Entscheidungsdatum
07.07.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Gindl über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 26.05.2020, Zl. ..., betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs. 3 und § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm der § 1 der VO gemäß § 2 Ziffer 1 des COVID-19 Maßnahmengesetzes,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Dem Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, MBA f.d. ...Bezirk (belangte Behörde) vom 26.05.2020, GZ: ... zur Last gelegt, er habe am 24.03.2020 um 21:15 Uhr in Wien, C.-straße einen öffentlichen Ort betreten, und sei dabei als Lenker und Zulassungsbesitzer mit drei weiteren, nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen in einem Kraftfahrzeug Marke Mercedes gesessen und haben dabei nicht den Sicherheitsabstand von einem Meter voneinander eingehalten, obwohl diese Fahrt keinem von § 2 Ziffer 1 bis 5 der o.a. Verordnung erfassten zulässigen Zwecke gedient habe, da es sich laut seiner eigenen Aussage um eine Fahrt zu seinem Bruder im ... Bezirk gehandelt habe.
Er habe durch eine Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs. 3 und § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm der § 1 der VO gemäß § 2 Ziffer 1 des des COVID-19 Maßnahmengesetzes begangen und wurde über ihn gemäß § 3 Abs. 3 COVIDE-19 Gesetz eine Strafe in Höhe von 240 Euro, im Nichteinbringungsfalle 8 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und einen Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 24 Euro vorgeschrieben.
Der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer erhob dagegen mit Schriftsatz vom 23.06.2020 fristgerecht Beschwerde und beantragte u.a. das Straferkenntnis ersatzlos zu beheben, weil es sich bei einem KFZ um keinen öffentlichen Ort handle und daher kein Verstoß gegen die Verordnung emäß § 2 Ziffer 1 des COVID-19 Maßnahmengesetzes vorliege.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer aus folgendem Grunde im Recht:
Unbestritten ist der dem Straferkenntnis zugrunde liegende Sachverhalt, dass der Beschwerdeführer am 24.3.2020 um 21:15 Uhr in Wien, C.-straße ein KFZ gelenkt hat, in dem sich drei weiteren Insassen befunden haben. Dieser Sachverhalt konnte sohin als erwiesen angesehen werden.
Das COVID-19-Maßnahmengesetz in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung regelt auszugsweise Folgendes:
Betreten von bestimmten Orten
[…]
§ 2.
Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist
1. vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,
2. vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder
3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.
[…]
Die Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung regelt auszugsweise Folgendes:
§ 1.
Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist das Betreten öffentlicher Orte verboten.
§ 2.
Ausgenommen vom Verbot gemäß § 1 sind Betretungen,
1. die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum erforderlich sind;
2. die zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen dienen;
3. die zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der Deckung des Bedarfs zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann, sofern nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann. Diese Ausnahme schließt auch Begräbnisse im engsten Familienkreis mit ein;
4. die für berufliche Zwecke erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann, sofern nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann. Dabei ist darauf zu achten, dass eine berufliche Tätigkeit vorzugweise außerhalb der Arbeitsstätte erfolgen soll, sofern dies möglich ist und Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber ein Einvernehmen finden.
5. wenn öffentliche Orte im Freien alleine, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten werden sollen, gegenüber anderen Personen ist dabei ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.
[…]
Mit Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der die Verordnung gemäß § 2 Ziffer 1 des COVID-19, Maßnahmengesetzes geändert wird, BGBl. 148/2020, wurde im § 4 Abs. 2 folgendes geregelt:
(2) Fahrgemeinschaften mit Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, sind nur zulässig, wenn dabei eine den Mund- und Nasenbereich gut abdeckende mechanische Schutzvorrichtung als Barriere gegen Tröpfcheninfektion getragen wird und gegenüber anderen Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten wird. Die Pflicht zum Tragen der mechanischen Schutzvorrichtung gilt nicht für Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr.
Die durch die Verordnung BGBl. 148/2020 vorgenommenen Änderungen traten mit Ablauf des 13.04.2020 in Kraft.
Nach § 1 der Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes in der zur Tatzeit geltenden Fassung war das Betreten öffentlicher Orte mit Ausnahme der in § 2 ausdrücklich genannten Fälle grundsätzlich verboten. Was unter „öffentlichem Ort“ zu verstehen ist, ist weder im COVID-19-Maßnahmengesetz noch in der Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes definiert. Da der Gesetzgeber aber in anderen Gesetzen, z. B. in § 27 Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz, definiert hat, was unter einem öffentlichen Ort zu verstehen ist, nämlich ein Ort, der von einem nicht von vornherein bestimmten Personenkreis betreten werden kann und auch die Rechtsprechung bei der Auslegung, was ein öffentlichen Ort ist dieser Definition folgt (vgl. z.B. VwGH vom 26.06.1995, 93/10/0201), ist es naheliegend, auch im Anwendungsbereich der Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes einen öffentlicher Ort so zu verstehen. Da ein privater Pkw evident nicht von einem nicht von vornherein bestimmten Personenkreis betreten werden kann, handelt es sich bei einem privaten Pkw nicht um einen öffentlichen Ort im Sinn der gegenständlichen Verordnung.
Der Auslegung der belangten Behörde in der Begründung im angefochtenen Straferkenntnis vom 26.05.2020, dass das Betretungsverbot von öffentlichen Orten auch das Betreten mittels Fahrzeuge umfasse, kann nicht gefolgt werden. Die Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes ermöglicht es die Bewegungsfreiheit von Personen einzuschränken und das Betreten bestimmter Orte zu verbieten, somit in grundrechtlich geschützte Lebensbereiche einzugreifen. Solche Bestimmungen dürfen nicht extensiv ausgelegt werden und haben sich streng am Sinn und Zweck des normierten Betretungsverbotes zu orientieren. Sinn und Zweck des Betretungsverbotes ist es, die Verbreitung von COVIDE-19 durch Betreten des öffentlichen Raumes zu verhindern, was durch Insassen in einem fahrenden KFZ (abgeschlossener Raum) von vornherein nicht möglich erscheint.
Im Übrigen fanden sich zur Tatzeit in diesem Zusammenhang nur die Verwendung von Massenbeförderungsmittel betreffende Bestimmungen (§ 4 der Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes), solche für private Pkw wurden erstmals durch§ 4 Abs. 2 der Verordnung BGBl. 148/2020, in Kraft getreten mit Ablauf des 13.04.2020 (sohin nach der angelasteten Tatzeit) getroffen, offenbar zum Schutz der Insassen im PKW.
Zusammengefasst lässt sich daher feststellen, dass zum Tatzeitpunkt das Befahren öffentlicher Orte mit einem privaten Pkw nicht dem Betretungsverbot der Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes unterlag (so auch Erkenntnis des LVG-NÖ vom 23.06.2020, LVwG-S-1161/001-2020, Erkenntnis des LVG-Wien vom 25.06.2020, VGW-031/034/5334/2020).
Das Straferkenntnis war daher aufzuheben und das Verfahren spruchgemäß einzustellen.
Da der Beschwerdeführer obsiegt hat, waren ihm gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht vorzuschreiben.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Rechtslage stellt sich nach den in Betracht kommenden Normen unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, was unter einem öffentlichen Ort zu verstehen ist, als klar und eindeutig dar und weicht dieses Erkenntnis nicht von dieser Rechtsprechung ab. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Betretungsverbot; öffentlicher OrtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.010.7507.2020Zuletzt aktualisiert am
30.07.2020