitglieder stark betroffen (AA 12.2.2018). Laut UNICEF machten Kinder im August 2017 fast die Hälfte der damals drei Millionen durch den Konflikt vertriebenen Iraker aus (USDOS 20.4.2018).

Die Grundschulbildung ist für Kinder, die die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird kostenfrei angeboten. Zudem ist das staatliche Bildungssystem in allen Stufen kostenfrei. Laut einer im Jahr 2018 UNICE-Umfrage besuchen in Bagdad 92,2% (93,3% in Zentral-Bagdad und 89,6% in den Randzonen) der Kinder die Grundschule; 92,1% (92,7% in Zentral-Bagdad und 90,6% in den Randzonen) der Buben und 92,2% (93,9% in Zentral-Bagdad und 88,6% in den Randzonen) der Mädchen. Diese Zahlen werden im Wesentlichen auch von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im September 2019 bestätigt (siehe dazu Anfragebeantwortung vom 11.12.2019).

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt (AA 12.2.2018). Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker, insbesondere in den Ballungsräumen, leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt.

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

Lt. IOM gibt es im Irak einige wenige Behandlungsmöglichkeiten für Kinder mit autistischen Störungen in staatlichen Krankenhäusern sowie in privaten Krankenhäusern. Dabei handelt es sich um spezielle Stationen innerhalb der Krankenhäuser, die nur ambulante Dienste für Diagnose und Behandlung anbieten. Diese sollte in staatlichen Krankenhäusern grundsätzlich kostenlos sein, in privaten Krankenhäusern werden pro ambulante Verhaltenstherapie (Behandlungsmethode) im Schnitt 300 bis 500 US-Dollar berechnet (siehe dazu Anfragebeantwortung vom 11.12.2019).

In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.2.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Einsicht genommen in die Verwaltungsakte der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführer vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in die bekämpften Bescheide, in den Beschwerdeschriftsatz, in das behobene Erkenntnis vom 02.06.2017, in die im Zuge des Verfahrens sowie im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen, in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und in die UNHCR-Erwägungen zum Irak. Weiters fand mit allen Beschwerdeführern am 31.10.2019 eine mündliche Verhandlung statt. In Bezug auf die minderjährigen Beschwerdeführer wurden ergänzende Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation eingeholt und ihnen im Wege des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.

2.2. Zum persönlichen Umfeld der Beschwerdeführer:

Die Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit und Religionszugehörigkeit ergeben sich aus den von den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren vorgelegten Dokumente. Daraus ergibt sich auch der Aufenthalt des BF1 in den Vereinigten Arabischen Emiraten bzw. in Dubai.

Die persönlichen und familiären Lebensumstände im Herkunftsstaat bzw. in den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie deren Emigration 2006 beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführer im Verfahren und in der mündlichen Verhandlung. So haben die erwachsenen Beschwerdeführer in ihren Befragungen übereinstimmend die guten wirtschaftlichen Verhältnisse der im Irak sowie in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebenden Angehörigen hervorgehoben. Das erschließt sich auch aus dem Umstand, dass BF3 mit ihren Kindern (BF-BF8) nach ihrer Rückkehr 2012 in der Umgebung von nahen Angehörigen gelebt und BF 2 bis zu seiner Ausreise monatlich zwischen 4.000 und 5.000 Dollar hat. Zudem haben die Beschwerdeführer von den in Dubai lebenden Söhnen von BF1 in Österreich finanzielle Unterstützungen erhalten und sind hier auch von einem Sohn besucht worden. Der Umstand, dass sich die Familie des BF1 nach ihrer Ausreise in Syrien bzw. den Arabischen Emiraten eine neue Existenz aufgebaut hat und BF2 mit seiner Familie 2012 bzw. 2013 in den Irak zurückgekehrt ist, weil seine Geschäfte im Oman nicht so verliefen wie erwartet, ist den Ausführungen von BF1 und BF2 entnommen.

Das Bemühen aller Beschwerdeführer sich in Österreich zu integrieren ist durch die vorgelegten Unterlagen, bei den Kindern vor allem die Schulzeugnisse, aber auch durch ihre Angaben, das Auftreten und den Eindruck in der mündlichen Verhandlung dokumentiert. Das betrifft die Wohnsituation in Österreich, die Abhängigkeit von Leistungen der Grundversorgung, die Ausübung von gemeinnützigen Arbeiten durch BF1 und BF2 und ihr Bestreben, in Österreich Arbeit zu finden bzw. auf wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen. Die schulischen Leistungen der Kinder sind über die vorgelegten Schulzeugnisse dokumentiert, ihre Deutschkenntnisse und das Interesse zu Lernen bzw. eine Ausbildung abzuschließen haben sie durch ihr Auftreten in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellt.

Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführer ist den eingeholten Strafregisterauszügen entnommen.

Die Feststellungen in Bezug auf das Krankheitsbild und die Betreuungserfordernisse von BF6 beruhen auf den vorliegenden medizinischen Unterlagen und Befunden, insbesondere der klinisch-psychologische Befund der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde vom 31.07.2019. Zudem konnte sich der erkennende Richter ein persönliches Bild in der mündlichen Verhandlung machen und auch feststellen, wie liebevoll sich alle Familienmitglieder um BF6 kümmern.

2.3. Zu den Fluchtvorbringen:

Vorweg ist anzuführen, dass die fünf Kinder (BF4 bis BF8) keine eigenen Fluchtgründe aufweisen.

Schon in den Bescheiden der belangten Behörde und im behobenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist ausführlich und umfassend dargelegt, warum aufgrund der dort aufgelisteten Unplausibilitäten und Widersprüchen das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer als nicht glaubhaft angesehen wurde.

Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert und dass diese Gründe objektivierbar sind. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen.

Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt.

In der Zusammenschau der drei Fluchtvorbringen und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist es den Beschwerdeführern nicht gelungen im Sinne dieser Judikatur eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft darzulegen.

So gab BF2, der als erster den Irak verlassen hatte, bei seiner Ersteinvernahme 2015 an, wegen drohender Verfolgung durch schiitische Milizen geflohen zu sein, weil er zu einer Zusammenarbeit mit ihnen nicht bereit war und sie erfahren hätten, dass er Sunnite sei. Aus diesem Fluchtgrund wurde in weiterer Folge eine Bedrohung aufgrund der früheren Zusammenarbeit mit den Amerikanern, welche ihn, seine Eltern sowie seine Brüder 2006 zur Ausreise veranlasst hatten. In seiner Einvernahme 2017 war dann der fluchtauslösende Vorfall ein überraschendes Eindringen von Unbekannten in seine Wohnung, wovon er telefonisch erfahren und deshalb Hals über Kopf Basra verlassen habe und zu seiner Familie nach Bagdad gefahren sei. Dort habe er wiederum telefonisch erfahren, dass Milizen ihn auch in der Firma suchen und darauf habe er am nächsten Tag den Irak verlassen.

Schon dieser elementare Widerspruch - Verfolgung nach vorangegangener Verweigerung einer Zusammenarbeit/Kooperation bzw. Entdeckung seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit und Bedrohung aufgrund der früheren Zusammenarbeit mit den Amerikanern belastet die Glaubwürdigkeit des BF2 schwer. Dazu konnte er auch in der mündlichen Verhandlung keine plausible Erklärung abgeben. Über Vorhalt führte er nur an, dass er die Details erst nachträglich erfahren habe und daher davon ausgegangen wäre, dass ihn die Milizen wegen den bei der Erstbefragung angegebenen Gründen gesucht hätten. Dabei übersieht er, dass er zu keinem Zeitpunkt eine vorangegangene Kontaktaufnahme wegen einer Aufforderung zur Mitarbeit angeführt oder einen Vorfall erwähnt habe, der seine sunnitische Glaubenszugehörigkeit offenbart hätte.

Damit ist aber auch der von ihm geschilderte Ablauf des fluchtauslösenden Vorfalles, er habe bei einem Abendessen überraschend erfahren, dass Milizen in seine Wohnung eingedrungen wären, er darauf am nächsten Tag nach Bagdad zu seiner Familie zurückgefahren sei, ihm der Firmeninhaber telefonisch mitgeteilt habe, dass ihn die Miliz suche und auch in der Fabrik nach ihm nachfragen, weshalb er einen Tag später den Irak verlassen habe, nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass sein Vater (BF1) in seiner Ersteinvernahme 2015 davon ausging, dass er gezwungen wurde mit den Milizen mitzukämpfen und auch noch 2017 auf die Frage, warum sein Sohn bedroht wurde, nur anführte: "Wir sind bekannt und im Süden haben sie dann erfahren, dass er Sunnite ist."

Selbst wenn die Familie durch ihre Zusammenarbeit mit den Amerikanern vor mehr als zehn Jahren noch immer derart stigmatisiert wäre, ist es nicht nachvollziehbar, dass BF2 bis BF8 unter ihrer tatsächlichen Identität seit 2012 bzw. 2013 unbeanstandet leben und BF2 beruflich seinen ureigensten Geschäften im Transportwesen nachgehen konnte. Auch BF1, der zum Schutz der Familie seines Sohnes in den Irak zurückgekehrt ist, konnte unter seinem, nach eigenen Angaben so bekannten Namen einreisen, mit der Familie seines Sohnes (BF2) nach Erstattung einer Anzeige noch fast zwei Monate (Anzeige Anfang September, Ausreise Ende Oktober) unbehelligt im Land bleiben, die entsprechenden Flüge buchen und offiziell wieder ausreisen. Auch der Umstand, dass alle anderen, im Irak lebenden Familienangehörigen gleichen Stammesnamens unbehelligt und in guten wirtschaftlichen Verhältnissen dort leben, spricht nicht für eine massive Verfolgung.

Eine Furcht oder Angst vor Entdeckung aufgrund der Vorfälle der Vergangenheit wurde selbst im Zusammenhang mit den Drohbriefen weder von BF3 noch von BF1 explizit genannt.

Aus den 2017 vorgelegten Kopien von Drohbriefen ist für die Beschwerdeführer ebenfalls nichts zu gewinnen. Unabhängig davon, dass es amtsbekannt ist, dass sich derartige Schreiben leicht beschaffen lassen, werden sie aufgrund des Inhaltes als nicht echt angesehen. So stellt sich die Frage, warum eine Miliz, die im Drohschreiben an die Firma den Aufenthaltsort des BF2 in Bagdad nennt und sich an ihm rächen will, nicht unmittelbar auf die dort lebende Familie zugreift wenn ihnen schon ihr Opfer entkommen ist, sondern seine Angehörigen drei Monate später Ende August 2015 nur schriftlich zum Verlassen des Hauses auffordert, und zwar in einer Form, wie es vielen anderen irakischen Asylverfahren entnommen werden kann (Drohung das Haus innerhalb einer Frist, im gegenständlichen Fall 72 Stunden, zu verlassen, weil es sonst niedergebrannt bzw. die Bewohner getötet werden, kein Datum, keine Unterschrift sowie unter Beischluss einer Patrone). Ebenso wird auf die darauf erfolgte Anzeige der Familie nicht reagiert, sondern zugelassen, dass alle den Irak knappe 2 Monate später verlassen können.

Die Drohungen gegenüber BF3 bis BF8 und die damit verbundene Abholung der Familie durch BF1 sind ebenfalls in sich inkonsistent und widersprüchlich. Das beginnt bei den unterschiedlichen Schilderungen, wie BF3 das Schreiben erhalten hat, wann und in welcher Form Anzeige erstattet wurde und wie lange sich BF1 tatsächlich im Irak aufgehalten hat. So gab BF1 bei der Ersteinvernahme am 09.11.2015 noch an, er sei wegen seiner Enkelkinder vor 7 Monaten in den Irak zurückgekehrt, das wäre dann Feber/März 2015 gewesen und damit noch vor dem fluchtauslösenden Vorfall seines Sohnes BF2. Erst in den Einvernahmen 2017 wurde die Einreise des BF1 auf September 2015, d.h. nach Erhalt des schriftlichen Drohbriefes Ende August 2015, verortet. BF3 sprach in der mündlichen Verhandlung letztendlich nur mehr von einer Drohung, die zur Anzeige führte, ein Umstand der im offenen Widerspruch zum vorgelegten Gerichtsschreiben ("Nachdem ich diesen Fund ignoriert hatte, wiederholte sich der Vorfall einige Tage danach, woraufhin ich mich an das gegenwärtige Gericht mit einer Klage wende") steht. Auch in Bezug auf das Gericht, bei dem Anzeige erstattet wurde, sind sich BF1 und BF3 uneinig (Alschab und Tadschi). Im Detail wird zudem auf die Ausführungen in den Bescheiden der belangten Behörde sowie des behobenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes verwiesen. Aufgrund all dieser Unstimmigkeiten erscheint auch der Ablauf der Fluchtgeschichte von BF2 in sich unstimmig und nicht plausibel.

BF1, der beim Aufenthalt 2015 im Irak seinen Angaben entsprechend keinerlei Verfolgungshandlungen ausgesetzt war, gelang es zudem nicht, eine massive Gefährdung seiner Familie wegen Ihrer Zusammenarbeit mit den Amerikanern vor mehr als 10 Jahren glaubhaft zu machen. Das beginnt bei den Verfolgungshandlungen, denen sie vor ihrer Emigration 2006 ausgesetzt waren und endet bei jenen, die zum Verlassen 2015 geführt haben.

So gab er in der Ersteinvernahme 2015 an: "Meine Kinder wurden 2005 bedroht ..... Ich war auch bedroht, weiß nicht von wem. Ich habe Drohbriefe bekommen. Die Kinder sollten entführt und getötet werden. Wir wurden als Verräter beschimpft. ..... Mein Sohn Walid wurde von Unbekannten geschlagen und gefoltert". Die nur in der Ersteinvernahme kurz angesprochene Bedrohung von BF2 wurde in weiterer Folge von BF1 nicht mehr genannt, obwohl diese von BF2 in der mündlichen Verhandlung als entscheidungswesentliches Erlebnis zumindest für sein Verlassen des Iraks angesehen wurde. In der Einvernahme 2017 führte er nachstehende Vorfälle an: "auf einen seiner Söhne wurde geschossen, er erhielt Nachrichten mit den Inhalten wie: "Du bist ein Verräter", sein Haus wurde beschossen und er musste von der Polizei aus der Gegend gebracht werden". Auf ergänzende Fragen führte er noch an, dass "er auch telefonisch bedroht und bei einem Einkauf mit seinem Motorrad beschossen wurde". In der mündlichen Verhandlung gab er auf die Frage, in welcher Form er verfolgt wurde an: "Einmal haben sie auf meinen Sohn Khaled geschossen und einmal haben sie versucht eine Bombe auf ihn zu werfen. Unter dem Auto haben sie diese Bombe angebracht. Die Bombe ist explodiert und hat den hinteren Teil des Lkws beschädigt" und auf die weitere Frage, was der Anlassfall für das Verlassen des Iraks war: "Wir sind überall bedroht worden."

Die massive Verfolgung seiner Familie versuchte BF1 auch damit zu belegen, dass auch drei Cousins, die ebenfalls mit den Amerikanern zusammenarbeiteten, getötet wurden. Im Gegensatz dazu waren es bei BF2 aber nur mehr zwei Cousins. Außerdem gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass 2019 einer ihrer im Irak abgestellten Lkws abgebrannt wurde, während BF2 nur wusste, dass seine Vertrauensperson, bei der er die Lkws zurückgelassen hatte, ihm 2019 nur mitgeteilt hatte, dass eine weiteres Belassen für ihn gefährlich werde. Das emotionslose Aufzählen unterschiedlicher Vorfälle, die hier in der Reihenfolge des Vorbringens dargestellt sind und die widersprüchlichen Steigerungen in den Vorbringen von BF1 und BF2 führen ebenfalls zu, dass die Gefährdung der Familie wegen einer Zusammenarbeit mit den Amerikanern vor über zehn Jahren als nicht glaubhaft anzusehen ist und nur dazu dient, ein weiteres Motiv für die Flucht aller Beschwerdeführer, insbesondere aber für BF1, darzulegen.

Obwohl die Ausreise 2006 im Anschluss an die Entführung ihres Ehemannes für BF3 ein einschneidendes Erlebnis gewesen sein musste (sie war erst seit kurzem Mutter, ihr Ehemann wurde entführt, musste im Spital behandelt werden, reiste, ohne seine Familie zu sehen mit einem Nachbarn nach Syrien und sie folgte erst später nach), wurde dieses Erlebnis von ihr nie als Beispiel für eine Gefährdung oder Bedrohung des BF2 vorgebracht. In der mündlichen Verhandlung wurde die überhaupt Entführung nicht erwähnt und sie war auch nicht in der Lage, den fluchtauslösenden Vorfall ihres Ehemannes (BF2) in Basra detailliert anzugeben ("Er wurde stark bedroht"). Emotionen waren nur erkennbar, wenn es ihre Kinder betraf oder ihre Situation nach der Ausreise ihres Mannes 2015 ("Ich war ganz alleine. Ich habe mich allein gefühlt. Ich hatte Angst, mein Haus zu verlassen").

Vor allem aber fehlten beim Vorbringen von BF1 und BF2 jegliche Emotionen und Furcht oder Angst waren den Aussagen in der mündlichen Verhandlung nicht zu entnehmen. Vielmehr spricht der angeführte Widerspruch in Bezug auf die Aufenthaltsdauer des BF1 im Irak, die frühere Ausreise von BF2 und das Nachfolgen der restlichen Familie drei Monate später für eine geplante Flucht, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Dieses Motiv ist auch der Ausreise der gesamten Familie des BF1 aus dem Irak 2006 (Aufbau einer neuen Existenz in Syrien bzw. den Vereinigten Arabischen Emiraten) und der Rückkehr der Familie des BF2 in den Irak 2012 (die Geschäfte des BF2 im Oman verliefen nicht wunschgemäß) zu entnehmen.

In Ergebnis ergeben sich keine tragfähigen Gründe für eine glaubhafte Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung.

4. Zur Lage im Herkunftsstaat Irak:

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat beruhen auf den im Vorfeld der mündlichen Verhandlung übermittelten Länderinformationsblatt zum Irak mit Stand 25.07.2019 sowie den dort angeführten Quellen und den UNHCR Erwägungen mit Stand Mai 2019, die in der mündlichen Verhandlung mit den Beschwerdeführern erörtert wurden. Im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Stellungnahme der Rechtsberatung wurden in Bezug auf die Behandlungsmöglichkeiten von Autismus-Erkrankungen sowie der Bildungsmöglichkeiten für Kinder im Irak ergänzende Anfragen an die Staatendokumentation gestellt, die den Beschwerdeführern im Wege eines Parteiengehörs übermittelt und unwidersprochen geblieben sind. Aus dem zwischenzeitlich aktualisierten Länderinformationsblatt zum Irak ergibt sich ebenfalls keine Veränderung entscheidungsrelevante Veränderung.

Die Behandlung der Autismusspektrumsstörungen des BF6 wird für die Eltern, wie auch in Österreich, herausfordernd bleiben, sie ist aber im Irak gegeben. Die diesbezüglichen Ausführungen der Anfragebeantwortung, insbesondere die dabei angeführten Quellen, blieben unwidersprochen. Gleiches gilt für das staatliche Schulsystem.

Es ist unstrittig, dass mit der Zentralregierung in Bagdad verbündeten schiitischen Milizen in ihren jeweiligen Einflussgebieten zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen haben und Misshandlungen sowie Diskriminierungen basierend auf Religionszugehörigkeit und konfessionelle Gewalt im Irak vorkommen. Die Überwindung religiöser Spannungen ist seit längerer Zeit eines der dominierenden Themen der irakischen Innenpolitik und der Politik der im Irak engagierten westlichen Staaten. Die allgemeine Lage hat sich, wie aus den, dem Länderinformationsblatt entnommen Fallzahlen ersichtlich, in den letzten Jahren insoweit stabilisiert, dass eine potentielle individuelle Gefährdung oder Bedrohung einzelner bzw. der Beschwerdeführer in besonderem mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht erkannt werden kann.

Im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der im Irak und außerhalb aufhältigen Familienangehörigen der Beschwerdeführer und ihren unternehmerischen Fähigkeiten, kann erwartet werden, dass sie, auch in wirtschaftlich nicht einfachen Zeiten, Wege und Mittel finden werden, um sich wieder im Herkunftsstaat eine Existenz aufzubauen.

Ebenso ist ein Fortkommen und die Ausbildung der Kinder (BF4 bis BF8), wie aus den beiden Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation ersichtlich, in einer vertretbaren und zumutbaren Form gewährleistet.

Die zwischenzeitlich weltweit bestehende Corona-Epidemie ist für alle davon betroffenen Staaten Herausforderung und zu bewältigen. Auch aus dem, dem Gericht vorliegenden "Iraq COVID-19 Report No. 1/2 vom 09.04.2020" der OCHA (www.unochra.org) sind keine besonderen, in Bezug auf die Beschwerdeführer zu berücksichtigende Verhältnisse erkennbar.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie in der Beweiswürdigung dargelegt erweisen sich die von den Beschwerdeführern geschilderten fluchtauslösenden Vorfälle als nicht glaubhaft und asylrelevante Fluchtgründe waren nicht feststellbar.

BF1 war selbst, während seines Aufenthaltes im Irak 2015, keinerlei Verfolgungshandlungen ausgesetzt und hatte auf seine Person bezogen keinen Grund für ein fluchtartiges Verlassen seines (früheren) Herkunftsstaates.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zum Status von subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr in den Irak mit existentiellen Nöten konfrontiert ist. Trotz der aktuell schwierigen Situation in Bagdad ist eine Rückkehr dorthin nicht automatisch mit einer Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte verbunden, zumal dort auch kein Bürgerkrieg mehr herrscht.

Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 sowie VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5). Derartige Umstände wurden von den erwachsenen Beschwerdeführern nicht dargelegt, zumal sie gesund und erwerbsfähig sind. Sie sind mit den örtlichen und sozialen Gegebenheiten vertraut, waren und sind in der Lage aufgrund ihrer Arbeitserfahrungen, unternehmerischen Fähigkeiten und den dort vorhandenen familiären Kontakten auch im Irak, gemeinsam mit ihren Kindern, wieder Fuß zu fassen. Auch aus den Länderberichten und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung ist nicht zu entnehmen, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose oder lebensbedrohliche Situation geraten,

Die Beschwerden waren daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. der angefochtenen abzuweisen.

3.3. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.):

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in den Beschwerden auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war den Beschwerdeführern daher nicht zuzuerkennen.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das BFA einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne von Artikel 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. grundlegend VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Es besteht ein großes öffentliches Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Das verlangt von Fremden grundsätzlich, dass sie nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Bundesgebiet wieder verlassen (vgl. VwGH 26.6.2013, 2013/22/0138).

Dass die Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten sind, vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (z.B. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0058, mwN). Liegt - wie im gegenständlichen Fall - eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0049, mwN).

Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des VwGH regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 10.4.2019 Ra 2019/18/0049, mwN).

Im gegenständlichen Fall verfügen die Beschwerdeführer über ein gemeinsames Familienleben in Österreich. Da alle Familienmitglieder von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind, greift die Entscheidung nicht in das Familienleben ein (EGMR, 9.10.2003, 48321/99, Slivenko gg Lettland; EGMR, 16.6.2005, 60654/00 Sisojeva gg Lettland).

Zu prüfen ist damit ein etwaiger Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführer. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

Die Beschwerdeführer halten sich noch keine bzw. in Bezug auf BF2 knapp fünf Jahre im Bundesgebiet auf und damit nicht derart lange, dass daraus automatisch von einem Überwiegen ihrer privaten Interessen an einem Aufenthalt in Österreich auszugehen wäre.

Eine besondere Aufenthaltsverfestigung hat sich im Verfahren nicht ergeben. Die erwachsenen Beschwerdeführer haben zwar Deutschkurse besucht und es ist ein Bemühen am Erlernen der deutschen Sprache sowie ein Interesse an einem Verbleib in Österreich erkennbar. Ihr persönliches Umfeld, in das sie sich auch aktiv einbringen, ist aufgrund der Unterbringung im Bundesgebiet durch Personen mit Migrationshintergrund geprägt und es haben sich in den letzten Jahren nur wenige persönliche Kontakte zu Österreichern sowie zur österreichischen Kultur und Mentalität ergeben. Die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit sind trotz der Bemühungen von BF1 und BF2 (freiwillige Mitarbeit in der Gemeinde) und ihrer Bereitschaft, jede Arbeit zu übernehmen sowie ihrer unternehmerischen Fähigkeiten einzubringen, derzeit nicht gegeben.

Auf der anderen Seite sind die erwachsenen Beschwerdeführer mit den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen im Irak vertraut, beherrschen die Sprache des Herkunftslandes und es ist davon auszugehen, dass sie sich bei einer Rückkehr- auch mit Unterstützung der dort lebenden Familienangehörigen -wieder, wie bereits 2012, eine Existenz aufbauen werden.

Das gilt auf für BF1, für den die Bestimmungen des Familienverfahrens nicht zum Tragen kommen und auch ein Aufenthalt in Dubai bei seiner Ehefrau und den Familien seiner drei dort lebenden Söhne in Frage kommt.

Im Hinblick auf die fünf minderjährigen BF4 bis BF8 ist gesondert zu prüfen, inwiefern das Kindeswohl einer Rückkehrentscheidung entgegensteht. Denn soweit Kinder von einer Ausweisung betroffen sind, sind nach der Judikatur des EGMR die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (Hinweis Urteile des EGMR vom 18. Oktober 2006, Üner gegen die Niederlande, Beschwerde Nr. 46410/99, Randnr. 58, und vom 6. Juli 2010, Neulinger und Shuruk gegen die Schweiz, Beschwerde Nr. 41615/07, Randnr. 146). Maßgebliche Bedeutung hat der EGMR dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter ("adaptable age"; Hinweis Urteile des EGMR vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie und andere gegen Norwegen, Beschwerde Nr. 265/07, Randnr. 66, vom 17. Februar 2009, Onur gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 27319/07, Randnr. 60, und vom 24. November 2009, Omojudi gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 1820/08, Randnr. 46; siehe dazu auch das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2007, Zlen. 2006/01/0216 bis 0219) befinden (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070).

Wie sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer im Administrativ- und im Beschwerdeverfahren ergab, waren Unterbringung, Versorgung und Schulbildung der Kinder im Irak bis zu ihrer Ausreise 2015 gesichert und es darf auch im Falle einer Rückkehr als gesichert angenommen werden.

Es kann auch nicht von einer vollkommenen kulturellen und sozialen Entwurzelung ausgegangen werden, zumal sie bis auf den 2014 geborenen BF6 prägende Jahre ihrer Kindheit im Irak verbracht haben und auch die arabische Sprache beherrschen. Die Kinder weisen, wie in der mündlichen Verhandlung festgestellt, in Österreich ein alterstypisches privates Umfeld auf und sprechen, abgesehen von BF6 - aufgrund ihrer Schulbesuche ausreichend Deutsch. Eine allfällige sonstige tiefgreifende Verfestigung der minderjährigen Kinder im privaten Umfeld, in der Schule oder einer sonstigen Institution oder Verein liegt nicht vor. Dafür, dass den minderjährigen Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr ein Einstieg in das irakische Bildungssystem verwehrt wäre, gibt es keine Anhaltspunkte. Im Irak gilt bis zur sechsten Schulstufe die Schulpflicht und der Schulbesuch ist kostenlos. Dahingehend ist anzumerken, dass die Beschwerdeführer noch ein Alter aufweisen, in dem sie durchaus noch anpassungsfähig sind. Bis auf BF6 haben zudem schon alle Kinder einmal eine Übersiedlung in ein anderes Land und die damit verbundenen Umstellungen mitgemacht. Es sollte ihnen daher im Falle ihrer Rückkehr möglich sein, sich wieder rasch in die Kultur, Gebräuche und Gewohnheiten ihres Herkunftslandes einzufinden und dass sie sich in ihrer Wohngegend und der Schule einen Freundeskreis und soziale Anknüpfungspunkte aufbauen. In einer Gesamtschau spricht daher auch das Kindeswohl nicht gegen die Rückkehr der minderjährigen Beschwerdeführer in den Irak, zumal auch die bei BF6 vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen dort einer entsprechenden medizinischen Behandlung zugeführt werden können.

Die Voraussetzungen eines internationalen Schutzes nach dem AsylG sind nicht gegeben und die Beschwerdeführer halten sich nach einem geplanten, unter Umgehung der Grenzkontrollen vorgenommen Einreise illegal im Bundesgebiet auf und verfügen über kein Aufenthaltsrecht.

Vor diesem Hintergrund überwiegen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, im vorliegenden Fall die privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib in Österreich.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Artikel 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 kommt daher ebenfalls nicht in Betracht.

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl dazu etwa VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 - 0062). Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Die von der belangten Behörde erlassene Rückerentscheidung erweist sich somit als gesetzmäßig und die Beschwerde war auch zu Spruchpunkt III abzuweisen.

3.4. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige besondere Umstände vom den BF nicht behauptet und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Der Vollständigkeitshalber wird auf die gemäß § 1 Abs. 1 iVm § 6 Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes, BGBl. I Nr. 16/2020, vorgesehene Unterbrechung von Fristen hingewiesen.

Damit ist die Frist für die freiwillige Ausreise bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen, beginnt mit 01.05.2020 neu zu laufen und wird letztendlich auch von der Öffnung der Grenzen abhängen.

Hinsichtlich der aktuellen Corona-Pandemie ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass die Durchführung einer allfälligen zwangsweisen Rückführung der belangten Behörde obliegt. Diese hat (kurzfristig geänderte) Umstände entsprechend zu berücksichtigen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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