TE Bvwg Beschluss 2020/3/11 W274 2188638-2

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Veröffentlicht am 11.03.2020
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Entscheidungsdatum

11.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2
VwGVG §32 Abs2

Spruch

W274 2188638-2/2E

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch Mag. Lughofer als Einzelrichter über den Antrag des XXXX , geboren 09.02.1989, iranischer Staatsbürger, XXXX , vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt, Herrengasse 13/II, 8010 Graz, wegen "Wiederaufnahme des Asylverfahrens (W 274 2188638-1 des BVwG) den

BESCHLUSS:

Der Antrag vom 30.01.2020, eingelangt beim BVwG am 04.02.2020, "das Asylverfahren des XXXX " wiederaufzunehmen, wird zurückgewiesen.

Die Revision ist gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 31.01.2018, Zahl 1100763100-160006670/BMI-BFA_STM_RD wurde der Antrag des XXXX auf internationalen Schutz (vom 04.01.2016) zur Gänze abgewiesen.

Einer dagegen erhobene Beschwerde wurde mit verkündetem Erkenntnis des BVwG vom 26.6.2019, ausgefertigt am 12.12.2019, nicht Folge gegeben.

Gegen dieses Erkenntnis erhob der nunmehrige Antragsteller Bescheidbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Eine Entscheidung hierüber ist bisher nicht ergangen.

Nach den - hier nur auszugsweise wiedergegebenen - Feststellungen lernte der damalige Beschwerdeführer (BF) zwei oder drei Tage nach seiner Einreise in Österreich über andere Iraner den im Bereich der Baptisten Graz tätigen XXXX kennen. In nicht feststellbarem Ausmaß nahm der BF anfangs seiner Zeit in Österreich an den religiösen Angeboten der Baptisten Graz von XXXX teil. Er besuchte einen Taufvorbereitungskurs und Gottesdienste. Jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Verurteilung im März 2019 endete der Kontakt des BF mit XXXX und den Baptisten Graz. Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF seitdem auch nur irgendwelche religiösen Aktivitäten in Österreich setzte. Der BF wurde nicht getauft. Er ist zu keinem Zeitpunkt zum Christentum konvertiert und hat weder äußerlich noch innerlich das Christentum angenommen. Er sieht sich auch selbst nicht als Christ.

Der nunmehrige Antrag "auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens" erschöpft sich in dem Vorbringen, dem Antragsteller stehe zwischenzeitig die Taufbestätigung zur Verfügung. Er sei am 22.12.2019 getauft und in die Kirchengemeinde aufgenommen worden. Sowohl das BFA im erstinstanzlichen Bescheid als auch das BVwG in seinem Erkenntnis stellten in Zweifel, dass der Antragsteller zum Christentum konvertiert sei und nach christlichem Glauben lebe. "Aufgrund des nunmehrigen "unbedenklichen Bescheinigungsmittels", der Taufbestätigung vom 22.12.2019, stelle diese Urkunde "zweifelsohne eine Neuerung da", die die Wiederaufnahme des Asylverfahrens rechtfertige". Vorgelegt wurde eine "Taufbestätigung" der Internationalen Baptistengemeinde Graz, wonach XXXX am 22. Dezember 2019 getauft und in die Kirchengemeinde aufgenommen worden sei. Die Taufbestätigung selbst datiert vom 22.12.2019.

Gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichts abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn

...

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder ...

Gemäß Abs. 2 ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. ... Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Voraussetzung der Wiederaufnahmegründe des Abs. 1 Z. 2, "neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel", ist das Vorliegen eines - von der antragstellenden Partei nicht verschuldeten - Tatsachenirrtums des Verwaltungsgerichts. Abgestellt wird auf sogenannte nova-reperta, Umstände, die bereits vor Abschluss des Verfahrens vorhanden waren, aber erst danach hervorgekommen sind. Nach dem VwGH können auch "neu entstandene" Beweismittel, zum Beispiel die spätere Erklärung eines Zeugens, so nicht ausreichend Gelegenheit bestand, die Einvernahme der Person als Zeuge zu beantragen, zur Wiederaufnahme des Verfahrens führen, sofern sie sich auf "alte", also nicht ebenfalls neu entstandene Tatsachen beziehen (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren², § 32 VwGVG, Anmerkung 9). Das VwG hat den Antrag auf Wideraufnahme bei Fehlen der Prozessvoraussetzungen zurückweisen. Der allgemeinen Systematik des VwGVG folgend ist anzunehmen, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge in Beschlussform erfolgen (wie oben, Anmerkung 13).

Laut Zustellprotokoll ist die Ausfertigung des Erkenntnisses vom 12.12.2019 dem bereits im damaligen Verfahren durch Rechtsanwalt Mag. Reichenvater vertretenen BF durch Zustellung an seinen Vertreter am 19.12.2019 zugekommen. Der BF sieht die Taufbestätigung vom 22.12.2019 als relevante "Neuerung", gemeint offenbar als neues Beweismittel im Sinne des § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG. Von der Taufe und der Taufurkunde mußte der BF evident am Tag der Taufe, gleichzeitig dem Ausstellungstag der Taufurkunde, am 22.12.2019 Kenntnis haben.

Der Antrag vom 30.01.2020 erfolgte daher außerhalb der 2-Wochenfrist ab Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund, weshalb bereits aus diesem Grund der Antrag zurückzuweisen war.

Darüber hinaus läge auch kein tauglicher Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG vor, weil eine allfällige Taufe und dadurch Aufnahme in die Kirchengemeinde vom 22.12.2019 kein Umstand ist, der bereits vor Verfahrensabschluss vorhanden war und erst danach hervorgekommen wäre. Es handelt sich dabei um einen Umstand im Sinn von nova-producta, dessen Vorliegen im Wiederaufnahmeverfahren unerheblich ist.

Darüber hinaus ist der Wiederaufnahmewerber darauf zu verweisen, dass sein Antrag hier lediglich als auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bezogen erledigt wurde. Sofern der Wiederaufnahmewerber den Antrag stellt, "das Asylverfahren" wiederaufzunehmen, ist darauf zu verweisen, dass das Verwaltungsgericht über diesen Antrag lediglich insoweit absprechen kann, als er sich auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht selbst bezieht.

Der Unzulässigkeitsausspruch betreffend die Revision beruht auf dem Umstand, dass anhand des Gesetzeswortlauts des VwGVG im Zusammenhalt mit der hierzu ergangenen ständigen Rechtsprechung entschieden wurde.

Schlagworte

Fristablauf Fristversäumung nova producta Rechtsmittelfrist Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag Wiederaufnahmegrund Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W274.2188638.2.00

Im RIS seit

30.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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