TE OGH 2020/6/24 1Ob94/20k

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Veröffentlicht am 24.06.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Alexander Burkowski, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei A***** E*****, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH, Wien, wegen 479.568,04 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. April 2020, GZ 11 R 191/19t-60, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27. April 2020, GZ 11 R 191/19t-61, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. September 2019, GZ 9 Cg 10/19k-54, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS-Justiz RS0037516). Für die Schlüssigkeit des Klagebegehrens verlangt das Gesetz nicht, dass der gesamte „Tatbestand“ vorgetragen wird. Es genügt, wenn die rechtserzeugenden Tatsachen vollständig und knapp angeführt sind (RS0036973 [T15]). Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur an Hand des konkreten Vorbringens im Einzelfall geprüft werden, weshalb in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt (RS0037780; RS0042828; RS0116144).

1.2. Bei der Einklagung eines Saldos genügt der Verweis auf die vorgelegten Urkunden im Vorbringen; die einzelnen Positionen und die ihnen zugeordneten Beträge müssen nicht in der Klageerzählung ziffernmäßig angeführt werden (vgl RS0036973 [T16]; RS0037907). Die Einklagung eines Saldos ist grundsätzlich zulässig; den Kläger trifft lediglich – mangels (deklarativ) anerkannten Saldos – die Behauptungs- und Beweislast dafür, wie sich der geltend gemachte kausale Saldo errechnet (8 Ob 34/19m mwN; vgl RS0037955 [T4]). Setzt sich ein Anspruch aus zahlreichen Einzelforderungen – oder ein Saldo sonst aus vielen Einzelpositionen – zusammen, wird von der Rechtsprechung auf die Zumutbarkeit einer Aufgliederung abgestellt (vgl RS0037907). Einzelforderungen, die während eines längeren Zeitraums aufgelaufen sind, können in einem solchen Fall zusammengefasst werden, weil andernfalls die Angabe sämtlicher Einzelforderungen als Überspannung des Gebots der Präzisierung anzusehen wäre; dann können auch zur Konkretisierung vorgelegte Urkunden als Teil des Prozessvorbringens qualifiziert werden (1 Ob 253/15k mwN).

1.3. Die klagende Bank hat ihre Kreditforderung insoweit ausreichend dargelegt, als sie die Salden der EUR-, Schweizer Franken- und Yen-Konten genannt sowie die Saldenlisten zum Bestandteil ihres Vorbringens gemacht und dieses damit aufgegliedert hat. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es nicht schadet, auf Urkunden oder auf andere Unterlagen zu verweisen, wenn diese zu einem Bestandteil des Vorbringens gemacht werden (vgl RS0037420 [T4, T5]). Die Ansicht der Vorinstanzen, die keine weitere Aufschlüsselung des Klagsbetrags forderten und von einem schlüssigen Klagebegehren ausgingen, ist nicht zu beanstanden.

1.4. Zur Beurteilung der Schlüssigkeit des Klagebegehrens bedarf es nicht der von der Beklagten als fehlend bemängelten Feststellungen (geltend gemacht als sekundäre Feststellungsmängel), kommt es doch allein auf das von der Klägerin erstattete Vorbringen an. Entgegen der Meinung der Beklagten wird das Klagebegehren auch nicht dadurch unschlüssig, dass sie die einzelnen Salden mit bestimmten Argumenten bestritten hat.

Soweit die Revisionswerberin die Richtigkeit des von den Vorinstanzen mit 37.842,99 EUR angenommenen Negativsaldos auf dem EUR-Konto mit dem Argument in Zweifel zieht, es ergebe sich unter Berücksichtigung der wesentlichen Buchungspositionen (ohne Zinsen und Nebenkosten) ein offener Betrag von rund 150.000 EUR, ist nicht zu erkennen, insoweit sie dadurch beschwert sein könnte. Ihr Hinweis auf weiteres erstinstanzliche Vorbringen, wonach das Restobligo im Jahr 2010 „erloschen“ sei, steht damit nicht nur im Widerspruch, sondern lässt völlig offen, wie es zu diesem Erlöschen gekommen sein sollte.

Wenn sie weiters moniert, es gäbe kein ausreichendes Vorbringen und keine Feststellungen zu den mit 340.095,68 CHF und 15.218.597 JPY „festgestellten“ Salden der Fremdwährungskonten, missachtet sie einerseits die festgestellte Konvertierung der ursprünglichen Kreditverbindlichkeit mit 300.000 EUR in Schweizer Franken und mit 200.000 EUR in Yen und andererseits die bereits dargestellte Judikatur, nach der in Fällen wie dem vorliegenden ein detailliertes Vorbringen auch im Wege der Vorlage von geeigneten Urkunden erstattet werden kann. Wenn sie die betreffenden Kontoaufstellungen mit der allgemeinen Behauptung bestreitet, die darin enthaltene Verzinsung sei „nicht vertragsgemäß“, ist der Einwand mangels Konkretisierung ebenso unbeachtlich wie die Behauptung, die Klägerin habe „geleistete Zahlungen nicht vollständig berücksichtigt.“

2.1. Mit einer vereinbarten Konvertierung eines (Fremdwährungs-)Kredits in eine andere Währung übt der (hier:) Kreditnehmer ein ihm eingeräumtes Gestaltungsrecht aus, das zwar zu einer Änderung des Schuldinhalts führt, nicht aber zu einer Novation (8 Ob 31/05z = SZ 2005/66; 5 Ob 9/13d). Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist, ob im Einzelfall das Schuldverhältnis noch als das alte angesehen werden kann (siehe nur Neumayr in KBB6, §§ 1378–1379 Rz 3 mH auf 6 Ob 131/08w). Einzelfallbezogene Rechtsfragen sind nur dann der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugänglich, wenn den Vorinstanzen bei ihrer Beantwortung eine klare Fehlbeurteilung unterlaufen ist (vgl RS0044088). Das ist hier nicht der Fall.

2.2. Zum Zweck der Finanzierung des Kaufs ihrer Eigentumswohnung nahmen die Beklagte und ihr damaliger Ehemann bei der Klägerin einen Kredit auf. Im Rahmen der Vorgespräche mit der (Rechtsvorgängerin der) klagenden Bank wurde der Beklagten der Inhalt der geplanten Finanzierung in der ihr verständlichen englischen Sprache erklärt. Auch eine Fremdwährungsfinanzierung wurde thematisiert. Anlässlich der Unterzeichnung des Anbots für den Abstattungskredit durch sie wurden neuerlich die Details des geplanten Kredits besprochen und von einer Mitarbeiterin der (Rechtsvorgängerin der) Klägerin sowohl eine Informationsunterlage zur Fremdwährungsfinanzierung, die die Beklagte unterzeichnete, als auch das Angebot sinngemäß in die englische Sprache übersetzt. Im (von ihr unterfertigten) Angebot ist ausdrücklich die Konvertierungsmöglichkeit geregelt und die Einzeldisposition der Solidarschuldner festgehalten. Bereits zu diesem Termin legte der Ehemann der Beklagten in ihrem Beisein gegenüber der Bank mündlich die Kurslimits für eine Fremdwährungskonvertierung und auch die zu konvertierenden Beträge in Schweizer Franken und japanische Yen fest. Die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin gewährte der Beklagten und ihrem Ehemann den Kredit und konvertierte – wie mündlich besprochen – entsprechend den Vorgaben des Ehemanns, die er in Anwesenheit der Beklagten erteilt hatte, Teile des Kreditbetrags in Franken und Yen.

2.3. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass von der im Kreditvertrag enthaltenen Einzeldispositionsbefugnis auch die (gleichzeitige) Erteilung der Konvertierungsaufträge umfasst gewesen sei, die Beklagte im Zuge der Vertragsunterzeichnung die entsprechende Informationsunterlage zur Fremdwährungsfinanzierung unterzeichnet habe und im Anbot die Möglichkeit einer Konvertierung bereits vorgesehen sei, die Limits für die Konvertierung vom damaligen Ehemann der Beklagten mündlich in ihrem Beisein im Zuge des Termins zur Vertragsunterzeichnung abgegeben worden sei, sodass sie auch für die aushaftenden Salden aus den Fremdwährungskrediten hafte, ist nicht korrekturbedürftig. Ihr Ehemann sei als einzelzeichnungsberechtigter Kontoinhaber berechtigt gewesen, auch ohne die Beklagte die Konvertierungen bei der (Rechtsvorgängerin der) Klägerin in Auftrag zu geben und die Zusatzvereinbarungen zum Kreditvertrag (Konvertierungen) zu unterzeichnen. Die Dispositionen des Ehemanns der Beklagten betreffend die Konvertierungen seien sowohl vom Vertragsinhalt als auch „von der als Vollmacht gegenüber dem anderen Kreditnehmer anzusehenden Einzeldispositionsbefugnis umfasst“ gewesen. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden.

2.4. Entgegen den abstrakten Rechtsausführungen der Beklagten ist die Konvertierung in einen Fremdwährungskredit nach Auszahlung der Kreditvaluta durch die Bank – wie zu 2.1. dargelegt – grundsätzlich keine Novation. Die Konvertierung von Teilbeträgen des Kredits in Schweizer Franken und japanische Yen führte nicht zur Begründung eines neuen Rechtsverhältnisses oder zu einer Erweiterung eines Kreditrahmens. Den Auftrag zur Konvertierung bei Eintritt bestimmter Wechselkurse erteilte ihr Ehemann (in ihrer Anwesenheit) für das bestehende Vertragsverhältnis und damit rechtswirksam auch für sie. Dass die Änderung des Vertragsgegenstands nur zwischen ihrem Ehemann und der Klägerin wirksam zustandegekommen sein soll, trifft nicht zu. Dazu fehlen auch keine – von der Beklagten als sekundäre Feststellungsmängel relevierte – Feststellungen. Dass jeder Kreditnehmer gegenüber dem Kreditgeber „allein zur Disposition berechtigt“ ist, beinhaltet – nach den festgestellten Umständen – auch die Konvertierung der Kreditschuld in eine andere Währung, die schon im Kreditvertrag ausdrücklich vorgesehen war und im Rahmen der Vertragsgespräche vom Ehemann der Beklagten in ihrer Anwesenheit ausdrücklich in Auftrag gegeben wurde. Dass die vereinbarte (Einzel-)Disposition nur das ursprüngliche „Einmalkreditverhältnis“ zu einer bestimmten Kontonummer betreffen soll und nicht die – rein aus verrechnungstechnischen Gründen – als Subkonten eingerichteten beiden Fremdwährungskonten, ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung (es ging auch nach der Konvertierung allein um die Rückführung der für den Liegenschaftskauf bei der Klägerin aufgenommenen Fremdmittel) nicht nachvollziehbar (vgl nur § 1379 ABGB). Dass ihr die entsprechenden Vertragsklauseln in die ihr verständliche englische Sprache übersetzt wurden und sie Kenntnis davon erlangt hatte, bestreitet sie nicht.

3.1. Nach § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte, es sei denn, der eine Vertragsteil hätte den anderen besonders darauf hingewiesen. Als objektiv ungewöhnlich wird eine Klausel dann beurteilt, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, sodass er nach den Umständen mit ihr vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die Klausel muss einen Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt haben (RS0014646 [T1]). Entscheidend ist, ob die Klausel beim entsprechenden Geschäftstyp üblich ist und ob sie den redlichen Verkehrsgepflogenheiten entspricht (RS0014627 [T3]; RS0105643 [T3]). Neben ihrem Inhalt ist auch die Stellung der Klausel im Gesamtgefüge des Vertragstexts (ihre Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen) maßgebend. Sie darf im Text nicht derart „versteckt“ sein, dass sie der Vertragspartner – ein durchschnittlich sorgfältiger Leser – dort nicht vermutet, wo sie sich befindet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (RS0014659 [T2]; RS0105643 [T2]).

3.2. Die von der Beklagten beanstandete Klausel ist im Kreditvertrag unter „Sonstige Kreditbedingungen“ in derselben Größe wie die anderen Bedingungen geschrieben. Die Überschrift „10. Solidarhaftung/Einzeldisposition“ ist fettgedruckt und unterstrichen. Darunter findet sich der Text: „Mehrere Kreditnehmer haften zur ungeteilten Hand. Dem Kreditgeber gegenüber ist jeder allein zur Disposition berechtigt.“

Das Berufungsgericht befand, dass die Einordnung dieser Klausel im Gesamtgefüge der Urkunde nicht zu beanstanden sei. Es handle sich um eine gängige Klausel in Kreditverträgen. Worin die Schlechterstellung der Beklagten liegen soll, sei nicht zu erkennen. Auch sie wäre gegenüber der Klägerin einzeldispositionsbefugt gewesen. Die von ihr angesprochene vermeintliche Schlechterstellung ergebe sich nur daraus, dass ihr vormaliger Ehemann in dem „von ihr bevollmächtigten Umfang“ disponiert habe. Nicht sie habe der Klägerin erlaubt, „ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung Fremdwährungsspekulationsgeschäfte zu tätigen“, sondern der von ihr dazu bevollmächtigte Ehemann. Die Klausel sei nicht nachteilig im Sinn des § 864a ABGB.

3.3. Die Beklagte vermag in der Revision nicht aufzuzeigen, dass die Klausel objektiv ungewöhnlich oder überraschend im Sinn des (allein relevierten) § 864a ABGB sei. Der Umstand, dass sie nicht Deutsch spricht, ist nicht maßgebend, wurde ihr doch der Inhalt des Angebots sinngemäß in die englische Sprache übersetzt, die sie versteht. Allein der Umstand, dass sie das Gestaltungsrecht, das ihr Ehemann auch in ihrem Vollmachtsnamen durch die Vertragsklausel ausgeübt hat, nicht gegen sich gelten lassen will, macht die Klausel nicht zu einer ungewöhnlichen Inhalts. Die Ausübung des Gestaltungsrechts, nämlich die Umsetzung des der (Rechtsvorgängerin der) Klägerin erteilten Auftrags, Teile des Kredits unter bestimmten Voraussetzungen in Franken und Yen zu konvertieren, wurde von ihrem Ehemann in ihrer Anwesenheit erteilt. Sie behauptet im Übrigen auch nicht, dass sie durch die Fremdwährungsgeschäfte einen Nachteil erlitten hätte. Gerade bei Kreditverträgen mit Solidarschuldnern ist diese Klausel nicht ungewöhnlich, muss doch jeder Mitschuldner damit rechnen, dass der andere das Kreditverhältnis im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen gestaltet. Andernfalls hätte eine mitschuldnerische Haftung für die Gläubigerin nicht den erkennbar gewünschten Effekt.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E128716

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00094.20K.0624.000

Im RIS seit

31.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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