TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/13 W195 2215122-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.02.2020
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Entscheidungsdatum

13.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W195 2215122-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.02.2020 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes I stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II, III, IV, V, und VI stattgegeben und die bekämpften Spruchpunkte behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 16.07.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am 17.07.2018 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, in Bangladesch obdachlos gewesen zu sein. Er habe keine Verwandten mehr. Im Falle einer Rückkehr würden ihn seine Stiefbrüder umbringen. Sein Vater sei gestorben als der BF acht Jahre alt gewesen sei. Würde der BF zurückkehren, könnten seine Stiefbrüder Angst um ihr Erbe haben. Er sei in einem Heim aufgewachsen. Seine Mutter sei ein Jahr nach seinem Vater gestorben. Seine Stiefbrüder hätten seine Mutter getötet.

I.2. Am 27.07.2018 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Dabei gab er an, keine Geburtsurkunde und keine Eltern mehr zu haben. Seines Wissens nach sei er 17 Jahre und sechs Monate alt. Er glaube, das Geburtsjahr 2001 stimme. Sein Vater habe ihn in Bangladesch ins Waisenhaus gegeben, als der BF acht Jahre alt gewesen sei, sei sein Vater verstorben. Seine Stiefgeschwister hätten ihn nicht ausstehen können. Wären seine Eltern noch am Leben oder hätte er eine Geburtsurkunde, würde er es genau sagen können.

I.3. Das BFA holte ein medizinisches Sachverständigengutachten zur multifaktoriellen Diagnostik zur Feststellung des absoluten Mindestalters des BF ein. Dieses kam zum Ergebnis, dass der BF zum Datum der Antragstellung ein Mindestalter von 17,5 Jahren hatte und die Bandbreite des möglichen Alters zum Datum der Antragstellung zwischen 17,5 und 24,9 Jahren gelegen hatte.

I.4. Am 15.10.2018 wurde der BF vor dem BFA neuerlich niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, er habe in Bangladesch keine Dokumente gehabt, er habe keine Verwandtschaft, kein Haus, keine Bleibe gehabt. Er habe nicht nachhause fahren bzw. gehen können, weil er Angst gehabt habe, dass ihn die Brüder umbrächten. Er habe niemanden gehabt, der ihn unterstützt hätte, denn sein Vater und seine Mutter seien beide tot gewesen. Als er noch klein gewesen sei, sei er in die Madrassa (Obdachlosenheim, Waisenhaus) gebracht worden, danach sei er nirgends richtig zuhause gewesen. Er habe gar keine Identität gehabt. Er habe nichts gelernt, keinen Beruf, sein Leben hätte keinen Wert gehabt, er sei da und dort geschlagen worden. Die Kinder, die ohne Haus und ohne Eltern aufwachsen würden, hätten keine Sicherheit. Deshalb habe man dem BF gesagt, dass er mitgehen solle, deshalb habe er das Land verlassen. Wenn er das Land verlasse und anderswo sei, würde es ihm bessergehen. Er vermute, wenn er in das Heimatdorf zurückgegangen wäre, hätten ihn seine Stiefbrüder umgebracht, weil sie Angst gehabt hätten, dass der BF Grundstücksanteile haben wolle. Er habe gesehen, wie die religiösen Leute umgebracht worden seien und deshalb habe er auch Angst. Er habe Angst gehabt, welche Identität er haben solle.

Seine Stiefbrüder hätten den BF nicht akzeptiert und seine Eltern seien schon tot gewesen. Seine Mutter sei umgebracht worden. Sein Vater habe ihm immer gesagt, er solle in der Madrassa bleiben und nicht ins Dorf gehen.

Seine Stiefbrüder hätten den BF nie liebgehabt, die Eltern seien nicht dagewesen und die Stiefbrüder hätten den BF geschlagen. Er meine nach dem Tod seiner Mutter. Sein Vater habe den BF geliebt. Sein kleinster Stiefbruder sei damals 15 Jahre alt gewesen, dieser habe den BF auch geschlagen und gesagt, der BF wäre nicht ihr Bruder. Wie oft er geschlagen worden sei, wisse der BF nicht mehr, sein Vater habe sicher etwas gesagt, aber der BF sei noch so jung, so klein gewesen. Nach dem Tod seines Vaters sei er nicht mehr zuhause gewesen. Nachdem ihn sein Vater in die Madrassa gebracht habe, sei der BF nie wieder im Dorf gewesen.

Er habe keinen Kontakt nach Bangladesch, keinen Kontakt zu Freunden, er wäre froh, wenn es so wäre.

Im Falle einer Rückkehr wisse der BF nicht, wohin er gehen solle. Er habe keine Eltern, kein Haus und er kenne auch niemanden. Er habe dort keine Identität.

I.5. Mit Schreiben vom 19.10.2018 nahm der BF - damals vertreten durch den XXXX nunmehr vertreten durch XXXX - zu seinem Verfahren Stellung. Neben einer Zitierung von Länderinformationen und einer Wiederholung des Vorbringens führt diese soweit wesentlich aus, es gebe in Bangladesch zwar Waisenhäuser, für diese müsste eine finanzielle Unterstützung bereitgestellt werden. Der BF habe vor seiner Ausreise hauptsächlich auf der Straße gelebt, bis er von Menschenhändlern nach Afghanistan verbracht worden sei. Er besitze in Bangladesch nichts, habe kein soziales Netzwerk, das ihm finanziell oder sonst wie helfen könnte. Von den Halbbrüdern sei keine Unterstützung zu erwarten, weil diese mit dem BF verfeindet seien.

Angesichts der allgemeinen Lage in Bangladesch sowie der familiären und finanziellen Situation des minderjährigen BF würde diesen daher im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten, weshalb ihm die Rückkehr nicht zugemutet werden könne.

I.6. Mit E-Mail vom 24.10.2018 forderte das BFA den damaligen Rechtsberater des BF zur Vorlage der medizinischen Unterlagen des BF auf.

I.7. Mit E-Mail vom selben Tag teilte der damalige Rechtsberater des BF dem BFA unter anderem folgendes mit: "Laut Auskunft des ORS gibt es keine Befunde. Der Mj. war einmal beim Röntgen aufgrund der in der Einvernahme erwähnten Fußverletzung. Ansonsten hat er vom Arzt eine Salbe wegen Hämorrhoiden verschrieben bekommen. Dafür gibt es keinen schriftlichen Befund, aber es handelt sich dabei mit Sicherheit um das in der Einvernahme erwähnte ,Darmproblem?. Der Mj. konnte das damals nicht wirklich ausdrücken, aber es passt zur Beschreibung.

Was die beschriebenen Ohnmachtsanfälle angeht, gibt es leider auch keine Befunde. Ich habe vom ORS die Auskunft bekommen, dass ihnen solche Anfälle in Reichenau noch nicht aufgefallen sind; ob das davor schon passiert ist, wissen sie nicht. Dem Mj. geht es jedoch sicherlich psychisch nicht gut. Er hat oft in der Nacht Weinanfälle und sucht die Betreuer auf. Grundsätzlich besteht das Problem, dass er im Wesentlichen nur Bengali spricht, was die Kommunikation natürlich erschwert."

I.8. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.12.2018, XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.9. Mit Schriftsatz vom 12.02.2019 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des (durch die XXXX vertretenen) BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der behaupteten Fluchtgründe sowie dem Vorbringen, dass der BF in Turkmenistan sexuell missbraucht worden sei, führt die Beschwerde im Wesentlichen aus, das BFA habe seine ihm durch § 18 Abs. 1 AsylG 2005 auferlegte Pflicht, den Sachverhalt amtswegig zu erforschen und nicht auf Spekulationen abzustellen, verletzt. Es hätte feststellen müssen, dass der BF Opfer von Kinderhandel geworden sei und auch ein Konnex zur Genfer Flüchtlingskonvention (im Folgenden: GFK) bestehe. Das BFA habe feststellen müssen, dass der BF als Angehöriger einer vulnerablen Personengruppe im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch in eine unzumutbare Notlage geraten werde. Er habe kein tragfähiges soziales Netz, keine maßgebliche Schulbildung und seine Arbeitserfahrung stehe auf der Säule der Zwangsarbeit bzw. Ausbeutung unter menschenunwürdigen Bedingungen. Das BFA stelle rein spekulativ fest, dass der BF genügend abgesichert sei, es habe entgegen den widerspruchsfreien Angaben des BF ohne weitere Ermittlungsschritte festgestellt, dass die Eltern des BF verstorben seien. Der BF habe seinen Herkunftsstaat mit 14 Jahren verlassen, er sei nie Mitglied der dortigen Gesellschaft gewesen, insbesondere sei dies dem Umstand geschuldet, dass er fünf Jahre in einem Heim und vier Jahre mit anderen Kindern auf der Straße verbracht habe. Der BF sei einem realen Risiko, erneut Opfer von Menschenhandel zu werden, ausgesetzt. Er sei psychisch höchst instabil, höchst traumatisiert. Das BFA habe die problematische allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage nicht ausreichend berücksichtigt.

Der bekämpfte Bescheid sei rechtswidrig aufgrund unrichtiger und unschlüssiger Beweiswürdigung. Das BFA habe § 60 AVG verletzt. Bei gesetzmäßiger Führung des Ermittlungsverfahrens und einer ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens hätte das BFA das Vorbringen zu entscheidungsrelevanten Tatsachen und dem BF die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen müssen. Das BFA habe den Antrag des BF jedoch abgewiesen, weil es insgesamt davon ausgegangen sei, dass das Vorbringen nicht nachvollziehbar bzw. asylrelevant gewesen sei. Das BFA werfe dem BF vor, dass er im Zuge der polizeilichen Erstbefragung bei der Frage der letzten Wohnadresse sein Heimatdorf angegeben habe, in der Niederschrift jedoch festgehalten worden sei, dass der BF obdachlos gewesen sei, sowie, dass er in einem Heim aufgewachsen sei. Die Erstbefragung diene insbesondere zur Ermittlung der Reiseroute. Der "Vorwurf" des BFA sei vollkommen unerheblich, weil er die konkrete Wohnsituation bei der Einvernahme genau geschildert habe. Hinsichtlich der Ausführungen des BFA, dass der BF die Verfolgung durch seine Stiefbrüder nicht ausreichend substantiiert geschildert hätte, führt die Beschwerde aus, dass die Furcht vor den Stiefbrüdern bereits im frühesten Kindesalter entstanden sei, und zum Schutz vor diesen auch im Alter von fünf Jahren in die Madrassa geschickt worden sei. Verstärkt worden sei diese Furcht durch die Überbringung der Nachricht durch den Vater, dass seine Mutter von diesen ermordet worden sei und seiner Mahnung, keinesfalls zurück in die Heimatprovinz zu gehen. Das BFA habe an das Vorbringen den Maßstab einer erwachsenen Person gelegt, nicht aber den eines Minderjährigen. Der Umstand der Minderjährigkeit und die damit zusammenhängenden Anforderungen an das Fluchtvorbringen habe das BFA nur textbausteinartig begründet. Stattdessen hätte das BFA mit entsprechender Ermittlungstätigkeit bereits bei der Einvernahme und schlüssiger Beweiswürdigung den maßgeblichen Sachverhalt erörtern müssen.

Die Dolmetscherin bei der Einvernahme habe aus Nepal gestammt. Sein Vorbringen sei in der Niederschrift extrem verkürzt wiedergegeben worden.

Abschließend sei festzuhalten, dass die vom BFA getroffene Beweiswürdigung weder schlüssig noch nachvollziehbar sind.

Dem BF wäre gem. § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen, Ein Schutz durch Bangladesch könne nicht erwartet werden und eine innerstaatliche Fluchtalternative könne der BF nicht in Anspruch nehmen. Aufgrund seines Gesundheitszustandes sei dem BF aber jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren. Im Hinblick auf die privaten Anknüpfungspunkte des BF in Österreich sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung jedenfalls auf Dauer unzulässig. Der maßgebliche Sachverhalt sei so mangelhaft ermittelt, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem. § 24 Abs. 1 VwGVG zur ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens des BF unter Berücksichtigung der persönlichen Glaubwürdigkeit unvermeidlich erscheine.

Die Beschwerde beantragt, der Beschwerde stattzugeben und dem BF den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 zuzuerkennen, in eventu, den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 zuzuerkennen, in eventu, festzustellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig und daher festzustellen sei, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung vorlägen und dem BF daher ein Aufenthaltstitel von Amts wegen zu erteilen sei oder den angefochtenen Bescheid an die Erstbehörde zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen zur gebotenen Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens gem. § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.

I.10. Mit Schreiben vom 21.02.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.11. Mit Schreiben vom 17.06.2019 legte der BF durch seine Vertretung ein Konvolut an Unterlagen vor.

I.12. Mit Schreiben vom 15.07.2019 legte der BF durch seine Vertretung ein Konvolut an Unterlagen vor.

I.13. Mit Schreiben vom 08.01.2020 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 07.02.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.14. Am 07.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Im Rahmen dieser Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schilderte der BF detailliert seine familiäre Situation in Bangladesch, welche über Anordnung seines Vaters, weil die älteren Stiefbrüder ihn verfolgt hätten, ihn in ein Obdachlosenheim gebracht habe. Seine Mutter sei früh verstorben (angeblich von seinen Stiefbrüder vergiftet). Nach dem Tod seines Vaters habe sich niemand mehr um ihn gekümmert, er sei - zusammengefasst - letztlich in die Hände eines pädophilen Menschenhändlers geraten, welcher ihn (und andere Jugendliche) nach Afghanistan verkauft habe. Nach Schilderung der weiteren (langjährigen) faktischen Gefangenschaft, erzählte der BF seinen Lebensweg über Turkmenistan, Türkei, Griechenland, Osteuropa bis nach Graz.

Über seinen psychischen Gesundheitszustand sowie über die traumatischen Folgen seines bisher Erlebten wurde eine Zeugin, XXXX , klinische Gesundheitspsychologin, befragt, nachdem diese sich vom BF von ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung entbinden lies.

Zusammengefasst erläuterte die Zeugin den Gesundheitszustand des BF und kam in ihrer Prognose in so Ferne zu dem Schluss, dass der BF, welcher ständig entsprechender psychologischer Betreuung bedürfe, diese in der erforderlichen Form (um eine Suizidgefährdung nicht zu verwirklichen) in Bangladesch nicht erhalten würde und damit eine Retraumatisierung wahrscheinlich wäre und auch das Risiko des nochmaligen "in die Hände von Menschenhändlern" zu fallen realistisch wäre. Allein ein nochmaliger Flug in einem Flugzeug, wie es der BF bereits erlebt habe, würde derartige traumatische Effekte bewirken können.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in Erstbefragung AS 7 ff. sowie bei Einvernahme vom beim BFA AS 156).

Der BF ist in Bangladesch geboren (AS 7). Er hat in XXXX im Stadtteil XXXX die Madressa XXXX besucht, das ist eine Art Internat (AS 156 f.). 2015 hat er Bangladesch in Richtung Afghanistan verlassen, wo er sich circa ein Jahr aufgehalten hat. Danach wurde der BF weiter nach Turkmenistan geschleppt, wo er ca. sechs Monate aufhältig war. Danach reiste er über verschiedene Länder nach Österreich, wobei diese Reise ca. drei Jahre dauerte (AS 160).

Der BF ist ledig (AS 156) und hat keine Kinder. In Bangladesch halten sich vier Stiefbrüder des BF auf. Von ihnen hat er keine Unterstützung, sondern vielmehr Verfolgung, zu erwarten (AS 158 f.).

Der BF ist im Juli 2018 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Er ist in die staatliche Grundversorgung einbezogen. Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach, er spielt Schach und Fußball (AS 154 f.) und besuchte bereits einen Deutschkurs (AS 169), er spricht aber noch nicht fortgeschritten Deutsch. Er hat am 18.06.2019 die Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds bestanden.

Der BF ist in Österreich kein Mitglied in einem Verein (AS 154) und engagierte sich während seines bisherigen Aufenthaltes nicht ehrenamtlich.

Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des BF in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des BF.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer chronischen HBV-Infektion sowie Hämorrhoiden.

II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Festgestellt wird die vollkommene, auch familiäre Entwurzelung des BF in Bangladesch.

Festgestellt wird, dass der BF von seinen Stiefbrüdern so verfolgt wurde, dass der Vater des BF diesen in einem Obdachlosenheim unterbrachte.

Festgestellt wird, dass der BF im jugendlichen Alter in die Fänge eines pädophilen Menschenhändlers geriet, die staatlichen Autoritäten ihn jedoch nicht wahrnahmen und der BF danach über viele Jahre in verschiedene Länder (weiter-)verkauft wurde, etwa Afghanistan und Turkmenistan.

Festgestellt wird, dass der BF massiv unter psychischen Problemen leidet, welche auch in den Suizidbereich reichen.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Kinder:

Die Durchsetzung des Kinderschutzes ist nicht ausreichend (AA 27.10.2017). Gewalt gegen Kinder ist weit verbreitet (ÖB 12.2018; vgl. AA 27.10.2017). Kinderarbeit, selbst von Grundschulkindern, z.B. in Textilfabriken, auf Baustellen und in Teegärten, ist weit verbreitet. Es sind Fälle bekannt geworden, in denen Kinder von ihren Eltern zur Ableistung von Schulden an Menschenhändler übergeben wurden (AA 27.10.2017).

Der "Supression of Violence against Women and Children Act 2000" ahndet Vergewaltigung von Frauen und Kindern, die zum Tode oder schweren Verletzungen führen, mit der Todesstrafe oder lebenslanger Haft. Ein Problem ist allerdings die niedrige Verurteilungsrate. Es wird angenommen, dass zahlreiche Opfer aufgrund der gesellschaftlichen Stigmatisierung nicht den Weg zu den staatlichen Behörden finden. Um diesem Problem zu begegnen, ermöglicht der "Women and Children Repression Prevention Act" seit 2000 nicht-öffentliche Gerichtsverfahren "in camera", Nichtveröffentlichung der Identität und finanzielle Kompensation des Opfers (ÖB 12.2018).

Laut Schätzungen (UNICEF u.a.) beträgt die Zahl der alleine in Bangladesch in die Zwangsprostitution verschleppten Kinder rund 10.000 bis 30.000 pro Jahr - bei einer Verurteilungsrate im niedrigen zweistelligen Bereich. Die Opfer des Menschenhandels haben neben sexueller Ausbeutung auch Sklavenarbeit und unbezahlte Hausarbeit (oft in Verbindung mit sexuellem Missbrauch) zu erleiden. Immer wieder kommt es auch zu Entführungen - vor allem von Mädchen - die mit Zwangskonvertierung, Vergewaltigung und anderen Formen des Missbrauchs einhergehen. In weiterer Folge würden die Opfer meist auch gezwungen, die Täter zu heiraten. In die Gruppe der verletzlichsten Personen fallen insbesondere Mädchen und minderjährige Frauen, zusätzlich werden sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungsfälle in Südasien immer noch totgeschwiegen und selten der Polizei gemeldet. Dabei spielt nicht nur das beschämende Gefühl eine Rolle, sondern das fehlende Vertrauen in die Polizei. Statistiken über Zwangsehen und Zwangskonvertierungen sind nicht vorhanden (ÖB 12.2018).

Das legale Heiratsalter in Bangladesch ist für Frauen 18, für Männer 21. Frühe und erzwungene Heiraten sind ein Hauptgrund, dass viele Mädchen aus der Sekundärschule ausscheiden (USDOS 20.4.2018). Bangladesch hat nach wie vor eine der höchsten Kindereheraten der Welt (HRW 17.1.2019). Gemäß einem Bericht des staatlichen Statistikamtes sind Kinderehen in Bangladesch sowohl bei Männern als auch bei Frauen weiterhin verbreitet. Gemäß statistischer Erhebungen waren Stand 2017 0,4 % der Männer in der Altersgruppe 10-14 sowie 3,5 % in der Altersgruppe 15-19 nicht mehr ledig. Bei den Frauen waren 0,7 % in der Altersgruppe 10-14 und 23,8 % in der Altersgruppe 15-19 nicht mehr ledig (BBS 6.2018).

Trotz der erklärten Absicht der Regierung, die Praxis der Kinderehen bis 2041 zu beenden, hat sie noch keine nennenswerten Fortschritte gemacht. Es existiert weiterhin ein Gesetz, welches es Mädchen erlaubt, unter besonderen Umständen vor dem 18. Lebensjahr zu heiraten (HRW 17.1.2019). Im Bemühen, frühe und erzwungene Heiraten zu verhindern, bietet die Regierung Mädchen Stipendien für den Schulbesuch jenseits der 5. Schulstufe. Die Regierung und NGOs vermitteln Eltern über Workshops und Veranstaltungen, dass ihre Töchter mit der Eheschließung bis zum 18. Geburtstag warten sollen (USDOS 20.4.2018).

Der Besuch der Grundschule zwischen dem 6. und 10. Lebensjahr ist verpflichtend und kostenlos. Dennoch sind die Kosten für Lernmaterialien für viele Eltern prohibitiv (USDOS 20.4.2018). Etwa 74 % aller Kinder schließen die Grundschule ab (UNICEF o.D.).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* BBS - Bangladesh Bureau of Statistics (6.2018): Report on Bangladesh Sample Vital Statistics 2017, http://bbs.portal.gov.bd/sites/default/files/files/bbs.portal.gov.bd/page/6a40a397_6ef7_48a3_80b3_78b8d1223e3f/SVRS_2017.pdf, Zugriff 11.3.2019

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 27.2.2019

* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* UNICEF - United Nations Children's Fund (o.D.): Bangladesh - Key demographic indicators, https://data.unicef.org/country/bgd, Zugriff 28.2.2019

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

Medizinische Versorgung:

Die medizinische Versorgung in Bangladesch ist mit Europa nicht zu vergleichen und ist vielfach technisch, apparativ und/ oder hygienisch problematisch. Die Ausstattung der örtlichen Krankenhäuser ist ungenügend (AA 25.2.2019; vgl. AA 27.10.2017). Wegen des Mangels an Ärzten und Rettungsfahrzeugen kann bei Unfällen nicht mit schneller Hilfe gerechnet werden (AA 25.2.2019). Medizinische Einrichtungen in Bangladesch sind äußerst selten. Es herrscht ein eklatanter Mangel an ausgebildeten Doktoren, Krankenschwestern und Spitalsbetten. Schätzungsweise lediglich 12 % aller schweren Krankheitsfälle erreichen das staatliche Gesundheitssystem (ÖB 12.2018).

In der Hauptstadt Dhaka sowie in Sylhet, Chittagong und Barisal existieren Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können (AA 27.10.2018). In Dhaka bestehen wenige moderne kommerzielle Großkliniken, die Behandlungen nach internationalem Ausstattungsstand und eine gesicherte medizinische Versorgung anbieten. Die Behandlung in diesen Krankenhäusern ist den zahlungsfähigen Patienten vorbehalten (AA 27.10.2017; vgl. ÖB 12.2018). Ferner bestehen private Arztpraxen, deren Inhaber häufig im Ausland ausgebildet wurden. Wohlhabende Bangladescher und westliche Ausländer ziehen bei Erkrankungen häufig das regionale Ausland vor (AA 27.10.2017). Der Großteil der armen Landbevölkerung ist auf Selbsthilfe oder private Hilfsinitiativen angewiesen (ÖB 12.2018).

Bangladesch produziert preisgünstige Medikamente (Generika) für den lokalen Markt sowie für den Export. Der heimische Markt wird weitgehend von den lokalen Produzenten bedient. Die Versorgung mit Medikamenten ist aber auch durch Importmöglichkeiten gewährleistet (AA 27.10.2017).

Ärztlichen Auskünften zufolge sind, im Gegensatz zu ambulanten Behandlungen, längerfristige psychologische und psychiatrische Behandlungen und Betreuungen in Bangladesch nur schwer zu gewährleisten. Nach Erfahrungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind diese Behandlungen sehr teuer. In ländlichen Gebieten sind sie nicht möglich (AA 27.10.2017). Vor allem NGOs und Entwicklungshilfeinstitutionen sind um Verbesserungen der medizinischen Versorgung bemüht, z.B. durch Impfprogramme für Kinder gegen weit verbreitete Krankheiten wie Tuberkulose. Bangladesch hat nur eine niedrige Rate an HIV/Aids-Infizierten gilt aber als potenziell stark gefährdetes Land (ÖB 12.2018).

Abgesehen von einer Reihe medizinischer Hilfsprojekte von NGOs gibt es praktisch keine kostenlose medizinische Versorgung. Eine beitragsabhängige medizinische Versorgung niedrigen Standards ist gewährleistet (AA 27.10.2017). Staatliche Gesundheitseinrichtungen, soweit vorhanden, behandeln Patienten gratis oder gegen minimale Gebühren (ÖB 12.2018; vgl. MedCOI 7.6.2017). Dennoch müssen die Patienten inoffizielle Zahlungen an Personal und Mittelsleute leisten, um überhaupt eine Behandlung erhalten zu können (MedCOI 7.6.2017). Es ist üblich, dass Patienten notwendige medizinische Behelfe wie Spritzen, Infusionsflüssigkeiten, Verbände, Röntgenplatten und sogar chirurgische Instrumente selbst kaufen und zur Verfügung stellen (MedCOI 28.3.2018).

Ein staatliches Sozial- und Krankenversicherungssystem existiert, bis auf geringe Beihilfen zum Existenzminimum an Senioren, nicht (AA 27.10.2017). Das Arbeitsrecht 2006 sieht vor, dass Firmen mit mindestens 300 Arbeitnehmern vor Ort medizinische Einrichtungen bereitstehen sollten. Der Arbeitnehmer zahlt keine Prämie, die gesamten Kosten werden vom Arbeitgeber getragen (USSSA 3.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.2.2019): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 27.2.2019

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* MedCOI / Belgian Immigration Office (28.3.2018): Question & Answer BDA-6788.

* MedCOI / Belgian Immigration Office (7.6.2017): Question & Answer BDA-6504.

* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* USSSA - U.S. Social Security Administration (3.2017): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2016 - Bangladesh, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2016-2017/asia/bangladesh.pdf, Zugriff 27.2.2019

Rückkehr:

Die Rückkehr bangladeschischer Staatsangehöriger unterliegt keinen rechtlichen Beschränkungen (AA 27.10.2017) und es ist bisher nicht bekannt geworden, dass sich Rückkehrer aufgrund der Stellung eines Asylantrages staatlichen Maßnahmen ausgesetzt sahen (AA 27.10.2017; vgl. ÖB 12.2018). Sofern es sich um Opfer von Schlepperei handelt, können sie allerdings auch nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Es gibt einige NGOs, die sich um Opfer von Menschenhandel kümmern. Problematisch ist, dass "erfolglose Rückkehrer" von ihren Familien und lokalen Gemeinschaften als Schandfleck betrachtet werden. Soweit Kritiker der Regierung oder rivalisierender politischer Parteien in Bangladesch selbst gefährdet waren, gilt dies auch für ihre eventuelle Rückkehr (ÖB 12.2018).

Staatliche Repressionen nach Rückkehr wegen oppositioneller Tätigkeiten im Ausland (z.B. Demonstrationen und Presseartikel) sind nicht bekannt. Der "International Organization for Migration" (IOM) ist kein Fall bekannt, in dem eine rückgeführte Person misshandelt wurde. In einigen seltenen Fällen wurden die Rückkehrer zu einem so genannten "General Diary" gebeten. Nach IOM Angaben handelt es sich dabei um ein ca. halbstündiges Gespräch mit der Immigrationsbehörde, die die Daten des Rückkehrers aufnimmt und ihn zum Auslandsaufenthalt befragt. IOM sind bislang keine Fälle bekannt geworden, in denen dem Rückkehrer ein Nachteil entstanden ist. Besondere Vorkommnisse sind anlässlich der Durchführung der Einreisekontrollen nicht bekannt geworden (AA 27.10.2017).

IOM betreut nur Personen, die freiwillig zurückkehren und ist am Flughafen Dhaka mit einem Büro und Mitarbeitern präsent und kann im Rahmen von Betreuungs- und Integrationsvereinbarungen die Betreuung vor Ort übernehmen. Diese Hilfe umfasst die Betreuung und Begleitung anlässlich der Ankunft, soweit erforderlich die Vermittlung von Kontakten zur Familie des Rückkehrers und die Vermittlung von Kontakten zu anderen Organisationen, die weiterführende Hilfe leisten können. Ferner leistet IOM praktische Reintegrationsbetreuung und -begleitung. IOM Dhaka betreute im vergangenen Jahr abgelehnte Asylbewerber oder andere zurückgekehrte Personen u. a. aus Großbritannien, der Schweiz, Australien und Belgien. IOM bestätigt, dass in Bangladesch familiäre und verwandtschaftliche Unterstützung letztendlich für die Rückkehrer maßgeblich sind und dem Rückkehrer als Auffangnetz in einer kritischen Lebensphase dienen. Rückkehrer sind, auch ohne die oben genannten Institutionen, aufgrund der großen Familien, enger, weit verzweigter Verwandtschaftsverhältnisse und noch intakter nachbarschaftlicher bzw. dörflicher Strukturen in der Regel nicht auf sich allein gestellt (AA 27.10.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF):

Es gibt staatliche Aufnahmeeinrichtungen/Waisenhäuser für Minderjährige. Hierbei muss eine finanzielle Unterstützung für die Unterbringung, Verpflegung, Schulgeld, Kleidung etc. der Jugendlichen von dritter Seite bereitgestellt werden. Zuständig ist das "Ministry of Women and Children Affairs". Nach Auskunft der "International Organization for Migration"(IOM) können auch über die Organisation "Bangladesh National Womens Lawyers Association" (BNWLA) Aufnahmeeinrichtungen vermittelt werden (AA 27.10.2017).

Stand 2018 leben mehr als 6.000 unbegleitete oder verwaiste Kinder der Rohingya in Cox's Bazar. Sie sind von einem Mangel an Lebensmitteln und dem Risiko von Missbrauch und Ausbeutung betroffen. Die Hilfsorganisation "Save the Children" hat knapp 100 kinder- und mädchenfreundliche Orte eingerichtet, die fast 40.000 Kindern einen sicheren Ort zum Spielen, Regenerieren und für altersgemäße Aktivitäten bieten. Programme stellen Schutz, Ausbildung, Gesundheitsdienste, Nahrung und Hygiene bereit (STC 22.8.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* STC - Save the Children (22.8.2018): Alarming Number of Rohingya Children Orphaned by Brutal Violence - Save the Children Study, https://reliefweb.int/report/bangladesh/alarming-number-rohingya-children-orphaned-brutal-violence-save-children-study, Zugriff 28.2.2018

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Hinsichtlich der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF sowie zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seiner Muttersprache wird den bereits im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen des BFA gefolgt, an denen sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel ergeben haben, zumal diese Feststellungen, die auf den im Verfahren vor dem BFA getätigten eigenen Angaben des BF gründen (AS 7 ff., 156), im vorliegenden Beschwerdeschriftsatz auch nicht beanstandet wurden.

Die Identität des BF konnte - mangels Vorliegens geeigneter Identitätsnachweise - seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht festgestellt werden und der im Spruch angeführte Name und das angeführte Geburtsdatum des BF dienen lediglich zur Identifizierung des BF als Verfahrenspartei. Auch das BFA bediente sich der im Spruch angegeben Daten lediglich zur Zuordnung des BF im Administrativverfahren (vgl. AS 216) und dies wurde in der Beschwerde ebenso nicht moniert.

Die Feststellungen zur Herkunft des BF (geboren und aufgewachsen in Dhaka, AS 7, 156 f.) und seinen Auslandsaufenthalten (AS 160), seinem Aufenthalt in der Medressa (AS 156 f.), seinem Familienstand (AS 156) und seinen in Bangladesch aufhältigen Familienangehörigen (AS 158 f.) legte ebenso bereits das BFA dem angefochtenen Bescheid zu Grunde, diese decken sich mit dem vom BF im Verfahren mehrfach übereinstimmend getätigten Angaben und wurden im Beschwerdeschriftsatz nicht bestritten.

Die im Juli 2018 erfolgte illegale Einreise des BF ist aktenkundig. Dass der BF in die staatliche Grundversorgung einbezogen und er strafrechtlich unbescholten ist, geht aus einer Einsichtnahme in die österreichischen amtlichen Register (Grundversorgungs-Informationssystem, Fremdeninformationssystem, Zentrales Melderegister, Strafregister) hervor.

Dass der BF in Österreich kein Mitglied in einem Verein ist und sich während seines bisherigen Aufenthaltes nicht ehrenamtlich engagiert hat, gab dieser selbst bereits vor der Behörde zu Protokoll (AS 154). Die Bestätigung über die abgelegte Integrationsprüfung legte der BF mit Schreiben vom 15.07.2019 (I.12.) vor.

Dass der BF über private Anknüpfungspunkte in Österreich in nennenswertem Ausmaß verfügt, war seinen diesbezüglich getätigten Angaben nicht zu entnehmen (vgl. AS 154 ff.).

Auch dem Beschwerdeschriftsatz lassen sich keine darüber hinausgehenden substantiierten Ausführungen dahingehend entnehmen. Ebenso wurden im Laufe des Verfahrens auch keine weiteren Stellungnahmen abgegeben bzw. Unterlagen vorgelegt, aus denen anderes hervorgehen würde und sind die Ausführungen der belangten Behörde, wonach der BF im Bundesgebiet über keine relevanten privaten Anknüpfungspunkte verfügt (Bescheid AS 218), nicht zu beanstanden. Dass der BF am sozialen bzw. kulturellen Leben in Österreich teilnimmt, konnte mangels diesbezüglicher Angaben des BF bzw. der Vorlage von entsprechenden Unterlagen jedenfalls nicht festgestellt werden

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF gründen auf dem unter I.7. zitierten E-Mail, und mit Schreiben vom 17.06.2019 (I.11.) und vom 15.07.2019 (I.12.) vorgelegten Urkunden.

Darüber hinaus wurde im Rahmen der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine klinische Gesundheitspsychologin befragt, welche über den Gesundheitszustand des BF - nach Aufhebung der Verschwiegenheitsverpflichtung - umfassend referierte.

Diesen Beweisergebnissen ist die belangte Behörde, welche zur Verhandlung geladen worden war und nicht erschien, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

II.2.2. Im Wesentlichen kann dem Vorbringen des BF Glauben geschenkt werden. Soweit sich die Ausführungen in der Beschwerde und in dem mit Schreiben vom 17.06.2019 vorgelegten Stellungnahme von XXXX zu Afghanistan und Turkmenistan beziehen, wonach er dort als Arbeitskraft sowie sexuell ausgebeutet worden sei und er nach einer weiteren Verfrachtung seiner Person in die Türkei kam, sind sie nicht für die Beurteilung hinsichtlich des Herkunftsstaates und für das Verfahren relevant. Andererseits ist aber hinsichtlich der Ausführungen, wonach der BF Opfer von sexuell ausgebeuteten Kinderhandel in Bangladesch wurde, zu sagen, dass der zwischenzeitig BF zwar zwischenzeitig volljährig ist, aber möglicherweise von dieser Problematik weiter betroffen sein könnte. Die Einschätzung von XXXX , dass der BF im Falle einer Rückkehr wieder in die Hände von Menschenhändlern geraten könne, teilt das Bundesverwaltungsgericht durch die Einvernahme der Zeugin und deren fachlicher Expertise in Hinblick auf das in der Verhandlung angesprochene Triggern, welches eine Kettenreaktion auslösen würde.

II.2.3. Die allgemeine Lage im Herkunftsland des BF ergibt sich aus dem bereits vom BFA herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - das dem BF im Beschwerdeverfahren in der aktuellsten Fassung erneut zu Stellungnahme übermittelt wurde - und den darin angeführten Quellen. Darin wird eine Vielzahl von Berichten verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen zusammengefasst, die ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Bangladesch zeigen. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

II.3.1. Zu A) I.:

II.3.1.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist ein Flüchtling, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.).

Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 2005 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubhaftigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

So entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31). Allgemein gehaltene Behauptungen reichen jedenfalls für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH 21.09.2000, 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, 99/20/0599).

Wie der Beweiswürdigung (vgl. II.2.2.) zu entnehmen ist, ist es dem BF mit seinem Vorbringen gelungen, eine in seinem Herkunftsstaat bestehende konkrete Bedrohungssituation für seine Person glaubhaft zu machen. Es ist dem Vorbringen des BF, in Bangladesch von seinen Stiefbrüdern geschlagen und verfolgt worden zu sein, Glaube zu schenken, hat doch der eigene Vater ihn vorsichtshalber in ein Obdachlosenheim geschickt. Es ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass auf Grundlage der getroffenen Länderfeststellungen - auch wenn das politische und rechtsstaatliche System Bangladeschs nicht mitteleuropäischen Standards entspricht - in Bangladesch nicht von einer generellen Schutzunfähigkeit des Staates auszugehen ist, jedoch hat im konkreten Einzelfall dieses Schutzsystem nicht gewirkt.

Darüber hinaus ist zu sagen, dass sich das bangladeschspezifische Vorbringen des BF auf Misshandlungen nicht nur innerhalb der Familie im Kindheitsalter bezieht, sondern auch auf eine Verwahrlosung von Jugendlichen, welche am sozialen Rand der Gesellschaft leben, diese in die Hände pädophiler Menschenhändler treiben und damit vollkommen entwurzeln.

In Folge seiner psychischen Gesundheitslage kann, wie die qualifizierte Zeugin ausführte, jedoch ein Rückfall in derartige Systeme eben nicht ausgeschlossen werden und wäre eine Rückführung nach Bangladesch "unvertretbar".

Hinsichtlich der posttraumatischen Belastungsstörung, der HBV-Infektion und zu seinem Hämorrhoidenleiden ist zunächst auf das Erkenntnis des VfGH vom 06.03.2008, B 2400/07-9, zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (EGMR 02.05.1997, 30.240/96, D/United Kingdom; EGMR 06.02.2001, 44599/98, Bensaid/United Kingdom; EGMR 22.06.2004, 17868/03, Ndangoya/Sweden; EGMR 29.06.2004, 7702/04, Salkic and others/Sweden; EGMR 31.05.2005, 1383/04, Ovdienko/Finland; EGMR 29.09.2005, 17416/05, Hukic/Sweden; EGMR 07.11.2006, 4701/05, Ayegh/Sweden; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova & Alekseytsev/Sweden).

Zusammenfassend führte der VfGH aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergebe, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht habe, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet sei. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gebe. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (EGMR 02.05.1997, 30.240/96, D./United Kingdom).

In Bezug auf psychische Erkrankungen, wie zB. schweren Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) mit suizidaler Einengung, haben nachfolgende, sich ebenfalls aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergebende Überlegungen (vgl. auch VfGH 06.03.2008, B 2400/07 sowie Premiszl, migralex 2008, 54 ff., Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren" mwN auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte) für eine Art.-3-EMRK-konforme Entscheidung mit einzufließen:

Schwere psychische Erkrankungen erreichen solange nicht die erforderliche Schwere, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist. Sollte diese allerdings schon länger als ein Jahr zurückliegen und in der Zwischenzeit nichts Nennenswertes passiert sein, dürfte von keiner akuten Gefährdung mehr auszugehen sein. Die lediglich fallweise oder auch regelmäßige Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen einschließlich freiwilliger Aufenthalte in offenen Bereichen psychiatrischer Kliniken indiziert eine fehlende Gravität der Erkrankung.

Mentaler Stress, der durch eine Abschiebungsentscheidung hervorgerufen wird, rechtfertigt nicht die Abstandnahme von der Effektuierung dieser Entscheidung.

Auch wenn eine akute Suizidalität besteht, ist ein Vertragsstaat nicht dazu verpflichtet, von der Durchführung der Abschiebung Abstand zu nehmen, wenn konkrete risikominimierende Maßnahmen getroffen werden, um einen Selbstmord zu verhindern. Die Zusicherung von Garantien, welche von der die Abschiebung durchführenden Polizei zu beachten sind (zB. das Chartern eines eigenen, mit einem ärztlichen Team ausgestatteten Flugzeuges), reiche hiezu aus. Dies gilt auch für den Fall bereits mehrerer vorangegangener Suizidversuche.

Jedoch ist im vorliegenden Einzelfall zu berücksichtigen, dass der BF im Heimatland entwurzelt ist, keinerlei familiären Anschluss hat und über Jahre hinweg als Jugendlicher verwahrloste und bei einem pädophilen Menschenhändler leben musste, welcher ihn danach nach Afghanistan weiterverkaufte.

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass sein Krankheitszustand (die posttraumatische Belastungsstörung, seine HBV-Infektion und sein Hämorrhoidenleiden) ausreichend ist, um eine Rückkehr nach Bangladesch nicht in Erwägung ziehen zu können.

Zusammenschauend ergibt sich, dass für den BF bei Rückkehr nach Bangladesch die Möglichkeiten für eine den durchschnittlichen bengalischen Verhältnissen entsprechende Lebensführung nicht realistisch sind und leider konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der BF bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung und damit einer Verletzung der nach der EMRK geschützten Rechte ausgesetzt wäre.

Da somit asylrelevante Gründe vorliegen, war dem BF internationaler Schutz zu gewähren; die sonstigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides waren somit ersatzlos zu beheben.

II.3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides ausführlich wiedergegeben.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung ersatzlose Teilbehebung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Kassation Misshandlung mündliche Verhandlung psychische Erkrankung Spruchpunktbehebung Traumatisierung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W195.2215122.1.00

Im RIS seit

29.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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