Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des AHG betreffend den Ausschluß eines Ersatzanspruches aus einem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes infolge Zumutbarkeit der Beschreitung des ZivilrechtswegesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Mit seinem auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Antrag vom 30. März 1995 begehrt der Antragsteller die Aufhebung des §2 Abs3 Amtshaftungsgesetz, BGBl. 20/1949, (AHG), in eventu die darin enthaltene Wortfolge "des Obersten Gerichtshofes" als verfassungswidrig.
1.2. §2 Abs3 AHG lautet:
"(3) Aus einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltgungsgerichtshofes kann ein Ersatzanspruch nicht abgeleitet werden."
2. Die Antragslegitimation begründet der Antragsteller wie folgt:
2.1. Mit Schreiben vom 10. März 1995 habe der Antragsteller an die Finanzprokuratur ein Aufforderungsschreiben nach §8 AHG gerichtet, in welchem er Amtshaftungsansprüche aus dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 18. Dezember 1991, 3 Ob 541/91, zugestellt am 10. März 1992, "im Gesamtbetrage vom S 50.659,-- (neben den Kosten des Aufforderungsschreibens in der Höhe von S 266,40)" geltend gemacht und den Bund als zuständigen Rechtsträger gemäß §8 AHG zur Ersatzleistung aufgefordert habe. Der Antragsteller sei nämlich "durch Organe der Gerichtsbarkeit, nämlich den 3. Zivilsenat des Obersten Gerichtshofes rechtswidrig und schuldhaft am Vermögen geschädigt worden", da die "im genannten Urteil des Obersten Gerichtshofes vertretene Rechtsauslegung in rechtlich unvertretbarer Weise geltendem österreichischen Zivilprozeßrecht widerstreitet".
Weiters führt der Antragsteller wörtlich aus:
"Im Hinblick auf die derzeit noch gar nicht in ihrem vollen Ausmaß feststehenden Folgewirkungen dieser bindenden und vollstreckbaren Fehlentscheidung des OGH habe ich vorläufig als mir konkret, rechtswidrig schuldhaft aufgrund rechtlich unvertretbarer Rechtsauffassung dieses Höchstgerichtes verursachten Schaden vorläufig nur den Ersatz der mir in ON 49 auferlegten Prozeßkosten ... begehrt, womit sich ein nach §1 AHG grundsätzlich ersatzfähiger Gesamtschaden von S 50.659,-- errechnet".
Die Finanzprokuratur habe mit Schreiben vom 24. März 1995 mitgeteilt, daß die belangte Behörde den auf das AHG gestützten Ersatzanspruch unter Berücksichtigung des §2 Abs3 AHG nicht als berechtigt anerkannt habe.
2.2. Ein zumutbarer Umweg bestehe im konkreten Fall nicht, weil zur Geltendmachung des Amtshaftungsanspruches nach der Ablehnung im Aufforderungsverfahren nach §8 AHG nur der ordentliche Zivilrechtsweg, also ein Amtshaftungsprozeß zur nachträglichen Überprüfung der verfehlten Rechtsanschauung des Gerichtshofes offenstünde, ein derartiger Rechtsgang aber im Hinblick auf den klaren Haftungsausschluß der prüfungsgegenständlichen Bestimmung des §2 Abs3 AHG "ein absolut rechtlich untauglicher und deswegen ... objektiv unzumutbarer Weg des Rechtsschutzes wäre". Der eindeutige "Gesetzesbefehl des §2 Abs3 AHG wäre unweigerlich mit einem von vorneherein vorsehbaren Prozeßverlust durch alle III Instanzen des Amtshaftungsprozesses verbunden". Die Aussichtslosigkeit des Amtshaftungsprozesses würde auch für eine allfällige Anregung in zweiter und dritter Instanz, beim Verfassungsgerichtshof amtswegig ein Normenprüfungsverfahren einzuleiten, gelten, "weil sich der Oberste Gerichtshof jüngst in einer sehr ausführlichen Entscheidung (E. vom 25.8.1993, 1 Ob 10/93, veröffentlicht in JBl 1994/185) dafür ausgesprochen hat, den im §2 Abs3 AHG festgelegten Haftungsausschluß für verfassungskonform zu halten". Eine Abkehr des Obersten Gerichtshofes von dieser selbstbindenden ordentlichen Revisionsentscheidung sei jedenfalls auszuschließen. Die Finanzprokuratur selbst verweise darauf, daß der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung überzeugend die Verfassungsmäßigkeit des §2 Abs3 AHG dargelegt habe.
Die Unmittelbarkeit des Eingriffs in die verfassungsrechtlich geschützte Rechtssphäre durch §2 Abs3 AHG ergebe sich jedenfalls daraus, daß nach geltendem österreichischen Recht außerhalb der Amtshaftung kein innerstaatlich durchsetzbarer Rechtsanspruch offensteht, den durch die Fehlentscheidung des Obersten Gerichtshofes zugefügten Vermögensschaden ersetzt zu erhalten.
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung und beantragt, den Antrag zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei es grundsätzlich - mangels damit verbundener außerordentlicher Härte - zumutbar, in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit Bedenken gegen präjudizielle gesetzliche Vorschriften vorzutragen und vor dem Gericht der zweiten Rechtsstufe die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anzuregen. Gleiches müsse für Amtshaftungsansprüche gelten, die wie zivilrechtliche Ansprüche vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen sind.
Daß ein für den Antragsteller günstiger Ausgang des anzustrengenden Amtshaftungsverfahrens die Aufhebung der angefochtenen Gesetzesstelle als verfassungswidrig - und zwar im Zug eines vom Rechtsmittelgericht beim Verfassungsgerichtshof einzuleitenden Normenkontrollverfahrens - zur Voraussetzung hätte, sei keine Besonderheit des vorliegenden Falles, sondern eine notwendige Folge der gegebenen Verfassungsrechtslage, die eben Individualanträge nur "als letzten Ausweg" zuläßt. Daß ein Prüfungsantrag unterbleibt, wenn die Rechtsmittelinstanzen die verfassungsrechtliche Kritik einer Prozeßpartei an präjudiziellen einfachgesetzlichen Vorschriften nicht teilen, sei im gegebenen Zusammenhang ohne Bedeutung. Insbesondere sei bedeutungslos, daß sich der Oberste Gerichtshof zu der maßgeblichen Rechtsfrage bereits in einer ausführlich begründeten Entscheidung - und zwar in einem für den Antragsteller ungünstigen Sinne - geäußert hat.
Der Antrag sei somit bereits wegen Zumutbarkeit des Weges über die Anrufung eines ordentlichen Gerichts zur Gänze unzulässig.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrags erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtssprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11684/1988, VfGH 27.9.1994 G215/94).
2. Wie bereits mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 10877/1986 für einen Individualantrag auf Aufhebung des §2 Abs3 AHG ausgesprochen, steht einem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeit des §2 Abs3 AHG grundsätzlich offen. Gemäß §8 ff AHG hat der Antragsteller nämlich die Möglichkeit, nach Durchführung des Aufforderungsverfahrens Klage gegen den Rechtsträger auf Ersatz des Schadens im ordentlichen Rechtsweg zu erheben und nach der zu gewärtigenden Abweisung des Klagebegehrens bereits im Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung seine verfassungsrechtlichen Bedenken mit der Anregung auf Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages zu unterbreiten. Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG wäre dieses Gericht bei Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des anzuwendenden Gesetzes zur Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages an den Verfassungsgerichtshof verpflichtet.
Daß der Antragsteller diesfalls seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsvorschrift nicht unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof vorbringen kann, vermag an der Zumutbarkeit dieses Verfahrenswegs nichts zu ändern. Dieser Umstand ist nämlich zwingende Folge der vom Bundesverfassungsgesetzgeber getroffenen Grundsatzentscheidung, die Initiative zur Kontrolle genereller Normen - vom Standpunkt des Betroffenen aus gesehen - zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor ordentlichen Gerichten stattfindet. Dabei ist die Frage, ob und inwieweit das in zweiter Instanz zuständige Gericht - auf Grund der vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 25. August 1993, 1 Ob 10/93, geäußerten Rechtsansicht - sich veranlaßt sieht, der Kritik der Partei an der Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung zu folgen, nicht ausschlaggebend (vgl. VfSlg. 9926/1984). Denn es kommt nicht auf die materiellen Erfolgschancen des dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Rechtsweges an, sondern darauf, daß im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit besteht, die vom Antragsteller angenommenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gesetzesbestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 8552/1979, 9170/1981, 9394/1982, 10592/1985).
Auch könnte ein derartiges Verfahren weder als aufwendig bezeichnet werden, noch wäre eine längere Prozeßdauer anzunehmen, weil die Erhebung von Beweisen im Hinblick auf den feststehenden Sachverhalt praktisch nicht in Betracht käme und die materiellrechtliche Frage auf dem Boden einer völlig klaren Gesetzeslage zu beantworten wäre. Schon deshalb kann nicht von einer besonderen Härte für den Antragsteller gesprochen werden, wenn er auf den erörterten Weg verwiesen wird (VfSlg. 8979/1980, 10592/1985, 11889/1988 mwH).
3. Der Antrag war daher zurückzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, AmtshaftungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G42.1995Dokumentnummer
JFT_10039694_95G00042_00