TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/12 W131 2160001-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.02.2020
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Entscheidungsdatum

12.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W131 2160001-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Asyl und Fremdenwesen vom 08.05.2017, Zl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Nach seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer (= Bf) am 28.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu erfolgte am darauffolgenden Tag seine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Seine Antragstellung begründete der Bf damals folgendermaßen: "Ich habe meinen Glauben vor ca. 1 1/2 Jahren gewechselt. In Pakistan wurde ich getauft. Aufgrund dessen entstanden mir Probleme in Afghanistan, darum musste ich vor ca. 1 Jahr nach Pakistan fliehen. Die Leute in unserem Gebiet in Afghanistan erfuhren, dass ich zum Christentum übergetreten bin. Aus diesem Grund wurde ich verfolgt. Die Mullahs in unserem Gebiet haben mich als Ungläubigen bezichtigt und es wurde auch gesagt, dass ich getötet werden solle. Weil ich mich nicht oft zu Hause aufhielt, wurde mein Vater deshalb bedroht. Aus diesem Grund sind wir alle vor ca. 1 Jahr geflohen. In Pakistan werden die Hazare umgebracht, aufgrund dessen war ich auch dort in Gefahr. Ich war auch illegal aufhältig." (AS 15).

Am 11.04.2017 fand die Einvernahme des Bf vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (= belangte Behörde) unter Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt. Darin wiederholte der Bf im Wesentlichen die Fluchtgründe seiner Erstbefragung. Vor allem gab er an aufgrund seiner Konversion in Afghanistan verfolgt und bedroht worden zu sein (AS 36). Bei einer Rückkehr nach Afghanistan müsse er um sein Leben fürchten, da Personen die vom Islam zu einer anderen Religion konvertieren, dort mit dem Tode bestraft werden würden (AS 38).

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 08.05.2017, welcher dem Bf nachweislich am 15.05.2017 durch Hinterlegung zugestellt wurde, wies die belangte Behörde den Antrag des Bf auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm auch keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gleichzeitig wurde dem Bf eine Rechtsberatungsorganisation für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (= BVwG) zur Seite gestellt.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die rechtzeitig bei der belangten Behörde einlangte. Darin wird - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - die Ansicht vertreten, dass der Bf sein Fluchtvorbringen gründlich substantiiert und schlüssig, sohin ausreichend glaubhaft dargelegt habe. Aufgrund seiner Konversion zum Christentum drohe dem Bf in Afghanistan eine Verfolgung iSd GFK, weshalb ihm der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen gewesen wäre.

4. Mit Schriftsatz welcher am 29.01.2019 beim Bundesverwaltungsgericht (= BVwG) einlangte, gab Rechtsanwalt XXXX die rechtsfreundliche Vertretung des Bf bekannt.

5. Am 04.07.2019 fand vor dem BVwG unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an der auch der Bf in Begleitung seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes ebenfalls teilnahm. Die mündliche Verhandlung verlief in den hier interessierenden Teilen wie nachstehend ersichtlich (R = Richter, BF = Bf und RV = Rechtsvertreter):

"[...]

R: Warum ist die Entscheidung der Behörde ungerecht?

BF: Die Entscheidung ist deshalb ungerecht, weil ein Christ kann in einem Land wie Afghanistan nicht leben. Mein Leben war zu 100% in Gefahr.

R: Wissen Sie welche Untergliederungen bzw. Konfessionen es im Islam gibt?

BF: Im Islam gibt es zwei Konfessionen, Schiiten und Sunniten. Islam ist nur ein Islam, aber Konfessionen gibt es mehrere und die zwei größten sind Sunniten und Schiiten.

R: Welche Konfessionen gibt es im Christentum?

BF: Es gibt drei Konfessionen. Protestanten, Katholiken und Orthodoxen.

R: Stimmt es, dass Sie Christ sind?

BF: Ja, mit 100 prozentiger Überzeugung sage ich, dass ich Christ bin.

R: Was macht für Sie ihr Christentum aus?

BF: Christentum ist für mich keine Religion, sondern der Weg zu Gott. Man kann damit zu Gott finden.

R: Wie praktizieren Sie ihr Christentum?

BF: Ich stehe zu meiner Religion und ich möchte so wie Jesus Christus lieb zu meinen

Mitmenschen sein und ihnen vergeben. Sogar mit meinen Feinden möchte ich mit Liebe umgehen.

R: Meine Frage war, wie Sie ihr Christentum ausüben, mit anderen Worten, woran erkennt eine dritte Person, dass Sie Christ sind?

BF: Bitte um Entschuldigung, ich habe den Inhalt der Frage nicht wirklich verstanden. Als Christ stehe ich dazu, das ich Christ bin. Ich gebe das offen in der Gesellschaft zu, dass ich Christ bin, genauso wie Jesus in der Bibel sagt, der der zu mir steht, stehe ich vor Gottes Vater zu ihm.

R: Bei welcher christlichen Konversion sind Sie Mitglied?

BF: Ich gehöre den Protestanten an.

...

R: Wissen Sie, was die zentralen Unterschiede Ihrer Kirche im Vergleich zur römischkatholischen

Kirche sind?

BF: Katholiken beten zu Maria und wir beten zu Jesus Christus.

R: Welche Funktion hat der Papst?

BF: Bei den Katholiken? Bei den Katholiken betet der Papst für die Menschen vor Gott und betet, dass ihnen vergeben wird und bei uns ist es so, dass wir direkt zu Gott beten.

R: Haben Sie vor Ihrer Einreise nach Österreich oder danach, Religionsunterricht erhalten?

BF: Ich habe im Jahr 2014 in Pakistan/ XXXX bei einem Pfarrer namens XXXX am 08.08.2014, genau die Taufe bekommen.

Der R wiederholt die Frage.

BF: Zwei Monate vor der Taufe habe ich vom XXXX Religionsunterricht erhalten. Vor den zwei Monaten habe ich selbst die Bibel gelesen.

R: Was wurden Sie in Pakistan unterrichtet?

BF: Das war ein Unterricht betreffend der Taufe.

R: Können Sie erklären, was Sie da erfahren haben?

BF: Zum Beispiel über Gott, über die Geschichte der Kirche und selbst auch über die Kirche. Über die Neugeburt und über die Kreuzung von Jesus Christus. Es gab auch noch andere Sachen, ich kann mich aber nicht mehr daran erinnern.

...

R: Wissen Sie, wer Martin Luther war?

BF: Ich habe ganz wenige Informationen über ihn. Ich weiß nur, dass er aus Deutschland stammt und das er viele Änderungen in die Konfessionen des Christentums hineingebracht hat. Wir konzentrieren uns viel mehr auf die Bibel und auf Gott.

R: Wissen Sie, was der Gründonnerstag ist und was der Karfreitag ist?

BF: Gründonnerstag, an dem Tag wurde Jesus Christus gegen 30 Münzen von seinem Schüler verkauft und verraten. Karfreitag ist Jesus Christus gekreuzigt worden und drei Tage danach ist er wieder von den Toten auferstanden.

R: Wissen Sie, was Jesus am Gründonnerstag am Abend gemacht hat, bevor er verhaftet wurde?

BF: Er war mit seinen Schülern in einem Garten in Jerusalem. Er sprach mit seinen Schülern. Er hat auch zu seinen Schülern gesagt, dass einer von ihnen, ihn verraten würde und dreimal bevor der Hahn kräht, ihn verleugnet hätte.

R: Wissen Sie, was das letzte Abendmahl ist?

BF: Ja, wir nennen das Gottesabend oder Vater-Unser.

R: Können Sie das Vater-Unser aufsagen?

BF: Ja. Vater Unser ist im Himmel, dein Name sei geheiligt, dein Wille im Himmel sowie auch auf der Erde geschehe, gib uns unser tägliches Brot, wir vergeben unsere Sünden, vergeben sie uns auch. Schütze uns vor Versuchung des Teufels, weil die Macht bis in aller Ewigkeit deine ist. Im Namen Gottes Jesus Christus, Amen.

R: Wann hat Jesus dieses Gebet erstmals gesprochen?

BF: Das weiß ich nicht so genau.

R: War das beim letzten Abendmahl?

BF: Ja, er hat das Brot genommen und auseinandergerissen und Gott dafür bedankt und dies unter seinen Schülern verteilt. Er hat zu seinen Schülern gesagt, dass sie das essen sollen, weil das sein Leib ist und er gab ihnen Wein und sagte, dass sei sein Blut.

R: Wie praktizieren Sie ihre Religion in Österreich?

BF: Ich bete. Wenn ich in der Kirche bin, bevor alles beginnt, singen wir drei Lieder. Dann gibt es eine kurze Pause, damit jeder leise für sich beten kann. Dann hören wir Gotteswörter vom XXXX an, der das uns erzählt. Dann haben wir 15 Minuten Zeit für das Beten und jeder kann laut beten, wenn er das möchte. Dann spenden wir etwas, wenn jemand etwas hat, dann kann er etwas spenden und wenn jemand nichts hat, dann muss er nichts spenden, aber da wir eine Freikirche sind, müssen wir unsere Miete selbst bezahlen. Dann beten wir für alle Länder und alle Menschen, das ist egal, um welche Menschen und um welche Länder es sich hierbei handelt.

R: Ich halte Ihnen vor, dass der iranische Präsident Rouhani vor circa zwei Jahren, einmal gesagt hat (dem Sinn nach) Moslems, Juden und Christen würden alle zum gleichen Gott Abrahams beten. Können Sie daher die großen Unterschiede zwischen Moslems und Christen erklären, wenn es solche überhaupt gibt.

BF: Ich habe damit nichts zu tun, was Rouhani sagt, aber meine persönliche Meinung dazu ist: Im Islam ist es so, dass ein Mensch nach seinem Tod für seine Taten auf der Erde, zur Verantwortung gezogen wird. Im Christentum ist ein Mensch auf der Erde von seinen Sünden befreit, dadurch das Jesus Christus für die Menschen, gekreuzigt wurde. Er hat mit seinem Blut für unsere Sünden, schon auf der Erde bezahlt. Eine Person wird sobald er Christ wird, als Neugeborener betrachtet und durch die Taufe wird er von seinen Sünden reingewaschen und wichtig ist dabei, persönlich und rein an Gott zu glauben.

R: Heißt das, egal was Sie machen, Sie müssten im Jenseits nichts befürchten?

BF: Nein, so ist das auch wieder nicht. Im Christentum ist es, dass gesagt wurde, man soll nicht töten, nicht Ehebruch begehen, nicht stehlen, nicht seine Eltern respektlos behandeln und man sollte nicht ein Auge auf die Frauen anderer und auf den Reichtum anderer werfen. Aber eine Person, die Christ wird, wird von ihren Sünden aus der Vergangenheit befreit. Es sei denn, es handelt sich um eine große Sünde, wie zum Beispiel Mord. In diesem Fall wird Jesus Christus über ihn urteilen und entscheiden.

...

R: Welche Religion hat ihre Frau?

BF: Sie ist Muslima.

R: Was sagt ihre Frau, dass Sie Christ geworden sind?

BF: Am Anfang war sie kritisch dem gegenüber, ich habe ihr aber dann alles erklärt. Sie gehört aber der neuen Generation an und sie hat das verstanden, sie selbst hat aber gesagt, dass sie mit meiner Religion nichts zu tun haben möchte. Aber sie möchte, dass ich so bleibe, wie ich früher auch zu ihr war.

R: Würde ihre Frau nach Österreich nachreisen wollen?

BF: Ja.

R: Wie wäre dann das mit der Religion ihres Sohnes?

BF: Ich habe darüber mit dem XXXX gesprochen und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass meine Frau und ich, unseren Sohn aufwachsen lassen, bis er 18 Jahre alt ist und bzw. volljährig ist und wenn er dann so alt ist, werde ich ihn meinen Weg zeigen und die Entscheidung würde aber bei ihm liegen.

R: Wie alt ist ihr Sohn jetzt?

BF: Circa drei Jahre alt.

R: Für den Fall, dass Sie mit ihrer Frau und ihrem Sohn, in Österreich leben könnten und ihr Sohn die Schule besucht, sollte ihr Sohn entweder christlichen oder islamischen Religionsunterricht oder einen Ethikunterricht besuchen?

BF: Soweit in meiner Macht steht, würde ich versuchen, dass mein Sohn einen christlichen Religionsunterricht besucht.

R: Wer könnte da etwas dagegen haben?

BF: Es gibt niemanden, der dagegen sein kann, weil man nichts erzwingen kann und man kann durch die Gespräche einen Menschen überzeugen.

R: Wenn müssten Sie hier überzeugen?

BF: Meine Frau und meinen Sohn.

R: Für den Fall, dass nach der Entscheidung dieses Gerichts und auch eventuell der Entscheidung eines übergeordneten Gerichtes, Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten, was würden Sie dann mit Ihrem Glauben machen? Mit anderen Worten, würden Sie wieder islamisch werden oder zumindest dem Anschein nach, am islamischen Glaubenspraktiken wie z.B. am Freitag eine Moschee besuchen?

BF: Erstens ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich gering, dass ich am Leben bleibe, weil in meinem Ort alle darüber Bescheid wissen, dass ich Christ geworden bin. Zweitens hat Jesus Christus in der Bibel gesagt, jeder der vor den Leuten verleugnet, ich verleugne ihn vor Gottes Vater. Aber jeder der mich vor den Leuten kennt, ich kenne ihn vor Gottes Vater. Ich würde niemals als überzeugter Christ meinen Glauben leugnen, auch wenn ich dabei mein Leben verlieren würde.

R: Haben Sie schon etwas von Taqqiya gehört?

BF: Nein.

R: Ich halte Ihnen vor, dass religionswissenschaftlich erwiesen ist, dass Muslime nach ihrem Glauben insbesondere gegenüber Ungläubigen ihren wahren Glauben verleugnen können, wenn sie sonst relevante persönliche Nachteile erleiden würden. Dies hat sich offenbar in der Zeit der Verfolgung der Schiiten durch die Sunniten entwickelt. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich glaube allgemein nicht an den Glauben der Schiiten. Das ist für mich sinnlos und hat keine Bedeutung, weil Schiiten dem Ali viel mehr Bedeutung zumessen, als dem Gott. Ali und ein normaler Mensch unterscheiden sich überhaupt nicht. Möglicherweise hat ein anderer Mensch, einen höheren Stellenwert, als Ali.

R: Meine Frage hat darauf abgezielt, dass bei Fällen wie dem Ihrigen, sich immer die Frage stellen könnte, ob Sie von der Taqqiya Gebrauch machen, um hier in Österreich einwandern zu können. Wie erklären Sie mir, dass das bei Ihnen schon oder nicht der Fall ist?

BF: Ich habe vorhin schon Ihnen gesagt, dass ich den Ausdruck Taqqiya gar nicht kenne. Selbst wenn ich den gekannt hätte, würde ich solchen Ausdrücken keine Bedeutung zumessen, denn das ist für mich ein totaler Blödsinn.

R: Sie haben vorhin gesagt, dass man nicht töten, nicht stehlen oder die Frau des anderen begehren sollte. Dies kommt aus den sogenannten 10 Geboten, dem Dekalog aus dem Alten Testament. Mir wurde erklärt, dass der Dekalog auch bei den Muslimen gilt. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich habe nichts dazu Besonderes zu sagen, seitdem ich zum Christentum gefunden habe, habe ich meinen Weg und den Gott gefunden. Der Islam war für mich wie ein Traum, aus dem ich wieder aufgewacht bin. Jesus Christus sagt im Johannes 11.25, dass er das ewige Leben und die Auferstehung sei. Jeder der an mich glaubt, wenn er gestorben ist, wird er nach seinem Tod auferstehen, aber wenn jemand am Leben ist, wird er für eine Ewigkeit leben.

R nimmt im Internet Einschau. Der Ausdruck zum Suchbegriff Johannes 11.25 wird als Beilage A zur heutigen Niederschrift genommen.

R: Kennen Sie die vier Evangelisten?

BF: Ja. Ich habe nicht so viele Informationen darüber, weil ich den Protestanten angehöre. Ich war aber ein paar Mal in deren Kirche.

R: Wen gibt es neben Johannes und Matthäus noch, der ebenfalls etwas Ähnliches geschrieben hat?

BF: Markus und Lukas.

R hält fest, dass der BF die vier Evangelisten kennt.

RV legt vor, ein Konvolut an Unterlagen, mit einem Zeugnis über eine bestandene Integrationsprüfung vom 04.06.2019 und diverse sonstige integrationsbescheinigende Unterlagen, die als Sammelbeilage B zur heutigen Niederschrift genommen werden. In diesen Unterlagen sind auch Fotos enthalten, vom BF angefertigten Mehlspeisen, die er in seine Kirche mitgebracht hat. Er war gelernter Zuckerbäcker in Afghanistan.

[...]"

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Bf

Der Bf, ein afghanischer Staatsangehöriger, wurde am XXXX in der Provinz Ghazni, im Distrikt Jaghoori, in der Ortschaft Mahajerin, geboren. In seinem Heimatort hat der Bf auch ein paar Jahre lang die Schule besucht. Der Bf ist gelernter Zuckerbäcker und war in Afghanistan Inhaber eines eigenen Geschäftes. Die Muttersprache des Bf ist Dari. Daneben spricht er auch noch Urdu, etwas Englisch und mittlerweile auch schon recht gut Deutsch. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er ist Angehöriger der protestantischen Glaubensgemeinschaft. Der Bf wurde in Pakistan getauft.

Der Bf ist verheiratet. Gemeinsam mit seiner Ehefrau, die sich derzeit in XXXX (Pakistan) aufhält hat der Bf einen gemeinsamen ca dreijährigen Sohn. Der Bf steht nach wie vor in Kontakt mit seiner Frau, die auch über seine Konversion Bescheid weiß. Neben seiner Frau lebt auch noch die übrige Kernfamilie des Bf (Vater, Mutter und zwei Brüder) derzeit ebenfalls in Pakistan. Das Verhältnis zum Vater des Bf ist aufgrund dessen Konversion zum Christentum angespannt bzw herrscht zwischen ihnen kein Kontakt. In Afghanistan lebt noch ein Cousin väterlicherseits des Bf.

Der Bf ist gesund und arbeitsfähig. Der Bf ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Bereits von Beginn an war der Bf sehr bemüht, sich in Österreich gut einzuleben und zu integrieren. Der Bf hat mehrere Deutschkurse besucht, spricht mittlerweile schon ganz gut Deutsch und hat zuletzt das ÖSD Zertifikat A2 erfolgreich bestanden. Am 04.06.2019 hat der Bf zudem die Integrationsprüfung absolviert und zudem an weiteren Werte- und Orientierungskursen teilgenommen. In den vorgelegten Empfehlungsschreiben werden die besonders positiven Charaktereigenschaften des Bf besonders hervorgehoben. In seiner Freizeit engagiert sich der Bf auch ehrenamtlich (bspw bei den Kinderfreunden Donaustadt). Weiters ist der Bf seit 05.02.2018 im Rahmen gemeinnütziger Hilfstätigkeiten in der MA 42 /Dezernat 6 - Grünflächenpflege- und Erhaltung unterstützend tätig.

In Österreich ist der Bf seit Dezember 2015 Mitglied der Iranischen christlichen Glaubensgemeinschaft (eine freie evangelikale und Farsi sprechende Gemeinde). Auf Vorschlag des Leiters der Glaubensgemeinschaft hat der Bf einen Taufunterricht regelmäßig besucht und wurde anschließend als ordentliches Mitglied der Gemeinde aufgenommen. Er ist Mitglied der Gemeinde und beteiligt sich gerne am Gemeindeleben. Er besucht den Gottesdienst der Gemeinde, bekennt sich öffentlich zum Christentum und bezeugt seinen Glauben an Jesus Christus. Er ist äußerst bemüht, den christlichen Glauben besser zu verstehen. Der Bf beteiligt sich regelmäßig an christlichen Festen und Feiern und backt hierfür auch große Kuchen und Torten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Bf und seinen Rückkehrbefürchtungen

Der Bf befürchtet, im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner Konversion vom Islam zum Christentum von anderen verfolgt bzw bedroht zu werden, weil er nach der dort allgemein vorherrschenden Ansicht als Moslem (Schiite) die Religion nicht hätte wechseln dürfen. Der Bf ist jedoch gewillt, auch im Fall der Rückkehr seinen christlichen Glauben offen und nach außen hin erkennbar auszuüben, seiner Konversion zum Christentum nicht zu widerrufen und nicht wieder zum Islam überzutreten.

Es kann davon ausgegangen werden, dass der Bf bereits in Pakistan aus freier persönlicher Überzeugung zum Christentum konvertiert ist und dass dieser Schritt von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen ist.

Der Bf bekennt sich offen zum Christentum und nimmt engagiert in seiner Pfarrgemeinde teil. Aufgrund seiner christlichen Religion wäre der Bf in Afghanistan sowohl von staatlicher als auch privater Seite einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der GFK ausgesetzt. Die Konversion vom Islam zum Christentum wird in Afghanistan nicht nur als Akt der Abtrünnigkeit, sondern auch als Verbrechen gegen den Islam gesehen wird, das sogar mit dem Tode bestraft werden könnte.

Zusammenfassend wird festgestellt, dass der Bf aus innerer Überzeugung vom islamischen Glauben zum Christentum konvertiert ist. Es ist nicht anzunehmen, dass er bereit ist, seinen christlichen Glauben - dies auch nicht in islamischer Umgebung - zu verleugnen.

Es liegen keine Gründe vor, nach denen der Bf von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten auszuschließen wäre oder nach denen ein Ausschluss des Bf hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hätte.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan

Unter Bezugnahme auf das zum Verhandlungszeitpunkt im Sommer 2019 aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, welches sich iZm Konvertiten auch nach der in der OZ 15 vom 12.02.2020 dokumentierten Behördenauffassung nicht wesentlich von dem vom 13.11.2019 unterscheidet, werden folgende entscheidungsrelevante, die Person des Bf individuell betreffenden Feststellungen zur Lage in Afghanistan getroffen:

1.3.1. Ethnische Minderheiten und Hazara

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ?Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5.2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).

...

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).

...

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

...

1.3.2. Religionsfreiheit und Schiiten

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).

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Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017).

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017).

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1.3.3. Christentum und Konversion zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.8.2017; vgl. USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl. AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 8.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.8.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5.2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.8.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl. FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017).

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5.2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.8.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9.2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.8.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5.2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.8.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).

Die im Libanon geborene Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghani, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014). Einige islamische Gelehrte behaupten, es gebe keine öffentlichen Aufzeichnungen ihrer Konvertierung zum Islam (CSR 13.12.2017).

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1.3.4. Todesstrafe

Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen (AA 5.2018). Das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, sieht die Todesstrafe für Delikte wie Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Angriff gegen den Staat, Mord und Zündung von Sprengladungen, Entführungen bzw. Straßenraub mit tödlicher Folge, Gruppenvergewaltigung von Frauen usw. vor (MoJ 15.5.2017: Art. 170). Die Todesstrafe wird vom zuständigen Gericht ausgesprochen und vom Präsidenten genehmigt (MoJ 15.5.2017: Art. 169). Sie wird durch Erhängen ausgeführt (AA 5.2018).

Die Anzahl der mit Todesstrafe bedrohten Verbrechen wurde durch den neuen Kodex signifikant reduziert (HRC 21.2.2018). So ist bei einigen Straftaten statt der Todesstrafe nunmehr lebenslange Haft vorgesehen (AI 22.2.2018).

Unter dem Einfluss der Scharia hingegen droht die Todesstrafe auch bei anderen Delikten (z.B. Blasphemie, Apostasie, Ehebruch). Berichten zufolge wurden im Jahr 2017 elf Menschen zu Tode verurteilt (AA 5.2018). Im November 2017 wurden fünf Männer im Pul-e-Charki-Gefängnis hingerichtet (AI 22.2.2018; vgl. HRC 21.2.2018). Des Weiteren fand am 28.1.2018 die Hinrichtung von drei Menschen statt. Alle wurden aufgrund von Entführungen und Mord zum Tode verurteilt. Zuvor wurden 2016 sechs Terroristen hingerichtet (AA 5.2018). Im Zeitraum 1.1 - 30.11.2017 befanden sich weiterhin 720 Person im Todestrakt (HRC 21.2.2018).

In der afghanischen Bevölkerung trifft diese Form der Bestrafung und Abschreckung auf eine tief verwurzelte Unterstützung. Dies liegt nicht zuletzt auch an einem als korrupt und unzuverlässig geltenden Gefängnissystem und der Tatsache, dass Verurteilte durch Zahlungen freikommen können. Obwohl Präsident Ghani sich zwischenzeitlich positiv zu einem möglichen Moratorium zur Todesstrafe geäußert hat und Gesetzesvorhaben auf dem Weg sind, die die Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen, ist davon auszugehen, dass weiter Todesurteile vollstreckt werden (AA 5.2018).

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2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Verfahrensaktes des BVwG.

2.2. Die Feststellungen zu Identität, Volksgruppenzugehörigkeit, seinen Familienstand sowie seiner Familie im Herkunftsstaat und bisherigem Werdegang beruhen auf seinen eigenen, gleichlautenden und insoweit unbedenklichen Angaben des Bf im Laufe des Verfahrens. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen aufkommen lässt.

2.3. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme des hg eingeholten Strafregisterauszuges.

2.4. Die Feststellungen zur Konversion des Bf ergeben sich aus den glaubwürdigen und im Laufe des gesamten Verfahrens gleichlautenden Aussagen des Bf, sowie den vorgelegten Dokumenten (zwei Schreiben des Pfarrers der Islamisch christlichen Glaubensgemeinschaft und den vorgelegten Fotos), an denen für das BVwG kein Grund zu zweifeln bestand. So gab der Bf bereits bei seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, bei der Frage nach seiner Religionszugehörigkeit "Protestant" an (AS 5). Auch in der Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Bf auf die Frage nach seinem Religionsbekenntnis "Ich bin Protestant." zur Antwort (AS 35). Diese Aussage wurde von ihm auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung bekräftigt "Ja, mit 100 prozentiger Überzeugung sage ich, dass ich Christ bin." (S 3 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).

Zudem ging aus den Aussagen des Bf im Rahmen der mündlichen Verhandlung hervor, dass er die zentralen Grundaussagen des Christentums bereits verinnerlicht und zudem einige (durchaus wichtige) Fragen über die Bibel und den christlichen Glauben beantworten konnte (siehe hierzu die unter weiter oben wiedergegebenen Passagen aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung; siehe zur Beantwortung von Wissensfragen auch jüngst VfGH 26.02.2019, E 4695/2018).

Der Bf ist - nicht nur durch seine bereits in Pakistan vollzogene Taufe - spätestens nach Absolvierung des Taufkurses in der Iranisch christlichen Gemeinde und seiner Aufnahme als ordentliches Mitglied derselben auch faktisch und für Dritte wahrnehmbar (dies belegen auch die vom Bf in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos, auf denen der Bf bei christlichen Feiern mit von ihm selbst zubereiteten Torten zu sehen ist) zum christlichen Glauben konvertiert. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Tatsache der Konversion des Bf zum Christentum über das persönliche Umfeld des Bf hinaus bekannt geworden ist. Nach Ansicht des erkennenden Richters besteht kein Grund, insgesamt an der Glaubwürdigkeit der Angaben des Bf in Bezug auf seine Konversion zum Christentum zu zweifeln.

Für das BVwG steht damit insgesamt unzweifelhaft fest, dass die Hinwendung des Bf zum Christentum ernsthaft, nachhaltig und nach außen hin deutlich erkennbar erfolgt ist. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Bf aus innerer Überzeugung vom islamischen Glauben zum Christentum konvertiert ist. Es ist nicht anzunehmen, dass er bereit ist, seinen christlichen Glauben - dies auch nicht in islamischer Umgebung bspw im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan (arg "Ich würde niemals als überzeugter Christ meinen Glauben leugnen, auch wenn ich dabei mein Leben verlieren würde." S 7 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) - zu verleugnen.

Aus den weiter oben auszugsweise abgedruckten Länderfeststellungen (Stand 29.06.2018) zum Thema Religionsfreiheit ergibt sich zweifellos, dass Christen im muslimisch geprägten Afghanistan mit Verfolgung, Inhaftierung und Ermordung bedroht sind.

In einer Gesamtschau der Angaben des Bf im gesamten Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint sein Vorbringen zu seiner Furcht vor Verfolgung in Afghanistan insgesamt als glaubhaft. Es ist daher davon auszugehen, dass ihm im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen, nämlich aufgrund seiner Religion, drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Afghanistans nicht in der Lage sein würden, den Bf vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß Schutz zu bieten.

Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen ergibt sich zudem, dass im Fall des Bf auch keine Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative besteht, da für den Bf in praktisch allen Landesteilen, aufgrund seiner Konversion ein erhöhtes Risiko bestünde, einer Verfolgung und Eingriffen - sowohl von staatlicher als auch privater Seite - in seine physische Integrität und Sicherheit ausgesetzt zu sein.

2.5. Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung von anderen dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichten aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

3.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht (vgl auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG, die auf Art 9 Statusrichtlinie [RL 2011/95/EU] verweist.).

Die Verfolgung kann gemäß § 3 Abs 2 AsylG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß § 3 Abs 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2. Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK (in der Fassung des Art 1 Abs 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.3. Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (VwGH 09.03.1999, 98/01/0370).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

3.4. Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; 16.02.2000, 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Die Verfolgungsgefahr muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (VwGH 27.01.2000, 99/20/0519). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

3.5. Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können neue - während des Aufenthaltes in Österreich eingetretene - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet (sogenannte "Nachfluchtgründe"), grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Diese sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme einer "wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, 96/20/0923).

Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der GFK aber nicht abgeleitet werden (VwGH 09.11.1995, 94/19/1414). Es sind darüber hinausgehende, konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (VwGH 08.07.2000, 99/20/0203; 21.09.2000, 98/20/0557).

3.6. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum wesentlich, ob der vom Islam zum Christentum Übergetretene b

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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