Entscheidungsdatum
27.06.2019Norm
BBG §40Spruch
I414 2215495-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und die Richterin MMag. Alexandra JUNKER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch AK Tirol, Maximilianstraße 7, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 25.01.2019, Zl. XXXX , in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 70% beträgt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Frau XXXX , geb. am XXXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) beantrage am 26.11.2018 die Neufestsetzung des Grades der Behinderung. Mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) vom 25.01.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen. Die Beschwerdeführerin war bereits zuvor in Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60% und hat sich daran nicht geändert.
Die belangte Behörde stützt sich dabei auf das medizinische Sachverständigengutachten von Dr. N., Fachärztin für Orthopädie, welches am 10.12.2018 aufgrund der Aktenlage erstellt wurde. Dabei wurde zusammengefasst ausgeführt:
„Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
Gdb
1
Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates, Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades
Dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen bei Ehlers- Danlos Syndrom, sowie Bandscheibenprotrusionen der LWS; ständige Physiotherapie, physikalische Therapie, Schmerzmittel wie Antirheumatika und Opiate notwendig
02.02.03
60
Gesamtgrad der Behinderung: 60 v. H.
[…] Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
unverändert“
Gegen die Feststellung des Grades der Behinderung von 60% erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte sie aus, dass der hohe Leidensdruck, die psychosozialen Konflikte und die psychischen Erkrankungen nicht berücksichtigt worden seien. Es wurde ein weiterer ärztlicher Befundbericht vom 26.02.2019 beigelegt.
Vom erkennenden Gericht wurde Dr. N. beauftragt, unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens ihr Gutachten zu ergänzen. Dazu führte sie im Ergänzungsgutachten vom 02.04.2019 an, dass die Unterlagen keinerlei psychiatrische Behandlung oder Therapiemaßnahmen anführen und ein entsprechendes Krankheitsbild nicht zu entnehmen ist.
Im Rahmen der Beantwortung des Parteiengehörs vom 05.04.2019 wurde ein fachärztliches Attest des Dr. H. vom 31.01.2019 nachgereicht. Es wird durch den Facharzt für Psychiatrie eine Anpassungsstörung mit vorwiegend emotionaler Symptomatik bei schwerer chronischer Bindegewebsschwäche und chronischem Schmerzsyndrom diagnostiziert.
Die neu vorgelegten Unterlagen wurden in ein neuerliches Ergänzungsgutachten der Dr. N. vom 16.05.2019 berücksichtigt und beantwortete die Sachverständige die Fragen des erkennenden Gerichtes wie folgt:
„1) Ändert sich aufgrund des vorgelegten Befundes die Einschätzung der Positionsnummer und des Rahmensatzes (Anpassungsstörung mit vorwiegend emotionaler Symptomatik bei schwerer chronischen Bindegewebsschwäche und chronischen Schmerzsyndrom).
Neu vorgelegt wird nun ein fachärztliches Attest von Dr. med G. H. vom 31.01.2019, Facharzt für Psychiatrie. Dr. H. bestätigt hierin die Diagnosen Anpassungsstörung mit vorwiegend emotionaler Symptomatik bei schwerer chron. Bindegewebsschwäche und chron. Schmerzsyndrom mit den Symptomen Ängste, Sorgen, Verzweiflung, Gereiztheit und Anspannung. Angaben zu laufenden Therapien, medikamentöser oder psychotherapeutischer Art werden nicht gemacht. Mit Schriftsatz vom 29.04.2019 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie laufend in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung stehe.
2) Welcher Gesamtgrad der Behinderung liegt unter Einbeziehung der in der Beschwerde vorgelegten medizinischen Unterlagen im Sinne der Einschätzungsverordnung vor?
1 Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates, Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades Dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen bei Ehlers- Danlos Syndrom, sowie Bandscheibenprotrusionen der LWS; ständige Physiotherapie, physikalische Therapie, Schmerzmittel wie Antirheumatika und Opiate notwendig; Pos. Nr. 02.02.03, GdB 60%
2 Depressive Störung leichten Grades: laufend in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung, keine Medikation, unter Therapie stabil, sozial integriert; Pos. Nr. 03.06.01, GdB 20%
Der GdB durch Leiden 1 erhöht sich durch Leiden 2 um 1 Stufe auf insgesamt 70%, da eine negative wechselseitige Beeinflussung vorliegt.
Es besteht ein Dauerzustand, eine Nachuntersuchung ist nicht notwendig.“
Das Ergebnis des Beweisverfahrens wurde den Verfahrensparteien zu Kenntnis gebracht. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme wurde nicht (mehr) Gebrauch gemacht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Pkt. I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz in Österreich. Sie ist in Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60%.
Sie leidet an einer generalisierten Erkrankung des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades mit einem Grad der Behinderung von 60% (Leiden 1) und an einer depressiven Störung leichten Grades mit einem Grad der Behinderung von 20% (Leiden 2).
Es besteht eine negative wechselseitige Leidensbeeinflussung und erhöht Leiden 2 das führende Leiden 1 um eine Stufe, sodass ein Gesamtgrad der Behinderung von 70% besteht.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch die Einsicht in den Akt der belangten Behörde, insbesondere in den Antrag vom 26.11.2018, in die Gutachten von Dr. N. vom 10.12.2018, 02.04.2019 und 16.05.2019, in den bekämpften Bescheid sowie in den Beschwerdeschriftsatz.
Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin sowie zum Behindertenpass basieren auf dem vorliegenden Verwaltungsakt und sind unstrittig.
Die Feststelllungen der Gesundheitseinschränkungen ergeben sich in Gesamtschau aus den (Ergänzungs-)Gutachten von Dr. N. unter Einbeziehung der von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen.
Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem erhobenen klinischen Befund und den vorgelegten medizinischen Beweismitteln und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen nach der Einschätzungsverordnung.
Hinsichtlich des Leidens 1 führt die Gutachterin begründend zur gewählten Positionsnummer 02.02.03 aus, dass eine ständige Physiotherapie und die Einnahme von Schmerzmitteln notwendig sind. Daraus ergibt sich schlussfolgernd ein Grad der Behinderung von 60%.
Bezüglich des Leidens 2 führt sie zur gewählten Positionsnummer 03.06.01 aus, dass die Beschwerdeführerin in laufender psychiatrischer Behandlung steht, aber keine Medikation angegeben ist. Da sie unter Therapie stabil und sozial integriert ist, ist der Rahmensatz mit 20% angemessen.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Gutachterin mehrmals auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausreichend eingegangen ist, und die Beeinträchtigungen im Sinne der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft wurden.
Hinsichtlich des Gesamtgrades führt die Sachverständige schlüssig und im Einklang mit dem psychiatrischen Befund aus, dass das Leiden 2 zu einer wechselseitigen negativen Leidensbeeinflussung von Leiden 1 führt, sodass es zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um 1 Stufe kommt.
Das Gutachten von Dr. N. wurde der Beschwerdeführerin sowie der belangten Behörde zur Stellungnahme übermittelt. Diese sind dem Gutachten in der Folge jedoch nicht (mehr) entgegengetreten. Das Gutachten steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht entgegen getreten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat dieses Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde und erachtet den Sachverhalt als geklärt.
Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und den eingeholten Ergänzungsgutachten. Zudem sind die Verfahrensparteien dem letztlich eingeholten Ergänzungsgutachten nicht (mehr) entgegengetreten. Es wurde keinerlei Stellungnahme abgegeben.
Dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
§ 7 Abs. 1 BVwGG lautet wie folgt:
„Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.
§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.“
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) lauten wie folgt:
„§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:
„§ 43 (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen.
(2) Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpaß vorzulegen.
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.“
§ 4 der Einschätzungsverordnung (EVO) in der geltenden Fassung, lautet wie folgt:
„Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“
Dem vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewerteten Sachverständigengutachten von Dr. N. folgend, beträgt der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin nunmehr 70%.
Die führende funktionelle Einschränkung wurde von der Gutachterin unter die Positionsnummer 02.02.03 mit einem Grad der Behinderung von 60 % eingestuft. Die Anlage zur Einschätzungsverordnung sieht bei dieser Positionsnummer einen Grad der Behinderung zwischen 50% bis 70% vor. Die Gutachterin führt begründend für den herangezogenen Grad der Behinderung von 60 % die ständige Physiotherapie und die Einnahme von Schmerzmitteln an. Diese Einschätzung wurde nicht bestritten.
Moniert wurde, die Nichtbeachtung des Leidens 2. Diese wurde mit einem Grad der Behinderung von 20 % laut Positionsnummer 03.06.01 eingeschätzt und entspricht die Begründung ebenfalls dem vorgegebenen Rahmen der Anlage zur Verordnung.
Auch bei der Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist Sachverständige nach den Vorgaben von § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung ausgegangen, wonach eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, (nur) dann vorliegt, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt oder zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen. Diesbezüglich hat Dr. N. angegeben, dass das Leiden 1 durch Leiden 2 negativ beeinflusst wird. Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin wurde daher zu Recht mit 70 % festgestellt.
Entgegen der Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach der Grad der Behinderung weiterhin 60% betrage, beträgt der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers nunmehr 70%. Der Beschwerde war daher stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I414.2215495.1.01Im RIS seit
30.07.2020Zuletzt aktualisiert am
30.07.2020