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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §14 Abs1 idF 1992/448;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Dr. Johannes Jaksch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reischachstraße 3, als Masseverwalter im Konkurs der A-Gesellschaft m.b.H., gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. November 1994, Zl. GA 7 - 1392/94, betreffend Haftung gemäß § 14 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde die A-GmbH (im folgenden: Gesellschaft) gemäß § 14 BAO als Haftungspflichtiger für aushaftende Abgabenschulden der T-GmbH & Co KG (im folgenden: KG) im Betrag von S 887.236,-- (Umsatzsteuer 1990) in Anspruch genommen. Begründend wurde dargelegt, die Gesellschaft habe mit Kaufverträgen vom 16. März und 31. Mai 1989 von der KG die Liegenschaft EZ 207 KG B. mit den darauf befindlichen Baulichkeiten (Betriebsgebäuden) sowie die darauf befindlichen bzw. zum Unternehmen des Veräußerers gehörenden Maschinen und Anlagen, Fahrzeuge, Betriebs- und Büroeinrichtung sowie Vorräte erworben. Am 23. Februar 1989 habe die KG sich gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, dieser ihre Betriebsliegenschaft und ihre Betriebsmittel zu verkaufen und im Anschluß daran "ihre Firmen zu liquidieren und im Handelsregister zu löschen". Daraus folge, daß es sich bei den oben erwähnten Verträgen nicht bloß um den Verkauf bestimmter Inventargegenstände handle; vielmehr umfasse der Kaufgegenstand die tragenden Grundlagen des Gewerbebetriebes, die die Fortführung desselben gewährleisteten. Dafür spreche auch, daß der betreffende Vertrag in der Rechnung vom 12. April 1989 als "Kaufvertrag hinsichtlich des Betriebes bzw. der Betriebsgrundlage unseres Unternehmens" bezeichnet werde. Aus den Buchhaltungsunterlagen der KG folge, daß diese das Unternehmen bis Ende März 1989 geführt habe. In der Folge sei das Unternehmen ohne Unterbrechung von der Gesellschaft fortgeführt worden. Diese habe Umsätze von S 1,423.339,38 (April 1989), S 1,291.786,95 (Mai 1989), S 2,551.136,81 (Juni 1989), S 8,767.438,23 (Juli und August 1989), S 10,609.639,06 (September bis Dezember 1989), S 27,012.496,03 (1990) und S 33,498.192,-- (1991) erzielt. Die Gesellschaft sei in der Lage gewesen, das Unternehmen nach dem Erwerb ohne wesentliche Investitionen fortzuführen. Die ersten nennenswerten Investitionen seien erst 1991 erfolgt. Es genüge, daß die erworbenen Wirtschaftsgüter objektiv die Fortführung des Betriebes ermöglichten. Die Haftung werde auch nicht durch Erweiterungen, Verbesserungen und Modernisierungen des Unternehmens ausgeschlossen. Die KG habe die auf den Kaufpreis entfallende Umsatzsteuer nicht entrichtet; diese sei bei ihr infolge Vermögenslosigkeit uneinbringlich. Die durch die Unternehmensveräußerung entstehende Umsatzsteuerschuld werde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der Lehre vom Haftungstatbestand des § 14 Abs. 1 lit. a BAO erfaßt. Die belangte Behörde habe gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG § 14 BAO in der Fassung vor der mit Wirkung vom 31. Mai 1992 erfolgten Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof anzuwenden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Gesellschaft zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit seinem Beschluß vom 27. Februar 1995, B 2776/94-5, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Am 6. März 1995 wurde über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet (5 S 601/95 des Handelsgerichtes Wien). Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Masseverwalter Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der angefochtene Bescheid wurde am 29. November 1994 erlassen. Er beruht auf der Auffassung, die belangte Behörde habe gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG § 14 BAO in der - vor Aufhebung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 1991, Slg. 12.764, mit Wirkung vom 1. Juni 1992 und der Novellierung durch BGBl. 448/1992, gegebenen - Stammfassung BGBl. 194/1961, anzuwenden.
Diese Auffassung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Danach hat die Rechtsmittelbehörde bei der Heranziehung zur Haftung gemäß § 14 BAO das im Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung geltende Recht - im vorliegenden Fall also § 14 BAO idF BGBl. 448/1992 - anzuwenden (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1995, Zl. 95/14/0038, vom 24. April 1996, Zl. 94/15/0025, und vom 17. September 1997, Zl. 93/13/0050, sowie zur gleichgelagerten Problematik bei § 12 WAO das Erkenntnis vom 20. September 1996, Zl. 93/17/0261).
§ 14 Abs. 1 BAO idF BGBl. 448/1992 lautet:
"Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen übereignet, so haftet der Erwerber
a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;
b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.
Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen mußte und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt."
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung eine im Zeitpunkt ihrer Erlassung nicht mehr anwendbare Vorschrift zugrunde. Dies hatte zur Folge, daß sie auf die in § 14 Abs. 1 zweiter Satz BAO nF normierten Einschränkungen der Haftungen auf jene Abgabenschulden, die der Erwerber kannte oder kennen mußte, und auf den Wert der übernommenen Besitzposten nicht Bedacht nahm. Die Gesellschaft hat insbesondere die erstgenannte Voraussetzung im Abgabenverfahren bestritten.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Aus Gründen der Prozeßökonomie ist darauf hinzuweisen, daß die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit der Beurteilung des in Rede stehenden Vorganges als Betriebsübereignung im Sinne des § 14 Abs. 1 erster Satz BAO aufzeigt.
Übereignung des Unternehmens im ganzen bzw. Veräußerung des ganzen Betriebes liegen vor, wenn der Erwerber ein lebendes bzw. lebensfähiges Unternehmen übernimmt; dabei müssen nicht alle zum Unternehmen gehörigen Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern nur jene, die die wesentliche Grundlage des Unternehmens bilden und den Erwerber in die Lage versetzen, das Unternehmen fortzuführen. Dabei ist die Frage, welche Wirtschaftsgüter die wesentliche Grundlage des Unternehmens bilden, in funktionaler Betrachtungsweise nach dem jeweiligen Betriebstypus (z.B. ortsgebundene Tätigkeit, kundengebundene Tätigkeit, Produktionsunternehmen usw.) zu beantworten (vgl. z. B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1990, Zl. 90/14/0122, vom 16. Jänner 1991, Zl. 89/13/0169, und vom 24. April 1996, Zl. 94/15/0025).
Für produktionsgebundene Unternehmen sind das Betriebsgebäude sowie die Maschinen, Anlagen und Einrichtungen die wesentliche Grundlage (vgl. das Erkenntnis vom 20. November 1990, Zl. 90/14/0122). Gegenstand des hier in Rede stehenden Unternehmens (der KG) war unbestrittenermaßen die Produktion und Abfüllung chemisch-technischer Produkte. Entscheidend für die Beurteilung des in Rede stehenden Veräußerungsvorganges als "Übereignung" im Sinne des § 14 Abs. 1 erster Satz BAO ist somit, ob der Erwerber unter Benutzung der übernommenen Wirtschaftsgüter (Liegenschaft, Betriebsgebäude, Maschinen und Anlagen, Fahrzeuge, Betriebs- und Büroeinrichtung, Vorräte) in der Lage war, den Betrieb des Vorgängers ohne wesentliche Unterbrechung auf gleichartige Weise weiterzuführen. Diese Frage hat die belangte Behörde auf Grund des festgestellten Sachverhaltes bejaht; eine Rechtswidrigkeit dieser Beurteilung zeigt die Beschwerde nicht auf.
Diese beschränkt sich im erwähnten Zusammenhang auf den Hinweis, die Erwerberin habe nicht die gleichen Produkte erzeugt wie der Veräußerer, ihr Kundenstock sei nicht jener des Veräußerers und sie habe "zur Führung des Weiterbetriebes Investitionen von S 18 Mio aufgewendet".
Es kommt jedoch nicht darauf an, daß der Erwerber (tatsächlich) "die gleichen Produkte erzeugt" wie der Veräußerer; maßgeblich ist vielmehr, ob der Erwerber durch die Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel in die Lage versetzt wird, das Unternehmen bzw. den Betrieb fortzuführen. Der Kundenstock zählt nach dem oben Gesagten bei den produktionsgebundenen Unternehmen nicht zur wesentlichen Grundlage; es ist daher nicht von entscheidender Bedeutung, ob der Kundenstock des Veräußerers übernommen wurde.
Auch der Hinweis auf die vom Erwerber vorgenommenen Investitionen ist angesichts des von der belangten Behörde festgestellten und unbestritten gebliebenen Sachverhaltes nicht zielführend. Danach hat die Erwerberin den Betrieb des Veräußerers nach der Übernahme ohne zeitliche Unterbrechung fortgeführt und laufend bedeutende Umsätze erzielt; die in Rede stehende Investitionstätigkeit setzte erst Jahre nach der Übernahme ein. Angesichts dieses nicht bestrittenen Sachverhaltes kann mit dem Hinweis auf den Umfang der (später) vom Erwerber getätigten Investitionen keine Rechtswidrigkeit der Beurteilung aufgezeigt werden, die Gesellschaft habe jene Wirtschaftsgüter übernommen, die sie in die Lage versetzt hätten, den Betrieb des Veräußerers ohne wesentliche Unterbrechung auf gleichartige Weise fortzuführen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995150037.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
17.10.2009