TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/12 W159 2182353-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.02.2020
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Entscheidungsdatum

12.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W159 2182353-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2017, Zahl XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 03.01.2020 und am 22.01.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, gelangte (spätestens) am 29.11.2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am nächsten Tag erfolgten Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die XXXX gab der Beschwerdeführer an, afghanischer Staatsbürger, Hazara, schiitischer Moslem und ledig zu sein. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er habe seine Heimat verlassen, weil er Angst vor dem drogensüchtigen Brautwerber der Schwester gehabt hätte. Dieser entstamme einer mächtigen und wohlhabenden Familie, sei in die Wohnung eingedrungen und habe den Vater und die Schwester mit dem Messer attackiert und stark verletzt. Er habe den Beschwerdeführer bedroht, er werde ihn töten, solle er das Land nicht verlassen.

Am 21.11.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion (RD) Wien, niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer brachte div. Kursteilnahmebestätigungen in Vorlage.

Der Beschwerdeführer gab an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, Stamme aus XXXX , und habe noch nie Personaldokumente besessen. Er gab an, er sei ledig, nie verheiratet oder verlobt gewesen. Seine Eltern würden noch leben und er habe seit seiner Ausreise zu ihnen und den Geschwistern sehr selten Kontakt. Sein letzter Kontakt sei vor etwa einen Monat gewesen. Man habe ihm mitgeteilt, dass es keine Probleme gäbe.

Der Beschwerdeführer gab an, er sei schiitischer Moslem und auf die Frage, ob er sehr gläubig sei antwortete der Beschwerdeführer: "Nein. Ich bete nicht und gehe nicht in die Mosche, ich faste auch nicht."

Er habe 12 Jahre die Grundschule besucht und sei danach ein Jahr auf die Universität gegangen um Landwirtschaft zu studieren. Er habe das Studium nicht abgeschlossen. Er habe noch nie gearbeitet und sei von seiner Familie erhalten worden. Sein Vater und seine Brüder hätten in der Landwirtschaft gearbeitet und der Familie wäre es finanziell gut gegangen.

Er persönlich habe keine Probleme mit Behörden wie z.B. Gerichten oder Polizei in Afghanistan gehabt. Sein Vater und seine Schwester seien jedoch eine Woche inhaftiert gewesen.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe einen Studienkollegen gehabt, der seine Schwester heiraten wollte. Der Beschwerdeführer sei jedoch nicht einverstanden gewesen, weil er früher drogensüchtig gewesen wäre. Der Studienkollege hätte auch gewusst, dass der Beschwerdeführer ein Bahai sei. Dieser Studienkollege hatte viele Beziehungen und war sehr mächtig. Eines Tages sei er in das Elternhaus des Beschwerdeführers gekommen und habe den Vater und die Schwester des Beschwerdeführers mit dem Messer verletzt. Grundsätzlich hätte er den Beschwerdeführer, der nicht anwesend gewesen sei, verletzten wollen. Der Studienkollege habe dann im Dorf des Beschwerdeführers erzählt, dass der Beschwerdeführer der Religion der Behai zugehörig sei. Als Beweis habe er die Bücher des Beschwerdeführers vorgezeigt. Für die Konversion sei die Todesstrafe durch Steinigen vorgesehen. Deswegen sei der Beschwerdeführer geflüchtet.

Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid vom 28.11.2017 wies die belangte Behörde, den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, dem Beschwerdeführer wurden 14 Tage Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt IV. bis Spruchpunkt VI.).

In der Begründung des Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass die Fluchtgründe zwischen Erstbefragung und Ersteinvernahme nicht identisch seien. In der behaupteten Konversion zum Bahaitum werde eine Steigerung des Fluchtvorbringens gesehen. Die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer öfters zu seinem Glauben befragt und dieser habe angegeben, er sei schiitischer Moslem. Wenn man konvertiere, so gebe man aus Überzeugung an, dass man zu einem anderen Glauben gewechselt sei. Der Beschwerdeführer habe keine Angaben zu der Konversion machen können.

Auch die angegebene Zwangsheirat der Schwester sei für die belangte Behörde nicht glaubhaft. So sei es nicht nachvollziehbar, dass die Schwester nunmehr unbehelligt in Afghanistan, im Heimatort weiterleben könne. Es sei nicht glaubwürdig, dass er ehemalige Studienkollege die Schwester nicht mehr ehelichen wolle.

Die Behörde geht bei der vorgebrachten Fluchtgeschichte von einem erdachten Konstrukt des Beschwerdeführers aus.

Die belangte Behörde hielt rechtlich begründend zu Spruchpunkt I. fest, dass der Beschwerdeführer im gesamten Verlauf des Verfahrens eine konkrete Verfolgung oder drohende Verfolgung aus in der GFK taxativ aufgezählten Gründen nicht glaubhaft vorgebracht hätte.

Zu Spruchteil II. wurde festgestellt, dass sich aus der allgemeinen Lage im Heimatland des Beschwerdeführers keine Gefährdungslage im Sinne des § 8 AsylG ergeben würde. Demnach sei auch kein Abschiebungshindernis ersichtlich. Es wäre eine Rückkehr nach Afghanistan möglich. Es sei auch davon auszugehen, dass auch ein Neustart in Kabul gelänge, denn der Beschwerdeführer sei volljährig, grundsätzlich gesund und könne bei einer Rückkehr für seinen Lebensunterhalt sorgen, zumal er über den kulturellen Hintergrund und die erforderlichen Sprachkenntnisse für Afghanistan verfüge. Seine Familie wäre sicher bereit den Beschwerdeführer zu unterstützen.

In den Spruchpunkten III. bis VI. wurde festgestellt, dass diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden gewesen sei, da der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zuerteilt worden sei. Es hätte auch kein Aufenthaltstitel erteilt werden können, da der belangten Behörde keine Hinweise auf das Vorliegen eines schützenswertes Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK bekannt gewesen seien. Mit der Rückkehrentscheidung sei eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt worden.

Der Beschwerdeführer, vertreten durch den XXXX , erhob gegen diesen Bescheid, in vollem Umfang, fristgerecht Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. In der Begründung der Beschwerde wurde das bisherige Vorbringen wiedergegeben und um länderspezifische Ausführungen ergänzt. Die belangte Behörde hätte mangelhaft ermittelt und es wären mangelhafte Länderberichte vorgelegen.

Mit 28.11.2019 wurde ein Schreiben der Erzdiözese Wien sowie der Taufschein des Beschwerdeführers übermittelt. Der Generalsekretär der XXXX bestätigte, dass der Beschwerdeführer seit September 2018 am Glaubensunterricht teilgenommen habe und sich nunmehr katholisch taufen habe lassen.

An der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.01.2020 nahmen der Beschwerdeführer in Begleitung seines Rechtsvertreters, eine Vertrauensperson und eine Dolmetscherin teil. Die belangte Behörde ist zur Verhandlung entschuldigt nicht erschienen.

Der Beschwerdeführer hielt seine Beschwerde und sein bisheriges Vorbringen aufrecht. Er korrigierte seine Angaben, er gab an : "Es gibt einen Fehler. Ich habe nie gesagt, dass ich Bahai geworden bin. Andere Fehler sind nicht vorhanden."

Der Beschwerdeführer gab nachgefragt weiters an, er sei Afghane, Hazara und Christ. Er sei schiitischer Moslem gewesen und jetzt sei er katholischer Christ.

Auf die Frage des Richters, ob er die Konversion zu den Bahais aufrecht halt, antwortete der Beschwerdeführer: "Ich habe nicht gesagt, dass ich Bahai bin, ich habe nur gesagt, dass ich religiöse Probleme habe." Er ergänzte, dass er aus einer streng-religiösen schiitischen Familie stamme.

Der Beschwerdeführer gab an, er sei in Afghanistan, in der Provinz Ghazni, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren worden. Er hätte bis zu seiner Ausreise in seinem Heimatdorf gelebt. Ein Jahr habe er sich in der Provinz XXXX aufgehalten. Er habe 12 Jahre lang die Schule besucht, habe keine Berufsausbildung und sei etwa ein Jahr lang in die Universität in XXXX gegangen.

Den Lebensunterhalt habe der Vater bestritten, er hätte landwirtschaftliche Grundstücke gehabt, diese hätte er bewirtschaftet. Es sei Weizen angebaut worden und es wäre ein Obstgarten mit Marillenbäumen vorhanden gewesen. Seine Eltern und Geschwister würden dort noch leben. Ein Bruder des Beschwerdeführers würde in XXXX leben.

Er persönlich habe keine persönlichen Probleme mit staatlichen Organen oder Behörden oder mit bewaffneten Gruppierung wie die Taliban gehabt. Er habe jedoch in Afghanistan nicht die schiitische Religion ausgeübt und sich an die Gebote des Islams gehalten. Er hätte Zweifel am Islam gehabt. Er hätte nicht geglaubt. Deswegen hätte er in Afghanistan mit einer Gruppe Probleme gehabt. Der Beschwerdeführer erzählte: "Kurz bevor ich aus Afghanistan ausgereist bin, hatte ich Probleme mit einer Gruppierung von Mullahs, sie hatten die Absicht mich zu töten und ich konnte dort nicht in Sicherheit leben. Ich war gezwungen zu flüchten. ... Weil ich an den Islam nicht geglaubt habe und sie wussten, dass ich kein Gebet verrichte und auch nicht faste. ... Von meinem Handeln haben sie das erfahren, als ich in der Schule war, wurde ich gezwungen, das Pflichtgebet zu verrichten. Ich wollte das Gebet nicht verrichten, ich wurde dazu gezwungen. ... Die Mullahs hatten allen Leuten kundgegeben, dass ich die Vorschriften nicht befolge. Sie wollten mich steinigen. ... Ich wurde immer wieder bedroht und ich bin dann geflüchtet. Dies sei der wesentliche Grund für die Ausreise des Beschwerdeführers gewesen.

Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor, dass er bei der Erstbefragung als auch bei der belangten Behörde als Fluchtgeschichte angegeben hätte, dass ein Studienkollege die Schwester des Beschwerdeführers heiraten hätte wollen. Der Vater und auch der Beschwerdeführer hätten dieses abgelehnt und der Studienkollege sei auf die Schwester und den Vater des Beschwerdeführers mit einem Messer losgegangen. Der Beschwerdeführer gab an, er habe dies ausgesagt, er sei dagegen gewesen, weil der junge Mann suchtmittelabhängig gewesen sei. Auf einen weiteren Vorhalt des Richters antwortete der Beschwerdeführer, er habe schon bei der Erstbefragung erwähnt, dass es sich um einen Studienkollegen handeln würde, vielleicht habe sich ein Fehler des Dolmetschers eingeschlichen. Der Beschwerdeführer gab weiters an, dieser junge Mann habe seine Schwester geliebt, er wisse nicht, wie sie sich kennengerlernt hätten, es könnte sein, dass sie zu nahen Kontakt miteinander gehabt hätten. Der Studienkollege hätte förmlich bei dem Vater um die Hand der Schwester angehalten. Der Vater sei vorerst einverstanden gewesen, er hätte aber zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, dass der junge Mann suchtmittelabhängig gewesen sei. Er hätte es erst erfahren, als es ihm der Beschwerdeführer gesagt hätte. Der Vater hätte nicht gewollt, dass die Zukunft seiner Tochter zerstört werde. Der Studienkollege hätte gewusst, dass der Beschwerdeführer nicht an den Islam glauben würde und er habe gedroht herumerzählen, dass der Beschwerdeführer keinen Glauben habe. Dies habe er auch dann gemacht.

Der Studienkollege des Beschwerdeführers sei auch in der Abwesenheit des Beschwerdeführers mit einem Messer auf den Vater und auf die Schwester losgegangen.

Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor, dass er bei der belangten Behörde angegeben hätte, dass dieser Mann die Familienangehörigen mit einem Messer verletzt hätte und, dass der Vater und die Schwester für eine Woche ins Gefängnis gekommen seien. Der Beschwerdeführer antwortete, nachdem der Vorhalt wiederholt worden war, dass in einem Land, wo es keine Gesetze gäbe, alles möglich sei.

Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor: "Wie können Sie sich erklären, dass in der Einvernahme durch das BFA an mehreren Stellen protokolliert wurde, dass Sie zum Glauben der Bahai übergetreten sind?"

Der Beschwerdeführer antwortete: "Ich hatte von Anfang an gesagt, dass ich nicht Bahai geworden bin, der Dolmetscher hat das von sich selbst geschrieben und ich habe nur gesagt, dass ich auf der Suche danach war, damit meine ich die Suche nach einem neuen Glauben."

Der Beschwerdeführer gab weiters an, er habe gegen die Drohungen der Mullahs und der Dorfbewohner nichts ausrichten können. Er hätte sich zunächst zu Hause versteckt und sei dann geflüchtet. Er sei über XXXX teilweise mit dem PKW und teilweise zu Fuß in den Iran gereist. Nachdem er sich etwa zwei Monate im Iran aufgehalten hätte, sei er weitergereist.

Er habe über das Internet Kontakt zu seinen Eltern und zu seinen Geschwistern. Die Probleme mit den ehemaligen Studienkollegen hätten sich gelegt, da die Schwester ihn nicht mehr heiraten wolle.

Der Richter erkundigte sich, wie der Beschwerdeführer mit dem Christentum in Kontakt gekommen sei. Der Beschwerdeführer erzählte: "Vom Asylheim bin ich in eine Privatwohnung umgezogen und meine Freunde gingen in die Kirche, sie hatten christliche Bücher. Ich sagte ihnen, dass ich auch gerne mit ihnen in die Kirche gehen will. Drei oder viermal bin ich mit ihnen in die Kirche gegangen, es hat mir gefallen und danach ging ich alleine hin. ... Ich mochte den Islam nicht und das war auch der Grund, dass ich zum Christentum übergetreten bin. ... Im Islam ist jeder, der kein Moslem ist, ein Ungläubiger. Das war mein Grund. ... Das Christentum ist eine Religion der Liebe. Im Islam heißt es, dass ein Mann sich vier oder fünf Frauen nehmen kann. Er kann diese Frauen misshandeln, aber diese Frauen können nichts dagegen unternehmen."

Der Beschwerdeführer gab nachgefragt an, er hätte ein Jahr lang, vier Tage in der Woche, von 14:30 bis 16:00 oder 17:00 Uhr, Taufunterricht vom Priester XXXX bekommen. Der Unterricht sei von Deutsch auf Farsi übersetzt worden. Dies habe im Rahmen der XXXX stattgefunden.

Auf die Frage des Richters, wo er Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Islam und wo er die Unterschiede sehe, antwortete der Beschwerdeführer, dass es keine Gemeinsamkeiten gäbe.

Zu Jesus Christus befragt gab der Beschwerdeführer an: "Er ist in Betlehem zur Welt gekommen und ist in Nazareth groß geworden. Er war wie sein Vater Tischler. Gott war sein Vater. Sein weltlicher Vater war Tischler und hieß Josef und sein Vater im Himmel ist der Gott und seine Mutter hieß Maria. ... Ja, er hatte die Gabe Wunder zu bewirken, deswegen wurde er verfolgt. Der König hat den Befehl ausgesprochen, dass er getötet werden muss. ... Ja, er wurde von Johannes im Fluss Jordan getauft. ... Er hat viele Wunder bewirkt. Sein erstes Wunder war in der Stadt Kanaan, dort hat er das Wasser zum Alkohol umgewandelt. Er hat auch Tote zum Leben erweckt und Kranke geheilt, Blinde sehend gemacht. Er hatte sehr viele Wunder. ... Er wurde gekreuzigt. ... Er war ein sehr guter Mensch. Es wurde ein Befehl ausgesprochen, denn Jesus Christus sagte immer, dass er Gott sei. Die Juden haben dann ein Befehl ausgesprochen, dass Jesus Christus getötet werden muss."

An dem Tag, bevor er zum Tode verurteilt worden sei, sei er auf einem Berg namens Zaitoon (Ölberg) festgenommen worden. Bevor er festgenommen worden sei, habe er sich mit seinen Schülern unterhalten. Er habe sich ein Stück Brot genommen und auch einen Krug Wein und gesagt, dass das sein Blut und sein Leib sei.

Nach seiner Kreuzigung sei der Beschwerdeführer bestattet worden, am dritten Tag sei er von den Toten auferstanden. Er sei zu seinem Vater zurückgekehrt und habe sich auf seine rechte Seite gesetzt. Er wisse nicht, wie lange Jesus noch auf der Erde gewesen sei.

Der Beschwerdeführer gab nachgefragt an, er kenne folgenden christlichen Feste: "Am 25. Dezember wird die Geburt Jesus Christus gefeiert, 50 Tage nach Ostern ist Pfingsten. 40 Tage lang wird gefastet. Der Heilige Geist wurde an die Schüler gesandt. Das ist zu Pfingsten. Ich habe den Rest vergessen. ... Aschermittwoch. Zu Ostern wir die Auferstehung gefeiert."

Befragt nach den Sakramenten antworte der Beschwerdeführer: "Es sind 7 Sakramente. Die Taufe, Vater unser das Gebet, die 10 Gebote."

Der Richter fragte den Beschwerdeführer, welche drei Sakramente er nach der vorgelegten Bestätigung vom 23.12.2019 erhalten hätte? Der Beschwerdeführer konnte nur die Aufnahme (Taufe) benennen. Die Taufe habe am 23.11. stattgefunden. Er habe an diesem Tag ein weißes Gewand bekommen. Der Priester habe ihn mit Öl an der Stirn und an den Handflächen massiert. Die Taufe habe er mit Wasser erhalten. Der Priester habe seine Hand über die Schulter gelegt und er sei gefragt worden, ob er an Christus glaube. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer weiters an, der Priester habe Wasser über ihn gegossen und gebetet. Er habe keine weiteren Sakramente empfangen.

Die heilige Dreifaltigkeit sei Vater Sohn und der Heilige Geist. Er kenne drei Zweige des Christentums, die Katholiken, die Protestanten und der dritte Zweig sei ihm entfallen. Er sei in der römisch-katholischen Kirche aktiv. Er gehe sonntags zum Gottesdienst, nach dem Gottesdienst werde Kaffee und Kuchen vorbereitet, um die Gemeinschaft zu pflegen. Er teile Kaffee aus und verteile in Farsi geschriebene Handzettel.

Auf die Frage des Richters, wie sich sein Leben durch seine Konversion zum Christentum verändert habe und ob seine Familie von dem Glaubenswechsel wisse, antwortete der Beschwerdeführer: "Seit ich an den Jesus Christus glaube, fühle ich Freude und Glück, ich habe das Gefühl, dass mir meine Sünden vergeben wurden, ich fühle Glück und Ruhe. Ich bin sehr zufrieden und freue mich, dass ich an den Jesus Christus glaube. .... Früher wusste niemand davon, aber jetzt wissen sie es, damit meine ich meinen Vater und meine Mutter. Sie wissen es. Meine Eltern haben mich gefragt, was ich hier mache und ob ich das Gebet verrichte und ich sagte, dass ich das Gebet nicht verrichte. Sie sagten mir, dass das Alkohol Trinken im Islam verboten ist. In Afghanistan ist es eine Straftat, Alkohol zu trinken. Ich sagte ihnen dann, dass ich nun an den Jesus Christus glaube und das ich Christ geworden bin. ... Sie waren verärgert und haben lange Zeit auf meine Anrufe nicht mehr reagiert."

Andere Personen wüssten nicht von der Konversion. Auch wenn er nach Afghanistan zurückkehren würde, würde er an seinem Glauben festhalten, weil er an Jesus Christus glaube.

In Österreich besuche der Beschwerdeführer Deutschkurse. Er brachte diverse Bestätigungen in Vorlage. Er habe sich an freiwilligen Arbeiten beteiligt. Er sei nicht verheiratet oder in einer Lebensgemeinschaft, er wohne mit seinen Freunden in einer privaten Wohnung. Er spiele in einem Volleyball-Verein und habe auch Fußball gespielt. Er habe österreichische Freunde und eine österreichische Freundin, die anwesende Vertrauensperson.

Im aktuellen Strafregisterauszug des Beschwerdeführers schienen wohl mehrere Verurteilungen auf, aber auch mehrere andere Personen mit ähnlichem, aber nicht gleichem Namen, die marokkanische bzw. algerische Staatsbürger sind. Die darin enthaltenen Straftaten haben sich mit einer Ausnahme vor der Einreise des Beschwerdeführers ereignet. Es sei daher anzunehmen, dass der Beschwerdeführer unbescholten sei.

An der zweiten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.01.2020 nahmen der Beschwerdeführer in Begleitung seines Rechtsvertreters, ein Zeuge und eine Dolmetscherin teil. Ein Vertreter der belangten Behörde ist zur Verhandlung nicht erschienen.

Der Beschwerdeführer brachte ein Deutschzertifikat A1 und eine Kursbestätigung in Vorlage.

Der Richter befragte den Beschwerdeführer neuerlich bezüglich des christlichen Glaubens.

Auf die Frage ob der Beschwerdeführer hätte müssen, antwortete der Beschwerdeführer: "Ja, sogar als er noch gar nicht geboren war, hatte König Herodes die Absicht ihn zu töten. ....er flüchtete nach Ägypten."

Jesus sei an einem Freitag gestorben. (Anm.: Die Dolmetscherin merkte an, dass es in Dari auch eine andere Bezeichnung für den Karfreitag gibt, den der Beschwerdeführer aber nicht genannt habe.)

Er habe die Sakramente "Taufe, Kreuz an der Stirn, die heilige Kommunion, nur die drei" erhalten und kenne "Die Buße, Krankensalbung, Ehe, Firmung, "Weihe"." Als der Priester Wasser über seinen Kopf gegossen habe, habe er ein Gebet gesprochen.

Befragung des Zeugen

Der Zeuge sei in der katholischen Kirche für die nicht deutschsprachigen Katholiken aus dem außereuropäischen Raum zuständig. Der Beschwerdeführer sei im September 2018 in die Gemeinschaft gekommen. Der Zeuge gab an, er habe den Taufvorbereitungskurs geleitet, den der Beschwerdeführer besucht habe.

Der Beschwerdeführer habe regelmäßig an den Kurstagen teilgenommen und mit den Zeugen oder seinen Assistenten regelmäßig Gespräche geführt und er habe ihn auf diese Weise bis zur Taufe begleitet.

Der Zeuge gab an, dass er den Eindruck gewonnen habe, der Beschwerdeführer sei auf der Suche nach einem religiösen Glauben gewesen sei, der ihn erfülle. Diesen habe er im Christentum gefunden hat.

Der Richter erkundigt sich beim Zeugen, ob er eine Erklärung dafür habe, dass der Beschwerdeführer im Vergleich zu anderen afghanischen Konvertiten, sich relativ schwertue, Wissen über den christlichen Glauben zu präsentieren. Der Zeuge antwortete: "Ich habe das Protokoll der letzten Sitzung gelesen, meine Erfahrung ist, dass Afghanen sich mit diesem Inhalt generell schwertun. Für mich ist auch nicht so wichtig, dass er etwas aufzählen kann, sondern dass in einem Gespräch deutlich wird, dass er eine Beziehung zu Jesus Christus gefunden hat."

Auf die Frage des Richters, ob der Beschwerdeführer sich durch seine Konversion zum Christentum als Mensch verändert habe, antwortete der Zeuge: "Ich kenne ihn nicht so gut, aber ich habe ihn als einen sehr freundlichen, sehr hilfsbereiten Menschen kennengelernt, vielleicht auch sehr schüchtern und zurückhaltend, der aber immer bereit einen kleinen Dienst zu übernehmen und sich einzubringen."

Der Beschwerdeführer sei auch in der Kirche aktiv, er komme nach wie vor zu den Gemeindeveranstaltungen wie Bibellektüre, Gespräche und Gebete sowie insbesondere zu den Gottesdiensten. Es handele sich dabei um eine dari- bzw. farsisprechende Gemeinde innerhalb der katholischen Kirche.

Der Zeuge gab an, dass sein Eindruck sei, dass der Beschwerdeführer aus echter Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Der Beschwerdeführer habe ihm und seinem Assistenten seine Tauferfahrung geschildert hatte, dass diese als ein beglückendes und befreiendes Erlebnis empfunden habe. In einer Summe von Riten und religiösen Handlungen seien möglicher Weise die Worte: "Ich taufe dich in Namen des Vaters..." untergegangen.

In der Stellungnahme vom 26.02.2019 nahm der Vertreter der internationalen Baptistenkirche zum Übertritt zum christlichen Glauben und die daraus entstehenden Probleme in Afghanistan Bezug.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und in der afghanischen Provinz Ghazni geboren und aufgewachsen. Bis zu seiner Ausreise nach Europa war er dort aufhältig.

Das Vorbringen zu den Ausreisegründen ist nicht glaubhaft.

In Österreich besuchte der Beschwerdeführer diverse Kurse. Er erwarb das Deutschzertifikat Niveau A1. Der Beschwerdeführer ist vom islamischen Glauben abgefallen und nunmehr getauftes Mitglied der katholischen Kirche. Der Beschwerdeführer engagiert sich in seiner Kirchengemeinde. Er ist gesund und arbeitsfähig, sowie unbescholten und führt kein Familienleben in Österreich.

1.2 Zu Afghanistan wird folgendes Verfahrensbezogen festgestellt:

Ghazni

Die Provinz Ghazni liegt im Südosten Afghanistans und grenzt an die Provinzen Bamyan und Wardak im Norden, Logar, Paktya und Paktika im Osten, Zabul im Süden und Uruzgan und Daykundi im Westen. Ghazni liegt an keiner internationalen Grenze (UNOCHA 4.2014). Die Provinz ist in 19 Distrikte unterteilt: die Provinzhauptstadt Ghazni-Stadt sowie den Distrikte Ab Band, Ajristan, Andar (auch Shelgar genannt (AAN 22.5.2018)), De Hyak, Gelan, Giro, Jaghatu, Jaghuri, Khwaja Omari, Malistan, Muqur, Nawa, Nawur, Qara Bagh, Rashidan, Waghaz, Wali Muhammad Shahid (Khugyani) und Zanakhan (CSO 2019). Nach Schätzungen der CSO für den Zeitraum 2019-20 leben 1.338.597 Menschen in Ghazni (CSO 2019). Die Provinz wird von Paschtunen, Tadschiken und Hazara sowie von mehreren kleineren Gruppen wie Bayats, Sadats und Sikhs bewohnt (PAJ o.D.). Fast die Hälfte der Bevölkerung von Ghazni sind Paschtunen, etwas weniger als die Hälfte sind Hazara und rund 5% sind Tadschiken (NPS o.D.).

Die Stadt Ghazni liegt an der Ring Road, welche die Hauptstadt Kabul mit dem großen Ballungszentrum Kandahar im Süden verbindet und auch die Straße zu Paktikas Hauptstadt Sharan zweigt in der Stadt Ghazni von der Ring Road ab, die Straße nach Paktyas Hauptstadt Gardez dagegen etwas nördlich der Stadt. Die Kontrolle über Ghazni ist daher von strategischer Bedeutung (CJ 13.8.2018). Einem Bericht vom Dezember 2018 zufolge steht die Ghazni-Paktika-Autobahn unter Taliban-Kontrolle und ist für Zivil- und Regierungsfahrzeuge gesperrt, wobei die Aufständischen weiterhin Druck auf die Kabul-Kandahar-Autobahn ausüben (AAN 30.12.2018), bzw. Straßenkontrollen durchführen (PAJ 31.1.2019). Im Mai 2019 war die Ghazni-Paktika-Autobahn seit einem Jahr geschlossen (PAJ 13.5.2019a). Auch die Ghazni-Paktia-Autobahn war Anfang März 2019 trotz einer 20-tägigen Militäroperation (PAJ 27.2.2019) gegen die Taliban immer noch gesperrt (BAMF 4.3.2019; vgl. PAJ 27.2.2019). Im Mai 2019 führten die Regierungskräfte an .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 87 von 366

den Rändern von Ghazni-Stadt Räumungsoperationen zur Befreiung der Verkehrswege durch (KP 16.5.2019). Die Kontrolle über die Straße nach Gardez, der Provinzhauptstadt von Paktia ist bedeutsam für die Verteidigung von Ghazni, da sich die Militärbasis des für die Provinz zuständigen Corps dort befindet (AAN 25.7.2018).

Gemäß dem UNODC Opium Survey 2018 gehörte Ghazni 2018 nicht zu den zehn wichtigsten schlafmohnanbauenden Provinzen Afghanistans. Während die Provinz zwischen 2013 und 2016 schlafmohnfrei war, wurden 2017 etwa 1.000 Hektar angebaut. Im Jahr 2018 nahm die Anbaufläche um 64% ab. Der größte Teil von Ghazni's Schlafmohn wurde 2018 im volatilen Distrikt Ajristan angebaut (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Ghazni gehörte im Mai 2019 zu den relativ volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans. Taliban-Kämpfer sind in einigen der unruhigen Distrikte der Provinz aktiv, wo sie oft versuchen, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung und Sicherheitseinrichtungen durchzuführen. Gleichzeitig führen die Regierungskräfte regelmäßig Operationen in Ghazni durch, um die Aufständischen aus der Provinz zu vertreiben (KP 27.5.2019).

Aufgrund der Präsenz von Taliban-Aufständischen in manchen Regionen der Provinz, gilt Ghazni als relativ unruhig (XI 22.9.2019), so standen beispielsweise Ende 2018, einem Bericht zufolge, acht Distrikte der Provinz unter Kontrolle der Taliban gestanden haben, fünf weitere Distrikte waren stark umkämpft (AAN 30.12.2018). Im Jänner 2019 wurde berichtet, dass die administrativen Angelegenheiten der Distrikte Andar, Deh Yak, Zanakhan, Khwaja Omari, Rashidan, Jaghatu, Waghaz und Khugyani aufgrund der Sicherheitslage bzw. Präsenz der Taliban nach Ghazni-Stadt oder in die Nähe der Provinzhauptstadt verlegt wurden. Aufgrund der Sicherheitslage sei es für die Bewohner schwierig, zu den neuen administrativen Zentren zu gelangen (PAJ 27.1.2019). Dem Verteidigungsminister zufolge, sind in der Provinz mehr Taliban und Al-Qaida-Kämpfer aktiv, als in anderen Provinzen. Dem Innenminister zufolge, hat sich die Sicherheitslage in der Provinz verschlechtert und die Taliban erlitten bei jüngsten Zusammenstößen schwere Verluste (PAJ 19.4.2019).

In Ergänzung zur Afghan National Police (ANP), der Afghan Local Police (ALP) und der paramilitärischen Kräfte des National Directorate of Security (NDS) entsteht im Distrikt Jaghuri im Rahmen eines Pilotprojekts eine neu eingerichtete Afghan National Army Territorial Force (ANA TF). Diese lokale Einheit soll die Bevölkerung schützen und Territorium halten, ohne von lokalen Machthabern oder Gruppeninteressen vereinnahmt zu werden (AAN 15.1.2019). Während des Angriffs auf Ghazni-Stadt im August 2018 wurden die afghanischen Regierungskräfte von US-amerikanischen Streitkräften unterstützt - laut einer Quelle nicht nur durch Luftangriffe, sondern auch von US-Spezialeinheiten am Boden (TM 23.8.2018). Ghazni liegt im Verantwortungsbereich des 203. ANA Tandar Corps (USDOD 6.2019; vgl. AAN 25.7.2018) das der Task Force Southeast untersteht, die von US-amerikanischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 653 zivile Opfer (253 Tote und 400 Verletzte) in Ghazni. Dies entspricht einer Steigerung von 84% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Kämpfe, gefolgt von Luftangriffen und gezielten oder vorsätzlichen Morden (UNAMA 24.2.2019). Im ersten Halbjahr 2019 zählte UNAMA Ghazni mit insgesamt 186 zivilen Opfern (77 Tote, 109 Verletzte) zu den fünf Provinzen mit den größten Auswirkungen des Konflikts auf Zivilisten in Afghanistan (UNAMA 30.7.2019).

Einem UN-Bericht zufolge, war Ghazni neben Helmand und Farah zwischen Februar und Juni 2019 eines der aktivsten Konfliktgebiete Afghanistans. Mehr als die Hälfte aller Luftangriffe fanden in diesem Zeitraum in den Provinzen Helmand und Ghazni statt. Anfang April 2019 beschloss die Regierung die "Operation Khalid", welche unter anderem auf Ghazni fokussiert (UNGASC 14.6.2019). Auch die Winteroperationen 2018/2019 der ANDSF konzentrierten sich unter anderem auf diese Provinz (UNGASC 28.2.2019). In der Provinz kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (z.B. KP 27.7.2019; KP 25.7.2019; KP 22.7.2019, MENAFN 22.7.2019); ebenso werden Luftangriffe in der Provinz durchgeführt (PAJ 17.3.2019). Bei manchen militärischen Operationen werden beispielsweise Taliban getötet (KP 25.7.2019; vgl. KP 22.7.2019). Außerdem kommt es immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (PAJ 30.3.2019; vgl. PAJ 16.2.2019, SP 15.8.2018). Auch verlautbarte die Regierung im September 2019 nach wie vor Offensiven gegen die Aufständischen in der Provinz zu führen, um das Territorium der Taliban zu verkleinern (XI 22.9.2019).

Mitte August 2018 eroberten die Taliban große Teile der Stadt Ghazni, was zu heftigen Kämpfen zwischen den Aufständischen und den Regierungskräften führte (SP 15.8.2018). Nach fünf Tagen erlangte die Regierung wieder die Kontrolle über die Provinzhauptstadt (AAN 16.12.2018). Die dabei durchgeführten Luftangriffe führten zu zivilen Opfern und zerstörten Häuser von Zivilisten (AAN 16.12.2018; vgl. UNAMA 24.2.2019). UNAMA verzeichnete 262 zivile Opfer (79 Tote, 183 Verletzte) im Zusammenhang mit dem Talibanangriff im August 2018 (UNAMA 24.2.2019). Zeitgleich mit dem Angriff auf die Stadt Ghazni eroberten die Taliban den Distrikt Ajristan westlich der Provinzhauptstadt (NYT 12.8.2018; vgl. TN 13.8.2018). Im November 2018 starteten die Taliban eine Großoffensive gegen die von Hazara dominierten Distrikte Jaghuri und Malistan, nachdem die Aufständischen bereits Ende Oktober das benachbarte Khas Uruzgan in der Provinz Uruzgan angegriffen hatten (RFE/RL 13.11.2018; vgl. AAN 29.11.2018). Bis Ende November 2018 wurden die Taliban aus Jaghuri und Malistan vertrieben (AAN 29.11.2018).

Die Parlamentswahlen, die im Oktober 2018 hätten stattfinden sollen, wurden in Ghazni aufgrund der volatilen Sicherheitslage zunächst auf April 2019 verschoben (AAN 16.8.2018). Ende Dezember 2018 kündigte die Unabhängige Wahlkommission (independent election commission, IEC) an, dass die Parlamentswahlen in Ghazni sowie die Präsidentschaftswahlen in ganz Afghanistan im Juli 2019 mit dreimonatiger Verspätung stattfinden würden (F24 30.12.2018). Neben der Sicherheitslage nannte ein Bericht des UN-Generalsekretärs auch Proteste, welche die Provinzzentrale der IEC blockierten, als einen Grund für die Verschiebung der Wahl in Ghazni (UNGASC 28.2.2019).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 46.311 konfliktbedingt aus der Provinz Ghazni vertriebene Personen, die hauptsächlich im Distrikt Ghazni (37.611) und im geringeren Ausmaß in der Provinz Bamyan, in Kabul und Daikundi, sowie anderen Provinzen Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 3.099 aus der Provinz Ghazni vertriebene Personen, die in Ghazni blieben, sowie nach Kabul und in geringerem Ausmaß nach Herat gingen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 37.779 Vertriebene in die Provinz Ghazni, die alle in den Distrikt Ghazni kamen (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 2.746 konfliktbedingt binnenvertriebene Personen in die Provinz Ghazni, welche auch aus der Provinz selbst stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Quellen:

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Religionsfreiheit

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 30.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus (AA 2.9.2019; vgl. CIA 30.4.2019, USDOS 21.6.2019); in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UP 16.8.2019; vgl. BBC 11.4.2019). Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019, MPI 2004). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USODS 21.6.2019; vgl. AA 9.11.2016). Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie (USDOS 21.6.2019). Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (USDOS 29.5.2018).

Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 21.6.2019). Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 21.6.2019; vgl. ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 21.6.2019).

Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, können Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hanafitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Gerechtigkeit zu erlangen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime (USDOS 21.6.2019).

Anmerkung: Zu Konversion, Apostasie und Blasphemie siehe Unterabschnitt 16.5.

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religiösen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019).

Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.2.2019). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 21.6.2019).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 21.6.2019). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 21.6.2019).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für .Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 21.6.2019).

Quellen:

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Schiiten

Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10 bis 19% geschätzt (CIA 30.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Zuverlässige Zahlen zur Größe der schiitischen Gemeinschaft sind nicht verfügbar und werden vom Statistikamt nicht erfasst. Gemäß Gemeindeleitern sind die Schiiten Afghanistans mehrheitlich Jafari-Schiiten (Zwölfer-Schiiten), 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Unter den Schiiten gibt es auch Ismailiten (USDOS 21.6.2019).

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten (AA 2.9.2019). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Gemäß Zahlen von UNAMA gab es im Jahr 2018 19 Fälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten, bei denen 223 Menschen getötet und 524 Menschen verletzt wurden; ein zahlenmäßiger Anstieg der zivilen Opfer um 34% (USDOS 21.6.2019). In den Jahren 2016, 2017 und 2018 wurden durch den Islamischen Staat (IS) und die Taliban 51 terroristischen Angriffe auf Glaubensstätten und religiöse Anführer der Schiiten bzw. Hazara durchgeführt (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019, CRS 1.5.2019). Im Jahr 2018 wurde die Intensität der Attacken in urbanen Räumen durch den IS verstärkt (HRW 17.1.2019).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 4.2.2019). Obwohl einige schiitische Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demografischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiert. Vertreter der Sunniten hingegen geben an, dass Schiiten im Vergleich zur Bevölkerungszahl in den Behörden überrepräsentiert seien. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten; wenngleich vier Parlamentssitze für Ismailiten reserviert sind (USDOS 21.6.2019).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25 bis 30% (AB 7.6.2017; vgl. USIP 14.6.2018, AA 2.9.2019). Des Weiteren tagen regelmäßig rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 21.6.2019).

Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 21.6.2019).

Anmerkung der Staatendokumentation: Weiterführende Informationen zu Angriffen auf schiitische Glaubensstätten, Veranstaltungen und Moscheen können Abschnitt 3. - Sicherheitslage samt Unterabschnitten - entnommen werden. Weiterführende Informationen zur mehrheitlich schiitischen Volksgruppe der Hazara siehe auch Abschnitt 17.3.

Quellen:

?AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf, Zugriff 11.9.2019

?AB - Afghan Bios (7.6.2017): National Ulema Council Afghanistan AUC, http://www.afghan-bios.info/index.php?option=com_afghanbios&id=1218&task=view&total=3340&start=3067&Itemid=2, Zugriff 3.5.2019

?CRS - Congressional Research Service (1.5.2019): Afghanistan: Background and U.S. Policy In Brief, https://fas.org/sgp/crs/row/R45122.pdf, Zugriff 3.5.2019

?FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2004321.html, Zugriff 3.5.2019

?HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2002151.html, Zugriff 3.5.2019

?USDOS - U.S. Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/AFGHANISTAN-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 24.6.2019

?USIP - US Institute of Peace (14.6.2018): Afghanistan's Imams Helped Achieve a Surprise Truce, https://www.usip.org/publications/2018/06/afghanistans-imams-helped-achieve-surprise-truce, Zugriff 3.5.2019

Christentum und Konversion zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 21.6.2019). USDOS schätzte im Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2009 die Größe der geheimen christlichen Gemeinschaft auf 500 bis 8.000 Personen (USDOS 26.10.2009). Religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan im Rahmen der Gesetze frei auszuüben. Dennoch gibt es unterschiedliche Interpretationen zu religiöser Freiheit, da konvertierte Christen im Gegensatz zu originären Christen vielen Einschränkungen ausgesetzt sind. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion (RA KBL 1.6.2017).

Tausende ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger (RA KBL 1.6.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 2.9.2019). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (USDOS 21.6.2019).

Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. Zur Zahl der Konvertiten gibt es keine Statistik. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (RA KBL 1.6.2019).

Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 2.9.2019; vgl. USCIRF 4.2018, USDOS 21.6.2019), da es keine

öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 21.6.2019; vgl. AA 2.9.2019). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (WA 11.12.2018; vgl. AA 2.9.2019). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass si

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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