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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des Arsim Halitaj in Linz, geboren am 28. Jänner 1972, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Dezember 1995, Zl. 4.340.465/9-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Juogsl. Föderation", der am 11. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am gleichen Tag einen Asylantrag gestellt hat, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 1. Oktober 1992, mit dem festgestellt worden war, daß ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme, mit Berufung bekämpft.
Nach der mit hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zl. 93/01/0854, wegen der rechtsirrigen Anwendung des Asylgesetzes 1991 ausgesprochenen Aufhebung ihres über diese Berufung ergangenen Bescheides vom 28. April 1993 wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 18. Dezember 1995 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG neuerlich ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat bei seiner Ersteinvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 21. September 1992 angegeben, er sei auf einer jugoslawischen Insel als Marinesoldat eingesetzt gewesen. Als sich der Krieg immer mehr ausgeweitet habe und auch er in den Krieg habe einberufen werden sollen, habe er sich zur Flucht entschlossen. Als Kosovo-Albaner hätte er in der serbischen Bundesarmee dienen und auf seine eigenen Leute schießen müssen, womit er aber nicht einverstanden gewesen sei.
In seiner Berufung bekräftigte der Beschwerdeführer sein Vorbringen vor der Behörde erster Instanz und machte geltend, "daß die Albaner im Kosovo massiver politischer Verfolgung ausgesetzt sind". Im Fall seiner Rückkehr müßte er um sein Leben, jedenfalls aber um seine körperliche Unversehrtheit fürchten. Durch seine Flucht seien Nachfluchtgründe entstanden, die einerseits darin bestünden, daß der Krieg von Bosnien-Herzegowina auf den Kosovo überzugreifen drohe, wodurch er als Angehöriger der Bundesarmee auf seine Landsleute und selbst auf seine Angehörigen zu schießen hätte. Andererseits würde er wegen des Verlassens seines Landes als Angehöriger der Bundesarmee bei seiner Rückkehr als Deserteur behandelt; dies bedeute im Mindestfall eine Strafdrohung von fünf Jahren Gefängnis, wobei aber in 50 % der Fälle Todesurteile verhängt und vollstreckt würden. Weiters sei es beachtlich, daß aus der Asylantragstellung Verfolgungsgefahr resultiere. Er ersuche um Beischaffung entsprechender objektiver Informationen über die Situation der albanischen Volksgruppe im Kosovo.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers zunächst in Übereinstimmung mit der hg. Rechtsprechung (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1996, Zl. 95/01/0083) damit begründet, daß die in seinem Heimatland herrschende Bürgerkriegssituation keine asylrelevante Verfolgung darstelle.
Die belangte Behörde hat weiters ausgeführt, daß die Einberufung zum Militär- bzw. Kriegsdienst bzw. die Verweigerung, diesen abzuleisten, aber auch die Furcht vor einer aus diesen Gründen drohenden Strafe nicht als asylbegründende Tatsachen angesehen werden könnten. Im Zusammenhang damit stellte die belangte Behörde die Praxis der jugoslawischen Militärbehörden bei der Einberufung dar und verwies darauf, daß weder bei der Einberufung noch bei der Strafverfolgung an ethnische Kriterien anknüpfende Unterscheidungen getroffen würden.
Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - sei es durch Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls, sei es durch Desertion - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling rechtfertigt. Daraus, daß die belangte Behörde in dieser Hinsicht nicht auf in der Beschwerde geltend gemachte (im übrigen in keiner Weise näher konkretisierte) "internationale Rechtsprechung" eingegangen ist, kann somit der in der Beschwerde ins Treffen geführte Begründungsmangel nicht abgeleitet werden. Der Verwaltungsgerichtshof geht allerdings von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolgt, in denen damit gerechnet werden müßte, daß ein Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen im Vergleich zu Angehörigen anderer Gruppierungen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde, oder in denen davon auszugehen ist, daß dem Asylwerber aus diesen Gründen eine - im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen - härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A). Die belangte Behörde hat die Rechtslage richtig erkannt und dahingehend Feststellungen getroffen, daß ethnisch bedingte Unterscheidungen in den im angeführten Erkenntnis als maßgeblich erkannten Belangen nicht vorgenommen würden. Da hiezu das Parteiengehör nicht gewahrt wurde, wäre es dem Beschwerdeführer - ohne gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot zu verstoßen - offen gestanden, ein entsprechendes neues Tatsachenvorbringen zu erstatten. Ein solches Vorbringen kann der Beschwerde aber nicht entnommen werden. Mit der Befürchtung, er wäre im Fall eines Kriegseinsatzes gezwungen gewesen, gegen seine eigenen Landsleute mit der Waffe vorzugehen, vermag er - abgesehen davon, daß er diese Befürchtung nur im Hinblick auf eine (nicht eingetretene) Ausweitung des Krieges auf den Kosovo vorgebracht hat - schon deshalb keine begründete Furcht vor Verfolgung darzutun, weil eine konkrete, gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete Verfolgung auch bei Zutreffen dieser Befürchtung nicht ersehen werden könnte.
Der belangten Behörde kann auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Rechtsauffassung vertreten hat, die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe allein vermöge die Anerkennung als Konventionsflüchtling nicht zu rechtfertigen. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren - wie auch in der Beschwerde - ohne nähere Konkretisierung lediglich allgemein geltend gemacht, die albanische Volksgruppe sei im Kosovo massiver politischer Verfolgung ausgesetzt. Der belangten Behörde ist daher beizupflichten, wenn sie diese vom Beschwerdeführer geschilderten allgemeinen Verhältnisse nicht als ihn treffendes zielgerichtetes staatliches Handeln gewertet und den vorgebrachten Umständen die für die Erlangung der Flüchtlingseigenschaft erforderliche Intensität nicht beigemessen hat.
Dem als Nachfluchtgrund geltend gemachten Umstand der Asylantragstellung hat die belangte Behörde entgegengehalten, daß über Asylverfahren bzw. über Asylwerber gegenüber den Herkunftsländern keine Auskünfte erteilt würden, sodaß ein solcher Nachfluchtgrund nicht vorliege. Hinsichtlich dieser Feststellung hat die belangte Behörde zwar nicht das Parteiengehör gewahrt, sodaß der Beschwerdeführer nicht gehindert gewesen wäre, diesen Ausführungen in der Beschwerde eigenes, neues Tatsachenvorbringen entgegenzusetzen. Von dieser Möglichkeit hat der Beschwerdeführer aber in der Beschwerde keinen Gebrauch gemacht.
Zum Vorwurf, die belangte Behörde habe dadurch, daß sie keine Feststellungen über die tatsächlichen Verhältnisse im Kosovo getroffen habe, die ihr obliegende Ermittlungspflicht verletzt, ist festzuhalten, daß aus der sich aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG ergebenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, eine Verpflichtung der Behörde, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln, nicht abgeleitet werden kann. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben über die allgemeinen Verhältnisse im Heimatland des Beschwerdeführers hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen konkreter, gegen ihn persönlich gerichteter Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers weder vor der Behörde erster Instanz noch in der Berufung enthalten waren, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996010492.X00Im RIS seit
20.11.2000