TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/31 I406 2131564-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2020
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Entscheidungsdatum

31.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I406 2131562-1/31E

I406 2131564-1/14E

I406 2131557-1/13E

I406 2177202-1/8E

I406 2227170-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. GZ I406 2131562-1 (Erstbeschwerdeführer)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde des XXXX, StA. SUDAN, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.03.2018 zu Recht erkannt:

A)

1. Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

2. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat SUDAN zuerkannt.

3. Gemäß § 8 AsylG 2005 wirdXXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 31.01.2021 erteilt.

4. Die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheids werden behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

II. GZ I406 2131564-1 (Zweitbeschwerdeführerin)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde der XXXX, StA. SUDAN, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.03.2018 zu Recht erkannt:

A)

1. Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

2. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat SUDAN zuerkannt.

3. Gemäß § 8 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 31.01.2021 erteilt.

4. Die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheids werden behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

III. I406 2131557-1 (Drittbeschwerdeführer)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde des XXXX, StA. SUDAN, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.03.2018 zu Recht erkannt:

A)

1. Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

2. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat SUDAN zuerkannt.

3. Gemäß § 8 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 31.01.2021 erteilt.

4. Die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheids werden behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

IV. GZ I406 2177202-1 (Viertbeschwerdeführerin)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde derXXXX, StA. SUDAN, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.03.2018 zu Recht erkannt:

A)

1. Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

2. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXXder Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat SUDAN zuerkannt.

3. Gemäß § 8 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 31.01.2021 erteilt.

4. Die Spruchpunkte II., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheids werden behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

V. I406 2227170-1 (Fünftbeschwerdeführer)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde des XXXX, StA. SUDAN, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2019, Zl. 1254528401/191246115 zu Recht erkannt:

A)

1. Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

2. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat SUDAN zuerkannt.

3. Gemäß § 8 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 31.01.2021 erteilt.

4. Die Spruchpunkte II., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheids werden behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer, auch als BF und gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als BF1 bis BF5 bezeichnet, sind sudanesischer Staatsangehörigkeit und gehören der arabischen Volksgruppe an.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet. Der Drittbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführer sind ihre minderjährigen Söhne, die Viertbeschwerdeführerin ist ihre minderjährige Tochter. Sie wurden am XXXXin Österreich geboren. Ihre Verfahren sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

2. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin beantragten nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 04.07.2015 internationalen Schutz.

3. Im Rahmen der Erstbefragung am 04.07.2015 gab der Erstbeschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an: "Weil in Darfur herrscht Krieg zwischen der Regierung und den Stämmen. Mein Vater ist im Krieg gestorben. Ich hatte auch keine Arbeit. Ich habe auch keine Sicherheit, deshalb bin ich mit meiner Frau geflüchtet." Die Zweitbeschwerdeführerin machte keine eigenen Fluchtgründe geltend und bezog sich auf die Fluchtgeschichte ihres Ehemannes. Beide gaben an, bei einer Rückkehr in ihre Heimat um ihr Leben zu fürchten.

4. Am XXXX wurde der Drittbeschwerdeführer in Österreich geboren. Seine Eltern stellten für ihn am 26.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

5. Am 23.05.2016 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; die belangte Behörde) statt. Sie gaben an, aus dem Distrikt Kulbus in West-Darfur zu stammen und dem Stamm Al Gimer anzugehören. Ihre Heimat hätten sie verlassen, weil der Erstbeschwerdeführer von der Regierung verdächtigt werde, dem streng religiösen Stamm der Masalit anzugehören. Die Regierung wolle diesen Stamm eliminieren. Sein Vater sei deshalb ums Leben gekommen, man habe ihn verhaftet und er sei nie zurückgekehrt. Der Erstbeschwerdeführer habe mit diesem Stamm überhaupt nichts zu tun. Er sei aufgrund des Verdachts im Jahr 2013 für zwei Tage festgenommen und verhört worden. Es habe keine Beweise gegen ihn gegeben, deshalb habe man ihn freigelassen, aber in weiterer Folge schikaniert. Zwei Mal seien Vertreter der sudanesischen Regierung zu ihm gekommen. Sie hätten ihn neuerlich beschuldigt, dem Stamm der Masalit anzugehören und ihm zu verstehen gegeben, dass ihm dasselbe passieren werde wie seinem Vater. Weiters hätten sie gesagt, er könne hier nicht weiterarbeiten und ihm gedroht, sein Geschäft zuzusperren. Im Jahr 2015 sei der Erstbeschwerdeführer ein weiteres Mal für zwei Tage festgenommen und misshandelt worden. Die Behörden hätten dem Erstbeschwerdeführer bei seiner Freilassung gesagt, dass sie die ganze Familie festnehmen wollten. Deshalb habe er nicht abgewartet, bis wieder etwas passiere und sei mit seiner Frau geflüchtet. Alle seine anderen Familienangehörigen seien in den Tschad geflüchtet. Im Falle einer Rückkehr würden die Behörden den Erstbeschwerdeführer aufgrund seines Verschwindens noch stärker verdächtigen, mit dem Stamm der Masalit zusammenzuarbeiten. Er würde mit Sicherheit gefangengenommen. Die Zweitbeschwerdeführerin machte keine eigenen Fluchtgründe geltend und auch für den Drittbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

6. Mit den verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheiden vom 11.07.2016 wies die belangte Behörde die Anträge des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (jeweils Spruchpunkt I.) als auch betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Sudan ab (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die BF jeweils eine Rückkehrentscheidung und erklärte deren Abschiebung in den Sudan für zulässig (Spruchpunkt III.). Es wurde eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.). Dagegen erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

7. Am XXXX kam die Viertbeschwerdeführerin in Österreich zu Welt. Am 05.10.2017 stellten ihre gesetzlichen Vertreter einen Antrag auf internationalen Schutz für sie, wobei keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht wurden.

8. Mit Bescheid vom 08.11.2017 wies das BFA den Antrag der Viertbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Sudan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen die Viertbeschwerdeführerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in den Sudan festgestellt (Spruchpunkt V.) Weiters wurde eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise bestimmt (Spruchpunkt VI.). Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

9. Am 17.03.2018 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der BF1 bis 4, einer Zeugin und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und in Abwesenheit ihrer Rechtsvertretung sowie der belangten Behörde statt.

Der Erstbeschwerdeführer machte im Zuge der Beschwerdeverhandlung geltend, aufgrund des Verdachtes, den Masalit anzugehören, von der sudanesischen Regierung festgenommen, geschlagen und gefoltert worden zu sein. Dadurch habe er Verletzungen und Folterspuren an seinem Körper davongetragen. Er erklärte erstmals, die Zweitbeschwerdeführerin habe eigene Gründe für ihre Flucht aus dem Sudan, und zwar Genitalverstümmelung. Seine Kinder würden im Sudan Probleme bekommen. Seiner Tochter (BF4) drohe Genitalverstümmelung und sein Sohn (BF3) würde aus den gleichen Gründen wie er selbst festgenommen. Die Zweitbeschwerdeführerin stützte sich in ihrer Befragung hauptsächlich auf die Fluchtgründe des Erstbeschwerdeführers und erklärte zusätzlich, im Alter von zwei Jahren beschnitten worden zu sein. Auf Rückfrage erklärte sie, kein Problem damit zu haben, dass die Verhandlung von einem männlichen Richter, in Anwesenheit eines männlichen Dolmetschers, fortgesetzt werde.

10. Das Bundesverwaltungsgericht gab mit Beschluss vom 13.09.2018 ein gerichtsmedizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag, dies zu den Fragen, ob beim Erstbeschwerdeführer Spuren von Misshandlungen, sowie bejahendenfalls deren Alter, feststellbar seien. Das entsprechende Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Gerichtsmedizin langte am 02.01.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Gutachten wurde dem Beschwerdeführer mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur Erstattung einer Stellungnahme übermittelt. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers führte in ihrer Stellungnahme aus, dass das Gutachten ihrer Ansicht nach die Angaben des Beschwerdeführers bestätige.

11. Am XXXX wurde der Fünftbeschwerdeführer in Österreich geboren. Auch für ihn wurde am 05.12.2019 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wobei sich seine Fluchtgründe zur Gänze auf jene des Erstbeschwerdeführers beziehen und keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden.

12. Der Antrag des Fünftbeschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 16.12.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Sudan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den Fünftbeschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Sudan festgestellt (Spruchpunkt V.) Weiters wurde eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise bestimmt (Spruchpunkt VI.). Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Sudan und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG 2005. Sie sind keine begünstigten Drittstaatsangehörigen und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Es handelt sich bei den Beschwerdeführern um einen volljährigen Mann (BF1), seine volljährige Ehefrau (BF2) und ihre drei gemeinsamen minderjährigen Kinder im Alter von drei Jahren (BF3), zwei Jahren (BF4), sowie drei Monaten (BF5). Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 34 Asylgesetz als Familienverfahren zu führen.

Die Identität des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest. Sie sind moslemischen Glaubens, gehören dem Stamm Al Gimer an und stammen aus dem Distrikt Kulbus in West-Darfur, wo sie bis zu ihrer Ausreise im Juni 2015 lebten.

Sie halten sich seit mindestens Juli 2015 in Österreich auf.

Die Identität ihrer drei in Österreich geborenen Kinder (BF3 bis BF5) steht fest.

Die BF leiden an keiner lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Erkrankung. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind jung, gesund und arbeitsfähig.

Die BF verfügen im Bundesgebiet abgesehen von ihrer Kernfamilie über keine familiären Anknüpfungspunkte, es leben keine weiteren Familienangehörigen oder Verwandten der BF in Österreich. Die Familie des Erstbeschwerdeführers lebt in einem Flüchtlingslager im Tschad.

Die BF haben während ihres Aufenthaltes in Österreich am kulturellen und sozialen Leben teilgenommen und sind in ihrer Gemeinde integriert. Der Erstbeschwerdeführer hat zwischen Februar 2016 und Juli 2017 Deutschkurse der Caritas bis zum Niveau A2 besucht, er nimmt seit 13.11.2017 am Kurs XXXX teil und besucht seit April 2018 einen Deutschkurs der Marktgemeinde St. XXXX. Er ist als ambitionierter Läufer Mitglied in einem Athletenprogramm der Sportpraxis XXXX, der Laufgruppe "XXXX", der Sport UnionXXXX sowie einer Fußballmannschaft des Vereins "XXXX". Er engagierte sich im Zuge diverser Vereinsveranstaltungen ehrenamtlich und ist um seine Integration bemüht. Die Zweitbeschwerdeführerin bemüht sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten neben der Betreuung der drei gemeinsamen Kinder um ihre Integration. Sie besuchte ab März 2017 einen Deutschkurs des XXXX und erhält seit März 2018 wöchentlichen Einzelunterricht in Deutsch.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gehen in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach, beziehen für ihre Familie Leistungen aus der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig. Sie sind strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer

Der Erstbeschwerdeführer hat sein Fluchtvorbringen, im Herkunftsstaat aufgrund vermeintlicher Zugehörigkeit zu einer regierungsfeindlichen Gruppe von Regierungskräften bedroht, inhaftiert und am Körper verletzt worden zu sein, nicht glaubhaft gemacht und hat auch im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mit Verfolgungshandlungen zu rechnen.

Eine konkrete und aktuelle Gefährdung der Zweitbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in den Sudan in Zusammenhang mit ihrer bereits erfolgten Genitalbeschneidung kann nicht festgestellt werden. Ebenso wenig kann eine Gefährdung der Viertbeschwerdeführerin hinsichtlich einer weiblichen Genitalverstümmelung festgestellt werden.

Für den Dritt-und Fünftbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Es ist den Beschwerdeführern somit nicht gelungen, asylrelevante Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen.

Es kann mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr existenzbedrohenden Verfolgungshandlungen seitens der dem Staat zurechenbaren Organe ausgesetzt sein würden. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Familie im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

Politische Lage

Der Sudan ist eine Republik, deren Macht in den Händen des autoritären Präsidenten Omar Hassan al-Bashir konzentriert ist (USDOS 20.4.2018). Der Sudan ist der Verfassung nach ein Bundesstaat, der 17 Bundesstaaten umfasst. Das Zentralstaatsprinzip ist gleichwohl stark ausgeprägt. Staatspräsident ist Feldmarschall Omar Hassan Ahmad al-Baschir. Er ist zugleich Premierminister und Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Vorsitzender des obersten Richterrates und Befehlshaber der Polizei. Er kann die Verfassung aussetzen und den Ausnahmezustand erklären (AA 12.2017a).

1983 erklärte Präsident Nimeiri den Sudan zum islamischen Staat und führte die Scharia ein. Der südsudanesische Autonomiestatus wurde aufgehoben. Dies führte zu einem 22 Jahre andauernden Bürgerkrieg. Mehr als zwei Millionen Menschen verloren durch den Krieg und seine direkten Folgen ihr Leben, und mehr als vier Millionen wurden, zum Teil mehrmals, vertrieben. Unter hohem internationalem Druck verhandelten beide Seiten ein Friedensabkommen, das im Januar 2005 unterschrieben und als Comprehensive Peace Agreement (CPA) bekannt wurde. Am 9.7.2011 erklärte der Südsudan unter großer internationaler Aufmerksamkeit und friedlicher Beteiligung des Nordens seine Unabhängigkeit. Der Sudan hat diesen neuen Staat umgehend anerkannt (GIZ 8.2018b).

Die sudanesische Innenpolitik ist maßgeblich durch die notwendigen wirtschaftlichen und politischen Anpassungen nach der Sezession des Südsudan bestimmt (AA 12.2017a; vgl. GIZ 8.2018a). Nach der Unabhängigkeit des Südsudan soll für den Sudan eine neue Verfassung ausgearbeitet werden. Die Neufassung ist immer wieder verschoben worden, soll aber Plänen zufolge stark islamisch geprägt sein. Eine neue Verfassung ist nach wie vor nicht in Sichtweite. Anfang 2015 wurden jedoch Pläne bekannt, umfangreiche Verfassungsänderungen vorzunehmen, die vor allem die Machtbefugnisse des Präsidenten stärken sollen. Die von der Opposition heftig kritisierten und Ende 2016 ratifizierten Vorhaben betreffen u.a. die Ernennung der Provinzgouverneure durch den Präsidenten, die seit den Regionalwahlen im Jahr 2010 erstmalig von der Bevölkerung direkt gewählt wurden und eine Aufwertung des Nationalen Sicherheitsdienstes (NISS) (GIZ 8.2018a).

Sudans Langzeitpräsident Omar Hassan Al-Bashir wurde am 2.6.2015 wiedergewählt und bleibt für weitere fünf Jahre im Amt (GIZ 8.2018a). Der seit 1989 amtierende Präsident Omar Al-Bashir siegte haushoch mit 94,05% der abgegebenen Stimmen. Der zweitplatzierte Kandidat erhielt 1,43%. Da alle ernst zu nehmenden Kandidaten und Parteien der Opposition die Wahl boykottierten, galt bei den Präsidentschaftswahlen die Wiederwahl von Omar Al-Bashir als reine Formsache. Wegen des Wahlboykotts der wichtigsten Oppositionsparteien, wie der Umma-Partei des früheren Ministerpräsidenten Sadiq al-Mahdi und der SPLM-Nord, des sudanesischen Ablegers der südsudanesischen SPLM, gehören unabhängige Kandidaten zu den Gewinnern der Parlamentswahlen. Die Oppositionsparteien und Rebellenorganisationen forderten die internationale Gemeinschaft zur Nichtanerkennung der Wahlergebnisse auf, da diesen die politische Legitimation fehlen würde. Politische Analysten sehen im Boykott der Wahlen durch die wichtigsten Oppositionsparteien eine Gefahr für die demokratischen Strukturen und in den hohen Wahlergebnissen für Präsident und Regierungspartei eher eine Tendenz zum Einparteienstaat (GIZ 8.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018).

In seiner Antrittsrede bot Al-Bashir den Rebellengruppen in Darfur eine Amnestie an, sollten diese Friedensverhandlungen zustimmen und kündigte Maßnahmen gegen die grassierende Korruption im Land an (GIZ 8.2018a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2017a): Länderinformationen, Sudan, Innenpolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sudan-node/-/203304, Zugriff 9.8.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 10.8.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018b): Südsudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/suedsudan/geschichte-staat/, Zugriff 10.8.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 10.8.2018

Sicherheitslage

Die Lage ist in weiten Teilen des Landes angespannt (EDA 10.8.2018). Der Sudan ist seit Loslösung des Südens und dem Verlust eines Großteils seines Öleinkommens in einer schwierigen Situation, die wiederum zu inzwischen chronischen Phasen sozialer Unruhe führt (GIZ 8.2018a). Aufgrund sozialer Spannungen sind Demonstrationen mit gewalttätigen Ausschreitungen daher immer wieder möglich (EDA 10.8.2018; vgl. FD 10.8.2018).

In einigen Landesteilen finden bewaffnete Konflikte statt. In mehreren Landesteilen besteht die Gefahr von Landminen und Blindgängern (EDA 10.8.2018). Es besteht weiterhin eine erhöhte Terrorismusgefahr im gesamten Sudan, auch wenn die letzten Anschlagsversuche einige Jahre zurückliegen. In verschiedenen Landesteilen wurden in den vergangenen Jahren vereinzelte Zellen, die Anschläge geplant hatten, durch sudanesische Behörden aufgedeckt (AA 10.8.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.8.2018): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sudan-

node/sudansicherheit/203266, Zugriff 10.8.2018

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.12.2015): Reisehinweise für den Sudan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und- reisehinweise/sudan.html, Zugriff 10.8.2018

- FD - France Diplomatie (10.8.2018): Conseils aux Voyageurs - Soudan - Securite, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-

destination/soudan/, Zugriff 10.8.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 10.8.2018

Spezifische regionale Risiken

Süden: Nach einem mehr als 21 Jahre dauernden Bürgerkrieg wurde das Land getrennt. Am 9.7.2011 ist im Süden der Südsudan entstanden. Wichtige Fragen bleiben aber noch ungeklärt, wie z.B. der genaue Grenzverlauf, die Zuteilung der Region Abyei zum Norden oder zum Süden, die Aufteilung der Erdöleinnahmen sowie Status und zukünftige Rechte der Südsudanesen, die zurzeit im Norden wohnen und umgekehrt. Die Sicherheitslage in der Grenzregion zwischen Sudan und Südsudan bleibt weiterhin instabil. Es kommt immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Betroffen sind vor allem die Provinzen Südkordofan und Blue Nile. In Abyei sind seit August 2011 UN-Friedenstruppen stationiert. In diesen Gebieten besteht auch Minengefahr (EDA 27.8.2018).

Westen (Darfur): Die schwelenden Stammeskonflikte im Westen des Landes sind seit Ende 2003 zu schweren Kämpfen eskaliert (EDA 10.8.2018). Die Sicherheitslage ist noch immer prekär. Es besteht das Risiko von Entführungen. Von Reisen in alle fünf Darfur-Teilregionen - Nord-, West- und Süd- Darfur sowie nach Nordkordofan wird wegen militärischer Auseinandersetzungen und hoher Bandenkriminalität abgeraten (BMEIA 27.8.2018; vgl. EDA 27.8.2018, FD 27.8.2018). Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen sind wiederkehrend. Außerdem kommt es zu einer Zunahme von Zusammenstößen zwischen den Gemeinschaften und der Zunahme krimineller Gewalttaten (FD 27.8.2018). Zwei Rebellengruppen (Justice and Equality Movement - JEM; Sudan Liberation Army - SLA), hervorgegangen aus schwarzafrikanischen Volksgruppen in Darfur, warfen der sudanesischen Regierung vor, die Region zu marginalisieren und die Bevölkerung zu unterdrücken. Die sudanesische Regierung reagierte, unterstützt von arabischen Milizen (den Janjaweed), auf diesen Angriff mit einem bewaffneten Feldzug (GIZ 8.2018a).

Zudem hat die Regierung sich zu einem Friedensschluss mit der bewaffneten Opposition in diesen Gebieten verpflichtet. Hierüber wird im Augenblick unter der Leitung des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Mbeki verhandelt (AA 6.11.2017).

Die an diesen Verhandlungen beteiligte bewaffnete Opposition besteht zurzeit aus "Sudanese People's Liberation Movement-North"(SPLM-N, aktiv in den "Two Areas"), "Justice and Equality Movement" (JEM/in Dafur) und "Sudanese Liberation Army-Minni Minnawi"(SLA-MM, in Dafur). Zu größeren Kampfhandlungen ist es zuletzt Mitte 2016 in den Marra-Bergen in Dafur gekommen, bei denen noch einmal ca. 100.000 Menschen vertrieben wurden. Seit dieser Zeit kam es nur noch zu kleineren bewaffneten Auseinandersetzungen, da infolge der Kampfhandlungen in 2016 sowohl JEM und SLA-MM, als auch die sich jeder Verhandlung bis jetzt verweigernde Rebellengruppe von Abdul Wahid Nuer über nur noch unbedeutende militärische Präsenz in Dafur verfügen. Trotz der derzeit ruhigen militärischen Lage ist Dafur noch weit von Frieden und Sicherheit für die dortige Bevölkerung entfernt. Diese Landesteile sind keineswegs befriedet. Die von ihrem Land Vertriebenen haben noch keine Möglichkeit, in ihre Heimat zurückzukehren, da weite Teile Dafurs von Gesetzlosigkeit und der Herrschaft von lokalen Milizen geprägt sind. Die gemeinsame Friedensmission der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen in Darfur (UNAMID) vermag nur in sehr begrenztem Umfang zur Verbesserung der Sicherheitslage beizutragen (AA 6.11.2017). Seit März 2018 haben erneute Kämpfe zwischen der sudanesischen Befreiungsarmee Abdul Wahid (SLA-AW) mit der sudanesischen Armee und den Rapid Support Forces (RSF) jedoch zu einer weiteren Vertreibung von Hunderttausenden von Menschen geführt, die sich in Jebel Marra in schweren humanitären und Menschenrechtskrisen befinden (AI 28.6.2018)

Osten (Gedaref, Kassala, Red Sea): Im Oktober 2006 schlossen die lokalen Rebellen und die Regierung ein Friedensabkommen (EDA 27.8.2018). Seit dem East Sudan Peace Agreement (ESPA) von 2006 gibt es im Ostsudan keine bewaffneten Auseinandersetzungen mehr (AA 6.11.2017) . Zudem sind nach dem Friedensschluss zwischen der ostsudanesischen "Eastern Front" und der Regierung in Khartum in der Region viele Sicherheitskräfte präsent (AA 27.8.2018). Grenzgebiete zu Ägypten und Libyen: In den Grenzgebieten zu Ägypten und Libyen sind Banditen und Schmuggler aktiv (EDA 27.8.2018). Dort kontrollieren ehemalige, jetzt in die Armee integrierte Milizen ("Rapid Support Forces") das Grenzgebiet und liefern sich mit aus Libyen einsickernden Rebellen und Schleuserbanden Gefechte (AA 27.8.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017),

https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-bericht- ueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 27.8.2018

- AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sudan- node/sudansicherheit/203266, Zugriff 27.8.2018

- AI - Amnesty International (28.6.2018): Sudan: Down-sized UN Mission for an over-sized human rights crisis, https://www.ecoi.net/en/file/local/1436980/1226_1530258742_afr5486802018english.pdf, Zugriff 10.8.2018

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (27.8.2018): Reisehinweise für den Sudan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und- reisehinweise/sudan.html, Zugriff 27.8.2018

- FD - France Diplomatie (27.8.2018): Conseils aux Voyageurs - Soudan - Securite, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays- destination/soudan/, Zugriff 27.8.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 27.8.2018

Rechtsschutz / Justizwesen

In rechtsstaatlicher Hinsicht weist der Sudan gravierende Mängel auf. Es gibt keine funktionierende Gewaltenteilung (AA 6.11.2017). Die Justiz ist ineffizient und korrupt (USDOS 20.4.2018). Auch wenn die Interimsverfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, ist diese größtenteils dem Präsidenten oder den Sicherheitskräften unterworfen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 6.11.2017) vor allem in Fällen von angeblichen Verbrechen gegen den Staat. Manchmal zeigen die Gerichte einen gewissen Grad an Unabhängigkeit. Allerdings ist politische Einflussnahme allgemein üblich und einige hochrangige Mitarbeiter der Justiz sind gleichzeitig für das Innenministerium oder andere Teile der Exekutive tätig (USDOS 20.4.2018). Die Folge ist, dass Richter oftmals bemüht sind, mit ihren Urteilen politisch nicht anzuecken. Es fehlt u.a. an hinreichender Ausbildung der Mitarbeiter im Justizbereich. Das "Public Grievances Board", das nominell die Funktion eines Ombudsmanns ausübt, hat in der Praxis keine Bedeutung (AA 6.11.2017).

Das sudanesische Strafrecht basiert auf der Scharia und es können Strafen wie Auspeitschen, Amputationen und Steinigungen trotz verfassungsmäßigen Verbots verhängt werden (USDOS 20.4.2018). Die verfassungsmäßig zugesicherten Rechte auf ein faires und zügiges Gerichtsverfahren sowie die Unschuldsvermutung werden häufig nicht geachtet. Verhandlungen sind normalerweise öffentlich, außer wenn es sich um Vergehen gegen den Staat oder die Staatssicherheit handelt. Der Angeklagte hat Anspruch auf einen Pflichtverteidiger, jedoch gibt es Berichte darüber, dass Angeklagten dieses Recht manchmal verweigert wird. Militärprozesse, die manchmal geheim und rasch ablaufen, beinhalten keine prozessualen Rechtsstandards. Auf dem Special Courts Act beruhende Sondergerichte bestehen meist aus Zivilrichtern, behandeln jedoch oft sicherheitsrelevante Fälle. Bei diesen Gerichten gibt es nur eingeschränkte Möglichkeiten der Rechtshilfe (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017), https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-bericht- ueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 13.8.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 13.8.2018

Sicherheitsbehörden

Mehrere Regierungsorganisationen sind für die innere Sicherheit verantwortlich: der Nationale Nachrichten- und Sicherheitsdienst NISS, das Innenministerium und das Verteidigungsministerium. Der NISS ist in allen wichtigen Städten vertreten. Das Innenministerium kontrolliert Polizeikräfte, wie unter anderem die Nationale Polizei, polizeiliche Spezialeinheiten und die Central Reserve Police (CRP) (USDOS 20.4.2018). Die im Jahr 2013 gegründeten Rapid Support Forces (RSF), als Teil des Sicherheitsapparates, fiel mit 2016 unter die Sudanese Armed Forces (SAF), welche direkt dem Präsidenten unterstellt ist. Es handelt sich dabei um eine Einheit, die größtenteils aus ehemaligen Angehörigen darfurischer Milizen (Janjaweed) besteht (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 6.11.2017).

Die Polizei agiert häufig willkürlich; eine richterliche Kontrolle polizeilichen Handelns findet kaum statt. Der mächtige NISS ist innerstaatlich de facto ohne demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle tätig. Willkürliche Verhaftungen ohne richterlichen Haftbefehl sind Praxis (AA 6.11.2017). Straffreiheit stellt in allen Teilen der Sicherheitskräfte ein verbreitetes Problem dar (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017), https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-bericht- ueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 13.8.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 13.8.2018

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl die Übergangsverfassung von 2005 Folter und unmenschliche Behandlung verbietet, foltern und belästigen Sicherheitskräfte, Regierungsmilizen und Rebellengruppen politische Gegner weiterhin (USDOS 20.4.2018). Polizei- und Sicherheitskräfte gehen generell mit Härte vor. Konzepte wie Rechtsstaatlichkeit oder Verhältnismäßigkeit sind vielen Sicherheitskräften unbekannt oder werden bewusst außer Acht gelassen. Von rüdem polizeilichem Handeln sind in Khartum lebende afrikanischstämmige Südsudanesen und Binnenvertriebene aus Darfur und den Nubabergen besonders stark betroffen gewesen. Die meisten Südsudanesen haben das Land inzwischen verlassen (AA 6.11.2017). In Darfur und anderen Konfliktregionen kommt es durch Regierungstruppen, Rebellen und Stammesfraktionen zu außergerichtlichen Hinrichtungen (USDOS 20.4.2018). Vor allem der sudanesischen Armee werden systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung als eine zentrale Strategie der Kriegsführung vorgeworfen. So kommt es immer wieder zu Bombardierungen von Dörfern durch die sudanesische Luftwaffe. Weiter stellen sexuelle Gewalt in den Konfliktregionen durch Milizen der Regierung und der sudanesischen Armee und die Rekrutierung von Kindersoldaten, vor allem durch die verschiedenen Rebellenorganisationen, ein immenses Problem dar (GIZ 8.2018a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der

Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017),

https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-bericht- ueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 13.8.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 13.8.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 13.8.2018

Korruption

Trotz Antikorruptionsgesetzen (USDOS 20.4.2018) ist die Korruption im Land allgegenwärtig (GIZ 8.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018) und durchzieht sämtliche Sektoren der Wirtschaft (GIZ 8.2018a) und des Staatsapparates (GIZ 8.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018). Behördenmitarbeiter sind oftmals in korrupte Aktivitäten involviert. Die Regierung unternimmt nur wenig Bemühungen, um Gesetze zur Vermeidung und Verfolgung von Korruption anzuwenden (USDOS 20.4.2018). So rangiert das Land im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International im weltweiten Vergleich seit Jahren traditionell auf den letzten Rängen, aktuell (CPI 2017), mit Rang 175 von 180. Am meisten wird von Sudanesen die Korruption in Polizei und Behörden beklagt. Die sudanesische Polizei wird unter den weltweit zehn korruptesten Polizeikräften geführt, aber auch die Korruption in der Wirtschaft ist enorm. Nachdem Präsident al-Bashir Anfang 2012 eine Anti-Korruptionsbehörde ins Leben gerufen hatte, wurde deren Vorsitzender nach einem Jahr wegen Untätigkeit wieder abgesetzt und dessen Posten bis heute nicht wieder besetzt. Stattdessen wurde von der sudanesischen Regierung eine Untersuchungskommission zur vorherigen Prüfung von Presseveröffentlichungen, in denen Amtsträgern Korruption vorgeworfen wird, eingeführt (GIZ 8.2018a). Fälle von Korruption bei öffentlich Bediensteten werden von einem speziellen Antikorruptionsstaatsanwalt untersucht. Verhängte Strafen werden allerdings kaum exekutiert (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 13.8.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 13.8.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung gewährt allen Sudanesen die grundlegenden Menschenrechte. In jüngerer Vergangenheit kam es zu keiner nennenswerten Verbesserung der Menschenrechtslage im Sudan (AA 6.11.2017). Die Menschenrechtslage bleibt im ganzen Land weiterhin prekär (GIZ 8.2018a). Der Regierung und regierungsnahen Organisationen wird eine systematische Missachtung der grundlegendsten Menschenrechte vorgeworfen. Die Menschenrechtslage wird durch die im Land herrschenden bewaffneten Konflikte in Darfur und in den Grenzregionen zum Südsudan verschärft (GIZ 8.2018a).

Meinungs- und Pressefreiheit werden von der Übergangsverfassung gewährleistet. In der Praxis wird auf private oder öffentliche Kritik seitens des Staates mit Repressalien wie etwa Verhaftungen reagiert (USDOS 20.4.2018). Medien - Presse, Radio, und Fernsehen - werden vom Staat kontrolliert. Falls sie nicht der Regierungspartei gehören oder staatlich sind, unterliegen sie einer Zensur (GIZ 8.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018). So werden regelmäßig die Veröffentlichungen von Artikeln verboten oder gleich ganze Zeitungsauflagen konfisziert. Sowohl die Verbote von Zeitungsauflagen, die das wirtschaftliche Überleben von Zeitungsverlagen massiv erschweren als auch komplette Schließungen von Zeitungen lassen viele Journalisten arbeitslos werden. Auch wird Druck auf Zeitungsherausgeber ausgeübt, um die Inhalte von Nachrichten zu steuern oder Berufsverbote für Journalisten verhängt. Bei unerwünschter Berichterstattung auch ausländischer Medien reagiert die Staatsgewalt mit der Schließung von deren Büros. Nach Berichten von Reporter ohne Grenzen gehören zu den zahlreichen Tabuthemen z.B. die Berichterstattung über Militäraktionen in den Unruheprovinzen des Landes, Meldungen zu Versorgungsengpässen und Korruptionsvorwürfe gegen Amtsträger (GIZ 8.2018a). Zwar wurde die Pressezensur 2009 formell aufgehoben, weiter bestehende Selbstzensur und administrative Hindernisse verhindern eine wirkliche Pressefreiheit (AA 12.2017a; vgl. AA 6.11.2017).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind gemäß der Verfassung gewährleistet, werden jedoch seitens der Regierung massiv eingeschränkt. Versammlungen von mehr als fünf Personen ohne Genehmigung werden seitens der Regierung als illegal betrachtet (USDOS 20.4.2018). Menschenrechtsorganisationen werden geschlossen oder an ihrer Arbeit gehindert (AA 12.2017a; vgl. USDOS 20.4.2018). Zahlreiche Menschenrechtsverteidiger haben das Land verlassen. Der Nationale Nachrichten- und Sicherheitsdienst (National Intelligence and Security Service - NISS) überwacht politische Gegner und kann missliebige Personen ohne richterlichen Beschluss verhaften (USDOS 20.4.2018).

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) hat im Jahr 2009 für den sudanesischen Präsidenten Omar Al-Bashir einen Haftbefehl aufgrund vorgeworfener Kriegsverbrechen in Darfur ausgestellt. 2010 wurde dieser um den Tatbestand des Völkermordes erweitert. Omar Al-Bashir ist der einzige amtierende Staatschef, gegen den ein Verfahren am ICC wegen Völkermordes anhängig ist. Haftbefehle des ICC bestehen seit einigen Jahren auch gegen den ehemaligen Innenminister und jetzigen Gouverneur von Südkordofan Ahmad Harun und einen ehemaligen Anführer der Janjaweed-Milizen. Gegen den amtierenden Verteidigungsminister Abdul Rahim Hussein wurde im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen in Darfur im März 2012 ebenfalls seitens des ICC ein Haftbefehl ausgestellt. Ende 2014 stoppte der ICC die Ermittlungen zu den Kriegsverbrechen in Darfur wegen mangelnder Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft für eine Festnahme Al-Bashirs. Die Verfahren wurden bisher als endgültig gescheitert angesehen (GIZ 8.2018a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017), https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-bericht- ueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 13.8.2018

- AA - Auswärtiges Amt (12.2017a): Länderinformationen, Sudan, Innenpolitik,

https://www.auswaertiqes-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sudan-node/-/203304, Zugriff 13.8.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.qiz.de/sudan/qeschichte-staat/, Zugriff 13.8.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 13.8.2018

Haftbedingungen

Die Haftanstalten sind überfüllt und weisen landesweit menschenunwürdige Zustände auf (Überbelegung von Zellen, mangelhafte sanitäre Einrichtungen, unzureichende medizinische Versorgung, keine durchgängige Trennung von männlichen, weiblichen und jugendlichen Gefangene (AA 6.11.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Es gibt Berichte über Todesfälle aufgrund von Fahrlässigkeit in Gefängnissen und Untersuchungshaftanstalten, aber umfassende Zahlen liegen nicht vor. Die lokale Presse berichtete von Todesfällen infolge des Verdachts auf Folter durch die Polizei. Das Hauptgefängnis in Khartum, das Kober-Gefängnis, enthielt getrennte Abteilungen für politische Gefangene (USDOS 20.4.2018). Begüterte Gefangene können sich die Haftbedingungen erträglicher machen. Das im Dezember 2009 durch die Nationalversammlung verabschiedete Gesetz über Gefängnisvorschriften und die Behandlung von Insassen ("The Regulation of Prisons and Treatment of Inmates Act") entspricht nach Angaben der Vereinten Nationen nicht den VN- Minimalstandards für die Behandlung von Gefangenen (AA 6.11.2017). Die Regierung genehmigt eingeschränkte Besuche von Gefängnissen durch Menschenrechtsbeobachter. Uneingeschränkter Zugang wird weiterhin verweigert. Das Justizministerium gewährt UNAMID (African Union/United Nations Hybrid Operation in Darfur) gelegentlich Zugang zu Regierungsgefängnissen in Darfur (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017), https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-bericht- ueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 16.8.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 16.8.2018

Todesstrafe

Der Sudan gehört zu den Staaten, in denen Todesurteile vollstreckt werden. Auch ein Urteil durch Steinigung kann verhängt werden. Im Jahr 2017 und auch im laufenden Jahr sind keine Todesstrafen vollstreckt worden (AI 2018; vgl. GIZ 8.2018a). Mindestens 17 Todesurteile wurden verhängt und 66 Begnadigungen ausgesprochen (AI 2018). 2017 tötete eine junge Frau in Notwehr Ihren Ehemann, als dieser versuchte sie zu vergewaltigen. Am 10.5.2018 wurde die junge Frau zum Tode verurteilt. Das Gericht hat das Todesurteil allerdings wieder aufgehoben und sie stattdessen zu fünf Jahren Gefängnis und einem "Blutgeld" (Dia) in Höhe von 337'500 Sudanesischen Pfund (etwa 7.500 Euro) verurteilt (AI 26.6.2018). Das Strafgesetzbuch sieht für verschiedene Delikte, einschließlich Abfall vom Islam, Ehebruch, homosexuelle Handlungen (bei der dritten Verurteilung), Vergewaltigung und verschiedene Drogendelikte die Todesstrafe vor. Das Recht sieht auch Amputation von Gliedmaßen bei Eigentumsdelikten sowie Steinigung bei Ehebruch vor. Untere Gerichtsinstanzen verhängen derartige Strafen auch, die jedoch im Instanzenzug aufgehoben werden. Amputationen und Steinigungen haben in den letzten Jahren nicht mehr stattgefunden (AA 6.11.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017), https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-bericht- ueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 16.8.2018

- AI - Amnesty International (26.6.2018): Todesurteil für Noura Hussein in Haftstrafe umgewandelt, https://www.amnesty.ch/de/laender/afrika/sudan/dok/2018/todesurteil-fuer-noura-hussein-in-haftstrafe-umgewandelt, Zugriff 3.9.2018

- AI - Amnesty International (2018): Global Report - Death Sentences and Executions 2017, https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5079552018ENGLISH.PDF, Zugriff 16.8.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 16.8.2018

Religionsfreiheit

Die offizielle Staatsreligion im Sudan ist der durch große politische und gesellschaftliche Bedeutung gekennzeichnete Islam. Zwar herrscht im Sudan verfassungsmäßig Religionsfreiheit, von der die Realität jedoch weit entfernt ist. Dennoch vermischen sowohl die Anhänger des Islam als auch die des Christentums ihre Glaubensvorstellungen oft mit traditionellen religiösen Praktiken (GIZ 8.2018b). Schätzungen zufolge sind 97 Prozent der Bevölkerung im Sudan Muslime, davon fast alle Sunniten. Die restlichen drei Prozent sind vorwiegend Christen (USDOS 29.5.2018).

Die Verfassung gewährt Religionsfreiheit (AA 6.11.2017; vgl. USDOS 29.5.2018). Gesetze und Regierungspraxis bevorzugen allerdings den Islam. Das Ministry of Guidance and Endowments (MGE) regelt die islamische Religionspraxis, einschließlich Aktivitäten wie die Überprüfung von Freitagspredigten in Moscheen, überwacht die Kirchen und ist für die Gewährleistung der Gleichbehandlung aller religiösen Gruppen zuständig. Die MGE gibt auch Empfehlungen an die zuständigen Ministerien in Bezug auf religiöse Fragen, mit denen die Ministerien konfrontiert sind (USDOS 29.5.2018). Durch die 2007 eingesetzte "Nationale Kommission zum Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen in der Hauptstadt" ist der Schutz der Rechte nicht-muslimischer Minderheiten jedenfalls in der Hauptstadt institutionalisiert (AA 6.11.2017). Die seelsorgerische und soziale Tätigkeit der christlichen Kirchen in Khartum, die vor Inkrafttreten des Friedensabkommens häufig behindert wurden, ist derzeit weitgehend frei. Aus anderen Teilen des Nordsudans kommen gelegentlich Meldungen über Schikanen gegenüber christlichen Kirchen, die im muslimisch geprägten Umfeld tätig sind (AA 6.11.2017).

Auf Apostasie, insbesondere den Übertritt eines Muslims zum Christentum, steht nach der 1983 eingeführten Scharia die Todesstrafe, deren Vollstreckung bis zum Vollzug der Hinrichtung durch Sprechen des islamischen Glaubensbekenntnisses abgewendet werden kann (AA 6.11.2017; vgl. USDOS 29.5.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017),

https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-bericht- ueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 16.8.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018b): Sudan, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/sudan/gesellschaft/, Zugriff 16.8.2018

- USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436834.html, Zugriff 16.8.2018

Ethnische Minderheiten

Der Sudan ist ein Vielvölkerstaat mit etwa fünfzehn größeren Ethnien, ihren mehreren hundert Untergruppen und kleineren Ethnien. Durch die Vielzahl von Konflikten und daraus resultierenden Vertreibungen variieren die Informationen und Statistiken zur ethnischen Gliederung des Landes. Etwa 70 Prozent der Bevölkerung wird zum arabisch-islamischen Bevölkerungsteil gezählt. Größere arabische Gruppen wie z.B. die Ja'aliyin und die Shayqiya, traditionell Bauern und Viehzüchter, stellen zumeist auch die politische und wirtschaftliche Bildungselite der nordsudanesischen Gesellschaft. Größtenteils als Kamel- und Rindernomaden leben die Kababish in Nord-Kordofan und die Baggara im östlichen Darfur und Süd-Kordofan. Immer wieder zu schweren Ausschreitungen führt der Konflikt zwischen den zu den nomadischen Baggara gehörenden Misseriye aus dem Süden Kordofans, die ihre Herden traditionell in die zwischen dem Sudan und Südsudan umstrittene Region Abyei treiben und den hier ansässigen Ngok-Dinka. Zu den bekanntesten nichtarabischen Gruppen des Sudan gehören z.B. die beiderseits der ägyptisch-sudanesischen Grenze am Nil lebenden Nubier und die Volksgruppen Darfurs, darunter die Zaghawa, deren ökologisch bedingte Abwanderung aus Norddarfur u.a. als einer der Gründe des Darfur-Konflikts angesehen wird und die vornehmlich Hirseanbau betreibenden Fur, die der Region den Namen gaben (Dar Fur - Land der Fur), sowie die im ariden Ostsudan am Roten Meer als Kamelnomaden lebenden Beja (GIZ 8.2018b). Es gibt keine Gesetzgebung, die sich diskriminierend gegen ethnisch definierte Gruppen richtet. In der gesellschaftlichen Realität mit vielen hunderten ethnischen Gruppen arabischer und afrikanischer Prägung bei knapp 32 Mio. Einwohnern bestehen allerdings vielfältige Spannungen, die erhebliche ethnische Komponenten aufweisen. Vorurteile, diskriminierendes und teilweise auch aggressives Vorgehen ethnischer Gruppen untereinander ist weit verbreitet, allerdings mit erheblichen regionalen Unterschieden. Der langjährige Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südsudan hatte neben einer politisch/religiösen auch eine deutliche ethnische Dimension. Die überwiegend afrikanische Bevölkerung des Südsudan rebellierte gegen die Dominanz und Marginalisierung durch den arabisch geprägten Nordsudan, dessen politisches, wirtschaftliches und kulturelles Leben historisch von Angehörigen einiger weniger arabischer Ethnien beherrscht wird. Diese Konfliktlage besteht nach der Loslösung des Südsudan im verbliebenen (Nord-) Sudan gegenüber nicht¬arabischen Ethnien in Darfur, dem Osten des Sudan sowie in den Regionen Südkordofan und Blauer Nil im Grundsatz fort (AA 6.11.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-bericht- ueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 27.8.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018b): Sudan - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/sudan/gesellschaft/, Zugriff 27.8.2018

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Aufgrund der Anwendung vieler traditioneller Rechtspraktiken und einiger Bestimmungen der islamischen Rechtsprechung in der Auslegung und Anwendung durch die Regierung, ist die Lage von Frauen von Rechtlosigkeit und arbiträren Gerichtsurteilen geprägt (USDOS 20.4.2018). Die Situation der Frauen im Sudan ist durch starke Restriktionen gekennzeichnet. So wird ihnen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sowohl durch kulturell bedingte traditionelle Strukturen als auch, seit der Machtergreifung durch Omar Al-Bashir im Jahr 1989, durch eine sehr strenge Interpretation des Islam und sich daraus ergebende Vorschriften und Verhaltensregeln erheblich erschwert (GIZ 8.2018b).

FGM/C weiterhin ein Problem im ganzen Land. Es gibt kein nationales Gesetz, welches Genitalverstümmelung verbietet. Seit 2008 haben fünf Staaten Gesetze erlassen, die FGM/C verbieten: Süd-Kordofan, Gedaref, Rotes Meer, Süd-Darfur und West-Darfur. Die Regierung hat mit Unterstützung der First Lady die "Saleema"-Kampagne (unbeschnitten), die das öffentliche Bewusstsein für FGM/C geschärft hat, weiter in den Vordergrund gerückt. Die Regierung arbeitete auch weiterhin mit UNICEF, dem UN Population Fund (UNFPA) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammen, um die FGM/C zu beenden (USDOS 20.4.2018).

Bekleidungsvorschriften wie z.B. die Verwendung einer Kopfbedeckung oder das Verbot, Hosen zu tragen, deren Einhaltung von der Religionspolizei überwacht wird und regelmäßig mit drakonischen Bestrafungen wie auch durch Auspeitschen verfolgt wird, bestimmen den Frauenalltag (GIZ 8.2018b). Unterschiedliche Behörden haben beschieden, dass sich Frauen den islamischen und kulturellen Standards entsprechend zu bekleiden haben. Die Polizei für öffentliche Ordnung in Khartum bringt gelegentlich Frauen wegen Verletzung islamischer Standards vor Gericht (USDOS 20.4.2018). Die Bildungschancen für Frauen sind zumindest in den Städten nicht signifikant schlechter als für Männer. Bei der Berufswahl sind Benachteiligungen weiterhin üblich.

Frauen sind nur selten in herausgehobenen Funktionen tätig. Sudan hat das VN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung von Frauen (CEDAW) nicht unterzeichnet (AA 6.11.2017; vgl. GIZ 8.2018b). Ebenso steht weiter die Ratifizierung des vom Sudan 2008 unterschriebenen "Protocol on the Rights of Women in Africa" aus. Versuche im sudanesischen Parlament die Frauenrechte zu stärken, werden von radikalen Strömungen vehement bekämpft (GIZ 8.2018b).

Weiter sind für Frauen vor allem die Reisefreiheit sowie das Recht auf Arbeit und der Besitz von Land stark eingeschränkt. Frauen stellen im Sudan nur 13,6 % der Vollzeitbeschäftigten dar. Diese stark eingeschränkten Rechte für Frauen zeigen sich auch im schlechten Abschneiden des Landes im Vergleich der Geschlechtergleichheit auf regionaler oder kontinentaler Ebene wie auch weltweit. Die staatlichen Repressionen bieten auch im Internet und den Sozialen Medien nur wenig Raum zur Sensibilisierung für Frauenrechte. Frauen sind in der sudanesischen Politik vergleichsweise überdurchschnittlich repräsentiert. Dieses ist im Wesentlichen einer Frauenquote zu verdanken, die für die sudanesische Nationalversammlung einen Anteil von 25 % vorschreibt.

Frauen werden dazu über eine separate Liste gewählt. Bei den letzten Wahlen des Jahres 2015 konnte der Frauenanteil unter den Abgeordneten auf über 30 % erhöht werden. Damit liegt der parlamentarische Frauenanteil im Sudan über dem mancher europäischer Länder. Die Arbeit des hohen Frauenanteils unter den Volksvertretern macht sich jedoch nur wenig bei einer Verbesserung der Frauenrechte im Land bemerkbar (GIZ 8.2018b).

Ungeachtet öffentlicher Absichtserklärungen der sudanesischen Regierung Vergewaltigunen zu verfolgen und der damit einhergehenden Aufforderung an die Betroffenen, die Straftaten zur Anzeige zu bringen, melden sich Vergewaltigungsopfer nur in Ausnahmefällen bei der Polizei, weil sie befürchten, des - in Sudan strafbaren und mit Steinigung sanktionierten - Ehebruchs beschuldigt zu werden. Abgesehen von Traumatisierung führen die Vergewaltigungen auch zu gesellschaftlicher Stigmatisierung der Opfer. Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass Polizeidienststellen oftmals die Aufnahme von Strafanzeigen zu Gewalt gegen Frauen verweigern (AA 6.11.2017). Vergewaltigung in der Ehe ist gesetzlich nicht geregelt, im Februar 2015 wurde die Definition von Vergewaltigung in Artikel 149 des Strafgesetzbuchs geändert und Absatz 3 zu Artikel 151 hinzugefügt, um den Straftatbestand der sexuellen Belästigung zu kriminalisieren. Nach der neuen Definition von Vergewaltigung kann das Vergewaltigungsopfer nicht mehr wegen Ehebruchs strafrechtlich verfolgt werden (USDOS 20.4.2018). Ehebruch ist strafbar und kann mit dem Tod durch Steinigung geahndet werden. Zwar kommt es vereinzelt zu Urteilen auf dieser Grundlage, diese sind jedoch - soweit hier bekannt - seit mehr als 20 Jahren nicht mehr vollstreckt worden. Körperstrafen (Hiebe) sind dagegen gängige Form der Bestrafung. Über die Zahl der Verurteilungen liegen, auch wegen der gesellschaftlichen Tabuisierung, keine Erkenntnisse vor, oder ihnen wird schlichtweg die Aufnahme der Strafanzeige verweigert (AA 6.11.2017). Häusliche Gewalt ist üblich und ist nicht unter Strafe gestellt. Frauen, die sich an Behörden wenden, werden oftmals der Lüge oder Falschaussage bezichtigt, drangsaliert oder inhaftiert. Die Polizei interveniert normalerweise nicht bei häuslichen Auseinandersetzungen (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-berichtueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 27.8.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018b): Sudan - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/sudan/gesellschaft/, Zugriff 27.8.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 27.8.2018

Kinder

Nach muslimischer Gesetzgebung ist die Verheiratung von Mädchen weiterhin nach richterlichem Beschluss ab dem 10. Lebensjahr erlaubt - das niedrigste Heiratsalter in ganz Afrika. Diese Frühehen verschärfen die Problematik der Gesundheitsgefährdung durch Geburtsfisteln mit einhergehender Inkontinenz und führen auch zu einem verkürzten Bildungsweg. Im Sudan werden ein Drittel der Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag und 7% vor ihrem 15. Geburtstag verheiratet.

Auch ist der leichte Rückgang der flächendeckend verbreiteten weiblichen Genitalverstümmelung (FGM) nicht auf politische Entscheidungen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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