TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/10 W212 2205457-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.02.2020
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Entscheidungsdatum

10.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W212 2205457-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch RA Mag. Clemens Lahner, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2018, Zl. 1118572310/160824631, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 10.02.2021 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer reiste legal in das Bundesgebiet ein, wo er am 13.06.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Im Rahmen der Erstbefragung am 14.06.2016 gab der Beschwerdeführer an, an Leukämie zu leiden und in Österreich in stationärer Behandlung zu sein. Er verfüge über ein polnisches Visum und sei damit bereits mehrmals in den Schengenraum eingereist. Die Reise nach Österreich sei über ihm unbekannte Länder erfolgt, da er sich in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befinde. Er hoffe, dass ihm hier medizinisch geholfen werden könne. In der Ukraine lebten seine Ehefrau und zwei Töchter.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass seine Gattin jüdische Wurzeln habe. Aus diesem Grund würden sie in der Ukraine diskriminiert und mehrmals tätlich angegriffen und teils erheblich verletzt worden. Seine jüngste Tochter habe eine Behinderung und werde von Nachbarn und anderen Kindern beleidigt und beschimpft. Er habe erst im März 2016 von seiner Krankheit erfahren. Er habe seine Wohnung verkaufen müssen, um die Ärzte zu bezahlen. Die Ursache seiner Krankheit sei die ständige Sorge um seine Familie. Seitens des Staates habe er mit keinen Sanktionen zu rechnen.

I.2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde zunächst mit Bescheid des BFA vom 15.12.2016 als unzulässig zurückgewiesen, da Polen nach Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung für die Prüfung des Antrags zuständig sei. Aufgrund des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers und der abgelaufenen Überstellungsfrist wurde dieser Bescheid jedoch mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.02.2017 zur Gänze behoben.

I.3. In der Einvernahme vor dem BFA am 03.04.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich eine Chemotherapie und Knochenmarktransplantation erhalten habe. Er sei derzeit noch in medikamentöser Behandlung.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass seine Frau jüdische Wurzeln habe. In diesem Zusammenhang habe es auf seine Familie Angriffe gegeben. Seine jüngere Tochter habe eine spastische Lähmung, weshalb sie von anderen Kindern beleidigt werde. Man habe Müll vor ihre Tür und Steine in das Fenster geworfen. Auf der Straße seien sie "sozusagen, aber nicht wirklich" geschlagen worden. Seine Frau sei immer als Jüdin tituliert worden. Es habe einige Fälle gegeben, wo er überfallen, "man könnte sagen geschlagen" worden sei. Einmal sei sein Knie beschädigt worden. Einmal sei er im Dunkeln von maskierten Personen überfallen und an der Hand verletzt worden. Diese Vorfälle hätten sich gehäuft, weshalb er unter Stress gestanden habe und es zum Ausbruch der Krankheit gekommen sei. Die Angriffe hätten 2015 stattgefunden. In der Regel hätten sie abends oder nachts stattgefunden, die Personen hätten Masken getragen er hätte sie nicht identifizieren können. Einmal sei er von fünf bis sechs, einmal von acht Personen angegriffen worden. Er habe die Angriffe nicht angezeigt, weil ihm gedroht worden sei, dass sie ihn und sein Kind aufschlitzen würden. Er sei sicher, dass diese Personen selbst Kontakt zur Polizei hätten.

Seine Frau sei zu ihren Eltern übersiedelt, in einen Bezirk wo diese Banditen nicht seien. Zumindest sage ihm das seine Frau, vielleicht wolle sie ihn schonen und sage ihm nicht alles.

Bei einer Rückkehr in die Ukraine erwarte ihn im Zusammenhang mit seiner Krankheit nichts Gutes.

In der Ukraine habe er eine Chemotherapie erhalten, aber sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. In der Ukraine sei sein Bruder an der gleichen Krankheit gestorben. Knochenmarktransplantationen würden dort nicht durchgeführt. Sein Arzt in Österreich habe ihm gesagt, dass er nicht überlebt hätte, wenn er zwei Tage später nach Österreich gekommen wäre.

Der Beschwerdeführer legte im Zuge des Verfahrens eine Reihe medizinsicher Unterlagen zu seiner Leukämieerkrankung vor.

I.4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 8 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.)0.

Dem Bescheid wurden die entsprechenden Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zu Grunde gelegt. Der Beschwerdeführer hätte kein Vorbringen erstattet, das auf eine aslyrelevante Verfolgung schließen lasse. Dem Vorbringen komme keine Glaubhaftigkeit zu, darüber hinaus seteh ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Das Motiv für seine Asylantragstellung sie vielmehr in seiner Erkrankung zu suchen. Da der Beschwerdeführer arbeitsfähig und gesund sei, gehe die Behörde davon aus, dass ihm auch keine Gefahren drohten, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I., dass der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter § 3 AsylG 2005 darstelle. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass beim Beschwerdeführer keine individuellen Umstände vorlägen, die dafür sprechen würden, dass er bei einer Rückkehr in die Ukraine in eine derart extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen würde. Die medizinische und ökonomische Versorgung sie in der Ukraine grundsätzlich gesichert. Unter Spruchpunkt III. wurde mit näherer Begründung darauf verwiesen, dass im Verfahren keine Ansatzpunkte hervorgetreten seien, die die Vermutung einer besonderen Integration des Beschwerdeführers in Österreich rechtfertigen würden. Bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen würden somit keine Hinweise gefunden werden, welche den Schluss zuließen, dass durch die Rückkehrentscheidung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens eingegriffen werden würde.

I.5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 07.09.2018 Beschwerde erhoben. Neben Ausführungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers wurde vorgebracht, dass sich die Behörde nicht ausreichend mit der Situation von Jüdinnen und Juden in der Ukraine auseinandergesetzt habe. Hierzu wurden diverse Berichte über antisemitische Übergriffe in der Ukraine vorgelegt. Die Behörde habe auch keine Ermittlungen dazu angestellt, ob den Beschwerdeführer die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zumutbar sei. Auch die Ermittlungen zur Situation körperlich beeinträchtigter Menschen in der Ukraine seien mangelhaft.

I.6. In einer Stellungnahme vom 13.08.2019 wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer auf medikamentöse Behandlung angewiesen sei, die mit erheblichen Kosten verbunden sei (6 000 ? für zwei Monate). In der Ukraine wäre der Zugang zu der erforderlichen Medikation nicht gewährleistet.

Der Stellungnahme lagen weitere medizinische Befunde und mehrere Empfehlungsschreiben bei.

I.7. Mit Schreiben vom 19.08.2019 wurden weitere Empfehlungsschreiben vorgelegt.

I.8. Am 25.10.2019 richtete das Bundesverwaltungsgericht eine Anfrage an die Staatendokumentation zur Verfügbarkeit der vom Beschwerdeführer eingenommenen Medikamente (antihypertensive Therapie, Prophylaxe gegen Herpes und Pneumocystis carinii, Tyrosinkinase-Inhibitor).

I.9. Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 28.11.2019 geht hervor, dass antihypertensive Medikamente sowie Mittel zur Prophylaxe von Herpes und Pneumocystis carinii in der Ukraine verfügbar sind. Der dem Beschwerdeführer verschriebene Tyorsinkinase-Inhibitor Sprycel ist jedoch in der Ukraine nicht verfügbar und konnte auch keine Alternativen zu dieser Medikation gefunden werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Ukraine und bekennt sich zum griechisch-katholischen Glauben. Er beherrscht die Sprachen Ukrainisch, Russisch, Polnisch und etwas Deutsch. Er gehört der ukrainischen Mehrheitsbevölkerung an und seine Identität steht mit ausreichender Sicherheit fest. Bis zu seiner Ausreise lebte er in der Ukraine in XXXX im Oblast Lwiw im Westen der Ukraine. Im Herkunftsstaat leben noch die Ehefrau und die beiden Töchter des Beschwerdeführers.

1.2. Laut eigenen Angaben reiste er legal in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.06.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.3. Dem Beschwerdeführer droht in der Ukraine weder in der Vergangenheit noch aktuell eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität.

1.4. Der Beschwerdeführer litt bei seiner Einreise nach Österreich an Philadelphia-positiver akuter B-zelliger lymphatischer Leukämie. In Österreich wurde nach Chemotherapie eine Blutstammzelltransplantation durchgeführt. Im April 2017 kam es zu einem Rezidiv der Erkrankung, weshalb eine Fremdspenderblutstammzelltransplantation durchgeführt wurde. Derzeit befindet sich der Beschwerdeführer in kompletter hämatologischer und molekularbiologischer Remission.

Der Beschwerdeführer erhält zur Kontrolle seines Blutdrucks antihypertensive Medikamente (Acemin, Baypress), weiters eine medikamentöse Prophylaxe gegen Infektionen mit Herpes und Pneumocystis carinii (Viropel). Zur Verhinderung eines Rezidivs erhält er weiters einen Tyrosinkinase-Inhibitor, nämlich Sprycel 50 mg.

Der dem Beschwerdeführer verschriebene Tyrosinkinase-Inhibitor ist in der Ukraine nicht verfügbar und sind auch keine wirkgleichen Alternativpräparate erhältlich. Die antihypertensive Therapie und die medikamentöse Prophylaxe gegen Herpes und Pneumocystis carinii können hingegen auch in der Ukraine fortgeführt werden.

1.5. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:

Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20.05.2019 Präsident Wolodymyr Selensky, Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman.

Das ukrainische Parlament (Verkhovna Rada) wird über ein Mischsystem zur Hälfte nach Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Direktwahlkreisen gewählt (AA 20.5.2019). Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Auch die unterschiedlichen Auslegungen der Gerichte in Bezug auf das Wahlrecht sind Gegenstand der Kritik. Ukrainische Oligarchen üben durch ihre finanzielle Unterstützung für verschiedene politische Parteien einen bedeutenden Einfluss auf die Politik aus. Die im Oktober 2014 abgehaltenen vorgezogenen Parlamentswahlen wurden im Allgemeinen als kompetitiv und glaubwürdig erachtet, aber auf der Krim und in von Separatisten gehaltenen Teilen des Donbass war die Abstimmung erneut nicht möglich. Infolgedessen wurden nur 423 der 450 Sitze vergeben (FH 4.2.2019). Der neue Präsident, Wolodymyr Selensky, hat bei seiner Inauguration im Mai 2019 vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

Nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 verfolgte die Ukraine unter ihrem Präsidenten Petro Poroschenko eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Zu den Schwerpunkten seines Regierungsprogramms gehörte die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassungs- und Justizreform. Dennoch wurden die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen nicht erfüllt. Die Parteienlandschaft der Ukraine ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ und nationalistisch über rechtsstaats- und europaorientiert bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Der Programmcharakter der Parteien ist jedoch kaum entwickelt und die Wähler orientieren sich hauptsächlich an den Führungsfiguren (AA 22.2.2019).

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann am 21. April 2019 die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit über 73% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%). Poroschenko erhielt weniger als 25% der Stimmen (RFE/RL 30.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019). Selenskyj wurde am 20.5.2019 als Präsident angelobt. Er hat angekündigt möglichst bald parlamentarische Neuwahlen ausrufen zu lassen, da er in der Verkhovna Rada über keinen parteipolitischen Rückhalt verfügt und demnach kaum Reformen umsetzen könnte. Tatsächlich hat er umgehend per Dekret vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür Präsident Selenskyj politisch steht. Bekannt wurde er durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

-AA - Auswärtiges Amt (20.5.2019): Ukraine, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukraine/201830, Zugriff 27.5.2019

- CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebrates victory in Ukraine's presidential elections, https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraine-election-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019

- DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine, https://derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahl-in-der-Ukraine-vorn, Zugriff 24.4.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

- KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and fair, https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-free-and-fair.html, Zugriff 24.4.2019

- Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der Sensation Selenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine--ihor-kolomojskyj--der-strippenzieher-hinter-der-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019

- UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (23.5.2019): Zelenskiy's Decree On Disbanding Ukrainian Parliament Enters Into Force, https://www.rferl.org/a/zelenskiy-s-decree-on-disbanding-ukrainian-parliament-enters-into-force/29958190.html, Zugriff 27.5.2019

Sicherheitslage

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

Durch die Besetzung der Krim, die militärische Unterstützung von Separatisten im Osten und die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen die Ukraine, kann Russland seinen Einfluss auf den Verlauf des politischen Lebens in der Ukraine aufrechterhalten. Menschen, die in den besetzten Gebieten des Donbass leben, sind stark russischer Propaganda und anderen Formen der Kontrolle ausgesetzt (FH 4.2.2019).

Nach UN-Angaben kamen seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen um; es wurden zahlreiche Ukrainer innerhalb des Landes binnenvertrieben oder flohen ins Ausland. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt. Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert, Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die u.a. aufgrund der Unmöglichkeit dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde. Dennoch hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten "Sonderstatusgesetzes" bis Ende 2019 verlängert (AA 22.2.2019).

Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten. (AA 22.2.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern. Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, "das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen". In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben (FAZ 26.4.2019; vgl. SO 24.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

- FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.4.2019): Ein Signal an Selenskyj, https://www.faz.net/aktuell/politik/putin-verteidigt-russische-staatsbuergerschaft-fuer-ukrainer-16157482.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0, Zugriff 26.4.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

- SO - Spiegel Online (24.4.2019): Putins Provokation, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-wladimir-putin-kuendigt-an-russische-paesse-im-besetzten-donbass-auszuteilen-a-1264280.html, Zugriff 29.3.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 10.4.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Die ukrainische Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Gerichte sind aber trotz Reformmaßnahmen der Regierung weiterhin ineffizient und anfällig für politischen Druck und Korruption. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz ist gering. Trotz der Bemühungen um eine Reform der Justiz und der Generalstaatsanwaltschaft ist Korruption bei Richtern und Staatsanwälten weiterhin ein Problem. Einige Richter behaupteten Druckausübung durch hochrangige Politiker. Einige Richter und Staatsanwälte erhielten Berichten zufolge Bestechungsgelder. Andere Faktoren, welche das Recht auf ein faires Verfahren behindern, sind langwierige Gerichtsverfahren, insbesondere bei Verwaltungsgerichten, unterfinanzierte Gerichte und mangelnde Möglichkeiten Urteile durchzusetzen (USDOS 13.3.2019).

Die ukrainische Justizreform trat im September 2016 in Kraft, der langjährige Prozess der Implementierung der Reform dauert weiter an. Bereits 2014 startete ein umfangreicher Erneuerungsprozess mit der Annahme eines Lustrationsgesetzes, das u.a. die Entlassung aller Gerichtspräsidenten sowie die Erneuerung der Selbstverwaltungsorgane der Richterschaft vorsah. Eine im Februar 2015 angenommenen Gesetzesänderung zur "Sicherstellung des Rechtes auf ein faires Verfahren" sieht auch eine Erneuerung der gesamten Richterschaft anhand einer individuellen qualitativen Überprüfung ("re-attestation") aller Richter vor, die jedoch von der Zivilgesellschaft als teils unzureichend kritisiert wurde. Bislang wurden laut Informationen von ukrainischen Zivilgesellschaftsvertretern rund 2.000 der insgesamt 8.000 in der Ukraine tätigen Richter diesem Prozess unterzogen, wobei rund 10% entweder von selbst zurücktraten oder bei der Prozedur durchfielen. Ein wesentliches Element der Justizreform ist auch der vollständig neu gegründete Oberste Gerichtshof, der am 15. Dezember 2017 seine Arbeit aufnahm. Allgemein ist der umfassende Erneuerungsprozess der Richterschaft jedoch weiterhin in Gange und schreitet nur langsam voran. Die daraus resultierende häufige Unterbesetzung der Gerichte führt teilweise zu Verfahrensverzögerungen. Von internationaler Seite wurde die Annahme der weitreichenden Justizreform weitgehend begrüßt (ÖB 2.2019).

2014 wurde auch eine umfassende Reform der Staatsanwaltschaft in Gang gesetzt. In erster Linie ging es dabei auch darum, das schwer angeschlagene Vertrauen in die Institution wieder herzustellen, weshalb ein großer Teil dieser Reform auch eine Erneuerung des Personals vorsieht. Im Juli 2015 begann die vierstufige Aufnahmeprozedur für neue Mitarbeiter. Durchgesetzt haben sich in erster Linie jedoch Kandidaten, die bereits in der Generalstaatsanwaltschaft Erfahrung gesammelt hatten. Weiters wurde der Generalstaatsanwaltschaft ihre Funktion als allgemeine Aufsichtsbehörde mit der Justizreform 2016 auf Verfassungsebene entzogen, was jedoch noch nicht einfach gesetzlich umgesetzt wurde. Jedenfalls wurde in einer ersten Phase die Struktur der Staatsanwaltschaft verschlankt, indem über 600 Bezirksstaatsanwaltschaften auf 178 reduziert wurden. 2017 wurde mit dem Staatsanwaltschaftsrat ("council of prosecutors") ein neues Selbstverwaltungsorgan der Staatsanwaltschaft geschaffen. Es gab bereits erste Disziplinarstrafen und Entlassungen, Untersuchungen gegen die Führungsebene der Staatsanwaltschaft wurden jedoch vorerst vermieden. Auch eine spezialisierte Antikorruptions-Staatsanwaltschaft wurde geschaffen. Diese Reformen wurden vor allem wegen der mangelnden personellen Erneuerung der Staatsanwaltschaft kritisiert. Auch erhöhte die Reform die Belastung der Ankläger, die im Durchschnitt rund je 100 Strafverfahren gleichzeitig bearbeiten, was zu einer Senkung der Effektivität der Institution beiträgt. Allgemein bleibt aber, trotz einer signifikanten Reduktion der Zahl der Staatsanwälte, diese im europäischen Vergleich enorm hoch, jedoch ineffizient auf die zentrale, regionale und lokale Ebene verteilt (ÖB 2.2019).

Nachdem unter Präsident Janukowitsch die von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats eingemahnte Verfassungsreform jahrelang hinausgezögert wurde, wurde von Präsident Poroschenko durch seinen im Juli 2014 vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung der ukrainischen Verfassung ein neuer Impuls gesetzt. Die darin vorgesehenen Schritte zu dezentraleren Strukturen mit erweiterten Kompetenzen der gewählten Gemeinde- und Bezirksräte, nicht zuletzt im Hinblick auf die Verteilung und Verwaltung öffentlicher Mittel, dem Ausbau der regionalen Selbstverwaltung und der erstmaligen Verankerung des Prinzips der Subsidiarität, wurden von der Venedig-Kommission begrüßt. Jedoch gibt es für die Annahme der Verfassungsreform in zweiter Lesung derzeit keine Mehrheit im Parlament. Vor allem die verfassungsrechtliche Absicherung der im Rahmen des Minsk-Prozesses zur Beilegung des Konflikts in der Ostukraine festgelegten Dezentralisierung steht unter starker Kritik einiger Parteien, weil diese eine "Ermächtigungsklausel" zur Schaffung eines Gesetzes über den Sonderstatus des Donbasss enthält. In der Praxis wurden jedoch bereits Erfolge bei der finanziellen Dezentralisierung erzielt, sowie zahlreiche Gemeinden zusammengelegt, die dadurch mit mehr finanziellen Mittel ausgestattet sind und effizienter arbeiten können. Ohne eine verfassungsmäßige Absicherung der Dezentralisierungsreform bleibt diese jedoch vorerst weiterhin unvollendet (ÖB 2.2019).

Die jüngsten Reforminitiativen bleiben hinter den Erwartungen zurück, werden aber fortgesetzt (FH 4.2.2019).

Quellen:

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

- ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc, Zugriff 11.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 29.3.2019

Sicherheitsbehörden

Die Sicherheitsbehörden unterstehen generell effektiver ziviler Kontrolle. Die Sicherheitskräfte verhindern oder reagieren im Allgemeinen auf gesellschaftliche Gewalt. Zuweilen wenden sie jedoch selbst übermäßige Gewalt an, um Proteste aufzulösen, oder verabsäumen es in einzelnen Fällen, Opfer vor Belästigung oder Gewalt zu schützen (z.B. im Falle der Zerstörung eines Roma-Camps durch Nationalisten, gegen die die Polizei nicht einschritt). Der ukrainischen Regierung gelingt es meist nicht, Beamte, die Verfehlungen begangen haben, strafrechtlich zu verfolgen oder zu bestrafen (USDOS 13.3.2019).

Das sichtbarste Ergebnis der ukrainischen Polizeireform ist die Gründung der Nationalen Polizei nach europäischen Standards, mit starker Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, als von der Politik grundsätzlich unabhängiges Exekutivorgan, die im Juli 2015 in vorerst 32 Städten ihre Tätigkeit aufnahm. Mit November 2015 ersetzte die Nationale Polizei offiziell die bestehende und aufgrund von schweren Korruptionsproblemen in der Bevölkerung stark diskreditierte "Militsiya". Alle Mitglieder der Militsiya hatten grundsätzlich die Möglichkeit, in die neue Truppe aufgenommen zu werden, mussten hierfür jedoch einen "Re-Attestierungsprozess" samt umfangreichen Schulungsmaßnahmen und Integritätsprüfungen durchlaufen. Im Oktober 2016 verkündete die damalige Leiterin der Nationalen Polizei den erfolgreichen Abschluss dieses Prozesses, in dessen Zuge 26% der Polizeikommandanten im ganzen Land entlassen, 4.400 Polizisten befördert und im Gegenzug 4.400 herabgestuft wurden. Zentrale Figur der Polizeireform war die ehemalige georgische Innenministerin Khatia Dekanoidze, die jedoch am 14. November 2016 aufgrund des von ihr bemängelnden Reformfortschrittes, zurücktrat. Zu ihrem Nachfolger wurde, nach einem laut Einschätzung der EU Advisory Mission (EUAM) offenen und transparenten Verfahren, im Feber 2017 Serhii Knyazev bestellt. Das Gesetz "Über die Nationalpolizei" sieht eine Gewaltenteilung zwischen dem Innenminister und dem Leiter der Nationalen Polizei vor. Der Innenminister ist ausschließlich für die staatliche Politik im Rechtswesen zuständig, der Leiter der Nationalen Polizei konkret für die Polizei. Dieses europäische Modell soll den Einfluss des Ministers auf die operative Arbeit der Polizei verringern. Dem Innenministerium unterstehen seit der Reform auch der Staatliche Grenzdienst, der Katastrophendienst, die Nationalgarde und der Staatliche Migrationsdienst. Festzustellen ist, dass der Innenminister in der Praxis immer noch die Arbeit der Polizei beeinflusst und die Reform somit noch nicht vollständig umgesetzt ist. Das nach dem Abgang von Katia Dekanoidze befürchtete Zurückrollen diverser erzielter Reformen, ist laut Einschätzung der EUAM, jedenfalls nicht eingetreten. Das im Juni 2017 gestartete Projekt "Detektive" - Schaffung polizeilicher Ermittler/Zusammenlegung der Funktionen von Ermittlern und operativen Polizeieinsatzkräften, spielt in den Reformen ebenfalls eine wichtige Rolle. Wie in westeuropäischen Staaten bereits seit langem praktiziert, soll damit ein- und derselbe Ermittler für die Erhebung einer Straftat, die Beweisaufnahme bis zur Vorlage an die Staatsanwaltschaft zuständig sein. Bislang sind in der Ukraine, wie zu Sowjetzeiten, immer noch die operative Polizei für die Beweisaufnahme und die Ermittler für die Einreichung bei Gericht zuständig. Etwas zögerlich wurde auch die Schaffung eines "Staatlichen Ermittlungsbüros (SBI)" auf den Weg gebracht und mit November 2017 ein Direktor ernannt. Das SBI hat die Aufgabe, vorgerichtliche Erhebungen gegen hochrangige Vertreter der Staates, Richter, Polizeikräfte und Militärangehörige durchzuführen, sofern diese nicht in die Zuständigkeit des Nationalen Antikorruptions-Büros (NABU) fallen. Die Auswahl der Mitarbeiter ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Mit Unterstützung der EU Advisory Mission (EUAM) wurde 2018 auch eine "Strategie des Innenministeriums bis 2020" sowie ein Aktionsplan entwickelt.(ÖB 2.2019).

Die Nationalpolizei muss sich mit einer, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung beeinträchtigenden Zunahme der Kriminalität infolge der schlechten Wirtschaftslage und des Konflikts im Osten, einer noch im alten Denken verhafteten Staatsanwaltschaft und der aus sozialistischen Zeiten überkommenen Rechtslage auseinandersetzen. Über Repressionen durch Dritte, für die der ukrainische Staat in dem von ihm kontrollierten Staatsgebiet mittelbar die Verantwortung trägt, indem er sie anregt, unterstützt oder hinnimmt, liegen keine Erkenntnisse vor (AA 22.2.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

- ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc, Zugriff 11.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 29.3.2019

Korruption

Die Gesetze sehen strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Behörden setzen diese nicht effektiv um, und viele Beamte sind ungestraft korrupt, weniger in der Regierung, aber auf allen Ebenen der Exekutive, Legislative und der Justizbehörden. Trotz Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption durch die Regierung, bleibt diese ein Problem für Bürger und Unternehmen. Im Juni 2018 unterzeichnete der Präsident das Gesetz über das Hohe Antikorruptionsgericht (HACC), was das System der staatlichen Stellen zur Bekämpfung der Korruption auf höchster Ebene vervollständigte (USDOS 13.3.2019). Im April 2019, kurz vor der Stichwahl um die Präsidentschaft, hat Präsident Poroschenko 38 Richter des neu gegründeten Antikorruptionsgerichts offiziell ernannt (RFE/RL 11.4.2019).

Der Erfolg wird von der Integrität der Auswahlverfahren für seine Richter sowie von der Wirksamkeit und Unabhängigkeit der beiden anderen zuvor gegründeten Antikorruptionsbehörden, dem Nationalen Anti-Korruptionsbüro (NABU) und dem Sonderstaatsanwalt für Korruptionsbekämpfung (SAP), abhängen. Die neuen unabhängigen Antikorruptionsgremien wurden mit politischem Druck konfrontiert, was Besorgnis über das Bekenntnis der Regierung zur Korruptionsbekämpfung auslöste. Es gab auch Vorwürfe und Rücktrittsaufforderungen gegen den Leiter der SAP wegen Behinderung der Justiz. Es kam 2018 zu mehreren Verhaftungen hochrangiger Amtsträger wegen Korruptionsvorwürfen, darunter der Bürgermeister von Odessa. Das Gesetz schreibt vor, dass hohe Amtsträger Einkommens- und Ausgabenerklärungen vorlegen müssen und diese durch die Nationale Agentur für Korruptionsprävention (NAPC) geprüft werden. Beobachter stellen jedoch zunehmend in Frage, ob die NAPC über die Fähigkeit und Unabhängigkeit zur Erfüllung dieser Funktion verfügt, während sich NABU in der Praxis als wirksamer für diese Aufgabe erwiesen habe, obwohl dies nicht dessen Kernaufgabe ist. Bis Juli 2018 hatte NAPC erst 300 von 2,5 Millionen eingegangene Erklärungen geprüft. Im September 2018 wurde daraufhin ein automatisiertes Überprüfungssystem eingeführt, an dessen Wirksamkeit es Kritik gibt (USDOS 13.3.2019; vgl. ÖB 2.2019). Korruption ist nach wie vor ein ernstes Problem, und trotz des starken Drucks der Zivilgesellschaft ist der politische Wille gering, dagegen anzugehen. Antikorruptionsagenturen wurden wiederholt in politisch belastete Konflikte mit anderen staatlichen Stellen und gewählten Vertretern verwickelt (FH 4.2.2019).

Die Ukraine hat einige Fortschritte bei der Förderung der Transparenz erzielt, zum Beispiel durch die Verpflichtung der Banken, die Identität ihrer Eigentümer zu veröffentlichen, und indem 2016 ein Gesetz verabschiedet wurde, das Politiker und Beamte dazu verpflichtet, elektronische Vermögenserklärungen abzugeben. Es ist jedoch möglich, einige Vorschriften zu umgehen, zum Teil, weil unterentwickelte Institutionen nicht in der Lage sind, Verstöße zu erkennen und zu bestrafen (FH 4.2.2019).

Ein institutioneller Rahmen für die Bekämpfung der endemischen Korruption wurde geschaffen und durch ein System zur systematischen Offenlegung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse von Staatsbediensteten ergänzt (Im Herbst 2016 wurde eine elektronische Plattform zur Vermögens- und Einkommenserklärung von Staatsbediensteten und politischen Mandatsträgern ("e-declaration") eingeführt. Bei einem großen Teil der abgegebenen Erklärungen fehlt jedoch noch eine substanzielle Überprüfung durch die Korruptionspräventionsagentur (AA 22.2.2019).

Ende Feber 2019 hat das ukrainische Verfassungsgericht Artikel 368-2 des ukrainischen Strafgesetzbuches, welcher illegale Bereicherung durch ukrainische Amtsträger kriminalisierte, aufgehoben, weil er gegen die Unschuldsvermutung verstoßen habe. In der Folge musste NABU 65 anhängige Ermittlungen gegen Parlamentarier, Richter, Staatsanwälte und andere Beamte einstellen, die teilweise schon vor Gericht gekommen waren. Die EU zeigte sich über diese Entscheidung besorgt. Es wurden unmittelbar mehrere Gesetzesinitiativen registriert, um das Gesetz zu reparieren, die aber alle keine Aussicht hatten, vor der Präsidentenwahl beschlossen zu werden (Hi 3.3.2019).

Der neue Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

- Hi - Hromadske international (3.3.2019): You Can Now Get Rich Illegally in Ukraine. What Does This Mean?, https://en.hromadske.ua/posts/ukraine-legalizes-illegal-enrichment, Zugriff 7.5.2019

- RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (11.4.2019): Ukraine's President Creates Anti-Corruption Court, https://www.rferl.org/a/ukraine-s-president-poroshenko-creates-anti-corruption-court/29875480.html?ltflags=mailer, Zugriff 7.5.2019

- ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc, Zugriff 11.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 29.3.2019

- UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

Allgemeine Menschenrechtslage

Der Schutz der Menschenrechte durch die Verfassung ist gewährleistet. Die Möglichkeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), sich im Bereich Menschenrechte zu betätigen, unterliegt keinen staatlichen Restriktionen (AA 22.2.2019).

Die Verfassung sieht eine vom Parlament bestellte Ombudsperson vor, den parlamentarischen Menschenrechtsbeauftragten. Das Amt wird derzeit von Lyudmila Denisova bekleidet. Ihr Büro arbeitet bei verschiedenen Projekten zur Überwachung von Menschenrechtspraktiken in Gefängnissen und anderen staatlichen Institutionen häufig mit NGOs zusammen. Die Ombudsperson bemühte sich in der Vergangenheit speziell um Krimtataren, Binnenvertriebene, Roma, Behinderte, sexuelle Minderheiten und Gefängnisinsassen. Die Ombudsperson kann auch Ermittlungen wegen Misshandlung durch Sicherheitskräfte einleiten und ist auch bei Problemen mit der Justiz jederzeit ansprechbar (USDOS 13.3.2019).

Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist in Verfassung und Gesetzen ausdrücklich vorgesehen. Tatsächlich werden Frauen jedoch häufig schlechter bezahlt und sind in Spitzenpositionen unterrepräsentiert (AA 22.2.2019). 2018 wurden Demonstrationen von LGBTI- oder Frauenrechtsgruppen regelmäßig von rechtsgerichteten Gruppen gestört (AA 22.2.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Durch den bewaffneten Konflikt kommt es vermehrt zu häuslicher Gewalt und Gender Based Violence (GBV), von der vor allem Frauen betroffen sind. Ein neues Gesetz, das häusliche Gewalt als Straftatbestand deklariert, wurde im Dezember 2017 angenommen. Es gibt jedoch kaum ausreichend psychosoziale und medizinische (Notfall-) Einrichtungen mit geschultem Personal (ÖB 2.2019).Frauen und Mitglieder von Minderheitengruppen können am politischen Leben in der Ukraine teilnehmen. Diese Rechte werden jedoch durch Faktoren wie den Konflikt im Osten, Analphabetismus und das Fehlen von Ausweisdokumenten (häufig bei Roma) geschmälert. Das Gesetz über Kommunalwahlen schreibt eine 30%-Quote für Frauen auf Parteilisten vor, die jedoch nicht wirksam durchgesetzt wird. Die gesellschaftliche Diskriminierung von sexuellen Minderheiten beeinträchtigt ihre Fähigkeit, sich an politischen Prozessen und Wahlprozessen zu beteiligen (FH 4.2.2019).

Versammlungsfreiheit ist laut Verfassung garantiert und die Regierung respektiert dieses Recht generell, aber einfachgesetzlich haben die Behörden breite Möglichkeiten das Demonstrationsrecht einzuschränken. 2018 wurden Demonstrationen von LGBTI- oder Frauenrechtsgruppen regelmäßig von rechtsgerichteten Gruppen gestört. Die Polizei schützte zwar den 2018 Kiew Pride-Marsch mit tausenden Beamten, kleinere Veranstaltungen von Minderheiten oder oppositionellen Gruppen wurden jedoch nicht immer ausreichend geschützt (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Zu den Pflichten des Veranstalters von friedlichen Versammlungen zählt unter anderem die Anmeldung der Veranstaltung im Vorfeld bei den örtlich zuständigen Behörden. Die Fristen, die in diesem Zusammenhang anzuwenden sind, sind jedoch nicht klar geregelt und variieren je nach vertretener Auffassung zwischen drei und zehn Tagen. Diese Unklarheit lässt den öffentlichen Behörden einen relativ großen Freiraum, Versammlungen zu untersagen. Tatsächlich wird die Abhaltung von friedlichen Versammlungen von den Behörden regelmäßig abgelehnt. Als gängige Begründungen dienen die zu späte Ankündigung der Demonstration, der Mangel an verfügbaren Polizisten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, der gleichzeitige Besuch einer offiziellen ausländischen Delegation oder das gleichzeitige Stattfinden einer anderen Veranstaltung am gleichen Ort. Auch die Definition der "Friedlichkeit" einer Versammlung ist nicht immer unstrittig (ÖB 2.2019).

Verfassung und Gesetze sehen Vereinigungsfreiheit vor und die Regierung respektiert dieses Recht im Allgemeinen. Menschenrechtsgruppen und internationale Organisationen kritisieren jedoch ein Gesetz vom März 2017, das für zivilgesellschaftliche Organisationen und Journalisten, die sich mit Antikorruptionsangelegenheiten befassen, gewisse Offenlegungserfordernisse vorsieht. Dies wird weithin als Einschüchterungsmaßnahme gesehen. Menschenrechtsorganisationen berichten von einer wachsenden Anzahl ungeklärter Angriffe auf Mitglieder von Organisationen der Zivilgesellschaft (mehr als 50 Angriffe binnen 12 Monaten), die ihrer Ansicht nach ein Klima der Straflosigkeit geschaffen hätten, weil die Regierung diese nicht ordentlich untersucht habe. Es gibt Vorwürfe gegen die Regierung, diese würde Aktivisten als Vergeltungsmaßnahme für ihre Tätigkeit strafrechtlich verfolgen (USDOS 13.3.2019).Sowohl natürliche als auch juristische Personen können einen Verein gründen. Die Vereinsgründung kann nur aus im Gesetz eng definierten Gründen untersagt werden (ÖB 2.2019). Nach dem Ende der Ära Janukowitsch sind zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen mit einer Vielzahl sozialer, politischer, kultureller und wirtschaftlicher Zielsetzungen entstanden oder wiederbelebt worden. Viele von ihnen können die Entscheidungsfindung auf verschiedenen Regierungsebenen beeinflussen. Ein klar gegen Russland gerichtetes Gesetz gegen "ausländische Agenten, die unter dem Einfluss eines Aggressorstaats agieren", wurde im September 2018 vorgelegt. Seitens der Zivilgesellschaft gibt es Bedenken, dass dieses Gesetz generell NGOs mit ausländischen Geldgebern treffen könnte. Gewalt gegen Aktivisten der Zivilgesellschaft nahm im Jahr 2018 zu. Zu den Bedrohten gehören Aktivisten, die sich gegen Korruption oder für die Rechte von LGBTI-Personen einsetzen (FH 4.2.2019).

Verfassung und Gesetze sehen Meinungsfreiheit vor, auch für Pressevertreter. Die Behörden respektieren diese Rechte jedoch nicht immer. Mit einigen Ausnahmen können Personen in Gebieten, die unter staatlicher Kontrolle stehen, die Regierung im Allgemeinen öffentlich und privat kritisieren und Angelegenheiten von öffentlichem Interesse erörtern, ohne Angst vor offiziellen Repressalien zu haben. Die Gesetze verbieten Aussagen, welche die territoriale Integrität des Landes bedrohen, Kriege fördern, Rassen- oder Religionskonflikte auslösen oder die russische Aggression gegen das Land unterstützen, und die Regierung verfolgt Personen gemäß dieser Gesetze. Die Regierung setzte Maßnahmen um Informationen, Medien oder einzelne Journalisten zu verbieten bzw. zu blockieren, wenn diese als Bedrohung für die nationale Sicherheit betrachtet werden oder Positionen geäußert haben, die nach Ansicht der Behörden die Souveränität und territoriale Integrität des Landes untergraben. Die betrifft vor allem Medien russischer Herkunft oder pro-russischer Ausrichtung. Unabhängige Medien sind aktiv und bringe eine weite Bandbreite an Meinungen zum Ausdruck. In Privatbesitz befindliche Medien - die erfolgreichsten gehören einflussreichen Oligarchen - transportieren oft die Ansichten ihrer Eigentümer, günstige Berichterstattung für ihre Verbündeten und Kritik an politischen und geschäftlichen Rivalen. Unabhängige Medien haben Schwierigkeiten zu konkurrieren. Problematische Praktiken wirken sich weiterhin auf die Medienfreiheit aus, darunter Selbstzensur, günstige Berichterstattung gegen Geld ("Jeansa") und verzerrte Berichterstattung in Medienunternehmen, deren Eigentümer enge Verbindungen zur Regierung oder zu politischen Oppositionspartnern haben. Gewalt gegen Journalisten ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beklagen mangelnde Gegenmaßnahmen der Regierung. 2018 wurden bis September Angaben zufolge 22 Angriffe und 24 Drohungen gegen Journalisten gemeldet, verglichen mit 19 Angriffen und 22 Drohungen im selben Zeitraum 2017. Besonders betroffen ist Berichterstattung, welche als nicht ausreichend patriotisch empfunden wird. Rufmordklagen gegen Journalisten werden von Personen des öffentlichen Interesses immer wieder eingesetzt oder angedroht, um die Berichterstattung zu beeinflussen. Berichten zufolge hat sich die Freiheit des Internet in der Ukraine zum zweiten Mal in Folge verschlechtert, weil die Behörden stärker gegen Meinungsbekundungen von Social Media-Nutzern vorgehen, die als kritisch gegenüber der Position der Ukraine im Donbass-Konflikt wahrgenommen werden. Einer Medienbeobachtungsgruppe zufolge haben die Behörden 2017 gegen 40 Benutzer oder Administratoren von Social-Media-Plattformen strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet, weil ihre Inhalte die verfassungsmäßige Ordnung des Landes untergraben oder die nationale Sicherheit gefährdet hätten; 37 von ihnen wurden vor Gericht gestellt. Besonders "separatistische" oder "extremistische" Aktivitäten wurden 2018 besonders geahndet; User wurden festgenommen zu Geld- oder Haftstrafen verurteilt (USDOS 13.3.2019).

Das unabhängige Institute of Mass Information registrierte von Januar bis November 2018 201 Verletzungen der Medienfreiheit. Von diesen Vorfällen betrafen 28 Gewalt sowie 27 Drohungen und Einschüchterungen. Die Gerichte und Strafverfolgungsbehörden der Ukraine versagen manchmal beim Schutz der Rechte von Journalisten (FH 4.2.2019).

Mit Ausnahme eines Verbots der Kommunistischen Partei von 2015 gibt es keine formellen Hindernisse für die Gründung und den Betrieb politischer Parteien. In den letzten Jahren sind mehrere politische Parteien entstanden. Ein Gesetz aus dem Jahr 2016 regelt die staatliche Finanzierung im Parlament vertretener Parteien. Oppositionsgruppen sind im Parlament vertreten, und ihre politischen Aktivitäten werden im Allgemeinen nicht durch administrative Beschränkungen behindert. Neue Kleinparteien haben Schwierigkeiten mit etablierten Parteien zu konkurrieren, welche die Unterstützung politisch vernetzter Oligarchen genießen (FH 4.2.2019).

Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und der ungestörten Religionsausübung wird von der Verfassung garantiert und von der Regierung in ihrer Politik gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften respektiert (AA 22.2.2019). Laut Befragungen sind 68,2 Prozent der Ukrainer christlich-orthodox. Davon gehören 26,5 Prozent zur ukrainisch-orthodoxen Kirche des Kiewer Partiartchats (UOC-KP), 12 Prozent zur ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Partiartchats (UOC-MP), 1,1 Prozent zur ukrainisch-autokephalen Kirche (UAOC) und 24,3 Prozent bezeichnen sich als "schlicht orthodox". 7,8 Prozent der Ukrainer sind griechisch-katholisch, 1,3 Prozent jüdisch, 1 Prozent römisch-katholisch, 0,8 Prozent protestantisch und 0,2 Prozent muslimisch. Weitere 7 Prozent identifizieren sich als "Christen" und 12,6 Prozent geben an, dass sie keiner religiösen Gruppe angehören (USDOS 29.5.2018). Kleinere religiöse Gruppen berichten jedoch weiterhin von einer gewissen Diskriminierung. Im Oktober 2018 erhielten ukrainisch-orthodoxe Kleriker die Erlaubnis der religiösen Behörden in Istanbul, dem historischen Sitz der östlichen orthodoxen Kirche, zur Errichtung einer eigenen autokephalen Kirche außerhalb der kanonischen Gerichtsbarkeit der russisch-orthodoxen Kirche. Im Dezember wurde diese neue orthodoxe Kirche der Ukraine gegründet, um die bestehenden Denominationen zu vereinigen. Der Kreml und die Kirchenführer in Moskau lehnen diesen Schritt entschieden ab. Es gibt Berichte, dass der ukrainische Geheimdienst aus Furcht vor Provokationen russisch-orthodoxe Kirchen und Priesterheime durchsuchte und Kleriker, die als loyal zu Moskau gelten, zum Verhör vorgeladen wurden. Diese Auseinandersetzung hindert jedoch die meisten Menschen nicht wesentlich daran, den Glauben ihrer Wahl zu praktizieren (FH 4.2.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

- ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc, Zugriff 11.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 29.3.2019

- USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436899.html, Zugriff 26.4.2019

Bewegungsfreiheit

Die Bewegungsfreiheit ist in der Ukraine generell nicht eingeschränkt; im Osten des Landes jedoch ist diese aufgrund der Kampfhandlungen faktisch eingeschränkt (FH 4.2.2019).

Die Ausreisefreiheit wird (vorbehaltlich gesetzlicher Einschränkungen) von der Verfassung jedermann garantiert (Art. 33 Absatz 1). Ausreisewillige ukrainische Staatsangehörige müssen über einen Reisepass verfügen, der auf Antrag und gegen Gebühr ausgestellt wird. Bei Ausreise zur ständigen Wohnsitznahme im Ausland ist zudem zuvor ein gebührenpflichtiger Sichtvermerk des Staatlichen Migrationsdienstes (DMSU) einzuholen und dem Zoll eine Bestätigung des zuständigen Finanzamts vorzulegen, dass sämtliche steuerlichen Verpflichtungen erfüllt wurden. Weitergehende Verpflichtungen sind seit 1. Oktober 2016 entfallen. Die ukrainischen Grenzschutzbehörden kontrollieren an der Grenze, ob ein gültiger Reisepass und gegebenenfalls ein Visum des Ziellandes vorliegen, der Ausreisende in der Ukraine zur Fahndung ausgeschrieben ist oder andere Ausreisehindernisse bestehen. Ausgereist wird vornehmlich auf dem Landweg. Derzeit liegen keine Erkenntnisse vor, dass bei männlichen Reisenden an der Grenze der Status ihrer Wehrpflicht überprüft wird (AA 22.2.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

Grundversorgung

Die makroökonomische Lage stabilisiert sich nach schweren Krisenjahren auf niedrigem Niveau. Ungeachtet der durch den Konflikt in der Ostukraine hervorgerufenen, die Wirtschaftsentwicklung weiter erheblich beeinträchtigenden, Umstände, wurde 2018 ein Wirtschaftswachstum von geschätzten 3,4% erzielt; die Inflation lag bei rund 10%. Der gesetzliche Mindestlohn wurde zuletzt mehrfach erhöht und beträgt seit Jahresbeginn 4.173 UAH (ca. 130 EUR) (AA 22.2.2019).

Die Existenzbedingungen sind im Landesdurchschnitt knapp ausreichend. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gesichert. Vor allem in ländlichen Gebieten stehen Strom, Gas und warmes Wasser zum Teil nicht immer ganztägig zur Verfügung. Die Situation gerade von auf staatliche Versorgung angewiesenen älteren Menschen, Kranken, Behinderten und Kindern bleibt daher karg. Die Ukraine gehört zu den ärmsten Ländern Europas. Ohne zusätzliche Einkommensquellen (in ländlichen Gebieten oft Selbstversorger) bzw. private Netzwerke ist es insbesondere Rentnern und sonstigen Transferleistungsempfängern kaum möglich, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Sozialleistungen und Renten werden zwar regelmäßig gezahlt, sind aber trotz regelmäßiger Erhöhungen größtenteils sehr niedrig. In den von Separatisten besetzten Gebieten der Oblaste Donezk und Luhansk müssen die Bewohner die Kontaktlinie überqueren, um ihre Ansprüche bei den ukrainischen Behörden geltend zu machen (AA 22.2.2019).

Nachdem die durchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten weit hinter den Möglichkeiten im EU-Raum, aber auch in Russland, zurückbleiben, spielt Arbeitsmigration am ukrainischen Arbeitsmarkt eine nicht unbedeutende Rolle (ÖB 2.2019). Das ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eingeführte ukrainische Sozialversicherungssystem umfasst eine gesetzliche Pensionsversicherung, eine Arbeitslosenversicherung und eine Arbeitsunfallversicherung. Aufgrund der Sparpolitik der letzten Jahre wurde im Sozialsystem einiges verändert, darunter Anspruchsanforderungen, Finanzierung des Systems und beim Versicherungsfonds. Die Ausgaben für das Sozialsystem im nicht-medizinischen Sektor sanken von 23% des BIP im Jahr 2013 auf 18,5% im Jahr 2015 und danach weiter auf 17,8%. Die ist vor allem auf Reduktion von Sozialleistungen, besonders der Pensionen, zurückzuführen. Das Wirtschaftsministerium schätzte den Schattensektor der ukrainischen Wirtschaft 2017 auf 35%, andere Schätzungen gehen eher von 50% aus. Das Existenzminimum für eine alleinstehende Person wurde für Jänner 2019 mit 1.853 UAH beziffert (ca. 58 EUR), ab 1. Juli 2019 mit 1.936 UAH (ca. 62 EUR) und ab 1. Dezember 2019 mit 2.027 (ca. 64,5 EUR) festgelegt. Alleinstehende Personen mit Kindern können in Form einer Beihilfe für Alleinerziehende staatlich unterstützt werden. Diese wird für Kinder unter 18 Jahren (bzw. StudentInnen unter 23 Jahren) ausbezahlt. Die Zulage orientiert sich am Existenzminimum für Kinder (entspricht 80% des Existenzminimums für alleinstehende Personen) und dem durchschnittlichen Familieneinkommen. Diese Form von Unterstützung ist mit einer maximalen Höhe von 1.626 UAH (ca. 50,8 EUR) für Kinder im Alter bis zu 6 Jahren, 2.027 UAH (ca. 63,3 EUR) für Kinder im Alter von 6 bis 18 Jahren bzw. 1.921 UAH (ca. 60 EUR) für Kinder im Alter von 18 bis 23 Jahren pro Monat gedeckelt. Außerdem ist eine Hinterbliebenenrente vorgesehen, die monatlich 50% der Rente des Verstorbenen für eine Person beträgt; bei zwei oder mehr Hinterbliebenen werden 100% ausgezahlt. Für Minderjährige gibt es staatliche Unterstützungen in Form von Familienbeihilfen, die an arme Familien vergeben werden. Hinzu kommt ein Zuschuss bei der Geburt oder bei der Adoption eines Kindes sowie die o.g. Beihilfe für Alleinerziehende. Der Geburtenzuschuss beträgt derzeit in Summe 41.280 UAH (ca. 1.288 EUR). Davon werden 10.320 UAH (ca. 322,15 EUR) in den zwei bis drei Monaten nach Geburt/Adoption ausgezahlt, die restliche Summe in gleichen Zahlungen von 860 UAH (ca. 26,85 UAH) monatlich im Laufe der folgenden drei Jahre. Laut geltenden ukrainischen Gesetzen beträgt die Dauer des Mutterschutzes zwischen 126 Tagen (70 Tage vor und 56 Tage nach der Geburt) und 180 Tagen (jeweils 90 Tage vor und nach der Geburt). Für diese Periode bekommen die Mütter ihren Lohn hundertprozentig ausbezahlt. In den nächsten drei Karenzjahren bekommen die Mütter keine weiteren Auszahlungen außer dem o.g. Geburtenzuschuss bzw. den finanziellen Zuschüssen für Alleinerziehende. Gesetzlich ist grundsätzlich ebenfalls die Möglichkeit einer Väterkarenz vorgesehen, wobei diese in der Praxis weiterhin kaum in Anspruch genommen wird. Versicherte Erwerbslose erhalten mindestens 1.440 UAH (ca. 45 EUR) und maximal 7.684 UAH (240 EUR) Arbeitslosengeld pro Monat, was dem Vierfachen des gesetzlichen Mindesteinkommens entspricht. Nicht versicherte Arbeitslose erhalten mindestens 544 UAH (ca. 17 EUR). In den ersten 90 Kalendertagen werden 100% der Berechnungsgrundlage ausbezahlt, in den nächsten 90 Tagen sind es 80%, danach 70%. Die gesetzlich verpflichtende Pensionsversicherung wird durch den Pensionsfonds der Ukraine verwaltet, der sich aus Pflichtbeiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aus Budgetmitteln und diversen Sozialversicherungsfonds speist. Im Oktober 2017 nahm das ukrainische Parlament eine umfassende Pensionsreform an, die vor allem auch von internationalen Geldgebern zur Reduzierung des großen strukturellen Defizits gefordert wurde. Darin enthalten ist vor allem eine Anhebung der Mindestpension, welche von knapp zwei Drittel aller Pensionisten bezogen wird, um knapp 700 UAH (ca. 22 EUR). Ebenfalls vorgesehen ist eine automatische Indexierung der Mindestpension sowohl an die Inflationsrate, wie auch an die Entwicklung des Mindestlohns. Weiters wurde für arbeitende Pensionisten der Beitrag zur staatlichen Pensionsversicherung von 15% zur Gänze gestrichen. Das Pensionsantrittsalter wurde bei 60 Jahren belassen, die Anzahl an Beitragsjahren zur Erlangung einer staatlichen Pension wurde jedoch von 15 auf 25 Jahre erhöht und soll sukzessive bis 2028 weiter auf 35 Jahre steigen. Ebenfalls abgeschafft wurden gewisse Privilegien z.B. für öffentliche Bedienstete, Richter, Staatsanwälte und Lehrer. Im Jahr 2017 belief sich die Durchschnittspension auf 2.480,50 UAH (ca. 77 EUR), die durchschnittliche Invaliditätsrente auf 1.996,20 UAH (ca. 62,31 EUR) und die Hinterbliebenenpension auf 2.259,99 UAH (ca. 70,55 EUR). Viele Pensionisten sind dementsprechend gezwungen, weiter zu arbeiten. Private Pensionsvereinbarungen sind seit 2004 gesetzlich möglich. Die Ukraine hat mit 12 Millionen Pensionisten (knapp ein Drittel der Gesamtbevölkerung) europaweit eine der höchsten Quoten in diesem Bevölkerungssegment, was sich auch im öffentlichen Haushalt widerspiegelt: 2014 wurden 17,2% des Bruttoinlandsprodukts der Ukraine für Pensionszahlungen aufgewendet (ÖB 2.2019; vgl. UA 27.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

- ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc, Zugriff 11.4.2019

- UA - Ukraine Analysen (27.4.2018): Rentenreform, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen200.pdf, Zugriff 27.5.2019

Medizinische Versorgung

Das ukrainische Spitalswesen ist derzeit nach einem hierarchischen Dreistufenplan organisiert: die Grundversorgung wird in Rayonskrankenhäusern bereitgestellt. Das Rückgrat des ukrainischen Spitalswesens stellen die Distriktkrankenhäuser dar, die sich durch Spezialisieru

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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