TE Bvwg Beschluss 2020/3/5 W170 2186887-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.03.2020

Norm

VwGG §25a Abs2 Z1
VwGG §30 Abs2
VwGG §30a Abs3

Spruch

W170 2186887-1/33E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Stefan WEILEDER, LLM, vom 03.03.2020 der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.10.2019, Zl. W170 2208313-1/24E und W170 2186887-1/23E, erhobenen außerordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:

Der außerordentlichen Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 iVm § 30a Abs. 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2019, die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

Text

BEGRÜNDUNG:

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.01.2018, Zl. 1099527307/152021125/BMI-BFA_STM_AST wurde der Antrag auf internationalen Schutz des XXXX hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen diesen eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass dessen Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung nach Iran zulässig ist und diesem eine Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt, mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2018, Zl. 1099527307/152021125/BMI-BFA_STM_AST, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Iran zulässig sei. Schließlich wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise bestimmt. Darüber hinaus wurde ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen und festgestellt, dass sie ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat.

Gegen diese Bescheide wurden Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, die mit der nunmehr in Revision gezogenen Entscheidung abgewiesen bzw. hinsichtlich des Einreiseverbotes abgeändert wurde, da dieses nunmehr auf unbestimmte Dauer hinaufgesetzt wurde.

Mit Schriftsatz vom 03.03.2020 brachte XXXX (im Folgenden: Revisionswerber) eine außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis W170 2186887-1/23E ein. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte der Revisionswerber aus:

"Gemäß § 30 Abs 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das BVwG, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Zwingende öffentliche Interessen sind laut VwGH dann beeinträchtigt, wenn die Umsetzung des angefochtenen Bescheides konkret die Abwehr von Gefahr für das Leben, oder die Gesundheit der Öffentlichkeit bezweckt (vgl. VwGH 24.01.1991, 90/04/0105).

Der Revisionswerber verbüßt derzeit eine dreieinhalbjährige Haftstrafe. Es geht daher keine Gefahr für die Öffentlichkeit vom Revisionswerber aus. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stehen sohin keine öffentlichen Interessen entgegen.

Demgegenüber droht aber dem Revisionswerber durch den Vollzug des Bescheides ein unverhältnismäßiger und unwiederbringlicher Nachteil. Aufgrund der Konvertierung zum Christentum drohen dem Revisionswerber bei einer Rücküberstellung in den Iran, behördliche Verfolgung und schlimmstenfalls die Todesstrafe. Dazu kommt, dass der Revisionswerber mittlerweile volljährig ist und aufgrund seines Asylantrages in Österreich, den Wehrdienst nicht rechtzeitig angetreten ist. Aufgrund seiner Abwesenheit droht dem Revisionswerber der Verlust von Bürgerrechten in seinem Herkunftsland.

Der Revisionswerber stellt daher den Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen."

Zum Revisionswerber hat das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis unter anderem festgestellt:

"Die beschwerdeführende Partei wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 17.09.2018, Gz. 11 Hv 90/18 s, wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 nunmehr in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2018 (in Folge: StGB), unter Bedachtnahme auf § 19 Abs. 1 Jugendgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 599/1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 154/2015 (in Folge: JGG), zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt, da sie in der Nacht zum 17.08.2018 in Knittelfeld eine Person mit Gewalt zur Vornahme des Beischlafes sowie dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen zu nötigen versuchte, indem er XXXX an der Hand erfasste, sie zu Boden zog, sich auf ihren Bauch setzte, sie am Boden fixierte, ihr Top über die Brust zog, ihre Brüste küsste und versuchte, die Gürtelschnalle ihrer sowie auch seine Hose zu öffnen, um ihr diese auszuziehen.

Es blieb nur deshalb beim Versuch, weil von einem Zeugen verständigte Polizeibeamte dem Opfer zu Hilfe kamen und die beschwerdeführende Partei, die immer noch auf dem Opfer kniete bzw. lag, festnahmen. Seit dem Vorfall leidet das Opfer unter massiven psychischen Problemen, sie schafft es nicht mehr alleine am nur wenige Meter von ihrem Wohnort entfernt liegenden Tatort vorbeizugehen, traut sich nicht mehr unter Leute und kann nur in Anwesenheit ihres Mannes in einem Lokal, ihrem bisherigen Arbeitsplatz, und nur stundenweise arbeiten. Im Zuge der Tathandlung litt das Opfer unter Todesängsten und glaubte, dass sie ihre zwei Kinder nie wiedersehen werde.

Mildernd wurde (im Zweifel) das Alter der beschwerdeführenden Partei unter 21 Jahren, sowie der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist, gewertet. Ein bisher ordentlicher Lebenswandel komme der beschwerdeführenden Partei, die wegen des Vergehens der Körperverletzung ein Strafverfahren gehabt habe, nicht zu, auch wenn dieses (zum Zeitpunkt des Urteils) diversionell vorläufig eingestellt wurde. Auch habe die beschwerdeführende Partei kein reumütiges oder der Wahrheitsfindung dienliches Geständnis abgegeben, sie habe eher das Opfer verhöhnend in ihrem Aussageverhalten gewirkt. Erschwerend sei der Umstand, dass die Tathandlung im unmittelbaren Wohnumfeld des Opfers stattgefunden habe, was noch massivere psychische Probleme für diese bedeute und was der beschwerdeführenden Partei auch bewusst gewesen sei.

Für die mit gegenständlichem Urteil bestrafte Tathandlung übernimmt die beschwerdeführende Partei nicht die Verantwortung, vielmehr gab sie in der Verhandlung vor dem Bundesveraltungsgericht an, der Alkohol sei schuld und sei es ihr peinlich, was da passiert sei, die Frau sei 40 Jahre und somit fast so alt wie die Mutter der beschwerdeführenden Partei, in einem normalen Zustand würde sie das nicht tun. In der Strafverhandlung gab sie an, wenn sie jemanden vergewaltigen hätte wollen, hätte sie sich ein jüngeres Mädchen ausgesucht hätte und nicht ein solches, das so alt sei wie ihre Mutter.

Die beschwerdeführende Partei wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Fürstenfeld vom 17.12.2018, Gz. 15 U 78/18y, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB verurteilt, da sie am 30.06.2017 in Fürstenfeld XXXX durch einen Stich mit einem Kugelschreiber vorsätzlich am Körper verletzte, wodurch der Genannte ein Hämatom am Nacken erlitt. Unter Bedachtnahme auf die Verurteilung des Landesgerichts Leoben vom 17.09.2018 wurde in Anwendung der §§ 31, 40 StGB von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen. Als mildernd wurden das Geständnis, die Unbescholtenheit und das Alter gewertet, als erschwerend das Zusammentreffen von einem Vergehen und einem Verbrechen. Für die mit gegenständlichem Urteil bestrafte Tathandlung übernimmt die beschwerdeführende Partei insofern nicht die Verantwortung, als sie angibt, nur einmal (für die versuchte Vergewaltigung) verurteilt worden zu sein."

Hinsichtlich der vorgebrachten Verfolgung wurde festgestellt:

"In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.10.2019 gab die beschwerdeführende Partei an, sie sei nunmehr Christ, sei eigentlich ein geflüchteter Soldat und müsste zum Wehrdienst in Iran, und habe für ihren Bruder, eine Gruppe von drei bis vier Personen, sowie eine weitere, davon getrennte Person Drogen verkauft und transportiert. Die Gruppe habe von ihr verlangt, bei der Polizei zu sagen, dass die Drogen, derentwegen eine andere Person aus dieser Gruppe verhaftet worden sei, ihr gehören, sie würden ihr dann helfen, aus dem Gefängnis zu entkommen. Ihre Mutter habe ihr gesagt, dass die Polizei nach ihr suchen würde.

Eine weitere Verfolgung wurde nicht vorgebracht.

Weder ist das Vorbringen hinsichtlich des Drogenhandels und die daraus folgende Verfolgungsangst glaubhaft gemacht worden, noch hat die beschwerdeführende Partei glaubhaft gemacht, dass sie ernstlich und aus innerem Entschluss zum Christentum konvertiert ist; bei der vorgebrachten Konversion handelt es sich um eine Scheinkonversion.

Die beschwerdeführende Partei verweigert den Wehrdienst in Iran nicht aus politischen oder religiösen Gründen und würde ihr dies im Falle einer Rückkehr nach Iran auch nicht unterstellt werden.

Über das oben festgestellte Vorbringen hinaus hat die beschwerdeführende Partei eine erfolgte oder im Falle der Rückkehr drohende Verfolgung nicht vorgebracht, auch ist nicht zu erkennen, dass dieser im Falle der Rückkehr eine nicht vorgebrachte Verfolgung, insbesondere etwa wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, drohen würde. Die beschwerdeführende Partei war in Österreich auch nicht exilpolitisch gegen das iranische Regime tätig."

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der unstrittigen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 30 Abs. 2 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2019 (in Folge: VwGG), lautet: "Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden."

Gemäß § 30a Abs. 3 VwGG hat das Verwaltungsgericht über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mit Beschluss zu entscheiden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2019 (in Folge: BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Entscheidungen nach § 30a VwGG hat das Verwaltungsgericht durch den Einzelrichter zu treffen (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², Praxiskommentar zum VwGVG, VwGG und VwGbk-ÜG, 2017, K 2. zu § 30a VwGG).

Nach Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes - der keine Rechtsprechung der Höchstgerichte entgegensteht, die auch nicht offensichtlich unrichtig ist und die sich im Wesentlichen auf die rechtskräftige Verurteilung durch das Strafgericht stützt - ergibt sich aus der rechtskräftigem Verurteilung des Revisionswerbers durch das Landesgericht für Strafsachen Leoben vom 17.09.2018, Gz. 11 Hv 90/18 s, wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und vor allem aus seiner mangelnden Verantwortungsübernahme die besondere Gefährlichkeit des Revisionswerbers. Da die Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung und einer Verpflichtung zur Ausreise aus Österreich verbunden ist, die nach Entlassung des Revisionswerbers durch diesen - selbst wenn eine Abschiebung nach Iran faktisch nicht möglich wäre - zu beachten ist, bestehen im gegenständlichen Fall erhebliche öffentliche Interessen an der Durchsetzbarkeit der gegenständlichen Entscheidung, der der Revisionswerber nur entgegensetzt, dass er derzeit auf Grund der Anhaltung in der Haft nicht gefährlich ist. Die Entlassung aus der Haft kann nicht abgesehen werden und ist daher kein Grund zu erkennen, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die anderen angeführten Interessen des Revisionswerbers - dieser hat sich nur auf die als nicht glaubhaft gemachten Fluchtgründe sowie den durch seine Nichtabschiebung nicht zu verhindernden Verlust der Bürgerrechte, so dieser wirklich droht - wiegen jedenfalls nicht schwerer als die dargestellten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der Ausreiseverpflichtung des Revisionswerbers auf Grund der festgestellten besonderen Gefährlichkeit.

Schon aus diesen Erwägungen war dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision gegen das die Beschwerde abweisende und das Einreiseverbot auf unbefristete Dauer hinaufsetzende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß § 30 Abs. 2 VwGG nicht stattzugeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - Entfall außerordentliche Revision

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2186887.1.00

Im RIS seit

30.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten