TE Bvwg Beschluss 2020/5/29 W272 2179342-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.05.2020
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Entscheidungsdatum

29.05.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W272 2179342-3/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. BITSCHE gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom 02.01.2020, Zahl XXXX , zu Recht beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet gemeinsam mit seiner Familie (Mutter und 3 Geschwister) am 17.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 18.09.2015 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zunächst zu seinen persönlichen Verhältnissen angab, dass er in Teheran, Iran, geboren sei. Des Weiteren gab er an, dass er eine Schwester in Salzburg habe. Er sei ledig und bekenne sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Er habe fünf Jahre lang die Grundschule in Teheran besucht und spreche Dari. Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass er schikaniert worden sei und nicht richtig lernen konnte.

3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 16.06.2017 wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen betreffend seine persönlichen Verhältnisse im Rahmen der Erstbefragung und gab an, dass er in Teheran am 17.02.1377 geboren, afghanischer Staatsbürger, der Volksgruppe der Hazara angehöre und Schiite sei. Er habe eine Mutter, drei Schwestern und einen Bruder. Mit vorgelegt wurden verschiedene Integrationsunterlagen. Als Fluchtgrund gab er an, dass er im Iran von einem Mullah gedrängt wurde in Syrien zu kämpfen. Er würde dafür Geld erhalten, falls er es verweigern sollte, würde er nach Afghanistan abgeschoben werden. Eines Tages kam die iranische Polizei und habe ihn geschlagen. Er sei durch ein Messer am Fuß verletzt worden.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (SpruchpunktI.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Im Wesentlichen wurde die Entscheidung dahingehend begründet, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei asylrelevante Fluchtgründe glaubhaft zu machen. Das vorgebrachte Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers vermochte nicht den Kriterien an ein glaubhaftes Vorbringen zu entsprechen. Es konnte keine direkte Bedrohung gegen den BF festgestellt werden. Eine Rückkehr in ein sicheres Gebiet wie z.B Kabul wäre möglich. In Österreich bestehe kein schützenswertes Privat- oder Familieninteresse. Er sei gesund, arbeitsfähig und habe Familienangehörige in Österreich, welche ihn finanziell unterstützten könnten.

5. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ein. Der BF wäre gemeinsam mit seiner Familie (Mutter inklusive weitere mj. Geschwister) am 17.09.2015 eingereist und hätte gleichzeitig mit ihnen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Es handle sich daher um ein Familienverfahren. Weiters habe die Behörde es unterlassen, darauf einzugehen, dass der BF im Iran geboren sei und seinen Heimatstaat nicht kenne. Auch würde die Sicherheitslage in Afghanistan (inkl. Kabul) eine sichere Rückkehr nicht ermöglichen. Letztlich wurden seiner Mutter und seinen beiden minderjährigen Geschwistern der subsidiäre Schutz zuerkannt, sodass dem BF bei genauerer Betrachtung der Rechtslage, als minderjährigen Sohn der Mutter, denselben Status wie der gesamten Familie zu erteilen gewesen wäre.

6. Am 05.10.2017 erfolgte eine weitere Einvernahme beim BFA. In dieser gab der BF an, das Land nicht freiwillig zu verlassen. Er wolle seinen Hauptschulabschluss nachholen und er werde alles versuchen, um hier bleiben zu können.

7. Mit Bescheid vom 02.11.2017 erging durch die Behörde eine Beschwerdevorentscheidung in welcher sie aussprach, dass die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. (Zuerkennung eines Asylstatus) abgewiesen werde. Der Spruchpunkt II. wurde behoben und der BF wird gem. § 8 Abs. 1 AsylG iVm. § 34 Abs. 3 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt III.) Dem BF wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 29.08.2018 erteilt. Begründend führte die Behörde aus, dass der Mutter des BF mit Rechtskraft vom 31.08.2017 der subsidiäre Schutz zuerkannt wurde. Das Verfahren hinsichtlich § 3 AsylG sei noch in Beschwerde anhängig. Da der BF zum Zeitpunkt der Antragstellung, welche gleichzeitig mit der Mutter erfolgte, noch minderjährig gewesen sei, wäre ihm im Rahmen des Familienverfahrens ebenfalls der subsidiäre Schutz zuzuerkennen. Es wurde ausgeführt, dass der BF innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung die Möglichkeit habe einen Vorlageantrag zu stellen. Der Bescheid wurde am 08.11.2017 an den Rechtsvertreter zugestellt.

8. Mit email vom 24.11.2017 brachte der BF, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, ein, dass er auf die Beschwerde der Mutter verweise. Mit 01.12.2017 brachte der BF den verbesserten Vorlageantrag ein.

9. Mit 04.12.2017 legte die Behörde den Vorlageantrag an das BVwG vor und merkte an, dass die Beschwerde der Familienangehörigen anhängig sei und der Vorlageantrag verspätet eingebracht worden sei.

10. Mit Bescheid vom 14.08.2018 wurde dem BF die befristete Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 29.08.2020 erteilt.

11. Das Gericht leitete den Vorlageantrag gem. § 6 AVG iVm § 17 VwGVG an die zuständige Behörde zurück und teilte mit, dass über verspätete Vorlageanträge zunächst die Behörde mittels Bescheid zu entscheiden habe (§ 15 VwGVG).

12. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX Zahl XXXX vom 17.04.2019 wurde ausgesprochen, dass der Vorlageantrag vom 01.12.2017 gegen die Beschwerdevorentscheidung datiert mit 02.11.2017, gem. § 15 Abs. 3 iVm. § 15 Abs. 1 VwGVG, als verspätet zurückgewiesen wird. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdevorentscheidung am 08.11.2017 dem gewillkürten Vertreter mittels Rsa zugestellt wurde. Mit 24.11.2017 langte ein Antrag ein und wurde ein Verbesserungsauftrag erteilt. Mit 01.12.2017 19:08 (Posteingang) wurde per Mail ein Vorlageantrag eingebracht. Da die Beschwerdevorentscheidung am 08.11.2017 zugestellt wurde, begann die zwei Wochenfrist zu laufen. Mit 22.11.2017 war die Beschwerdevorentscheidung daher in erster Instanz in Rechtskraft erwachsen und der Antrag vom 24.11.2017 bzw. der Vorlageantrag vom 01.12.2017 verspätet eingebracht.

13. Mit Schreiben, eingelangt am 17.05.2019 beim BVwG brachte der BF gegen den Bescheid vom 17.04.2019 Beschwerde ein. Begründend wurde es damit, dass es sich beim BF um ein Familienverfahren handle und da die Mutter und die mj. Geschwister gegen deren Bescheide Beschwerde erhoben hätten, sei auch der Akt des BF bei diesem Verfahren anzuschließen. Das BVwG möge den Zurückweisungsbescheid beheben und in der Sache selbst entscheiden und dem BF den gleichen Status wie der Mutter gewähren.

14. Am 04.07.2019 langte bei Gericht durch den BF eine Mitteilung bzw. Antrag ein. In diesem wurde mitgeteilt, dass die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid betreffend den Vorlageantrag zurückgezogen wird. Der Mutter sei in der Zwischenzeit der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden. Dem BF wäre daher der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und das Verfahren wieder neu aufzunehmen. Das BVwG möge daher das Beschwerdeverfahren mittels Beschluss infolge Zurückziehung der Beschwerde einstellen und den Akt an das BFA zurückübermitteln. Das BFA möge das Verfahren bezüglich des BF neu aufnehmen und ihm den Status des Asylberechtigten zuerkennen.

15. Folgend übermittelte der BF durch seinen gewillkürten Vertreter einen Schriftsatz, betitelt mit dem Wort "Antrag", an das Bundesamt für Fremdendwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX sowie einen weiteren Schriftsatz an das Bundesverwaltungsgericht mit der Betitelung "Mitteilung, Antrag".

Im Schriftsatz an das Bundesamt wurde darauf hingewiesen, dass es sich beim BF unstrittig um ein Familienverfahren handle, zumal der BF zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige gewesen sei. Da seine Mutter in der Zwischenzeit asylberechtigt sei, werde das Verfahren wiederaufzunehmen und dem BF ebenfalls der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen sein. Das BFA möge das Verfahren wiederaufnehmen und ihm den Status des Asylberechtigten zuerkennen, dies im Rahmen des Familienverfahrens mit seiner Mutter und Geschwister.

In der Mitteilung an das Bundesverwaltungsgericht wurde darauf hingewiesen, dass die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid betreffend den Vorlageantrag zurückgezogen werde und wurde wortident, wie im Schriftsatz an das BFA, auf den nunmehrigen Asylstatus der Mutter und das Familienverfahren hingewiesen.

16. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.07.2019 wurde das Verfahren wegen der Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm. § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

17. Das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.01.2020 wies diese den Antrag vom 11.11.2019 auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2017 entschiedenen Verfahrens zum Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 69 Abs. 2 AVG idgF zurück. Dabei stellte die Behörde fest, dass dem Beschwerdeführer spätestens mit Beantragung der Einstellung des Beschwerdeverfahrens am 04.07.2019 bekannt gewesen wäre, dass seiner behaupteten Bezugsperson der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Die Zuerkennung dieses Status der behaupteten Bezugsperson des BF sei am 06.06.2019 erfolgt. Die Frist für die Einbringung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei am 19.07.2019 geendet und wäre der gegenständliche Antrag am 11.11.2019 beim Bundesamt eingelangt. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens am 11.11.2019 beim Bundesamt eingelangt sei und sei dem Beschwerdeführer respektive seinem gewillkürten Vertreter der zugrundeliegende Sachverhalt spätestens am 04.07.2019 bekannt gewesen. Dies ergebe sich aus dem Beschluss des BVwG vom 11.07.2019, W272 2179342-2/3E zur Einstellung des Beschwerdeverfahrens wegen Zurückziehung der Beschwerde. Demnach habe es der BF verabsäumt, den Antrag binnen zwei Wochen ab Bekanntwerden des Sachverhaltes bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen habe, weshalb der Antrag zurückgewiesen werde.

18. Mit Schriftsatz vom 08.01.2020 erhob der BF, vertreten durch seinen gewillkürten Vertreter, eine Beschwerde gegen den letztgenannten Bescheid. Unstrittig sei, dass im Rahmen des Beschwerdeverfahrens der Mutter des Beschwerdeführers Asyl zuerkannt worden sei und es sich um ein Familienverfahren handle. Richtig sei, dass auch ein Beschwerdeverfahren hinsichtlich des BF anhängig gewesen und diese Beschwerde zurückgezogenen worden sei, wobei der BF bereits in diesem Antrag vom 03.07.2019 die Wiederaufnahme des Verfahrens beim BFA beantragt habe. Zudem sei mit Antrag vom 01.07.2019, direkt an das BFA Eisenstadt, Regionaldirektion XXXX , ebenfalls die Wiederaufnahme beantragt worden. Einen Antrag vom 11.11.2019 habe es tatsächlich nie gegeben, diese seien bereits am 01.07.2019 und am 03.07.2019 gestellt worden. Da der Antrag somit rechtzeitig gestellt worden sei, komme eine Abweisung nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des "Familienverfahrens" gegeben seien, weshalb auch unstrittig sei, dass dem BF der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen sei. Zudem sei die Beschwerde von der Mutter des BF im Rahmen des Familienverfahrens eingebracht worden, die somit auch für ihren zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Sohn gelte. Da in der Zwischenzeit die Mutter Asylberechtigte sei, werde das Verfahren des BF wieder aufzunehmen und diesem ebenfalls der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen sein. Das BFA möge das Verfahren des BF wieder aufnehmen und ihm, im Rahmen des Familienverfahrens mit seiner Mutter und seinen Geschwistern, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Mitvorgelegt wurde eine Kopie des Antrages an das BFA vom 01.07.2019 sowie die Kopie einer Mitteilung an das Bundesverwaltungsgericht vom 03.07.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer reiste als Minderjähriger mit seiner Mutter in das österreichische Bundesgebiet ein und stelle zeitgleich mit seiner Mutter am 17.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen des Familienverfahrens wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Am 06.06.2019 wurde seiner Mutter der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Der BF stellte einen Antrag auf Zuerkennung des gleichen Status wie seine Mutter.

Die Behörde wies einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wegen zu Späteinbringung des Antrages ab. Ein Verspätungsvorhalt oder Möglichkeit der Präzisierung des Antrages wurde nicht durchgeführt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren:

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das AsylG verweist, anzuwenden.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054) und dazu festgehalten, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Das in § 28 leg.cit. insgesamt normierte System verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde am 17.01.2020 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage am 27.01.2020 beim BVwG eingegangen. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidungen dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.

Der angefochtene Bescheid erweist sich vor diesem Hintergrund in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen jedoch als mangelhaft:

Im diesen Verfahren zugrunde liegenden Antrag brachte der BF vor, dass unstrittig ein Familienverfahren vorliege, seiner Mutter zwischenzeitig Asyl zuerkannt worden und das Verfahren wieder aufzunehmen sei und ihm ebenfalls der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen sei. Dabei ging das Bundesamt von einem Antrag auf Wiederaufnahme aus und wies diesen mit Bescheid vom 02.01.2020 wegen des mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2017 entschiedenen Verfahrens zum Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 69 Abs. 2 AVG zurück. Die zurückweisende Entscheidung begründete die Behörde mit der verspäteten Einbringung.

Zur Verspätung ist zum einen darauf hinzuweisen, dass aus dem Akteninhalt hervorgeht, dass der BF den besagten Antrag am 01.07.2019 einbrachte. Es wird nicht verkannt, dass auf einem im Akt erliegenden Schriftstück der Eingangsstempel der Behörde mit 11.11.2019 vermerkt ist, wobei dies nicht nachvollziehbar ist, zumal aus den im Zuge der Beschwerde vorgelegten Schriftstücken andere Daten hervorgehen. Hinzu kommt, dass am 03.07.2019 auch eine Mitteilung an das Bundesverwaltungsgericht erging, indem von der Antragstellung an das BFA informiert und daher auch die Einstellung des Verfahrens vor dem BVwG beantragt wurde.

Abseits der Ungereimtheiten betreffend die Rechtzeitigkeit der aus Sicht der Behörde gestellten Antrages auf Wiederaufnahme, geht für das Bundesverwaltungsgericht nicht eindeutig hervor, dass es sich bei dem besagten Schriftsatz des BF tatsächlich um einen Antrag im Sinne des § 69 AVG handelt. Wenngleich darin vorgebracht wurde, dass die Behörde das Verfahren wieder aufnehmen möge, so kann damit jedoch auch - aufgrund der vorhergehenden Ausführungen, dass im Fall des BF ein Familienverfahren vorliege und seiner Mutter der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, ein neuerlicher Antrag subsumiert werden. Der Beschwerdeführer verwies zudem durchgehend auf das Familienverfahren und die seitens der Mutter fristgerecht eingebrachte Beschwerde (vgl. Email vom 24.112017).

Auch der Umstand, dass der BF seine Beschwerde im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.07.2019 wegen dem in der Zwischenzeit zuerkannten Asylstatus seiner Mutter zurückzog, und im Folgenden den gegenständlichen Antrag, in dem er sich dezidiert auf das Asylverfahren seiner Mutter und das bestehende Familienverfahren bezog, erneut stellte, kann nicht eindeutig daraus geschlossen werden, dass der BF damit sein Verfahren im Sinne des § 69 AVG wiederaufnehmen wollte.

Der maßgebliche Sachverhalt stellt sich hinsichtlich des Antrages - auch in Verbindung mit der Beschwerde - insofern als ungeklärt dar, ob es sich hierbei um einen Antrag im Sinne des § 69 AVG oder um die Einbringung eines neuen Antrages auf internationalen Schutz handelt, zumal die belangte Behörde das Vorliegen eines Familienverfahren als gegeben annahm und die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Bezugsperson des BF, an seine Mutter, selbst feststellte.

Auch ist vor Zurückweisung, gem. ständiger Judikatur des VwGH, wegen zu spät Einbringung eines Antrages ein Verspätungsvorhalt an den BF zu stellen, um ihm die Möglichkeit zu geben eine Stellungnahme abzugeben. Dieser Verspätungsvorhalt wurde jedoch von der Behörde unterlassen bzw. nicht dem Gericht mitgeteilt, dass ein entsprechender durchgeführt worden wäre. Hierbei hat die Behörde grundlegende Ermittlungserhebungen nicht durchgeführt.

Der BF ist unbestritten Familienangehöriger, der seinen Antrag auf internationalen Schutz als Minderjähriger zeitgleich mit seiner Mutter einbrachte, weshalb ihm auch bereits der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. In der Zwischenzeit erlangte seine Mutter den Status einer Asylberechtigten.

Wie in den Materialien zum Fremdenrechtspaket 2005 (BGLI Nr. 100/2005) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird ist Zweck des Familienverfahrens die Verfahrensbeschleunigung und das Ziel den gleichen Schutz zu gewähren, ohne sie um ihr Verfahren im Einzelfall zu bringen. Wenn einem Familienmitglied der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird, soll dieser allen anderen Familienmitgliedern - im Falle von offenen Verfahren zur gleichen Zeit von der gleichen Behörde - zuerkannt werden. (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 54). Ist somit einem Familienangehörigen - aus welchen Gründen auch immer - ohnedies der Status des Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren vom Asylwerben im Familienverfahren entgegenstehen (vgl. Ra 2017/01/0418).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG idF BGBl. I Nr. 56/2018 ist Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.

Gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 145/2017 gilt ein Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits dargelegt, dass § 34 AsylG 2005 der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband dient. Ziel der Bestimmungen ist, Familienangehörigen (im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005) den gleichen Schutz zu gewähren, ohne sie um ihr Verfahren im Einzelfall zu bringen (vgl. etwa VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0418; 24.3.2015, Ra 2014/19/0063). Ist einem Familienangehörigen - aus welchen Gründen auch immer - ohnedies der Status des Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen (vgl. nochmals VwGH Ra 2017/01/0418).

Das in § 34 Abs. 4 AsylG 2005 normierte Gebot, die Verfahren von Familienmitgliedern "unter einem" zu führen, richtet sich nach dem Gesetzeswortlaut an die Behörde. Abs. 5 der zitierten Gesetzesstelle legt fest, dass die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß auch für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht gelten, wodurch sichergestellt wird, dass die Verfahren von jenen Familienmitgliedern, die beim BVwG anhängig sind, auch gemeinsam entschieden werden (vgl. dazu VwGH 9.4.2008, 2008/19/0205). Dem Gesetz ist jedoch keine Anordnung zu entnehmen, dass sämtliche Verfahren im Familienverband, die bereits in verschiedenen Instanzen anhängig sind, ebenfalls unter einem geführt werden müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits dargelegt, dass § 34 AsylG 2005 der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband dient. Ziel der Bestimmungen ist es, Familienangehörigen (im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005) den gleichen Schutz zu gewähren, ohne sie um ihr Verfahren im Einzelfall zu bringen (vgl. etwa VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040 bis 0044; 30.4.2018, Ra 2017/01/0418; 24.3.2015, Ra 2014/19/0063).

Den genannten Zweck bringen auch die Materialien zum Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl. I Nr. 100/2005) unmissverständlich zum Ausdruck. Dort wird zu § 34 AsylG 2005 (auszugsweise) festgehalten (RV 952 BlgNR 22. GP, 54): "Der vorgeschlagene § 34 - er entspricht im Wesentlichen dem § 10 AsylG 1997 - dient der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband; das durch die AsylG-Nov 2003 geschaffene Regelungssystem ersetzt die so genannte ?Asylerstreckung'. Die Bestimmungen des § 34 sind auf die Ehegatten und minderjährigen, unverheirateten Kinder eines Asylberechtigten oder eines Asylwerbers oder sonst Schutzberechtigten anzuwenden; deren Antrag auf internationalen Schutz wird ex-lege als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes nach den Bestimmungen des § 34 zu behandeln sein.

Ziel der Bestimmungen ist Familienangehörigen (§ 2 Z 22) den gleichen Schutz zu gewähren, ohne sie um ihr Verfahren im Einzelfall zu bringen. Wenn einem Familienmitglied der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird, soll dieser allen anderen Familienmitgliedern - im Falle von offenen Verfahren zur gleichen Zeit von der gleichen Behörde - zuerkannt werden. (...)

Die Asylverfahren einer Familie sind unter einem zu führen, wobei jeder Antrag auf internationalen Schutz gesondert zu prüfen ist; es erhalten alle Familienmitglieder einen eigenen Bescheid, mit dem über die Asylgewährung oder über die subsidiäre Schutzgewährung abgesprochen wird. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden. Das gemeinsame Führen der Verfahren hat den Vorteil, dass möglichst zeitgleich über die Berechtigungen, die Österreich einer Familie gewährt, abgesprochen wird. Diese Vereinfachung und Straffung der Verfahren wird auch im Berufungsverfahren fortgesetzt. (...)"

Dabei wird nicht verkannt, dass - wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15.11.2018, Ro 2018/19/0004, ausführt, § 34 Abs. 4 AsylG 2005 vielmehr dahingehend auszulegen ist, dass eine gemeinsame Führung der Verfahren nur dann zu erfolgen hat, wenn diese gleichzeitig beim BFA oder gleichzeitig im Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sind.

So erkannte der Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall, indem über den Antrag der mitbeteiligten Partei seitens des BFA bereits entschieden worden sei, dass § 34 Abs. 4 AsylG 2005 im Verfahren - in dieser Konstellation der Ehefrau - vor dem BFA bzw. im Verfahren der mitbeteiligten Partei vor dem BVwG insoweit nicht anwendbar sei, als diese Verfahren nicht unter einem zu führen sind.

Weiters führte der VwGH in der Entscheidung vom 15.11.2018 aus, dass bei Auseinanderfallen der Führung des Familienverfahrens, die mitbeteiligte Partei - aufgrund dieser neu entstandenen Tatsache, dass der Bezugsperson vor der Behörde des Asylstatus zuerkannt wurde - gestützt auf § 34 Abs. 1 AsylG 2005 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stellen kann, weil in diesem Fall hinsichtlich § 34 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 keine entschiedene Sache vorliegt. Damit wird dem Ziel des § 34 Abs. 4 AsylG 2005, allen Familienangehörigen denselben Schutzstatus zu gewähren, entsprochen.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, zumal nicht eindeutig geklärt wurde, ob der BF nun einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß AVG oder vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aufgrund der Zuerkennung des Asylstatus an seine Mutter einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht hat, dies insbesondere, da der Beschwerdeführer als auch die Behörde selbst die Familienzugehörigkeit und Minderjährigkeit des BF zum Zeitpunkt der Antragstellung sowie dem nunmehrigen Asylstatus seiner Bezugsperson, seiner Mutter, nie in Abrede stellten, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Wenngleich sich eine Verspätung ergeben hätte, hat es die Behörde unterlassen entsprechende Erhebungen (Verspätungsvorhalt) durchzuführen, um festzustellen, ob tatsächlich eine Verspätung des Antrages gegeben ist.

Die aufgezeigten Ermittlungsmängel wiegen nach Lage des Falles so schwer, dass im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an das Bundesamt gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorzugehen ist. Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesamt die dargelegten Mängel zu beheben bzw. die aufgezeigten Ermittlungsschritte zu setzen und in weiterer Folge in einem neuen Bescheid eine Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers zu treffen haben.

Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine kassatorische Entscheidung zu treffen. Dass die Feststellungen des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis iSd § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG verbunden wäre, kann - angesichts der Einrichtung und Ausstattung des Bundesamtes als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde - nicht gesagt werden. Zentrale Ermittlungsschritte, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach erstmals durch das Verwaltungsgericht zu tätigen.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war der angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheiten zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass die angefochtenen Bescheide zu beheben waren.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Regelung des § 28 Abs. 3 VwGVG erweist sich - vor dem Hintergrund des gegenständlichen Falles - klar und eindeutig. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Familienverfahren individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Minderjährigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W272.2179342.3.00

Im RIS seit

30.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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