TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/14 I422 2230792-1

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Veröffentlicht am 14.05.2020
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Entscheidungsdatum

14.05.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs3
FPG §70 Abs3
StGB §127
StGB §128 Abs1
StGB §129
StGB §130 ersterFall
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I422 2230792-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Litauen, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2020, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

In Folge einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung erließ die belangte Behörde mit verfahrensgegenständlichem Bescheid über den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte ihm kein Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte sie einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot zugleich die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.).

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Zweck der Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht in der Begehung strafbarer Handlungen, sondern im Besuch seiner in XXXX lebenden Mutter gelegen sei. Zu ihr pflege er ein sehr enges Verhältnis und wolle er auch in Zukunft in der Lage sein, sie besuchen zu können. Er verfüge daher über ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK und werde der mit gegenständlichem Bescheid ausgesprochene Eingriff in sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch den Eingriffsvorbehalt nicht abgedeckt. In Bezug auf die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung brachte der Beschwerdeführer vor, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr einer Verletzung des Artikel 8 EMRK bedeute.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist litauischer Staatsangehöriger und somit EWR-Bürger bzw. Unionsbürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer reiste (spätestens) am 17.01.2020 von Amsterdam kommend über den Flughafen XXXX in das Bundesgebiet ein. Er wurde am selben Tag von Beamten der Landespolizeidirektion Niederösterreich festgenommen. In weiterer Folge verbrachte der Beschwerdeführer die Zeit vom 18.01.2020 bis 17.04.2020 in der Justizanstalt XXXX, der Justizanstalt XXXX und der Justizanstalt Klagenfurt. Seit 05.05.2020 ist der Beschwerdeführer mit Hauptwohnsitz in der E[...]gasse, XXXX gemeldet. Es liegt keine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 Abs. 1 NAG vor und ist zudem auch keine Berufstätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich gegeben.

Der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers befindet sich in Litauen. Er absolvierte dort eine rund zwölfjährige Schulbildung und arbeitet anschließend in der Baubranche, wo er monatlich rund 1.200 Euro ins Verdienen bringt. Der Beschwerdeführer lebt in einer Lebensgemeinschaft und entstammt aus dieser eine sechsjährige Tochter. Mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter wohnt der Beschwerdeführer in Vilnius. Der Vater des Beschwerdeführers lebt ebenfalls in Vilnius.

Im österreichischen Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner seit Ende Juli 2012 in XXXX wohnhaften Mutter. Sonstige berücksichtigungswürdige sprachliche, private oder soziale Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers liegen nicht vor.

Der Beschwerdeführer wurde am 17.01.2020 im Bundesgebiet festgenommen und in weiterer Folge am 18.01.2020 wegen des dringenden Tatverdachtes des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 103 Abs. 1, erster Fall StGB in die Justizanstalt XXXX eingeliefert, wo über ihn mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 19.01.2020, XXXX die Untersuchungshaft verhängt wurde. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 13.02.2020, XXXX, wurde der Beschwerdeführer im Bundesgebiet rechtskräftig wegen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 2 Z 1, 130 Abs. 1, erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der der Dauer von einem Jahr, davon neun Monate bedingt, und einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 13.01.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen das über ihn verhängte Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Der Beschwerdeführer zeigt sich ausreisewillig und ist für den Beschwerdeführer am Montag, dem 18.05.2020 ein Sitzplatz im Direktflug von XXXX nach XXXX gebucht.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des bekämpften Bescheides und seinen Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR) und des Strafregisters eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellung zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere seiner Identität ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Durch eine dort einliegende Kopie seines Reisepasses ist die Identität des Beschwerdeführers belegt.

Aus der Einsichtnahme in den Anlassbericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 17.01.2020 und in das ZMR gründen die Feststellungen über die Einreise und den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Eine Anmeldebescheinigung liegt weder im Verwaltungsakt ein bzw. wurde sie bislang nicht vorgelegt. Dass er in Österreich bislang nicht berufstätig war, ist durch einen Auszug des Sozialversicherungsträgers belegt und wurde dies als solches auch nicht bestritten.

Die Feststellungen zu seiner familiären und privaten Situation - insbesondere, dass sich sein Lebensmittelpunkt in Litauen befindet, seine Lebensgefährtin, die gemeinsame Tochter und auch sein Vater dort wohnhaft sind und er dort beruflich und sozial verfestigt ist - gründet auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben in seiner Stellungnahme vom 22.01.2020. Aus der Einsichtnahme in das ZMR ist ebenfalls belegt, dass die Mutter des Beschwerdeführers seit Juli 2012 in XXXX wohnhaft ist und er somit über familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt. Aus dem Verwaltungsakt ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer Deutsch spricht. Zudem erfolgte die Strafverhandlung des Beschwerdeführers unter Beiziehung einer Dolmetscherin für Litauisch. Berücksichtigt man den Umstand, dass der Beschwerdeführer bis zu seiner Festnahme und Überstellung in die Justizanstalt über keinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet verfügte und er die Zeit seit seiner Festnahme am 17.01.2020 in österreichischen Justizanstalt verbrachte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er private und soziale Integration im Bundesgebiet erfahren hat und wurde derartiges auch nicht behauptet. Aus der Gesamtbetrachtung der vorangegangenen Ausführungen resultiert die Feststellung, dass somit keine sonstigen berücksichtigungswürdigen sprachlichen, privaten oder sozialen Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vorliegen.

Die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch ein österreichisches Strafgericht gründet einerseits aus der Einsichtnahme in das Strafregister des Beschwerdeführers sowie aus dem sich im Verwaltungsakt befindlichen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 13.02.2020 zur Zahl 94 Hv 35/18g.

Der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 13.01.2020, Zl. XXXX liegt im Verwaltungsakt ein.

Dass der Beschwerdeführer freiwillig ausreisewillig ist und für ihn ein Rückflug gebucht ist, leitet sich aus der im Verwaltungsakt befindlichen Korrespondenz des IOM vom 27.04.2020 samt ersichtlicher Buchungsbestätigung ab.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet eine strafgerichtliche Verurteilung auf. Er wurde rechtskräftig wegen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 2 Z 1, 130 Abs. 1, erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr, davon neun Monate bedingt, und einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Mildernd wertete das Strafgericht bei der Strafbemessung das reumütige Geständnis des Beschwerdeführers und seinen bisher ordentlichen Lebenswandel, erschwerend hingegen die Tatwiederholungen.

Das strafrechtlich relevante Verhalten des Beschwerdeführers stellt jedenfalls ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten dar, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewalt- und Eigentumskriminalität besteht (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043; 22.11.2017, Ra 2017/19/0474 ua.).

Nachdem im gegenständlichen Fall eine Aufenthaltsdauer von zehn Jahren nicht vorliegt, kommt nicht der erhöhte, sondern der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S 2 FPG, wonach für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eine aktuelle, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefordert wird, zur Anwendung.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Bereits die belangte Behörde hat das ausgesprochene Aufenthaltsverbot nicht (bloß) auf die Tatsache seiner Verurteilung und der daraus resultierenden Strafhöhe, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist, (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603; VwGH 22.11.2012, 2012/23/0030) sowie unter Würdigung des individuellen, vom Beschwerdeführer seit Dezember 2019 durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Dabei hob sie besonders hervor, dass der Beschwerdeführer äußerst organisiert vorging und ihm sein strafwürdiges Verhalten bewusst war. Ebenso verwies die belangte Behörde darauf, dass es dem Beschwerdeführer darauf ankam möglichst große Beute zu erlangen und sich dadurch eine Finanzierung seines Lebensunterhaltes zu verschaffen. In ihrer Prognoseentscheidung ging die belangte Behörde davon aus, dass aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Beschwerdeführers mit einer Fortsetzung zu rechnen ist. Hinsichtlich der Höhe des Aufenthaltsverbotes ließ die belangte Behörde in ihrer Entscheidung die bedingte Verurteilung des Beschwerdeführers miteinfließen.

Zunächst schließt sich das erkennende Gericht den Ausführungen der belangten Behörde vollinhaltlich an und kommt es aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers und des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der Gefährdungsprognose ebenso zur Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer permanent eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche ein Aufenthaltsverbot zu rechtfertigen vermag. Dem Beschwerdeeinwand, wonach die Feststellung der belangten Behörde, dass der einzige Zweck der Einreise des Beschwerdeführers in der Begehung strafbarer Handlungen und der daraus resultierenden unrechtmäßigen Bereicherung gelegen sei, unrichtig sei und er vielmehr wegen seiner Mutter nach Österreich gekommen sei, vermag zunächst durchaus plausibel sein. Allerdings ändert dies nichts an der Tatsache, dass der Beschwerdeführer diesen Besuch offenbar zur Umsetzung seiner kriminellen Energien nutzte. Des Weiteren sprechen auch der vom Landesgericht für Strafsachen XXXX mit Gerichtsurteil vom 13.02.2020 festgestellte Sachverhalt, wonach der Beschwerdeführer die Taten am 08.12.2012 (sic!) und im Zeitraum vom 05.12.2019 bis 17.01.2020 in mehreren Wellen verübte und auch die Tatsache, dass die Diebstähle mit mehreren (bislang unbekannten) Mittätern begangen wurden und sie somit einen hohen Organisationsgrad aufweisen, dafür, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet primär der Begehung strafbarer Handlungen diente und der Besuch seiner Mutter tendenziell nachrangig war. Wie bereits die belangte Behörde vollkommen zutreffend ausführte, zielen das äußerst organisierte Vorgehen und die Fokussierung auf höherwertiges Diebesgut auf die Verschaffung einer beträchtlichen fortlaufenden Einnahme zur Finanzierung des Lebensunterhaltes ab, was im Strafurteil mit der festgestellten Deliktsqualifikation des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls seinen Niederschlag fand. Im gegenständlichen Fall kommt eben jenem Aspekt der Gewerbsmäßigkeit große Bedeutung zu. Gerade die in der gewerbsmäßigen Tatbegehung gelegene Tendenz des Fremden, sich durch die wiederkehrende Begehung einer strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu sichern, stellt für sich eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (vgl. VwGH 24.05.2005, 2002/18/0289). Die Gewerbsmäßigkeit weist allerdings in Zusammenschau mit dem äußerst organisierten Vorgehen und die Fokussierung auf höherwertiges Diebesgut auch dahingehend Relevanz auf, da sich daraus eine Wiederholungsgefahr ableiten lässt (vgl. VwGH 27.01.2010, 2009/21/0404). Sein Verhalten weist eindeutig auf seine mangelnde Rechtstreue gegenüber der österreichischen Rechtsordnung hin und bringt er dadurch seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck.

Der Beschwerdeführer wurde am 17.04.2020 aus der Strafhaft entlassen, sodass die Zeit noch zu wenig weit fortgeschritten ist, um ihm einen allenfalls gegebenen positiven Gesinnungswandel zu attestieren (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276).

Die gemäß § 9 BFA-VG vorzunehmende Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen kann nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen. Der Beschwerdeführer hat seinen Lebensmittelpunkt in Litauen und war bis zu seiner Festnahme am 17.01.2020 nicht in Österreich gemeldet. Er weist erst aufgrund seiner Inhaftierung am 18.01.2020 (Neben)Wohnsitze bei mehreren österreichischen Justizanstalten auf bzw. meldete er sich nach seiner Haftentlassung vom 17.04.2020 am 05.05.2020 mit Hauptwohnsitz bei seiner Mutter an. Ohne Zweifel verfügt der Beschwerdeführer durch seine seit Juli 2012 in XXXX lebende Mutter über familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich. In weiterer Folge war zu prüfen, ob die familiäre Verbindung eine besondere Schutzwürdigkeit aufweist. Derartiges kann jedoch - auch wenn der Beschwerdeführer im Beschwerdeschriftsatz unsubstantiiert darauf verweist, dass er ein enges Verhältnis zur Mutter pflegt - nicht erkannt werden. So hat der Beschwerdeführer seinen Lebensmittelpunkt in Litauen, wo auch seine Kernfamilie, bestehend aus seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter, leben. Ebenso ist sein Vater in Litauen wohnhaft. Eine emotionale, soziale oder aber auch eine finanzielle Abhängigkeit der Mutter bzw. des Beschwerdeführers zur Mutter wurde weder in der Stellungnahme, noch im Beschwerdeschriftsatz behauptet und ergaben sich diesbezüglich auch keinerlei Anhaltspunkte aus dem Verwaltungsakt. Zwar führt der Beschwerdeführer in seinem Beschwerdeschriftsatz aus, dass er ein enges Verhältnis zu seiner Mutter pflege und dass er sie auch in Zukunft in Österreich besuchen wolle, allerdings lässt sich daraus keine nähere Dringlichkeit oder Notwendigkeit dieser Besuche ableiten und wird als solches auch nicht behauptet. Ungeachtet dessen wird der Kontakt zu seiner Mutter nicht vollkommen unterbunden oder verunmöglicht. So steht es dem Beschwerdeführer einerseits frei mit seiner Mutter den Kontakt über Telefon und sonstigen Kommunikationsmitteln aufrecht zu halten. Zudem steht es der Mutter andererseits offen in ihren Herkunftsstaat Litauen zu reisen und dabei ihren Sohn zu besuchen. Dem Beschwerdeeinwand, wonach er auch hinkünftig noch in der Lage sein wolle, seine Mutter "in Österreich" besuchen zu können, ist entgegen zu halten, dass allfällige Konsequenzen des Aufenthaltsverbotes - wie mögliche zeitweilige Trennung von seinen Angehörigen - im großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Eigentumsdelikten in Kauf zu nehmen sind (vgl. VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0054). Darüber hinaus ist eine sprachliche, private oder soziale Verfestigung des Beschwerdeführers in Österreich de facto nicht gegeben. Daher kann auch dem Beschwerdeeinwand, wonach das Aufenthaltsverbot nicht vom Eingriffsvorbehalt abgedeckt werde, nicht gefolgt werden.

Angesichts des zuvor aufgezeigten und in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig und zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer) auch dringend geboten ist.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen, privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl. VwGH 06.12.2019, Ra 2019/18/0437).

Was die Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, erscheint diese angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers keineswegs als zu lang. Die belangte Behörde hat sich am mittleren Bereich der gesetzlich möglichen Dauer orientiert. Dahingehend ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer eine kriminelle Vergangenheit aufweist. Er bestätigte selbst, dass er aufgrund strafrechtlich relevanten Verhaltens bereits in Litauen vor Gericht stand und dies vor rund vier Jahren im Jahr 2016 gewesen sei. Das zeigt, dass der Beschwerdeführer aus seinem Fehlverhalten nicht gelernt hat, ihm die österreichische Rechtsordnung zudem offenbar gleichgültig ist und ihn vorangegangene Verurteilungen offensichtlich nicht von der Begehung weiterer Straftaten (nunmehr) im österreichischen Bundesgebiet abhalten. Zudem bleiben auch die professionelle sowie organisierte Vorgehensweise und das Zusammenwirken mit (bislang) unbekannten Mittätern nicht unberücksichtigt. Auch fließt in der Bemessung der Höhe die Straferschwernis der Tatwiederholungen mit ein. Sehr wohl lässt das erkennende Gericht nicht außer Acht, dass die Höhe der strafgerichtlichen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr, davon neun Monate bedingt und einer Probezeit von drei Jahren lediglich etwa ein Drittel der strafgerichtlichen Höchststrafe umfasst, ein Teil der Strafe bedingt nachgesehen wurde und sein bisheriger ordentlicher Lebenswandel und sein reumütiges Geständnis als strafmildernd berücksichtigt wurden. Allerdings steht die Höhe des Aufenthaltsverbotes mit dem konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftat in Verbindung mit den vorangegangenen Ausführungen zur kriminellen Vergangenheit des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat, der professionellen, organisierten und gemeinschaftlichen Vorgehensweise und seinem in Österreich gesetzten Verhalten sowie seiner daraus ableitbaren, gleichgültigen Einstellung der österreichischen Rechtsordnung gegenüber im Einklang. Aufgrund dieser Überlegungen und im Hinblick auf generalpräventive Gesichtspunkte war das Aufenthaltsverbot in der Dauer von sechs Jahren nicht zu beanstanden und ist eine darunterliegende Dauer eines Aufenthaltsverbotes wegen des Gewichts des deliktischen Handelns des Beschwerdeführers nicht denkbar.

Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Wie die umseitigen Ausführungen zeigen, geht vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus und hat er anhand seines Gesamtfehlverhalten unzweifelhaft gezeigt, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es ist der belangten Behörde daher beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG sind somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen war.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Den Umfang der Verhandlungspflicht aufgrund dieser Bestimmung umschrieb der Verwaltungsgerichtshof in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, worin die Kriterien für die Annahme eines geklärten Sachverhaltes folgendermaßen zusammengefasst wurden (vgl. zum grundrechtlichen Gesichtspunkt auch VfGH 14.03.2012, U 466/11, U 1836/11, betreffend die inhaltsgleiche Bestimmung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005): "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."

Auch unter Berücksichtigung der vom VwGH immer wieder postulierten Wichtigkeit (jüngst wieder VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0200) der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, stellt sich der vorliegende Fall nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes als eindeutiger Fall dar, in dem bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten wäre, wenn sich das Verwaltungsgericht - im vorliegenden Fall erneut - von ihm einen persönlichen Eindruck verschaffen würde (VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0068, Rn. 12).

Da für das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall die diesbezüglichen Voraussetzungen gegeben sind und sich insbesondere aus den Ausführungen der Beschwerde kein Hinweis auf die Notwendigkeit ergab, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern, wurde von einer Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Angelegenheit setzte sich das erkennende Gericht ausführlich mit der Thematik der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0054; 22.08.2019, Ra 2019/21/0091; 19.12.2019, Ra 2019/21/0276; ua.) auseinander. Dabei weicht die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsprechung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2230792.1.00

Im RIS seit

31.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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