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VeterinärwesenNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik, Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Griesmacher, Mag. Meinl und Dr. Germ als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde des Vereines M in W, vertreten durch Dr. Klaus Braunegg, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 22. Mai 1981, Zl. IV-745.992/1-7/81, betreffend Entschädigung nach dem Tierseuchengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem beschwerdeführenden Verein Aufwendungen in der Höhe von S 8.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der beschwerdeführende Verein beantragte mit Schreiben vom 10. März 1981 Gewährung einer Entschädigung für die Kosten von S 66.674,--, die ihm durch die wegen Maul- und Klauenseuche erfolgte Absage eines für den 9. März 1981 vom beschwerdeführenden Verein in X anberaumten Konzertes entstanden sind. Diesen Antrag wies der Landeshauptmann für Niederösterreich mit Bescheid vom 10. April 1981 gemäß § 52 b des Tierseuchengesetzes ab. Sowohl im Spruch des genannten Bescheides wie in der Begründung wird ausgeführt, daß den Grund für die Absage dieses Konzertes das mit § 2 der Verordnung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 3. März 1981, LGBl. Nr. 6450/23-0, verfügte Verbot der Abhaltung von Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmassen mit sich bringen, darstelle. Eine Entschädigung nach § 52 b Tierseuchengesetz gebühre jedoch nur bei Verhängung einer Gehöfts- oder Gebietssperre oder bei bescheidmäßiger Sperre eines Betriebes. Eine Entschädigung für Vermögensnachteile, welche durch Sicherungsmaßnahmen wegen Maul- und Klauenseuche auf Grund einer gemäß § 31 a Tierseuchengesetz erlassenen Verordnung des Landeshauptmannes entstanden seien, sei im Tierseuchengesetz nicht vorgesehen.
Gegen diesen Bescheid erhob der beschwerdeführende Verein Berufung, in der er insbesondere geltend machte, daß im Rahmen der verordnungsmäßigen Veranstaltungssperre mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Tulln vom 4. März 1981 ein spezielles Veranstaltungsverbot an den Bürgermeister der Stadt X ergangen sei, daß der beschwerdeführende Verein seit Jahren in X Konzerte veranstalte und ein Unternehmen betreibe. Solcherart sei die Abhaltung des genannten Konzertes bescheidmäßig untersagt worden und es seien die Voraussetzungen des § 52 b Tierseuchengesetz gegeben.
Dieser Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. In der Begründung wird nach auszugsweiser Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides im wesentlichen weiter ausgeführt, der beschwerdeführende Verein weise in seiner Berufung unter anderem darauf hin, daß die Abhaltung des geplanten Konzertes von der Bezirkshauptmannschaft Tulln und vom Bürgermeister von X unter Hinweis auf die genannte Verordnung des Landeshauptmannes von Niederösterreich untersagt worden sei. Da § 2 dieser Verordnung ausdrücklich eine Gebietssperre auch für den Verwaltungsbezirk Tulln enthalte, seien - nach Auffassung des beschwerdeführenden Vereines - die Voraussetzungen für eine Entschädigung gemäß § 52 b Tierseuchengesetz gegeben. Nach Wiedergabe des § 52 b Abs. 1 Z 1 Tierseuchengesetz und der Feststellung, daß der Landeshauptmann von Niederösterreich mit der genannten Verordnung vom 3. März 1981 aus Anlaß der Maul- und Klauenseuche gemäß § 31 a Tierseuchengesetz die Abhaltung von Märkten, Tierschauen, Festlichkeiten oder anderen Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmassen mit sich bringen, ab 4. März 1981 unter anderem im Verwaltungsbezirk Tulln untersagt habe, führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten-Umgebung habe aus Anlaß der Maul- und Klauenseuche gemäß § 24 Abs. 4 Tierseuchengesetz über drei genannte Ortschaften eine Gebietssperre verhängt. Aus dieser Feststellung folgert die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter, daß über das Gebiet der Stadtgemeinde X keine Gebietssperre gemäß § 24 Abs. 4 des genannten Gesetzes verhängt worden sei, wodurch auf Grund des § 52 b Abs. 1 Z. 1 Tierseuchengesetz kein Entschädigungsanspruch für den durch die Absage des geplanten Konzertes entstandenen Vermögensnachteil bestehe.
Gegen diesen Bescheid erhob der beschwerdeführende Verein mit Schriftsatz vom 14. Juli 1981 Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der aber die Behandlung mit Beschluß vom 10. Juni 1985 ablehnte und die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Nach der notwendigen Beschwerdeergänzung wurde das Vorverfahren eingeleitet. Die belangte Behörde legte die Verfahrensakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte kostenpflichtige Abweisung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der beschwerdeführende Verein sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Entschädigung gemäß § 52 b Tierseuchengesetz für den erlittenen Vermögensnachteil von S 66.674,-- auf Grund der Untersagung der Abhaltung eines Konzertes am 9. März 1981 verletzt. Er bekämpft den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Gemäß § 52 b des Tierseuchengesetzes, RGBl. Nr. 177/1909, in der Fassung BGBl. Nr. 141/1974, letztmalig geändert mit Bundesgesetz vom 20. April 1978, BGBl. Nr. 220, ist Personen wegen des durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteiles eine Entschädigung zu leisten, wenn und soweit
1. sie in einem Gehöft, über das wegen Verdachtes oder Ausbruches der Maul- und Klauenseuche gemäß § 20 Abs. 2 lit. a oder § 24 Abs. 4 lit. e oder in einem Gebiet, über das wegen Maul- und Klauenseuche gemäß § 24 Abs. 4 lit. f eine Sperre verhängt worden ist, wohnen oder beschäftigt sind oder
2. ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 24 Abs. 7 wegen Maul- und Klauenseuche gesperrt worden ist oder in einem in Z 1 beschriebenen Gehöft eine Betriebsstätte oder ihren Sitz haben oder
3. in einem solchen Unternehmen beschäftigt sind und sie in diesen Fällen durch eine solche Maßnahme in ihrem Erwerb behindert worden sind und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
§ 24 Abs. 6 und 7 des Tierseuchengesetzes, auf die sich die Beschwerde beruft, lauten - soweit sie für den Beschwerdefall von Bedeutung sind - sinngemäß wenn es zur Abwendung der Gefahr bei Weiterverbreitung einer Tierseuche geboten ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde in einem genau bezeichneten Gebiet die Abhaltung von ….. Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmassen mit sich bringen, zu untersagen ….. Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen kann - nach Abs. 7 der genannten Bestimmung - auch die Schließung von Betrieben und Arbeitsstätten bescheidmäßig verfügt werden.
Nach § 31 a Tierseuchengesetz hat der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Verordnung vom 3. März 1981, LGBl. Nr. 6450/23-0, nach § 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 dieser Verordnung in bestimmten Bezirken von Niederösterreich die Abhaltung von Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmassen mit sich bringen, untersagt.
Die Beschwerde bringt als inhaltliche Rechtswidrigkeit unter Bezugnahme auf die Berufung im wesentlichen vor, daß ungeachtet der gemäß § 31 a Tierseuchengesetz erlassenen Verordnung des Landeshauptmannes von Niederösterreich die Untersagung der Veranstaltung des beschwerdeführenden Vereines auch auf Grund einer gemäß § 24 Tierseuchengesetz mündlich erlassenen bescheidmäßigen Sperre erfolgt sei.
Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 52 Abs. 1 Z 2 Tierseuchengesetz - auf diese Bestimmung hat sich der beschwerdeführende Verein sinngemäß schon in seiner Berufung bezogen - ist im wesentlichen eine durch Bescheid ausgesprochene Sperre eines Unternehmens gemäß § 24 Abs. 7 des genannten Gesetzes. Ein durch Verordnung gemäß § 31 a Tierseuchengesetz ausgesprochenes Veranstaltungsverbot verhindert nicht von vornherein, daß trotzdem eine Sperre im Sinne des § 24 Abs. 7 ausgesprochen wird.
Mit den auf Grund dieser Rechtsauffassung zu klärenden Fragen setzt sich der angefochtene Bescheid nicht auseinander. Er enthält eine stark verkürzte Darstellung des erstinstanzlichen Bescheides und der Berufung, wobei das Vorbringen des beschwerdeführenden Vereines, daß er seit Jahren in X Konzerte veranstalte, also ein Unternehmen betreibe und die Abhaltung bescheidmäßig untersagt worden sei, nur unvollständig wiedergegeben wird. Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides als Berufungsvorbringen des beschwerdeführenden Vereines enthaltene Folgerung, daß die Voraussetzungen des § 52 b des Tierseuchengesetzes deshalb gegeben seien, weil § 2 der genannten Verordnung des Landeshauptmannes von Niederösterreich eine Gebietssperre auch für den Verwaltungsbezirk Tulln enthalte, ist - soweit den Verwaltungsakten zu entnehmen war - in der Berufung gar nicht enthalten. Unter den Erwägungen der belangten Behörde wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides § 52 b Abs. 1 des Tierseuchengesetzes so verkürzt wiedergegeben, daß die vom beschwerdeführenden Verein als mögliche Rechtsgrundlage für eine Entschädigung im besonderen herangezogene Regelung der Z 2 der genannten Bestimmungen gar nicht aufscheint.
Die belangte Behörde hat sich solcherart mit dem Berufungsvorbringen nicht auseinandergesetzt und insbesondere nicht untersucht, ob die Behauptung des beschwerdeführenden Vereines, daß ein Bescheid erlassen worden sei, richtig oder unrichtig sei, sie hat auch keine hinreichenden Sachverhaltsfeststellungen darüber getroffen, ob die behauptete bescheidmäßige Verfügung die Sperre eines Unternehmens bewirkt hat oder nicht.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985; beschränkt hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes durch den Umfang des Antrages.
Wien, am 29. Jänner 1987
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1987:1985090214.X00Im RIS seit
31.07.2020Zuletzt aktualisiert am
03.08.2020