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82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Keine Bedenken gegen §1 COVID-19-MaßnahmenG im Hinblick auf Art18 Abs2 B VG; hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für die Festlegung von Betretungsverboten für Betriebsstätten zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19; Feststellung der maßgebenden Umstände durch den zuständigen BM bei Erlassung des Betretungsverbots; Gesetzwidrigkeit des §2 Abs4 COVID-19-Maßnahmenverordnung betreffend das Betretungsverbot für bestimmte Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen, deren Kundenbereich 400 m2 übersteigt; Entscheidung des zuständigen BM aus Verordnungsakt nicht nachvollziehbar; Ungleichbehandlung von Betriebsstätten des Handels, deren Kundenbereich im Inneren 400 m² übersteigt, und insbesondere Bau- und Gartenmärkten sachlich nicht gerechtfertigt; Zulässigkeit des Individualantrags trotz Außerkrafttretens der angefochtenen Bestimmung im Zeitpunkt der Entscheidung des VfGHSpruch
I. 1. Die Wortfolge ", wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt" sowie der vierte Satz – "Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem 7. April 2020 vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben." – in §2 Abs4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020, idF BGBl II Nr 151/2020 waren gesetzwidrig.
2. Die als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.
3. Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.
II. Der Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) ist schuldig, den antragstellenden Parteien zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.005,80 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anträge
Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B-VG und Art140 Abs1 Z1 litc B-VG begehren die antragstellenden Parteien, die §§1 und 2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 als gesetzwidrig sowie §1 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl I 12/2020, idF BGBl I 23/2020 als verfassungswidrig aufzuheben. Weiters stellen sie mehrere Eventualanträge.
II. Rechtslage
1. Die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (im Folgenden: COVID-19-Maßnahmenverordnung), BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 lautet (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"§1. Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben ist untersagt.
§2. (1) §1 gilt nicht für folgende Bereiche:
1. öffentliche Apotheken
2. Lebensmittelhandel (einschließlich Verkaufsstellen von Lebensmittelproduzenten) und bäuerlichen Direktvermarktern
3.. Drogerien und Drogeriemärkte
4. Verkauf von Medizinprodukten und Sanitärartikeln, Heilbehelfen und Hilfsmitteln
5. Gesundheits- und Pflegedienstleistungen
6. Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen die von den Ländern im Rahmen der Behindertenhilfe–, Sozialhilfe–, Teilhabe– bzw Chancengleichheitsgesetze erbracht werden
7. veterinärmedizinische Dienstleistungen
8. Verkauf von Tierfutter
9. Verkauf und Wartung von Sicherheits- und Notfallprodukten
10. Notfall-Dienstleistungen
11. Agrarhandel einschließlich Schlachttierversteigerungen sowie der Gartenbaubetrieb und der Landesproduktenhandel mit Saatgut, Futter und Düngemittel
12. Tankstellen und angeschlossene Waschstraßen
13. Banken
14. Postdiensteanbieter einschließlich deren Postpartner, soweit diese Postpartner unter die Ausnahmen des §2 fallen sowie Postgeschäftsstellen iSd §3 Z7 PMG, welche von einer Gemeinde betrieben werden oder in Gemeinden liegen, in denen die Versorgung durch keine andere unter §2 fallende Postgeschäftsstelle erfolgen kann, jedoch ausschließlich für die Erbringung von Postdienstleistungen und die unter §2 erlaubten Tätigkeiten, und Telekommunikation.
15. Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Rechtspflege
16. Lieferdienste
17. Öffentlicher Verkehr
18. Tabakfachgeschäfte und Zeitungskioske
19. Hygiene und Reinigungsdienstleistungen
20. Abfallentsorgungsbetriebe
21. KFZ- und Fahrradwerkstätten
22. Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte
23. Pfandleihanstalten und Handel mit Edelmetallen.
(2) Die Ausnahmen nach Abs1 Z3, 4, 8, 9, 11, 22 und 23 sowie Abs4 gelten an Werktagen von 07.40 Uhr bis längstens 19.00 Uhr. Restriktivere Öffnungszeitenregeln aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
(3) Die Ausnahmen nach Abs1 Z2 gilt an Werktagen von 07.40 Uhr bis längstens 19.00 Uhr, sofern es sich nicht um eine Verkaufsstelle von Lebensmittelproduzenten handelt. Restriktivere Öffnungszeitenregeln aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
(4) §1 gilt unbeschadet Abs1 nicht für den Kundenbereich von sonstigen Betriebsstätten des Handels, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt. Als sonstige Betriebsstätten des Handels sind Betriebstätten zu verstehen, die dem Verkauf, der Herstellung, der Reparatur oder der Bearbeitung von Waren dienen. Sind sonstige Betriebsstätten baulich verbunden (z. B. Einkaufszentren), ist der Kundenbereich der Betriebsstätten zusammenzuzählen, wenn der Kundenbereich über das Verbindungsbauwerk betreten wird. Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem 7. April 2020 vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben.
(5) Abs1 gilt nur, wenn folgende Voraussetzungen eingehalten werden:
1. Mitarbeiter mit Kundenkontakt sowie Kunden eine den Mund- und Nasenbereich gut abdeckende mechanische Schutzvorrichtung als Barriere gegen Tröpfcheninfektion tragen; dies gilt nicht für Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr.
2. ein Abstand von mindestens einem Meter gegenüber anderen Personen eingehalten wird.
(6) Abs4 gilt nur, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen nach Abs5 der Betreiber durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 20 m² der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stehen; ist der Kundenbereich kleiner als 20 m², so darf jeweils nur ein Kunde die Betriebsstätte betreten.
(7) In den Bereichen nach Abs1 Z5 und 6 gelten
1. abweichend von Abs5 Z1 die einschlägigen berufs- und einrichtungsspezifischen Vorgaben und Empfehlungen, und
2. Abs5 Z2 und 3 nicht.
§3. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.
(2) Abs1 gilt nicht für Gastgewerbetriebe [Gastgewerbebetriebe], welche innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:
1. Kranken-und Kuranstalten;
2. Pflegeanstalten und Seniorenheime;
3. Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten;
4. Betrieben, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige genützt werden dürfen.
(3) Abs1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden.
(4) Abs1 gilt nicht für Campingplätze und öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn dort Speisen und Getränke ausschließlich an Gäste des Campingplatzes bzw öffentlicher Verkehrsmitteln verabreicht und ausgeschenkt werden.
(5) Abs1 gilt nicht für Lieferservice.
(6) Die Abholung vorbestellter Speisen ist zulässig, sofern diese nicht vor Ort konsumiert werden und sichergestellt ist, dass gegenüber anderen Personen dabei ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten wird.
§4. (1) Das Betreten von Beherbergungsbetrieben zum Zweck der Erholung und Freizeitgestaltung ist untersagt.
(2) Beherbergungsbetriebe sind Unterkunftsstätten, die unter der Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten stehen und zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Unterbringung von Gästen zu vorübergehendem Aufenthalt bestimmt sind. Beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenplätze sowie Schutzhütten gelten als Beherbergungsbetriebe.
(3) Abs1 gilt nicht für Beherbergungen
1. von Personen, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bereits in Beherbergung befinden, für die im Vorfeld mit dem Beherbergungsbetrieb vereinbarte Dauer der Beherbergung,
2. zum Zweck der Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen,
3. aus beruflichen Gründen oder
4. zur Stillung eines dringenden Wohnbedürfnisses.
§5. (1) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft.
(2) Die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung BGBl II Nr 112/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.
(3) §4 dieser Verordnung in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 130/2020 tritt mit Ablauf des 3. April 2020 in Kraft. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bestehende Verordnungen eines Landeshauptmannes oder einer Bezirksverwaltungsbehörde über Betretungsverbote von Beherbergungsbetrieben bleiben unberührt.
(4) Die §§1 bis 3 treten mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft.
(5) §4 tritt mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft.
(6) Die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung BGBl II Nr 151/2020 treten mit Ablauf des 13. April 2020 in Kraft."
2. Das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 23/2020 lautet (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte
§1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des §2 Abs3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.
Betreten von bestimmten Orten
§2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist
1. vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,
2. vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder
3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.
Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen.
Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes
§2a. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer beschriebenen Aufgaben bzw zur Durchsetzung der vorgesehenen Maßnahmen erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln zu unterstützen.
(1a) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen mitzuwirken durch
1. Maßnahmen zur Vorbeugung gegen drohende Verwaltungsübertretungen,
2. Maßnahmen zur Einleitung und Sicherung eines Verwaltungsstrafverfahrens und
3. die Ahndung von Verwaltungsübertretungen durch Organstrafverfügungen (§50 VStG).
(2) Sofern nach der fachlichen Beurteilung der jeweiligen Gesundheitsbehörde im Rahmen der nach Abs1 vorgesehenen Mitwirkung für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach der Art der übertragbaren Krankheit und deren Übertragungsmöglichkeiten eine Gefährdung verbunden ist, der nur durch besondere Schutzmaßnahmen begegnet werden kann, so sind die Gesundheitsbehörden verpflichtet, adäquate Schutzmaßnahmen zu treffen.
Strafbestimmungen
§3. (1) Wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.
(2) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro zu bestrafen. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.
(3) Wer einen Ort betritt, dessen Betreten gemäß §2 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.
Inkrafttreten
§4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.
(1a) Abs2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 16/2020 tritt rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft.
(2) Hat der Bundesminister gemäß §1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.
(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.
(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.
(5) §§1, 2 und §2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 23/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.
Vollziehung
§5. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betraut."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die antragstellenden Parteien führen zu ihrer Antragslegitimation im Wesentlichen aus:
1.1. Die antragstellenden Parteien betreiben jeweils einen Autohandel mit Verkaufsräumlichkeiten. Die Kundenbereiche der Verkaufsräumlichkeiten hätten jeweils eine Fläche von über 400 m2. Als Rechtsfolge der angefochtenen Teile der Verordnung sei ein Betreten der Kundenbereiche der Verkaufsräumlichkeiten der antragstellenden Parteien untersagt. Auch sei es nicht zulässig, zumindest einen Teil der Verkaufsfläche durch nachträglich durchgeführte Verkleinerung, wie etwa Abgrenzungen oder Absperrungen, nutzbar zu machen. Diese Rechtsfolge trete unmittelbar auf Grund der Verordnung ein. Die beschriebene Rechtsfolge greife unmittelbar in die subjektive Rechtssphäre der antragstellenden Parteien ein, konkret in deren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung, Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz. Ein anderer zumutbarer Weg, diese Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, liege nicht vor.
1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei von einem Gesetz unmittelbar betroffen, wer von einer auf diesem Gesetz basierenden Verordnung unmittelbar betroffen sei. Das sei vorliegend der Fall. Dasselbe gelte für die Unzumutbarkeit des Umweges. Damit seien die antragstellenden Parteien auch hinsichtlich §1 COVID-19-Maßnahmengesetz antragslegitimiert.
2. Ihre Bedenken in der Sache legen die antragstellenden Parteien wie folgt dar:
2.1. Die angefochtenen Regelungen der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 verstießen gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz sowie gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf Unversehrtheit des Eigentums.
Die angefochtene Verordnung diene dem Schutz des Gesundheitssystems vor Überlastung durch einen unkontrollierten Anstieg von Infektionsfällen mit COVID-19. Um dieses Ziel zu erreichen, seien in der Verordnung Maßnahmen vorgesehen, welche das Infektionsrisiko in Betrieben senken sollen. Die Verordnung untersage in §1 pauschal das Betreten des Kundenbereiches von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben. Davon seien auch die antragstellenden Parteien erfasst. In §2 der angefochtenen Verordnung seien von diesem generellen Verbot Ausnahmen für gewisse Betriebsarten (Abs1) vorgesehen. Zusätzlich gebe es unter näher genannten Voraussetzungen Ausnahmen für Betriebe, deren Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 betrage (Abs4). Der Verordnungsgeber sei offenbar der Ansicht, dass durch die in der Verordnung vorgesehenen Maßnahmen die Übertragungsrate gering gehalten werden könne. So hätten gemäß §2 Abs5 der angefochtenen Verordnung Mitarbeiter mit Kundenkontakt sowie Kunden eine den Mund- und Nasenbereich gut abdeckende mechanische Schutzvorrichtung als Barriere gegen Tröpfcheninfektion zu tragen, was für Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr nicht gelte, und sei ein Abstand von mindestens einem Meter gegenüber anderen Personen einzuhalten. Gemäß §2 Abs6 der angefochtenen Verordnung hätten sonstige Betriebsstätten des Handels zusätzlich durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhielten, dass pro Kunde 20 m2 der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stünden; sei der Kundenbereich kleiner als 20 m2, so dürfe jeweils nur ein Kunde die Betriebsstätte betreten. Neben der Schutzmaskenpflicht des §2 Abs5 Z1 der angefochtenen Verordnung sehe der Verordnungsgeber somit Regelungen vor, welche Abstand zwischen Personen gewährleisten sollten, einmal durch eine ausdrückliche Abstandsregelung, einmal durch Festlegung einer maximalen Kundendichte pro Fläche.
Eine sachliche Begründung, weshalb in sonstigen Betriebstätten des Handels, wie sie auch von den antragstellenden Parteien betrieben würden, pro 20 m2 Verkaufsfläche sich nur jeweils ein Kunde aufhalten dürfe, während dies in den unter §2 Abs1 der angefochtenen Verordnung genannten Betrieben, insbesondere denen der Z22 (Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte) und Z23 (Pfandleihanstalten und Handel mit Edelmetallen) nicht gelte, sei nicht ersichtlich und stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.
Dass für sonstige Betriebsstätten des Handels, sofern der Verkaufsraum im Inneren mehr als 400 m2 betrage, keine Ausnahme vom allgemeinen Betretungsverbot des §1 der angefochtenen Verordnung eingeräumt sei, sei unsachlich. Bei Einhaltung der Schutzmaskenpflicht des §2 Abs5 der angefochtenen Verordnung und der Bestimmungen über die Kundendichte nach §2 Abs6 der angefochtenen Verordnung sei nicht ersichtlich, weshalb die Größe der Verkaufsfläche eine besondere zusätzliche Gefährdung hervorrufen könne. Im Gegenteil: Gerade kleine Verkaufsflächen, auf denen bei gleicher Kundenzahl weniger Abstand herrsche, würden ein stärkeres Ansteckungsrisiko durch geringes Atemluftvolumen und geringeren Abstand der Personen bedingen. Selbst wenn auch durch die genannten Maßnahmen ein Ansteckungsrisiko nicht auf null reduziert werden könne, so könne es dadurch aber derart reduziert werden, dass der Verordnungsgeber bei Abwägung der Interessen des Gesundheitsschutzes mit den als Folge der Schließung beeinträchtigten wirtschaftlichen Interessen zu dem Ergebnis hätte gelangen müssen, dass eine Schließung unverhältnismäßig sei.
Zudem sei es eine unsachliche Ungleichbehandlung, wenn gewisse Märkte, wie etwa Baumärkte oder Pfandleihanstalten, ohne dass es auf die Größe des Kundenbereiches ankomme, geöffnet haben dürften, während andere Handelsbetriebe, wie etwa vorliegend Autohändler, selbst bei Einhaltung der in der Verordnung vorgesehenen Bedingungen nicht betreten werden dürften. Selbst im Vergleich zu Unternehmen, welche auf Grund ihrer besonderen Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung eine hervorgehobene Stellung hätten, wie etwa Lebensmittelhändler, sei die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt, da auch der Bedarf der Bevölkerung an Lebensmitteln alleine durch solche Märkte unter 400 m2 Kundenbereichsfläche gedeckt werden könne. Die Verfassungswidrigkeit lasse sich beseitigen, indem die angefochtenen Bestimmungen aufgehoben würden. Der Sinn der verbleibenden Regelung werde nicht wesentlich verändert. Insbesondere blieben die sonstigen Maßnahmen zur Reduktion des Infektionsrisikos weiter anwendbar.
Nach Ansicht des Verordnungsgebers sei es offenbar möglich, durch eine kleinere Verkaufsfläche sicherzustellen, dass Übertragungsraten niedrig gehalten würden. Gleichzeitig sei in der angefochtenen Verordnung vorgesehen, dass eine nach dem 7. April 2020 vorgenommene Verkleinerung der Verkaufsfläche nicht zu berücksichtigen sei. Die Bestimmungen zielten darauf ab, Verkleinerungen auszuschließen. Die Rationalität dieser Beschränkung sei nicht nachvollziehbar. Wenn durch eine kleinere Verkaufsfläche Übertragungsraten niedrig gehalten werden könnten, sei zu fragen, wieso dies nicht auch für eine vorübergehende Verkleinerung der Verkaufsfläche gelte (etwa durch Absperrung), die im Hinblick auf die neue Regelung vorgenommen worden sei. Durch die Regelung des §2 Abs6 der angefochtenen Verordnung wäre auch bei verkleinerter Verkaufsfläche sichergestellt, dass sich nur eine geringe Anzahl an Kunden gleichzeitig im Kundenbereich befinde und so das Übertragungsrisiko niedrig gehalten werde.
2.2. §1 COVID-19-Maßnahmengesetz sei wegen Verstoßes gegen das Determinierungsgebot des Art18 B-VG sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Erwerbsfreiheit und das Eigentumsgrundrecht verfassungswidrig. Diese Gesetzesbestimmung ermächtige den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz in bisher beispielloser Weise, das wirtschaftliche Leben zu regulieren und zu beschränken. Gleichzeitig sei die Norm unbestimmt und enthalte keinerlei Ermessensdeterminanten. Das Gesetz sehe zudem auch im Falle eines Sonderopfers keine Entschädigungsleistungen vor.
Mit der angefochtenen Gesetzesbestimmung werde der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ermächtigt, weitreichende und umfassende Grundrechtsbeschränkungen zu verfügen, weshalb nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein hoher Determinierungsgrad zu fordern sei. Das Gegenteil sei aber der Fall.
Unklar sei zunächst, was die Wortfolge "beim Auftreten von COVID-19" meine. Fraglich sei, ob damit schon alleine das Auftreten eines Falles im Bundesgebiet gemeint sei oder ob es einer gewissen Häufung bedürfe. Der Gesetzeswortlaut unterscheide nicht und gewähre die Ermächtigung daher unterschiedslos. Gleichzeitig enthalte das Gesetz keine Ermessensdeterminanten dahingehend, ob überhaupt und mit welcher Intensität Maßnahmen zu ergreifen seien. So enthalte das Gesetz keine Kriterien, anhand derer entschieden werden könnte, ob Schließungen von Betriebsstätten oder von bestimmten Betriebstätten zu verfügen seien, oder ob alleine durch andere Voraussetzungen oder Auflagen die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern sei.
Aus diesen Gründen sei auch der letzte Satz der angefochtenen Bestimmung verfassungswidrig. Dieser ermächtige den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu regeln, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürften. Nicht nur bleibe offen, unter welchen Bedingungen "bestimmte Voraussetzungen oder Auflagen" zu verfügen seien, sondern es sei auch völlig unklar, welche Voraussetzungen oder Auflagen dies sein könnten.
§1 COVID-19-Maßnahmengesetz folge alleine dem Ziel der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ("soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist"). Die Abwägung mit anderen Interessen, welche bei der Ermächtigung zur Verfügung derart weitreichender Grundrechtsbeschränkungen zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips jedenfalls erforderlich wäre, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes seien die Kriterien der Interessenabwägung dem Grunde nach in der Rechtsordnung vorzuzeichnen. Die Kriterien würden sich aus den jeweils anwendbaren Materiengesetzen bzw aus damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Staatszielbestimmungen ergeben. Enthalte das Gesetz keine Ermessensdeterminanten, sei es dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bei Erlassung der Verordnung daher verwehrt, andere Interessen zu berücksichtigen. Dies bewirke einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und (damit) einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folge aus dem Gleichheitsgrundsatz die Verpflichtung zum Ausgleich unverhältnismäßiger Eigentumsbeschränkungen durch Gewährung einer angemessenen Entschädigung. In Fällen, in denen eine Eigentumsbeschränkung dem Eigentümer ein besonders gravierendes Opfer zugunsten der Allgemeinheit abverlange, ihn also in unverhältnismäßiger Weise stärker belaste, als im Allgemeinen Personen zugunsten des öffentlichen Wohls belastet seien, habe dies vor dem Gleichheitsgrundsatz nur Bestand, wenn diese Sonderbelastung ausgeglichen werde. Nach dem Gleichheitsgrundsatz habe eine Regelung, die eine rechtliche Ungleichbehandlung bewirke, nicht nur auf einem vernünftigen Grund zu beruhen, sondern müsse auch sonst sachlich gerechtfertigt, das heißt verhältnismäßig sein. Könne die Eigentumsbeschränkung ohne Schaden für das Ziel der Regelung durch eine Entschädigung gelindert werden, sei der Eingriff ohne angemessene Entschädigung unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art1 1. ZPEMRK seien Regelungen über die Nutzung des Eigentums einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen. Im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung sei bei sonst unverhältnismäßiger Belastung eine Entschädigung erforderlich. Im Ergebnis verlange die Eigentumsfreiheit einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Einzelnen und denjenigen des Gemeinwohls. Eine entschädigungslose und damit unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Eigentums verletze das Grundrecht auf Eigentum. Dies gelte insbesondere dann, wenn es sonst zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Nachteilen für den Betroffenen käme. Eigentumsbeschränkungen unterlägen auch nach Art5 StGG einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Werde Eigentum beschränkt und sei eine Entschädigung ohne Beeinträchtigung des Ziels der Beschränkung möglich, so sei eine entschädigungslose Beschränkung nicht das gelindeste Mittel und erfülle damit nicht die Anforderungen des Art5 StGG. Auch nach dieser Bestimmung sei somit im Falle der Beschränkung der Eigentumsausübung die Leistung einer Entschädigung geboten.
Das Grundrecht auf Eigentum nach Art1 1. ZPEMRK und Art5 StGG sowie das Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz nach Art7 B-VG wiesen weitgehend parallele Wertungen auf. So habe der VfGH ausgeführt, dass das Eigentumsgrundrecht einen billigen Ausgleich zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses und denen des Grundrechtsschutzes des Einzelnen gebiete, der verfehlt würde, wenn den bisherigen Eigentümern ein gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßendes Sonderopfer in Form einer unangemessen niedrigen Entschädigung zugemutet würde. Verfassungsrechtlich sei somit sowohl auf Grundlage des Grundrechtes auf Gleichheit nach Art7 B-VG als auch auf Basis der Eigentumsfreiheit nach Art1 1. ZPEMRK und Art5 StGG eine Entschädigung bei Eigentumsbeschränkungen geboten, und zwar immer dann, wenn es ansonsten zu einem Missverhältnis zwischen Allgemein- und Individualinteressen kommen würde und so eine unverhältnismäßige Belastung eines Einzelnen entstünde. Die angefochtene Bestimmung des COVID-19-Maßnahmengesetzes erlaube es in ähnlicher Weise, wie das bereits im Zeitpunkt der Erlassung bestehende Epidemiegesetz 1950, Betriebe zu schließen und zu beschränken. Im Unterschied zum COVID-19-Maßnahmengesetz sei in §20 iVm §32 Epidemiegesetz 1950 im Falle von Betriebsschließungen aber die Leistung von Entschädigungszahlungen vorgesehen. Wesentliche Motivation bei der Erlassung des COVID-19-Maßnahmengesetzes dürfte es gewesen sein, diese Entschädigungsleistung zu umgehen. Für diese Entschädigungsleistung biete das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) iVm dem Bundesgesetz über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG-Gesetz) keinen adäquaten Ersatz, da darin keine Kriterien der Mittelvergabe enthalten seien und gemäß §3b Abs2 ABBAG-Gesetz ausdrücklich kein Rechtsanspruch auf Gewährung von Finanzmitteln bestehe. Selbst unter der Annahme, dass im Falle einer umfassenden Schließung oder Beschränkung von Betrieben Entschädigungsleistungen verfassungsrechtlich nicht geboten seien, gelte dies jedenfalls dann, wenn nur bestimmte einzelne Betriebe zum Wohl der Allgemeinheit beschränkt würden und ihnen so ein Sonderopfer abverlangt würde. Die Ermächtigung, nur einzelne Betriebe zu schließen, sei in der angefochtenen Norm enthalten, wodurch jedenfalls ein Sonderopfer bewirkt würde. Gleichzeitig sehe das Gesetz auch für diesen Fall keine Entschädigung vor und verstoße somit gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Freiheit des Eigentums und die Erwerbsfreiheit.
3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: BMSGPK) hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er, teilweise unter Bezugnahme auf seine, in dem zur Zahl V408/2020 geführten Verordnungsprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof erstattete Äußerung, den Bedenken der antragstellenden Parteien wie folgt entgegentritt:
3.1. Zur Zulässigkeit des Antrages führt der BMSGPK insbesondere aus (ohne Hervorhebungen im Original):
"[Zur aktuellen und unmittelbaren Betroffenheit:]
[…]
Die aktuelle Betroffenheit muss sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung als auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vorliegen (statt vieler mwN VfSlg 14.712/1996; VfSlg 19.391/2011). Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs entfaltet eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs bereits außer Kraft getretene Norm für die Rechtssphäre des Antragstellers regelmäßig nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung (VfSlg 9868/1983, 11.365/1987, 12.182/1989, 12.413/1990, 12.999/1992, 14.033/1995, 15.116/1998, 16.224/2001; 17.266/2004). Mit dem Außer-Kraft-Treten ist das Ziel eines Verfahrens nach dem letzten Satz der ersten Absätze in Art139 und 140 B-VG, die rechtswidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, fortgefallen (vgl nur VfGH V8/00, VfGH 5. 3. 2014, G20/2013, V11/2013; vgl auch VfSlg 16.618/2002, 17.400, 17653).
[…] Das Außer-Kraft-Treten schadet im Hinblick auf die Antragslegitimation nur dann nicht, wenn die angefochtene Bestimmung auch nach dem Außer-Kraft-Treten noch eine nachteilige rechtliche Wirkung für den Antragsteller hat (s nur VfSlg 12.227/1989, VfSlg 16.229/2001), wenn also der 'Rechtsfolgenbereich' über den zeitlichen 'Bedingungsbereich' hinausreicht (vgl Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10 Rz 1023 und 437). Diesfalls trifft den Antragsteller eine besondere Darlegungspflicht (vgl etwa VfSlg 15.116/1998, VfSlg 12.634/1991 und 11.365/1987).
[…] Die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 ist mit 30. April 2020 außer Kraft getreten (§13 Abs2 Z1 Lockerungsverordnung BGBl II Nr 2020/197). Eine auch nach dem Außer-Kraft-Treten weiter bestehende nachteilige Wirkung behaupten bzw legen die Antragsteller nicht dar. Solche fortbestehenden rechtlichen Wirkungen der aufgehobenen Verordnung sind auch nicht ersichtlich. Mit Außer-Kraft-Treten der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 fielen die darin vorgesehenen Betretungsverbote weg.
[…] Mangels aktueller Betroffenheit ist der Antrag nach Ansicht des BMSGPK daher zur Gänze zurückzuweisen."
3.2. In der Sache tritt der BMSGPK den Bedenken der antragstellenden Parteien wie folgt entgegen (ohne Hervorhebungen im Original):
"[…] Die Antragsteller behaupten eine unsachliche Ungleichbehandlung von Betriebsstätten des Handels im Sinne des §2 Abs1 und des §2 Abs4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020.
[…]
Die Differenzierung zwischen Betriebsstätten des Handels im Sinne des §2 Abs1 und 'sonstigen Betriebsstätten des Handels' im Sinne des §2 Abs4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Rechtslage seit Erlassung der Stammfassung der Verordnung zu beurteilen: Aufgrund der epidemiologischen Situation und Risikobewertung […] war es zum Schutz der Gesundheit und des Lebens notwendig, flächendeckende Maßnahmen zur größtmöglichen Reduktion der sozialen Kontakte zu ergreifen. Vor diesem Hintergrund normierte die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 weitreichende Betretungsverbote für Betriebsstätten von Waren- und Dienstleistungsunternehmen auf der Grundlage des §1 COVID-19-Maßnahmengesetz. Gemäß §2 Abs1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 waren vom allgemeinen Betretungsverbot Bereiche ausgenommen, die der Aufrechterhaltung der Grundversorgung dienen.
[…] Die gewählte Regelungstechnik eines zeitlich befristeten, umfassenden Verbots mit Ausnahmen gewährleistete dabei unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit (vgl §1 COVID-19-Maßnahmengesetz: 'soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist') eine kontinuierliche Überprüfung der Erforderlichkeit der Maßnahmen unter Berücksichtigung der epidemiologischen Entwicklungen und etwaiger neuer Erkenntnisse über die Krankheit: So wurde die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 zunächst mit einer Woche befristet (§4 Abs3), mit der Verordnung BGBl II Nr 110/2020 wurde die Geltungsdauer unter Berücksichtigung des weiteren Infektionsanstiegs bis 13.4.2020 verlängert. Mit BGBl II Nr 151/2020 wurde die Befristung bis 30.4.2020 verlängert, wobei erste Lockerungen der Betretungsverbote gemäß §1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 (im Sinne weiterer Ausnahmen) mit 14.4.2020 erfolgten. Die jeweiligen Maßnahmen erfolgten unter ständiger Beobachtung der epidemiologischen Situation und ermöglichten eine stets angemessene, schrittweise Reaktion auf die tatsächlichen Verhältnisse. So konnte eine stete Abwägung der Gefahren für Leben und Gesundheit mit den entgegenstehenden Grundrechtspositionen vorgenommen werden, entsprechende Einschränkungen konnten auf das unbedingt erforderliche Maß reduziert werden.
[…] Im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung BGBl II Nr 151/2020 erlaubte es die epidemiologische Situation noch nicht, alle Betriebsstätten des Einzelhandels gleichzeitig wieder zu öffnen (dazu verweist der BMSGPK auf die Stellungnahme zum Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof V408/2020-2). Angesichts der weiterbestehenden Gefährdungslage galt es, die sozialen Kontakte zum Schutz der Gesundheit einerseits nach wie vor möglichst niedrig zu halten, andererseits einen Ausgleich mit den entgegenstehenden Grundrechten insbesondere der Erwerbsfreiheit zu schaffen. Mit BGBl II Nr 151/2020 wurden daher zunächst weitere Ausnahmen vom Betretungsverbot in §2 Abs1 Z22 und 23 sowie die Ausnahme des §2 Abs4 normiert.
[…] §2 Abs1 Z22 und 23 dienten der Gleichstellung mit vergleichbaren Betriebsstätten wie den bisher in §2 Abs1 der Verordnung taxativ aufgezählten: So ist das angebotene Warensortiment insbesondere der Baumärkte mit jenem der Z9 vergleichbar (Instandhaltungs- und Notfallprodukte), jenes der Baustoff-, Eisen- und Holzhandels sowie der Baumärkte diente der dringenden Versorgung des (unbeschränkt weiter ausgeübten) Bau-Nebengewerbes und trug damit der Bedeutung des Warensortiments für die weiter ungehinderte Grundversorgung Rechnung. Mit der Z22 wurde auch der Bedeutung der Gartenmärkte für Verrichtungen des täglichen Lebens Rechnung getragen. Auch §2 Abs1 Z23 diente der Gleichstellung mit vergleichbaren Leistungen der Banken (vgl §2 Abs1 Z13).
[…] Anders als die Ausnahme für sonstige Betriebsstätten im Sinne des §2 Abs4 knüpfen die auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse ausgerichteten Ausnahmen des §2 Abs1 knüpfen nicht an die Größe des Kundenbereichs an und enthalten auch keine dem §2 Abs6 entsprechende Einschränkung auf 20 m² Gesamtverkaufsfläche pro Kunde. Wiewohl auch für sie besondere Vorkehrungen gelten (§2 Abs5), lässt damit der Verordnungsgeber bei Betriebsstätten im Sinne des §2 Abs1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 eine erhöhte Kundenfrequenz zu. Die sachliche Rechtfertigung dafür liegt in der Bedeutung der Waren oder Dienstleistungen für die Grundversorgung bzw für Verrichtungen des täglichen Lebens. Die Erfahrungen aus dem EU-Ausland (insbesondere aus Italien), zu Beginn der Maßnahmen aber auch in Österreich, haben gezeigt, dass es bei Einschränkungen in diesen Bereichen besonderer Vorsicht bedarf, zumal alleine die Befürchtung von Beschränkungen in der Bevölkerung den gegenteiligen Effekt eines Kundenandrangs ('Hamsterkäufe') auslöst. Eine Einschränkung der erlaubten Kundenanzahl im Bereich der kritischen Infrastruktur stünde damit aber im diametralen Gegensatz zum Ziel der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19.
[…] Die Differenzierung zwischen Betriebsstätten im Sinne des §2 Abs1 und 'sonstigen Betriebsstätten' des Handels ist daher nach Ansicht des BMSGPK sachlich gerechtfertigt. Sie sichert im Sinne des Ziels der Verhinderung der Verbreitung eine vertretbare Kundenfrequenz und ist insbesondere auch im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Maßnahmen verhältnismäßig."
"[Anmerkung Auszug aus Äußerung zu V408/2020] […] Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art2 StGG; Art7 B-VG):
[…] Die Antragstellerin ortet in der Flächenbegrenzung des §2 Abs4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 eine willkürliche Grenzziehung ohne sachliche Rechtfertigung. Auch in der Nichtberücksichtigung von Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem 7. 4. 2020 vorgenommen wurden (von der Antragstellerin als 'Zonierungsverbot' bezeichnet) sieht sie einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz.
[…]
Die Beschränkung des §2 Abs4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 auf einen Kundenbereich im Inneren von maximal 400 m² ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Rechtslage seit Erlassung der Stammfassung der Verordnung zu beurteilen: Aufgrund der epidemiologischen Situation und Risikobewertung […] war es zum Schutz der Gesundheit und des Lebens notwendig, flächendeckende Maßnahmen zur größtmöglichen Reduktion der sozialen Kontakte zu ergreifen. Vor diesem Hintergrund normierte die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 weitreichende Betretungsverbote für Betriebsstätten von Waren- und Dienstleistungsunternehmen auf der Grundlage des §1 Covid-19-Maßnahmengesetz. Gemäß §2 Abs1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 waren vom allgemeinen Betretungsverbot Bereiche ausgenommen, die der Aufrechterhaltung der Grundversorgung dienen.
[…]
Die Ausnahme des §2 Abs4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 für sonstige (nicht im Sinne des §2 Abs1 der Befriedigung der Grundbedürfnisse bzw der für Verrichtungen des täglichen Lebens notwendigen) Betriebsstätten des Handels wurde mit BGBl II Nr 151/2020 geschaffen. Im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung BGBl II Nr 151/2020 erlaubte es die epidemiologische Situation noch nicht, alle Betriebsstätten des Einzelhandels gleichzeitig wieder für den Kundenverkehr zu öffnen: Mit Stand 9. 4. 2020 gab es in Österreich 13.138 bestätigte Fälle (gemäß Einlangedatum) und 262 Todesfälle (ohne bestätigte Fälle mit anderer Todesursache, gemäß Einlangedatum). Die Zuordnung der Todesfälle erfolgt nach dem Todesdatum; Todesfälle aus anderem Grund als SARS-CoV-2 werden exkludiert […].
Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) unterstützt die EU-Mitgliedstaaten bei ihrer Risikoeinschätzung und damit einhergehenden Maßnahmenplanung. Österreich berücksichtigt Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation und der ECDC bei der Weiterentwicklung der Strategie zur Krisenbewältigung. In die Risikobewertung des ECDC fließen verschiedene zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbare internationale Quellen mit ein; diese geben einen Überblick zum jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft hinsichtlich der Erforschung der Erkrankung als auch hinsichtlich der Optionen zur Maßnahmensetzung.
Es ist zu betonen, dass die Situation eine dynamische ist und diese auf nationaler und internationaler Ebene ständig neu bewertet werden muss. Als Grundlage für politische Entscheidungen zur Maßnahmensetzung fließen neben Empfehlungen der WHO, der ECDC die Einschätzungen und Erkenntnisse der nationalen Expertinnen und Experten sowie die jeweils aktuelle Datenlage und Prognosen mit ein.
In der Risikobewertung des ECDC vom 8. 4. 2020 […] werden Fieber, Husten, Halsweh Abgeschlagenheit als häufigste Symptome genannt. Darüber hinaus mehrten sich weiterhin die Berichte über asymptomatische Fälle. Erste Schätzungen zur Schwere der Erkrankungen basierend auf damals vorhandenen epidemiologischen Daten aus EU/EWR-Staaten und UK ergaben:
• 32 % aller Fälle wurden hospitalisiert (Daten von 26 Ländern)
• 2,4 % aller Fälle verliefen kritisch (Daten von 16 Ländern)
• 11 % der hospitalisierten Fälle (Daten von 21 Ländern) verliefen tödlich
• Die vorhandenen Daten zeigten ein erhöhtes Risiko der Hospitalisierung für über Sechzigjährige.
• Die Anzahl der Todesfälle bei der Altersgruppe 65-79 Jahre lag bei 44 % und bei der Altersgruppe ab 80 bei 46 %.
Die ECDC Risikobewertung vom 8. 4. 2020 ergab folgende Ergebnisse:
• Das Risiko einer schweren Erkrankung im Zusammenhang mit einer
COVID-19-Infektion für Menschen in der EU / im EWR und im Vereinigten Königreich wurde für die allgemeine Bevölkerung als moderat und für ältere Erwachsene und Personen mit definierten Risikofaktoren (Bluthochdruck, Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen, chronische respiratorische Erkrankungen, Übergewicht) als sehr hoch angesehen.
• Das Risiko des zunehmenden Auftretens einer 'Community Transmission' von COVID-19 in der EU/EWR und UK wurde mit gesetzten Eindämmungsmaßnahmen als moderat, jedoch ohne Implementierung von Eindämmungsmaßnahmen als sehr hoch angesehen.
• Das Risiko einer Überlastung der Gesundheits- und Sozialsysteme in der EU/EWR und UK wurde mit gesetzten Eindämmungsmaßnahmen als hoch und ohne ausreichende Implementierung von Eindämmungsmaßnahmen als sehr hoch angesehen.
Die Implementierung von strengen Maßnahmen konnte in